EU 12 (08.01.24) Flashcards
Grundfunktionen von Integrationstheorien
1.Selektionsfunktion (Komplexitätsreduktion durch Ermittlung der für den Integrationsprozess relevanten Faktoren)
2.Ordnungsfunktion ( Differenzierung der selektierten Faktoren)
3. Erklärungsfunktion (Synthetisierung der selektierten Einzelfaktoren zu einer kohärenten Hypothese, die anhand empirischer Befunde evaluiert und interpretiert werden kann.)
4. Prognosefunktion (Extrapolationsmöglichkeit in Bezug auf den weiteren Integrationsverlauf)
Prämissen des Föderalismus
- Grundidee: Bewahrung der Vielfalt bei gleichzeitiger Sicherung der Einheit durch eine gegliederte politische Struktur, d.h. Machtaufgliederung mit vertikaler und horizontaler Gewaltenteilung gemäß dem Subsidiaritätsprinzip
- Starke normative Ausrichtung (eher eine Forderung statt Theorie)
- Entstehung einer Föderation nach dem Prinzip eines einmaligen Verfassungssprungs („Function follows form“), bzw. schrittweiser Föderalisierung
- Wichtige Theoretiker: Altiero Spinelli (1907‐1986), Carl Joachim Friedrich (1901‐1984)
- Theoretische Weiterentwicklung hin zum „Multi‐level Governance‐Ansatz“
Probleme des Föderalismus‐Konzepts
- Vorwurf der Föderalismus sei eher eine Utopie, bzw. ein politisches Programm, als eine wissenschaftliche Theorie
- Funktionalistische Kritik an den staatszentrierten Prämissen des Föderalismus
- „(…)it is not always clear whether the assertions are normative or descriptive, they are certainly not
explanatory.“ (Ernst B. Haas)
Aktuelle Verfechter des Föderalismus
Robert Menasse, Ulrike Guérot
Funktionalismus
- Hauptvertreter: David Mitrany (1888‐1975)
- Entstehungszeitraum: 1930er und 1940er Jahre
- Hintergrund: Intellektuellenbewegung, die nach Bedingungen sucht, unter denen die fortwährende menschliche Konfliktträchtigkeit eingedämmt/beseitigt werden kann
Prämissen des Funktionalismus
-Grenzüberschreitende Probleme - transnationale Lösungen
- Ziel: Dauerhafte Friedenssicherung
- Starke moralisch-normative Ausrichtung
- Integration beruht auf Ausweitung der Zusammenarbeit (engl. Ramification)
- Dabei wird zunächst in nicht kontroversen, funktionalen – oft technischen – Politikbereichen kooperiert
- Erfolg führt zu einer Ausweitung der Kooperation auch in anderen Gebieten („Sogwirkung hin zu Integration“)
- Errichtung transnationaler Institutionen und internationaler Organisationen als Instrumente kollektiver Entscheidungsfindung
(Expertise als ideologiefreier Katalysator der Integration(Politik entpolitisieren)) und dann sorgen die dafür, dass immer mehr Kompetenzen auf diese Organisationen übertragen werden, Politiker werden ersetzt durch Technokraten, Nationalstaat soll möglichst wenig entscheiden, denn das würde zu Krieg führen - Funktionalismus als demokratische Dystopie (nix kann mehr demokratisch ausgehandelt werden, sondern Bürokratie steht über allem)
Neofunktionalismus laut Hauptvertreter
Ernst B. Haas, Entstehung 1950er und 1960er
Haas‘ Ziel:
Aufdeckung von Kausalbeziehungen regionaler Integration
- Warum gibt es Integration?
- Warum bleibt Integration in anderen Gegenden / Bereichen aus?
- Wie entwickeln sich Integrationsprojekte über die Zeit?
Prämissen des Neo-Funktionalismus
Zwei Annahmen / Beobachtungen aus der sozialwissenschaftliche Theorie
(1) Funktionale Differenzierung moderner Gesellschaften
• Spezialisierung (wegen komparativer Kostenvorteile)
• Fragmentierte Wertschöpfungsketten
• Differenzierung wird mehr und mehr grenzüberschreitend
- speziellere Expertise
- Mitglieder der Gesellschaft sind immer stärker voneinander abhängig
Folge: Je individualistischer eine Gesellschaft aufgrund funktionaler Arbeitsteilung wird, desto mehr ist sie auf ihr Zusammenwirken und Funktionieren als Ganzes angewiesen.
Annahmen des Neo- Funktionalismus
Funktionale Differenzierung kommt zum Tragen:
Grenzüberschreitende Arbeitsteilung führt zu transnationalen Interdependenzen
-
Kooperationsnotwendigkeiten in der Wirtschaft
-
Annahme: Vergemeinschaftung der technischen Bereiche der Wirtschaft ist KEIN politisches Problem
Somit: Aufbau funktional notwendiger, transnationaler Institutionen möglich (Voraussetzung: positiver Frieden = mehr als Waffenstillstand)
Also: Regionale Integration startet in einem technischen, nichtpolitischen Bereich
Aber: einmal gestartet, kommt es zur Expansion der Integration -Spill‐Over Effekte
Trägergruppen des Spill-Over
Es lassen sich drei zentrale Trägergruppen von Spill‐Over Effekten identifizieren:
- Nationale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Eliten (Pressure groups)
- Supranationale Technokraten der EWG/EU
- Politische Eliten der nationalen Regierungskreise
Drei klassische Spill‐over Dimensionen nach Haas
Das Spill‐over Konzept erklärt die politikfeldspezifische Integrationsausweitung und ‐vertiefung im Zeitverlauf
- Functional Spill‐over: Integrationsausweitung ergibt sich aus sachlogischer Notwendigkeit und technischen Interdependenzen
- Political Spill‐over: Integrationsausweitung ergibt sich aus Lernprozessen der nationalen Eliten, die ihre Aktivitäten und Erwartungen auf die supranationale Ebene verlagern
- Cultivated Spill‐over: Integrationsausweitung ergibt sich aus bewusst gesteuerten Initiativen der supranationalen Gemeinschaftsinstitutionen
Der Intergouvernementalismus
Hauptvertreter Stanley Hoffmann, entsteht in 1960er Jahren
Kernthese:
- Nationalstaaten sind die zentralen Basiseinheiten der europäischen Integration.
- Die Gemeinschaftspolitik wird vor allem durch die nationalen Regierungen bestimmt
Prämissen des Intergouvernementalismus
Regierungen versuchen ihre nationalen Ziele zu erreichen
- Regionale Integration ist dabei ein Mittel, aber nicht Ziel.
Folge:
Ein Politikfeld wird integriert, wenn
- wirtschaftliche Vorteile damit verbunden sind und/oder
- wenn dadurch die nationalen Handlungsspielräume erweitert werden.
Es wird nicht integriert, wenn
- vitale nationale Interessen bedroht sind.
Annahmen Intergouvernementalismus (II)
Bei der Frage nach Integration ist zwischen zwei Politik‐Bereichen zu unterscheiden
- Low politics (z.B. Umwelt, Landwirtschaft) technokrastische, eher nichtkontroverse Bereiche
- high politics (z.B. Außenpolitik, Verteidigung)
Bereiche, in denen nationale Souveränität direkt betroffen ist - Spill-over Prozesse sind nur in Teilbereichen der low-politics bedeutsam.
- Sie stehen immer im Schatten intergouvernementaler Verhandlungen.
- Es gibt kein automatisches Übergreifen vom technokratischen Bereich in den politischen Bereich
Kritik am Intergouvernementalismus
- Unterschätzt die Rolle der weltpolitischen Einflüsse auf die europäische Integration.
- Soziale, kulturelle, politisch‐normative Unterschiede zwischen den europäischen Nationalstaaten werden überschätzt. (die meisten Interessen sind ähnlich)
- Da internationale Beziehungen einen Prinzipiell ungerichteten/ Offenen, wandlungsfähigen Prozess darstellen, sind zeitlose/ allgemeine Gesetze und Regelmäßigkeiten /Generalisierbarkeiten nicht formulierbar.