3. Modelle und Theorien des Gesundheitsverhaltens Flashcards
Grundannahmen kontinuierlicher Modelle (Heuse & Knoll, 2018)
- Ziel: Relevante Faktoren für Verhaltensänderungen identifizieren
- Annahme in kontinuierlichen Modellen: Steigende Ausprägung eines relevanten Faktors erhöht Wahrscheinlichkeit für Verhaltens- ausübung
- Weitere Annahme: Alle Individuen profitieren von den gleichen Maßnahmen zur Prävention oder Intervention („one size fits all interventions“, Weinstein et al., 1998, zitiert nach Heuse & Knoll, 2018, S. 244)
- Beispiel für ein Modell dieser Art: Health Belief Model (Rosenstock, 1974)
Grundannahmen von Stadienmodellen (Heuse & Knoll, 2018)
- Annahme: Verhaltensänderungen als Prozess mit qualitativ unterschiedlichen Phasen (sogenannten „Stadien“)
- Maßnahmen können danach nicht für alle Personen hilfreich sein
- Annahme: Maßnahmen zur Prävention oder Intervention müssen an jeweilige Stadienzugehörigkeit angepasst werden (sogenannte „tailored interventions“ oder „maßgeschneiderte Interventionen“, Weinstein et al., 1998, zitiert nach Heuse & Knoll, 2018, S. 248)
- Beispiel für ein Modell dieser Art: Transtheoretisches Modell (Prochaska & DiClemente, 1983)
Grundannahmen von Hybridmodellen (Heuse & Knoll, 2018)
- Annahme: Beide Ansätze (kontinuierlicher Verlauf und verschiedene Stadien) werden in einem Modell kombiniert
- Beispiel für ein Modell dieser Art: Health Action Process Approach (HAPA, Schwarzer, 2008)
Grundannahmen von Hybridmodellen (Heuse & Knoll, 2018)
- Annahme: Beide Ansätze (kontinuierlicher Verlauf und verschiedene Stadien) werden in einem Modell kombiniert
- Beispiel für ein Modell dieser Art: Health Action Process Approach (HAPA, Schwarzer, 2008)
Health Belief Model (Rosenstock, 1974)
- Ursprung der Modelle des Gesundheitsverhaltens (Heuse & Knoll, 2018)
- Deutsche Bezeichnung: Modell gesundheitlicher Überzeugungen
- Zugrundliegende Vermutung: Entscheidend für Gesundheits- verhalten sind zentrale Einstellungen bzw. „gesundheitliche Überzeugungen“ („health beliefs“, Faltermaier, 2017)
- Zentrale Aspekte: Wahrgenommene Gesundheitsbedrohung und Kosten-Nutzen-Überlegungen
Vorstellung Health Belief Model (Faltermaier, 2017)
- Zwei Komponenten für Überzeugung einer wahrgenommenen Gesundheitsbedrohung (Risikowahrnehmung) entscheidend
- (1) Persönliche Verwundbarkeit (Vulnerabilität)
- (2) Schweregrad einer Krankheit bzw. deren Konsequenzen
- Nur bei hohen Ausprägungen auf beiden Merkmalen ist Verhaltensänderung zu erwarten
Health Belief Model (Abbildung aus Heuse & Knoll, 2018)
Vorstellung Health Belief Model (Faltermaier, 2017)
- Weitere Überzeugung betrifft Effektivität der Maßnahmen (Wirksamkeit) bzw. Kosten-Nutzen-Überlegungen (Brinkmann, 2014)
- Subjektiver Nutzen einer Verhaltensänderung (z.B. Verbesserung der Gesundheit)
- Kosten einer Verhaltensänderung (z.B. persönliche Anstrengung, Verringerung von Sozialkontakten)
- Handlung erfolgt nur, wenn subjektiver Nutzen wahrgenommene Kosten übersteigt
- Hinweisreize („cues to action“) können bei wahrgenommener Gesundheitsbedrohung und Wirksamkeit dazu führen, dass Gesundheitsverhalten ausgelöst wird
- Faktoren wie Bildungsstand oder Persönlichkeitseigenschaften können Gesundheitswahrnehmung beeinflussen
Vorstellung Health Belief Model (Faltermaier, 2017)
- Weitere Überzeugung betrifft Effektivität der Maßnahmen (Wirksamkeit) bzw. Kosten-Nutzen-Überlegungen (Brinkmann, 2014)
- Subjektiver Nutzen einer Verhaltensänderung (z.B. Verbesserung der Gesundheit)
- Kosten einer Verhaltensänderung (z.B. persönliche Anstrengung, Verringerung von Sozialkontakten)
- Handlung erfolgt nur, wenn subjektiver Nutzen wahrgenommene Kosten übersteigt
- Hinweisreize („cues to action“) können bei wahrgenommener Gesundheitsbedrohung und Wirksamkeit dazu führen, dass Gesundheitsverhalten ausgelöst wird
- Faktoren wie Bildungsstand oder Persönlichkeitseigenschaften können Gesundheitswahrnehmung beeinflussen
Interventionen nach dem Health Belief Model (Heuse & Knoll, 2018)
- Zentrale Grundlage für sogenannte „Furchtappelle“
- Furchtappelle steigern wahrgenommene Gesundheitsbedrohung (z.B. Bilder auf Zigarettenschachteln, Schilder an der Autobahn)
- „Reine“ Furchtappelle sind nach empirischen Befunden wenig wirksam
- Zur Steigerung der Effektivität von Furchtappellen sollten ergänzend Kompetenzinformationen vermittelt werden
Kritik am Health Belief Model (Heuse & Knoll, 2018)
- Nach Metaanalyse von Carpenter (2010) nur geringe Zusammenhänge der zentralen Faktoren des Health Belief Models mit Gesundheitsverhalten
- Zentrale Variablen (die in anderen Modellen des Gesundheitsverhaltens enthalten sind) fehlen im Health Belief Model, beispielsweise Intention zur Verhaltensänderung
- Health Belief Model postuliert rein rationales Verhalten, das Emotionen bei Gesundheitsverhalten keine Rolle spielen ist zweifelhaft (Faltermaier, 2017)
Theory of Planned Behavior (Ajzen, 1985)
- Deutsche Bezeichnung: Theorie des geplanten Verhaltens
- Wichtigster Prädiktor des Verhaltens nach dieser Theorie Intention (Absicht ein Gesundheitsverhalten zu zeigen)
- Bildung einer Intention wird durch drei Faktoren begünstigt
- (1) Einstellungen
- (2) Subjektive Normen
- (3) Wahrgenommene Verhaltenskontrolle
Theory of Planned Behavior (Abbildung aus Heuse & Knoll, 2018)
Theory of Planned Behavior (Abbildung aus Heuse & Knoll, 2018)
Vorstellung Theory of Planned Behavior (Heuse & Knoll, 2018)
- Einstellungen sind Attribute die dem Verhalten oder der Verhaltensausübung zugeschrieben (z.B. positiv)
- Subjektive Normen sind selbst wahrgenommene Erwartungen anderer Menschen (Berücksichtigung sozialer Einflüsse; Knoll, Scholz & Rieckmann, 2017)
- Wahrgenommene Verhaltenskontrolle umfasst sowohl eigene Kompetenzen als auch externe Einflüsse (z.B. Verfügbarkeit von Trainingsgruppen)
- Intention umso stärker je höher alle drei Faktoren ausgeprägt sind
- Ausreichende tatsächliche Verhaltenskontrolle ermöglicht eine Umsetzung der Intention in Verhalten
Vorstellung Theory of Planned Behavior (Heuse & Knoll, 2018)
- Einstellungen sind Attribute die dem Verhalten oder der Verhaltensausübung zugeschrieben (z.B. positiv)
- Subjektive Normen sind selbst wahrgenommene Erwartungen anderer Menschen (Berücksichtigung sozialer Einflüsse; Knoll, Scholz & Rieckmann, 2017)
- Wahrgenommene Verhaltenskontrolle umfasst sowohl eigene Kompetenzen als auch externe Einflüsse (z.B. Verfügbarkeit von Trainingsgruppen)
- Intention umso stärker je höher alle drei Faktoren ausgeprägt sind
- Ausreichende tatsächliche Verhaltenskontrolle ermöglicht eine Umsetzung der Intention in Verhalten
Interventionen nach der Theory of Planned Behavior
-Theory of Planned Behavior guter Ansatz zur Erklärung und Beschreibung von Gesundheitsverhalten (Brinkmann, 2021)
-Bietet allerdings wenig Ansatzpunkte zur Entwicklung konkreter Interventionen (Brinkmann, 2021)
- Praktische Fragen unbeantwortet (Brinkmann, 2021):
Wie wird ein Mensch zu positivem Gesundheitsverhalten motiviert? Wie kommt man zu einer positiven Einstellung, einer entsprechend ausgeprägten subjektiven Norm und einer wirkungsvollen Handlungskontrolle?
Kritik an der Theory of Planned Behavior (Brinkmann, 2021)
- Die drei Faktoren (Einstellungen, Subjektive Normen, wahrgenommene Verhaltenskontrolle) der Theory of Planned Behavior sagen Intention relativ gut vorher [Varianzaufklärung nach Conner und Sparks (2005) von 40 bis 50%; zitiert nach Brinkmann, 2021, S. 75]
- Gesundheitsverhalten wird durch Intention allerdings bestenfalls zufriedenstellend vorhergesagt (sog. „Intentions-Verhaltens-Lücke“)
- Wichtige Variablen fehlen in Theory of Planned Behavior (beispielsweise Selbstwirksamkeit)
Intentions-Verhaltens-Lücke (Brinkmann, 2021)
- Intentionen werden im realen Leben häufig nicht in tatsächliches Verhalten umgesetzt
- In Gesundheitspsychologie wird von „Intentions-Verhaltens-Lücke“ gesprochen
- Definition: „Mit Intentions-Verhaltens-Lücke wird das Auseinander- klaffen von Intention und Verhaltensausführung verstanden“ (Brinkmann, 2021, S. 89).
- Zentraler Kritikpunkt auch bei ersten vorgestellten Modellen des Gesundheitsverhaltens
Transtheoretisches Modell (Prochaska & DiClemente, 1983)
- Ursprung in der Suchtbehandlung (Raucherentwöhnung)
- Inzwischen Anwendung auf verschiedenstes Gesundheitsverhalten
- Annahme: Personen verändern ihr Verhalten in verschiedenen Schritten oder Stufen bzw. Stadien
- Transtheoretisches Modell ist das am häufigsten angewandte Stadienmodell (Knoll et al., 2017)
Vorstellung Transtheoretisches Modell (Brinkmann, 2021)
- Kernkonstrukt: Sechs Stufen der Veränderung („stages of change“)
- Für Verhaltensänderung müssen jeweils diese sechs qualitativ unterschiedlichen Stufen (Stadien) durchlaufen werden (die Verhaltensänderung verläuft demnach nicht mehr kontinuierlich)
- Erfolgreiche Verhaltensänderung hängt vom Durchlaufen aller Stadien ab
Abbildung 3: Transtheoretisches Modell (Prochaska & DiClemente,1983)
Abbildung 3: Transtheoretisches Modell (Prochaska & DiClemente,1983)
Vorstellung Transtheoretisches Modell (Faltermaier, 2017)
- Stufe 1: Sorglosigkeit („pre-contemplation“ oder Präkontemplation): Besteht keine Absicht, Verhalten (in den nächsten sechs Monaten) zu verändern
- Stufe 2: Bewusstwerden („contemplation“ oder Kontemplation): Wird erwogen, Verhalten (innerhalb der nächsten sechs Monate) zu verändern, eine konkrete Absicht besteht aber noch nicht
- Stufe 3: Vorbereitung („preparation“): Wird ernsthaft an eine Veränderung des Verhaltens (innerhalb der nächsten 30 Tage) gedacht, Person hat jetzt die feste Absicht dazu
- Stufe 4: Handlung („action“): Zielverhalten (z.B. Abstinenz) wird seit kurzem gezeigt und über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten aufrechterhalten
- Stufe 5: Aufrechterhaltung („maintenance“): Zielverhalten wird aufrechthalten und zwar seit länger als sechs Monaten
- Stufe 6: Stabilisierung („termination“ oder Termination): Aufrechterhaltung des Zielverhaltens hat sich stabilisiert und automatisiert, es besteht keine Versuchung oder Rückfallgefahr mehr
Transtheoretisches Modell (Abbildung aus Heuse & Knoll, 2018)
Transtheoretisches Modell (Abbildung aus Heuse & Knoll, 2018)
Vorstellung Transtheoretisches Modell (Faltermaier, 2017)
-Rückfälle in frühere Stadien im Verlauf sind möglich
- Werden als normale Schwierigkeiten im Veränderungsprozess gesehen
-Wichtig für Wechsel zwischen den Stadien:
- (1) Abwägen von Pros und Contras eines Problemverhaltens (sog.
Entscheidungsbalance)
-(2) Selbstwirksamkeitserwartung
-(3) Weitere kognitive und affektive Prozesse (subjektive Bewertungen, emotionale Bedeutungen, etc.)
Interventionen nach dem Transtheoretischen Modell
- Modell im medizinischen Kontext weit verbreitet (Heuse & Knoll, 2018)
- Sehr beliebt bei Praktikern („Patienten dort abholen, wo sie stehen“, Brinkmann, 2021)
- Nach Feststellung des Stadiums, in dem sich Patient befindet, kann Intervention jeweils angepasst werden („tailored interventions“)
- In der Raucherentwöhnung Standardmodell für Planung von Interventionen (Brinkmann, 2021)
Kritik am Transtheoretischen Modell (Brinkmann, 2021)
- Transtheoretisches Modell bewährt in der Raucherentwöhnung, zum Teil widersprüchliche empirische Befunde für anderes Gesundheitsverhalten
- „Zeitkriterien“ im Modell sehr umstritten (Heuse & Knoll, 2018)
- Über Stufen linearer Anstieg der Selbstwirksamkeit empirisch belegt, spricht nach Schwarzer (2004) eher für kontinuierlichen Verlauf als für abgrenzbare Stufen
- Bestätigung für transtheoretisches Modell vor allem in Querschnittsstudien (Längsschnittstudien dazu fehlen weitgehend)
Health Action Process Approach (HAPA, Schwarzer, 2008)
- Im Folgenden als HAPA-Modell bezeichnet
- Deutsche Bezeichnung: Sozial-kognitives Prozessmodell gesundheitlichen Handelns
- Kann sowohl den kontinuierlichen Modellen als auch den Stadienmodellen zugeordnet werden (Knoll et al., 2017)
Vorstellung HAPA-Modell (Brinkmann, 2021)
Im HAPA-Modell werden drei übergeordnete Phasen unterschieden
(1) Motivationale Phase (Bildung der Intention)
(2) Volitionale Phase (willentliche Umsetzung der Intention)
(3) Disengagement („Zielentbindung“)
Volitionale Phase lässt sich noch weiter untergliedern:
(A) Postintentional-präaktionalePhase(nach Intention, vor Handlung)
(B) Postintentional-aktionale Phase (Handlung wird ausgeführt)
(C) Postintentionale-postaktionale Phase (oder Disengagement)
HAPA-Modell (Abbildung aus Heuse & Knoll, 2018)
Vorstellung HAPA-Modell (Brinkmann, 2021)
Für die Bildung einer Intention sind drei Faktoren relevant:
(1) Handlungs-Selbstwirksamkeitserwartung (bzw. Kompetenz- erwartung)
(2) Handlungsergebniserwartung (Konsequenzerwartung)
(3) Risikowahrnehmung (wahrgenommene Verwundbarkeit durch eine gesundheitliche Gefahr und deren Schweregrad)
- Zentrales neues Element im HAPA-Modell ist Planung des Verhaltens (unterschieden wird zwischen Handlungs- und Bewältigungsplanung)
- Durch das Element der Planung wird Intentions-Verhaltens-Lücke überbrückt (fehlte vorher regelhaft in den Modellen)
- Danach folgt das Verhalten im HAPA-Modell
- Verhalten wird beibehalten durch Aufrechterhaltungsselbst- wirksamkeitserwartung
- Wird das Verhalten unterbrochen, hilft Wiederherstellungsselbst- wirksamkeitserwartung bei erneuter Initiierung
- Barrieren und Ressourcen (z.B. hemmende und unterstützende Umwelteinflüsse) sind ebenfalls im Modell berücksichtigt
Interventionen nach dem HAPA-Modell (Brinkmann, 2021)
- Nach dem HAPA-Modell sind stufenspezifische Interventionen möglich in Abhängigkeit vom jeweiligen „Stadium“
- Vor Bildung der Intention beispielsweise Risikokommunikation oder Stärkung der Selbstwirksamkeit
- Wenn Intention gebildet, besser Unterstützung bei Planung oder Handlungskontrolle
Kritik am HAPA-Modell (Brinkmann, 2021)
- Alle Bestandteile des Modells wurden nie zusammen empirisch überprüft
- Zusammenspiel der verschiedene Aspekte ungenügend untersucht
- Vielzahl von Einzeluntersuchungen zu unterschiedlichem Gesundheitsverhalten liegen vor, Metaanalysen zum HAPA-Modell wären wünschenswert (Heuse & Knoll, 2018)
Kritik an sämtlichen vorgestellten Modellen
-Modelle setzen alle „rational handelnden Menschen“ voraus
-Verhalten wird allerdings eindeutig auch durch Emotionen
beeinflusst
-„Subjektiv positive erlebte Aspekte“ von Risikoverhaltensweisen werden ebenfalls nicht ausreichend berücksichtigt