11. Krankheitserleben und Umgang mit Krankheiten Flashcards
Sicht auf Krankheit (Faltermaier, 2017)
Relevante Unterscheidung: Professionelle Sicht auf Krankheit versus Sicht der Betroffenen
Professionelle Sicht auf Krankheit:
Auftretende Symptome
(Reliable) Diagnostik
Behandlung des Krankheitsbildes oder der Symptome
Subjektive Sicht der Betroffenen auf Krankheit:
Wahrnehmung körperlicher Veränderungen (eventuell von körperlichen Beschwerden)
Möglicherweise Auftreten von (beunruhigenden) Schmerzen
Beeinträchtigungen bei Alltagsaktivitäten
Ggf. Ratlosigkeit
Sorgen über weiteren Verlauf der Krankheit
Subjektive Sicht auf Krankheit unterscheidet sich deutlich von Expertensicht
In englischer Sprache unterschiedliche Begriffe dafür
Krankheit als medizinisch-wissenschaftliches Phänomen: „disease“ Bezeichnung für subjektives Erleben von Krankheit: „illness“
Mehrere relevante Bereiche werden unterschieden:
Kognitive Aspekte (z.B. subjektive Krankheitstheorien zu Ursachen)
Emotionale Aspekte (z.B. Belastungen, Bedrohungen, Ängste)
Krankheitsverhalten (z.B. Adhärenz bei der Behandlung)
Bedeutung von Krankheit als (kritisches) Lebensereignis
Soziale Aspekte von Krankheit (z.B. Reaktionen des sozialen Umfeldes)
Krankheit als Prozess (Faltermaier, 2017)
Gesundheitsforschung lange Zeit auf Patienten beschränkt
Damit Fokus auf kranke Menschen, die im Versorgungssystem aufgetaucht sind
Gruppe der Patienten aber nicht deckungsgleich mit kranken Menschen (Herschbach, 1995)
Viele Menschen haben Beschwerden oder sind nach medizinischen Kriterien krank, begeben sich aber nicht in Behandlung oder Personen begeben sich in Behandlung sind aber nicht krank
Krankheit beginnt dementsprechend nicht erst mit Diagnose im
professionellen Behandlungssystem
Krankheit als Prozess (Faltermaier, 2017)
Gesundheitsforschung lange Zeit auf Patienten beschränkt
Damit Fokus auf kranke Menschen, die im Versorgungssystem aufgetaucht sind
Gruppe der Patienten aber nicht deckungsgleich mit kranken Menschen (Herschbach, 1995)
Viele Menschen haben Beschwerden oder sind nach medizinischen Kriterien krank, begeben sich aber nicht in Behandlung oder Personen begeben sich in Behandlung sind aber nicht krank
Krankheit beginnt dementsprechend nicht erst mit Diagnose im
professionellen Behandlungssystem
Folgende Phasen können im Krankheitsprozess unterschieden werden:
(1) Wahrnehmung von körperlichen Beschwerden (wahrgenommene Abweichungen vom Normalzustand, meist mit aversiver Qualität)
(2) Stellen einer „Laiendiagnose“ der Erkrankung
(3) Oft zuerst Selbstbehandlung und Hilfesuchen im „Laiengesund-
heitssystem“ (Krankheitsverhalten)
(4) Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe, Stellen einer medizinischen
Diagnose, Krankenrolle
(5) Professionelle Behandlung des Kranken und Mitarbeit des
Patienten (Heim & Willi, 1986)
Wahrnehmung von körperlichen Beschwerden (Faltermaier, 2017)
Gefördert durch selektive Aufmerksamkeit
Strukturierung durch „spezifische Krankheitsschemata“
Soziale Vergleiche und Informationen werden genutzt (zur Einschätzung der Bedeutsamkeit)
Kontextabhängigkeit
Kulturelle Unterschiede in der Körperwahrnehmung (z.B. in Empfindung und Ausdruck von Schmerzen, Radley, 1994)
Subjektive Aufmerksamkeit und Handeln nach Lang und Faller (1998) vor allem bei:
Schmerzen
Deutlicher Sichtbarkeit und Auffälligkeit (z.B. Hautveränderungen) Dauerhaftem Auftreten
Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens
Bei Hindeuten auf bedrohliche Ursache
Stellen einer Laiendiagnose (Faltermaier, 2017)
Menschen haben in der Regel gut strukturierte und stabile kognitive Repräsentationen von weit verbreiteten Krankheitsbildern (z.B. Grippe, Heuschnupfen, Herzinfarkt, Lungenentzündung und Schlaganfall) und den damit verbundenen Symptomen
Derartige „Prototypen“ von Erkrankungen werden mit aktuell vorhandenen Symptomen abgeglichen
Auf dieser Basis erfolgt Stellung der Laiendiagnose (relevant: Tendenz dazu „Beschwerden als normal zu interpretieren“)
Daraufhin Einschätzung, ob professionelle Hilfe in Anspruch genommen wird
Krankheitsverhalten (Faltermaier, 2017)
Meist zuerst Bearbeitung innerhalb des Laiengesundheitssystems:
Oft Einholung weiterer Informationen (zur Absicherung der eigenen gestellten Laiendiagnose)
Suche nach Hilfe in sozialer Umgebung
Maßnahmen zur Selbstbehandlung (z.B. Selbstmedikation)
Nach empirisch basierten Schätzungen Behandlung von bis zu 80% der Krankheitsepisoden im Laiengesundheitssystem (Levin & Idler, 1981)
Inanspruchnahme professioneller Hilfe (Faltermaier, 2017)
Basiert auf Entscheidung, dass Hilfe von Experten notwendig ist (Laiengesundheitssystem nicht ausreichend)
Relevante Faktoren für Inanspruchnahme professioneller Hilfe:
Subjektiv wahrgenommene Bedrohung durch Erkrankung
Erlebte Behinderung in Erfüllung sozialer Rollen und alltäglicher
Aufgaben
Verfügbarkeit von professionellen Versorgungsangeboten
Soziodemographische Merkmale (Frauen, ältere Menschen, Alleinstehende und Menschen mit höherem sozialen Status nehmen
öfter professionelle Hilfe in Anspruch)
Diagnosestellung durch Experten beendet subjektive Unsicherheit
Macht Gesundheitsproblem „öffentlich“
„Kranksein“ bedeutet abweichendes Verhalten gegenüber der Normalität („Gesundsein“)
Erkrankter Person wird „Krankenrolle“ zugeschrieben
Sichtbar als „Krankschreibung“ (legitimiert vorübergehende Unterbrechung der Erwerbsarbeit)
Krankenrolle nach Parson (1958) definiert durch:
Kranker kann für mit Krankheit verbundener Unfähigkeit, seine sozialen Rollen zu erfüllen, nicht verantwortlich gemacht werden
Diagnose einer Krankheit legitimiert Befreiung des Kranken von seinen normalen Aufgaben und Rollenverpflichtungen
Kranker bemüht sich um eine möglichst schnelle Gesundung
Kranker hat folglich die Pflicht, kompetente Hilfe aufzusuchen und mitzuarbeiten um eine Heilung zu erreichen
Professionelle Behandlung des Kranken (Faltermaier, 2017)
Professionelle Helfer erwarten üblicherweise Akzeptanz der eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen durch Patienten
Aktive Mitarbeit und Umsetzung wird ebenfalls erwartet
Adhärenz dabei subjektive Entscheidung des Patienten
Zentral dafür ist Arzt-Patienten- bzw. Therapeuten-Patienten- Beziehung
Wichtige Basis für diese Beziehungen: Kommunikation durch und Vertrauen in professionellen Behandler
Definition (Faltermaier, 2017)
„Subjektive Krankheitstheorien
„Subjektive Krankheitstheorien beziehen sich in der Regel jeweils auf spezifische Krankheiten und enthalten Vorstellungen über das Krankheitsbild, über ihre Ursachen und Konsequenzen, ihren zeitlichen Verlauf sowie über ihre Behandlungsmöglichkeiten“ (Faltermaier, 2017, S. 223/224)
Hintergrund (Faltermaier, 2017) SK
Neben der beschriebenen Selbstdiagnose (Laiendiagnose), gibt es zusätzlich in der Regel eine subjektive Krankheitstheorie
Subjektive Krankheitstheorie kann als „kausale Attribution“ verstanden werden und dient als Erklärungsansatz für erlebte Erkrankung
Auch gesunde Menschen haben subjektive Krankheitstheorien über bekannte und verbreitete Krankheiten (wie Infektionserkrankungen oder Herzinfarkt, Jacob, 2013)
Größere Relevanz haben subjektive Krankheitstheorien allerdings bei auftretenden Erkrankungen
Mentale Krankheitsrepräsentation (Faltermaier, 2017)
Unterschieden werden nach Leventhal und Diefenbach (1991) fünf Aspekte mentaler Krankheitsrepräsentation:
Gedankliche Verbindung von Symptomen zu einem Krankheitsbild
Annahmen über Krankheitsursachen
Erwartungen über Dauer und zeitlichen Verlauf einer Erkrankung
Erwartungen über unmittelbare und langfristige Folgen einer Erkrankung
Annahmen über Behandlungsmöglichkeiten einer Erkrankung
Empirische Befunde (Faltermaier, 2017)
Empirisch untersucht wurden subjektive Krankheitstheorien bislang vor allem für schwere und chronische Erkrankungen
Betroffene sehen Ursachen dieser Erkrankungen überwiegend in psychosozialen Faktoren, riskanten Lebensgewohnheiten und Umweltfaktoren
Subjektive Krankheitstheorien unterschiedlich für verschiedene Krankheitsbilder, bestimmte Ursachen (z.B. Stress im Alltag) werden aber konsistent berichtet
Betroffene attribuieren ihre Erkrankung generell mehr auf externale als auf internale Ursachen (Faller, 1998)