21 Schmerztherapie Flashcards

1
Q

Können Sie mir einige Grundlagen der Schmerztherapie erläutern? Nach welchen Kriterien werden Schmerzen eingeteilt?

A

Man unterscheidet akute und chronische Schmerzen. Je nach Art der schmerzauslösenden Faktoren trennt man postoperative oder posttraumatische akute Schmerzen von Tumorschmerzen und chronischen nicht tumorbedingten Schmerzen.
Man kennt je nach Schmerzentstehungsort und -mechanismus:
• Weichteilschmerzen (z.B. Muskelschmerzen bei Fibromyalgie oder bei rheumatoider Arthritis)
• Knochenschmerzen (z.B. bei einer Fraktur oder bei degenerativen Erkrankungen)
• viszerale Schmerzen (z.B. nach einer Laparotomie, bei Gastroenteritis, Nierenkoliken)
• neuropathische Schmerzen (z.B. Phantomschmerzen nach Amputation, Zosterneuralgie, Trigeminusneuralgie)
Alle Schmerzzustände werden zu einem hohen Prozentsatz durch psychische Faktoren teils positiv, teils negativ beeinflusst.

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2
Q

Ein 54-jähriger Patient kommt mit den typischen Symptomen einer akuten Nierenkolik in die Klinik.
Er windet sich vor Schmerzen.
Was tun Sie?

A

Bei akuten schweren Schmerzzuständen müssen Analgetika intravenös appliziert werden, um einen schnellen Wirkungseintritt zu erzielen. Meist werden zwei peripher wirksame Analgetika in Kombination mit einem Opiat eingesetzt. Dabei hat sich bei kolikartigen Schmerzen unter den peripheren Analgetika vor allem Metamizol (Novalgin®) wegen seiner spasmolytischen Wirkung bewährt. Als Einzeldosis appliziert man 1–2,5 g (maximal 5 g/d) per Kurzinfusion. Bei Weichteil- und Knochenschmerzen haben sich vor allem NSAID (z. B. Voltaren® 3 × 50 mg/d) bewährt. Kombiniert werden Metamizol oder NSAID meist mit Paracetamol (4 × 1 g/d). Bei den Opiaten kann man zwischen mittelstarken (Tramadol, Tilidin, Codein) und starken Opiaten (z. B. Morphin, Piritramid, Pethidin) wählen. Pethidin zeigt dabei die geringsten Auswirkungen auf die Sphinkteren im Harn- und Gastrointestinaltrakt und ist deshalb insbesondere indiziert bei kolikartigen Schmerzen (z. B. bei Nieren- und Gallenblasenkoliken). Spasmolytika wie Butylscopolamin (Buscopan®) senken den Sphinktertonus und wirken sich bei kolikartigen Schmerzen positiv auf den Schmerz aus. Sie sind aber im eigentlichen Sinne keine Analgetika. Butylscopolamin ist ein Parasympathikolytikum. Entsprechend treten Nebenwirkungen wie Tachykardien, Hautrötung, Mundtrockenheit, verminderte Schweißsekretion und Völlegefühl auf.
Merke: Paracetamol ist aktuell ein heiß diskutiertes Diskussionsthema, da es in Einzelfällen auch bei empfohlener Dosierung zu einem akuten Leberversagen führen kann. Es besitzt zudem nur eine geringe analgetische Potenz.

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Q

Metamizol wird von vielen Ärzten sehr zurückhaltend eingesetzt. Empfinden Sie dies als gerechtfertigt?

A

Eine vorsichtige Haltung gegenüber Metamizol ist nicht ganz unbegründet, da bekannt ist, dass es zu schweren Agranulozytosen führen kann. Diese Komplikation ist sehr selten, kann aber im Extremfall tödlich enden. Wenn der Verdacht besteht, dass es zu einer Agranulozytose kommt, muss das Medikament sofort abgesetzt werden. Die charakteristischen Blutbildveränderungen sind bei rechtzeitiger Diagnose reversibel.
Kontraindikationen für den Einsatz von Metamizol sind:
• akute hepatische Porphyrien
• Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel
• Allergien
• Schwangerschaft (v. a. im ersten Trimenon)
Metamizol ist ein hochpotentes peripheres Analgetikum, das vor allem in der postoperativen und Tumorschmerztherapie eingesetzt wird. Es wirkt besonders gut bei viszeralen Schmerzen, da es eine krampflösende Wirkkomponente hat. Weiterhin ist von Vorteil, dass es in Form von Tropfen gegeben werden kann. Patienten mit Schluckbeschwerden (z. B. HNO-Tumorpatienten) profitieren hiervon sehr. Vor Kurzem hat man entdeckt, dass Metamizol neben seiner Wirkung an den peripheren Schmerzrezeptoren auch eine zentralnervöse Wirkung besitzt.
Merke: Spritzt man Metamizol unverdünnt i. v., wird die Infusionsvene geschädigt und der Blutdruck kann rapide abfallen.

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4
Q

Warum ist Ihrer Meinung nach eine suffiziente Schmerztherapie entscheidend für einen problemlosen postoperativen Verlauf?

A

Der Patient ist intra- und perioperativ extremen Stressfaktoren ausgesetzt, was zu einem erhöhten Sympathikotonus führt. Schmerzen verstärken diesen Sympathikotonus. Dies führt zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch des Organismus und steigert zudem den postoperativen Katabolismus. Eine schmerzbedingte Schonatmung (v. a. nach Oberbauch- und pulmonalen Eingriffen) begünstigt eine Minderbelüftung der Lunge. Dies fördert die Entwicklung von Atelektasen, Pneumonien, einem erhöhten intrapulmonalen Rechts-links-Shunt und Hypoxie. Eine suffiziente Schmerztherapie wirkt dem entgegen. Schmerztherapie kann rückenmarksnah über einen Periduralkatheter, regional über einen Katheter im Bereich von Nervengeflechten oder im Bereich der OP-Wunde oder systemisch durch die Gabe von peripheren und zentral wirksamen Analgetika erfolgen. Eine Kombination von systemischer und regionaler bzw. rückenmarksnaher Analgesie ist sinnvoll.

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5
Q

Sie erwähnten den Periduralkatheter für die postoperative Schmerztherapie. Welche Vorteile erwarten Sie für den Patienten vor allem nach größeren intraabdominellen Eingriffen?

A

Der Periduralkatheter (PDK) ist bei ausgedehnten Bauchoperationen die beste und suffizienteste Schmerztherapie. Die Schmerzen werden sowohl im Ruhezustand als auch bei Bewegung, Atmung und Husten gut supprimiert. Opiate, die die meisten Patienten stattdessen benötigen, reduzieren die Peristaltik. Dies ist nach Bauchoperationen, bei denen postoperativ mit einer reflektorischen Darmparalyse zu rechnen ist, kontraproduktiv. Demgegenüber stehen die Vorteile des thorakalen Periduralkatheters wie:
• suffiziente Schmerztherapie
• verbesserte Peristaltik
• Perfusionssteigerung im Truncus coeliacus (→ bessere Durchblutung des Darms, bessere Wundheilung vor allem im Bereich von Anastomosen)
• vermindertes Thromboserisiko durch verbesserte Perfusion (→ weniger Embolien)
• verbesserte Atmung (Schonatmung unterbleibt → weniger Pneumonien und Atelektasen)
Die thorakale Periduralanästhesie (PDA) ist aus diesem Grund ein wesentlicher Bestandteil der „Fast-Track-Chirurgie“.

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6
Q

Kennen Sie auch Nachteile einer Periduralanästhesie?

A

Die Sympathikolyse durch die PDA verursacht neben einer Anregung der Darmmotilität eine Gefäßdilatation im betäubten Areal. Dadurch kommt es zu mehr oder weniger stark ausgeprägten Hypotonien. Die Patienten benötigen regelmäßig postoperativ eine größere Flüssigkeitszufuhr oder Katecholamine. Wichtig bei jedem rückenmarksnahen Anästhesieverfahren sind eine sterile, vorsichtige und geübte Anlage des Katheters und eine engmaschige Nachbetreuung. Dabei interessieren vor allem:
• Schmerzscore (0–10 gemäß numerischer Analogskala = NAS)
• Niveaubestimmung der PDA
• Neurologie (epidurales Hämatom? Abszess?)
• Einstichstelle (Rötung, Schwellung)
• Verband
Die Befunde sollten sorgfältig dokumentiert werden. Beim Auftreten neurologischer Symptome ist der Zeitfaktor von enormer Bedeutung. Ein epidurales Hämatom oder ein Abszess müssen spätestens 6 Stunden nach dem Auftreten neurologischer Ausfälle entlastet werden, um bleibende Schäden zu verhindern. Die Anlage oder das Ziehen eines PDK darf frühestens 12 Stunden nach der Gabe und mindestens 4 Stunden vor der Gabe von niedermolekularem Heparin erfolgen.

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7
Q

Was halten Sie von PCA-Pumpen? Können Sie uns erklären, wofür PCA steht?

A

Die Abkürzung PCA steht für den englischen Begriff „patient controlled analgesia“. Der Patient erhält eine Pumpe, die mit einem starken Opiat (z.B. Morphin oder Piritramid) gefüllt ist.
Er kann sich per Druckknopf selbstständig das Opiat über die laufende Infusion injizieren. Die Höhe des Einzelbolus, die maximale stündliche Dosis und der zeitliche Abstand zwischen zwei Boli werden vom Arzt begrenzt, damit keine Gefahr besteht, dass sich der Patient versehentlich überdosiert. Mit einer PCA- Pumpe kann eine effiziente postoperative Schmerztherapie durchgeführt werden.

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8
Q

Sie sprachen Opiate an. Welche Opiate kommen hauptsächlich in der postoperativen Schmerztherapie zum Einsatz?

A

Zur postoperativen Schmerztherapie kommen mittelpotente (Tramadol, Tilidin) bei kleineren, wenig schmerzhaften Eingriffen, mehr aber hochpotente Opiate wie Morphin, Pethidin und Piritramid (› Tab. 17.1) zum Einsatz. Bei postoperativen Schmerzen werden sie in der Regel intravenös oder subkutan gegeben. Der Patient muss engmaschig überwacht werden mit Augenmerk auf die Atemfrequenz, Vigilanz und die Pupillengröße. Durch den Einsatz der Pulsoxymetrie wurde der Einsatz hochpotenter
Opiate in den letzten 20 Jahren deutlich sicherer.
Tab. 17.1 Postoperative Schmerztherapie mit Opiaten
Opiat : Anfangsdosis
Piritramid (Dipidolor®) 5–10 mg
Pethidin (z. B. Dolantin®) 25–50 mg
Morphin (z. B. MSI®) 5–10 mg

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9
Q

Was kann man prophylaktisch gegen Stumpf- und Phantomschmerzen unternehmen?

A

Die beste Prophylaxe ist eine frühzeitige Analgesie auf Rückenmarksebene oder an peripheren Nerven. Dafür eignen sich Periduralkatheter und periphere Nerven-oder Plexuskatheter (Interskalenuskatheter, Ischiadikuskatheter, etc.). Chronische Schmerzen im Sinne von Stumpf- und Phantomschmerzen, die als Deafferenzierungsschmerz zu werten sind, treten wesentlich seltener auf, wenn schon der primäre Schmerzreiz unterbunden wird. Dieses Vorgehen bezeichnet man als „preemptive analgesia“. Katheterverfahren bieten zusätzlich den Vorteil einer Perfusionssteigerung in den Extremitäten. Dies ist von besonderem Vorteil bei Amputationen im Rahmen einer pAVK. Die Wundheilung wird durch die bessere Perfusion optimiert.

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10
Q

Kennen Sie das WHO-Stufenschema zur Schmerztherapie von Tumorpatienten?

A

Bei Tumorpatienten wird die Schmerztherapie nach Möglichkeit oral durchgeführt, da dies den Patienten unabhängiger, beweglicher und freier macht. Ist eine orale Medikation wegen Resorptionsstörungen, Schluckbeschwerden oder schweren Nebenwirkungen bei einer erhöhten Medikamentendosis nicht möglich, kann die Medikamentengabe auf intravenösem (Morphinpumpe), transdermalem (z.B. Fentanylpflaster) oder je nach Tumorlokalisation auf intrathekalem Weg (d. h. über den Spinalkanal) erfolgen.
Das WHO-Stufenschema für die Tumorschmerztherapie besteht aus drei Stufen (› Tab. 17.2).
Nach Möglichkeit sollte mit Stufe I–II begonnen werden. In Fällen, in denen abzusehen ist, dass dies nicht zu einer suffizienten Schmerzreduktion ausreicht, wird durch Titration (i. v.) eines starken Opiats die entsprechend erforderliche Tagesdosis ermittelt, sodass man die Therapie sofort mit Stufe III beginnen kann. Der Patient sollte neben der Dauermedikation die Möglichkeit haben, eine Bedarfsmedikation einzunehmen. Wegen eines verzögerten Wirkungseintritts darf kein retardiertes Präparat als Bedarfsmedikation verabreicht werden.
Merke: Es sollten nicht zwei verschieden potente Opiate zum Einsatz kommen, da dann ein kompetitiver Antagonismus an den Opiatrezeptoren auftritt. So schwächt z. B. Tramadol die Wirkung von Morphin ab, anstatt sie zu verstärken.
Tab. 17.2 WHO-Stufenschema der Schmerztherapie bei Tumorpatienten
Stufe I
peripheres Analgetikum (evtl. Kombination zweier Medikamente):
• Metamizol (Novalgin®) 0,5–1 g alle 4 h (max. 5–6 g/d)
• nichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. Voltaren® 150 mg/d)
• Paracetamol 0,5–1 g alle 4–6 h (max. 4 g/d)
Stufe II
peripheres Analgetikum + mittelpotentes Opiat:
• Tramadol (Tramal®) 50–100 mg alle 4 h (max. 500 mg/d)
• Kodein 30–90 mg alle 4 h
• Tilidin (Valoron N®) 50–100 mg alle 4 h (max. 500 mg/d)
Stufe III
peripheres Analgetikum + starkes Opiat (meist erst nach Ausschöpfung der Stufe II):
• Morphin, beginnend mit 10 mg alle 4 h als Lösung oder als Tablette (Sevredol®), in retardierter Form (MST®) mit 30 mg alle 8–12 h
• Buprenorphin (Temgesic®) 0,2–0,4 mg alle 4–6 h (max. 4 mg/d)
• transdermales Fentanylpflaster (Durogesic®): Ersteinstellung nach vorheriger stabiler Medikation mit einem anderen starken Opiat

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11
Q

Wie ist Ihrer Meinung nach die Aussage zu sehen: „Der Patient leidet wegen eines stenosierend wachsenden Bronchialkarzinoms unter starker Luftnot. Da kann man ihm doch kein Morphin zur Schmerztherapie geben“?

A

Die Meinung, dass Opiate Dyspnoe verstärken, ist weit verbreitet. Tatsächlich führen Opioide über eine Erhöhung der CO2-Atemantriebsschwelle zu einer Atemdepression, jedoch nicht zur subjektiven Lu not. Morphin wird sogar im Terminalstadium einer Tumorerkrankung oder einer ausgebrannten COPD eingesetzt, um das für den Patienten extrem beängstigende Symptom „Dyspnoe“ zu lindern.

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