13 Traumatologie Flashcards

1
Q

Was ist ein instabiler Thorax und woran erkennt man ihn?

A

Rippenserien- oder Rippenstückfrakturen, wobei mindestens drei Rippen frakturiert sind, führen zu einem mehr oder weniger ausgeprägten Stabilitätsverlust der Thoraxwand. Durch den Unterdruck, der bei der Inspiration durch Zug des Zwerchfells entsteht, ziehen sich die Rippenzwischenräume inspiratorisch ein und dehnen sich exspiratorisch wieder aus. Dies bietet das klassische Bild einer paradoxen Atmung. Diese paradoxe Atmung führt zu einem unregelmäßigen Atemmuster. Zudem zeigt der Patient gewöhnlich eine Schonatmung mit einer hochfrequenten und oberflächlichen Atmung. Es kommt zu einer erhöhten Totraumventilation mit sog. „Pendelluft“. Dies bildet die Grundlage für die Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz. Rippenserienfrakturen entstehen gewöhnlich bei schweren stumpfen Thoraxtraumen.

Gefährlich sind zudem Begleitverletzungen wie:
• Pneumothorax (cave: Spannungspneumothorax), Hämatothorax (oft miteinander kombiniert)
• Lungenkontusion (Contusio pulmonis)
• Herzkontusion (Contusio cordis)
• Verletzung von Mediastinalgefäßen
• Bronchusabriss
• Begleitverletzungen von Oberbauchorganen (Leber, Milz)

Liegt ein Hämato- bzw. Pneumothorax vor, muss eine Thoraxdrainage gelegt werden. Eine operative Stabilisierung bleibt absoluten Ausnahmefällen vorbehalten.

Sowohl die Schmerzen durch die Rippenserienfrakturen als auch durch eine evtl. erforderliche Thoraxdrainage kann die Anlage eines Periduralkatheters erfordern, um Sekundärkomplikationen wie Atelektasen und eine Pneumonie zu vermeiden. Bei insuffizienter Atmung und respiratorischer Erschöpfung muss der Patient beatmet werden. Hierbei lohnt sich ein Versuch mit einer nichtinvasiven Beatmung mithilfe eines CPAP-Systems.

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2
Q

Wie stellt sich die Klinik einer Wirbelsäulenverletzung dar?

A

Stabile Verletzungen können symptomarm mit schmerzbedingter Bewegungseinschränkung, Schonhaltung, paravertebralem Hartspann, Druck-, Klopf- und Stauchungsschmerzen verlaufen.

Bei instabilen Verletzungen können neurologische Symptome und Erscheinungen auftreten wie:
• sichtbarer Gibbus oder eine tastbare Lücke in der Dornfortsatzreihe
• motorische Defizite in den Extremitäten (neurologische Ausfälle)
• Sensibilitätsstörungen
• radikuläre neuropathische Schmerzen

Merke: Instabile Frakturen können zu schweren neurologischen Defiziten führen, die von pathologischen Reflexen unterhalb der Läsion, über motorische und sensible Ausfälle bis zum kompletten Querschnittsyndrom (Paraplegie, Tetraplegie) reichen können. Wichtig ist immer eine Befund- und Verlaufsdokumentation!

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3
Q

Was ist bei der Erstversorgung von Wirbelsäulenverletzten zu beachten?

A

Von wesentlicher Bedeutung ist es, unnötige Bewegungen der Wirbelsäule zu vermeiden, um zusätzliche Schäden am Rückenmark zu verhindern.

Folgende Punkte sind zu berücksichtigen:
• den Verletzten vorsichtig in Rückenlage bringen (Drehen en bloc!)
• Anlage eines Halskragens (Stiffneck-Orthese) unter leichter Extension
• Lagerung und Transport auf einer Vakuummatratze
• keine Repositionsversuche am Unfallort
• Umlagern des Verletzten durch mindestens drei Helfer
• schonender Transport in ein Krankenhaus mit neurochirurgischer Abteilung (nach Möglichkeit mit einem Rettungshubschrauber)

Die prophylaktische Gabe von Glukokortikoiden bei neurologischen Defiziten wird seit Jahren kontrovers diskutiert und im Moment gibt es noch keine klaren Empfehlungen. Unklar ist, ob sich durch die Gabe von Glukokortikoiden das Outcome verbessert. Sicher ist jedoch, dass es vor allem bei älteren Menschen häufiger zu pulmonalen und gastrointestinalen Komplikationen kommt.

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4
Q

Was versteht man unter einem spinalen Schock?

A

Eine komplette Schädigung des Rückenmarks z. B. im Rahmen einer Wirbelsäulenverletzung führt zum spinalen Schock. Dieser ist gekennzeichnet durch eine akut auftretende, schlaffe komplette Lähmung und einen kompletten Sensibilitätsverlust unterhalb der Läsion.
Die Eigen- und Fremdreflexe sind erloschen.
Zudem tritt eine vegetative Dysregulation auf. Der Verlust der parasympathischen Regulation zeigt sich in einer Atonie der Blasenmuskulatur, des M. sphinkter ani und einer Darmatonie. Durch den Ausfall des Sympathikus kommt es zur Vasodilatation und zu einer gestörten Wärmeregulation.

Je höher die Läsion, desto ausgeprägter sind diese Auswirkungen auf den Kreislauf. Es kann eine extreme Bradykardie auftreten. Die Umverteilung des Blutvolumens in die untere Körperhälfte kann sich zum massiven Schockgeschehen ausweiten. Außerdem werden Auswirkungen auf die Ausscheidung, den Säure-Basen-Haushalt, den Elektrolythaushalt, den Gewebeturgor und den Proteinstoffwechsel beobachtet.

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5
Q

Welcher Halswirbelkörper wird am meisten beim Erhängen frakturiert?

A

Typisch ist beim Erhängen und ebenso bei Hochgeschwindigkeitstraumen eine traumatische Spondylolisthesis von C2 (Axisfraktur), auch Hangman-Fraktur genannt. Zur Diagnostik bei HWS-Verletzungen gehören konventionelle Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen und ein Spiral-CT der HWS.

Die Hangman-Fraktur wurde von Effendi in drei Typen eingeteilt (› Tab. 10.7):
• Hangman-Frakturen vom Typ I können konservativ mit einem harten Halskragen über 6–8 Wochen behandelt werden.
• Gering dislozierte Frakturen Typ II können ebenfalls 8–12 Wochen mit einem Halo-Fixateur oder einem Minerva-Gips ruhig gestellt werden.
• Dislozierte Typ-II- und Typ-III-Frakturen werden operativ angegangen.
Entweder werden sie von dorsal translaminär verschraubt oder über eine ventrale interkorporelle Spondylodese C2/3 stabilisiert.

In etwa 80 % der Fälle ist eine Axisringfraktur assoziiert mit Kopfverletzungen und weiteren Läsionen der HWS. Neurologische Defizite treten eher selten auf.

Tab. 10.7 Klassifikation der Axisringfrakturen nach Effendi
Typ I : stabile, nicht dislozierte Axisringfraktur, Bandscheibe C2/3 ist intakt
Typ II : instabile Fraktur, nach ventral dislozierter Wirbelkörper C2 mit Läsion der Bandscheibe C2/3
Typ III : wie Typ II mit zusätzlich einseitig verhakter Luxation C2/3, nach ventral flektierter Wirbelkörper

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6
Q

Ein 21-jähriger Patient ist nach einem Kopfsprung in flaches Wasser mit dem Kopf stark am Boden aufgeschlagen. Aufmerksame Badegäste haben ihn zügig aus dem Schwimmbecken gezogen. Nun gibt er an, dass er Mühe hat mit der Atmung. Zudem habe er starke Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Als Notarzt untersuchen Sie den Patienten und stellen einen massiven Druckschmerz im Bereich der oberen Halswirbelsäule fest. Der Patient beschreibt leichte Schluckstörungen und hat einen diskreten Schiefhals. Sie stellen die HWS mit einem Halskragen ruhig und transportieren den Patienten in eine neurochirurgische Klinik. Im Spiral-CT der HWS wird dort eine Jefferson-Fraktur diagnostiziert.
Worum handelt es sich bei einer Jefferson-Fraktur? Können Sie mir etwas über den Unfallmechanismus erzählen und haben Sie eine Vorstellung über die Therapie?

A

Bei einer Jefferson-Fraktur handelt es sich um eine Atlasberstungsfraktur. Nach axialer Gewalteinwirkung auf den Kopf kommt es zu einer Kräfteumverteilung direkt auf den 1. Halswirbel, den Atlas. Da sich in diesem Bereich keine Bandscheibe befindet, geht die Kraft des Aufpralls ohne Pufferwirkung nach außen. Dadurch kommt es zu einem Auseinanderbersten der Atlasbögen. Durch das seitliche Auseinanderweichen der Atlasbögen kommt es zum Teil zu einer Zerreißung des Lig. transversum atlantis. Dieses Band stabilisiert das untere Kopfgelenk zwischen dem 1. und dem 2. Halswirbel. Bei einer Zerreißung kommt es zur Instabilität mit der Gefahr einer Kompression des Rückenmarks durch Einengung des Spinalkanals.

Stabile, nicht verschobene Atlasfrakturen können durch Ruhigstellung durch einen Halo-Fixateur oder einen Minervagips für 8 Wochen behandelt werden. Jefferson-Frakturen mit ligamentärer Zerreißung und Instabilität werden operativ versorgt. Die Fraktur wird durch Längszug reponiert. Anschließend werden Atlas und Axis transartikulär miteinander verschraubt.

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7
Q

Ein 7-jähriger Junge wird bei einem Verkehrsunfall mehrere Meter durch die Luft geschleudert. Bei Eintreffen des Rettungsteams hat der Junge einen Kreislaufstillstand bei Asystolie. Nach erfolgreicher Reanimation erfolgt der Transport in ein nahe gelegenes Krankenhaus. Dort werden mehrere Extremitätenfrakturen osteosynthetisch versorgt und eine Splenektomie bei Milzruptur durchgeführt. Die Wirbelsäule erscheint primär konventionell radiologisch intakt. Auf der Intensivstation treten respiratorische Probleme auf, worauf das Kind in eine Kinderklinik verlegt wird. Dort kann man die respiratorische Situation schnell stabilisieren. Beim Versuch, das Kind von der Beatmung zu entwöhnen (Weaning), zeigt es keine Anzeichen einer Spontanatmung. Auffällig ist auch, dass keine Bewegungen der Extremitäten auftreten. Als das Kind komplett wach ist, wird ein Apnoetest durchgeführt. Trotz offensichtlicher Luftnot und steigendem PCO2 in der BGA beginnt das Kind nicht mit der Atmung. Man beschließt, sofort wieder mit einer Sedierung zu beginnen. Am gleichen Tag wird ein MRT der Halswirbelsäule durchgeführt.
Was erwarten Sie?

A

Der Apnoetest und die vorliegende Parese weisen auf eine komplette Tetraplegie hin. Die Schädigung des Rückenmarks muss oberhalb von C4 liegen, da auf dieser Höhe die Anteile des N. phrenicus austreten, der für die motorische Versorgung des Zwerchfells verantwortlich ist. Da die Halswirbelsäule auf den konventionellen Röntgenaufnahmen intakt schien, liegt der Defekt vermutlich im Bereich des Dens axis. Densfrakturen sind auf konventionellen Röntgenaufnahmen oft schwer zu diagnostizieren. Man benötigt daher ein Spiral-CT der HWS oder Dens-Zielaufnahmen, die bei weit geöffnetem Mund transoral angefertigt werden. Da diese Aufnahmen in der Akutphase nicht durchgeführt wurden, erwarte ich den Defekt in diesem Bereich.

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8
Q

Sie haben leider die richtige Diagnose gestellt. Im MRT sah man eine Verletzung des Rückenmarks über den gesamten Querschnitt zwischen C1 und C2. Welche Prognose hat dieses Kind? Welche Einteilung der Densfrakturen ist Ihnen geläufig?

A

Die Prognose ist leider schlecht. Es handelt sich um die Maximalvariante einer Tetraplegie. Kontrollierte Bewegungen der Arme oder der Beine bleiben in der Regel unmöglich. Auf Rückenmarksebene können durch den Ausfall inhibitorischer Potenziale überschießende Reize entstehen, die sich als Spastik auswirken. Das Kind wird zudem lebenslang auf ein Beatmungsgerät angewiesen sein.

Densfrakturen werden nach Anderson und D’Alonzo in drei Typen eingeteilt:
• Typ I: kleines Fragment im Bereich der Densspitze
• Typ II: Fraktur im Bereich der Densbasis
• Typ III: Fraktur des Dens im Wirbelkörper

Densfrakturen vom Typ I bedürfen in der Regel keiner operativen Therapie. Frakturen vom Typ II besitzen eine hohe Rate an Pseudarthrosen und stellen eine absolute OP-Indikation dar. Es erfolgt in der Regel eine ventrale Stabilisierung mit 2 Zugschrauben. Bei älteren Patienten oder bei verspäteter Diagnose wird die Fraktur von dorsal durch eine Spondylodese C1/2 versorgt. Densfrakturen vom Typ III besitzen in der Regel guten Spongiosakontakt und heilen daher meist ohne Operation aus.

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9
Q

Eine 56-jährige Frau ist in suizidaler Absicht aus dem 4. Stock gesprungen. Sie wird räumlich und zeitlich voll orientiert in die Klinik gebracht. Bei der körperlichen Untersuchung klagt die Patientin über einen leichten Stauchungsschmerz in der Lendenwirbelsäule. Neurologische Defizite lassen sich nicht verifizieren.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?

A

Aufgrund der Anamnese und der geringen Klinik liegt der Verdacht auf eine Kompressionsfraktur der LWS nahe. Eine Kompressionsfraktur ist im Röntgenbild o nur als Höhenminderung des betroffenen Wirbelkörpers und als Verdichtung der knöchernen Strukturen erkennbar.
Oft sind Grund- oder Deckplatteneinbrüche nachweisbar. Abrisse der Dornfortsätze und Einbrüche im Bereich der Wirbelkörperhinterkante können leicht übersehen werden. Bei der Patientin müssen zudem andere Begleitverletzungen ausgeschlossen werden, insbesondere:
• Kalkaneus- oder Talusfrakturen
• Beckenfrakturen (insbesondere Azetabulumfrakturen)
• Verletzungen intraabdomineller oder pelviner Organe
• Verletzung großer Gefäße (z. B. Dissektion der Aorta)

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10
Q

Was versteht man unter einer Contusio spinalis?

A

Bei einer Contusio spinalis handelt es sich um eine spinale Schädigung, die komplett reversibel sein kann.
• Neurologische Ausfälle treten in 30% der Fälle auf. Diese können bis zum Querschnittssyndrom reichen.
• Vasodilatation distal der Läsion durch eine Sympathikolyse kann zu vital bedrohlichen hypotonen Kreislaufverhältnissen führen (spinaler
Schock).
• Eine schlaffe Blasen- und Mastdarmlähmung ist Folge eines erniedrigten Sphinktertonus.
• Häufig kommt es zum Priapismus.

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11
Q

Sagt Ihnen der Begriff ABCD0123-Schema im Zusammenhang mit Wirbelsäulenverletzungen etwas?

A

Die Wirbelsäule wird gemäß ihrer Morphologie wie folgt eingeteilt (› Abb. 10.8):
• A = ventrale Säule = Wirbelkörper
• B = mittlere Säule = Wirbelkörperhinterkante und Bogenwurzel
• C = Wirbelbögen und -fortsätze
• D = diskoligamentäre Strukturen
Wirbelsäulenfrakturen werden entsprechend dieser Einteilung nach dem ABCD0123-Schema (nach Wolter) eingeteilt. Die Ziffer (0–3) kodiert dabei den Bezug der Fraktur zum Spinalkanal:
• 0 = keine Einengung
• 1 = Einengung um bis zu 1⁄3
• 2 = Einengung um bis zu 2⁄3
• 3 = Einengung um mehr als 2⁄3

Beispiele:
A0: Verletzung der ventralen Säule ohne Einengung des Spinalkanals
C1: Verletzung von Wirbelbögen oder Fortsätzen, Einengung des Spinalkanals um bis zu 1⁄3
B3: Verletzung der Wirbelkörperhinterwand, Einengung des Spinalkanals um mehr als 2⁄3.
Stabile Wirbelkörperfrakturen im Bereich der Vorderkante können konservativ behandelt werden. Instabile Frakturen, Frakturen der Wirbelsäulenhinterkante und Frakturen mit neurologischem Defizit werden operativ stabilisiert mithilfe einer Spondylodese. Je größer die Instabilität, desto eher muss sowohl von ventral als auch von dorsal her eine Fixation vorgenommen werden (Plattenosteosynthese, Spanverblockungen und Fixateur interne). Mittlerweile werden die meisten Wirbelsäulenoperationen navigiert, d. h. computergesteuert, durchgeführt.

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12
Q

Wodurch unterscheiden sich stabile und instabile Frakturen an der Brust- und Lendenwirbelsäule?

A

Die Einteilung in stabile oder instabile Wirbelsäulenfrakturen richtet sich nach dem Verlauf der Frakturlinie:
• stabile Frakturen: Der Wirbelkörper ist meist als Ganzes keilförmig deformiert. Die Hinterkante und die Bandscheibe sind intakt. Der Spinalkanal wird nicht durch Knochenfragmente eingeengt.
• instabile Frakturen: Typisch ist eine Auflösung der Hinterkante mit Zerreißung des dorsalen Bandapparats und eventuellem Einbruch oder gar Abscherung der Wirbeldeckplatte. O ist der Spinalkanal durch Fragmente eingeengt.

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13
Q

Nach einem Verkehrsunfall leidet eine 63-jährige Frau unter Schmerzen im Beckenbereich. Sie bemerkt eine Makrohämaturie.
Worum könnte es sich handeln?

A

Anamnese und Klinik der Patientin sprechen für eine knöcherne Verletzung des Beckens mit einer Begleitverletzung der Harnwege oder der Niere. Bei Beckenringfrakturen finden sich nicht selten Begleitverletzungen intrapelviner und abdomineller Organe, Gefäße und Nerven. Zudem kann es zu enormen Blutverlusten durch venöse Sickerblutungen aus dem Plexus venosus sacralis, dem Plexus prostaticus (beim Mann) und der Vasa iliacae und ihren Ästen kommen. Diagnostisch sollte aus diesem Grund sowohl eine Beckenübersichtsaufnahme als auch eine CT angefertigt werden, um die knöchernen Strukturen des Beckens und die intrapelvinen Organe darzustellen. Zum Routineprogramm gehört zudem eine Sonogra e des Abdomens und des kleinen Beckens. Freie Flüssigkeit, Strukturunregelmäßigkeiten der Blase und der Nieren, ein Harnverhalt oder Makrohämaturie sind Indizien für eine Verletzung der Harnwege.
Die höchste Trefferwahrscheinlichkeit bei Verletzungen der Harnwege liefert die Ausscheidungsurogra e zur Markierung potenzieller Defekte (Kontrastmittelstopp oder -austritt). Bei einer isolierten Verletzung der Harnröhre führt eine retrograde Urethrografie zur Diagnose.

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14
Q

Die Frau hatte einen Urethraabriss. Je nach Lokalisation des Abrisses bezüglich des Diaphragma pelvis unterscheidet man supra- und subdiaphragmale Urethraabrisse. Welche Hinweise auf die Lokalisation können Sie aus der körperlichen Untersuchung gewinnen?

A

Supradiaphragmale Urethraabrisse werden meist durch indirekte Traumen im Bereich des Unterbauches verursacht. Es entwickelt sich ein retroperitoneales prävesikales Hämatom. Beim Mann wird dadurch die Prostata nach kranial beweglich tastbar. Subdiaphragmale Urethraabrisse entstehen meist als Folge eines direkten Traumas auf das Perineum (Straddle-Trauma). Typisch sind Hämatome am Damm, beim Mann auch an Skrotum und Penis.

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15
Q

Welche Beckenfrakturen halten Sie für stabil, welche für instabil?

A

Man unterscheidet Beckenrand- von Beckenringverletzungen. Beckenrandfrakturen sind stabil. Bei der Beckenringfraktur kann es sich um eine stabile oder eine instabile Verletzung handeln. Die Klassifikation von Beckenringverletzungen wird nicht ganz einheitlich gehandhabt. Gebräuchlich ist vor allem die Einteilung nach Tile gemäß der Stabilität der Verletzung. (› Tab. 10.8). Sie berücksichtigt die anatomisch-biomechanischen Gegebenheiten des Beckenrings und den Verletzungsmechanismus. Alle instabilen kompletten Beckenringfrakturen und alle Beckenfrakturen mit komplizierenden Begleitverletzungen bedürfen der operativen Stabilisation.
Tab. 10.8 Einteilung der Beckenringfrakturen nach Tile
Typ A
stabil, die knöcherne und ligamentäre Integrität des dorsalen Beckenrings bleibt unangetastet (Abrissfrakturen, Beckenrand-, Scham- und Sitzbeinfrakturen, Sakrumquerfrakturen distal der sakroiliakalen Fuge)
Typ B
partiell instabil im vorderen Beckenring, Mitverletzung von Bandstrukturen im Iliosakralgelenk ( Rotationsinstabilität, keine vertikale Verschiebung)
B1: die Open-Book-Verletzung ist eine typische Außenrotationsverletzung, bei der sich die Beckenhälften wie ein aufgeschlagenes Buch nach außen bewegen lassen.
B2: Innenrotationsverletzung durch einen seitlichen Kompressionsmechanismus
Typ C
instabil, Rotations- und Translationsinstabilität des vorderen und hinteren Beckenrings (komplette dreidimensionale Instabilität)
• vorderer Beckenring: transsymphysäre und transpubische Instabilität
• hinterer Beckenring: transiliakale, transileosakrale und transsakrale Instabilität

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16
Q

Was ist eine Malgaigne-Fraktur?

A

Bei der Malgaigne-Fraktur handelt es sich um eine totale Beckenringfraktur, wobei der vordere und der hintere Beckenring mindestens einseitig vertikal frakturiert sind oder der hintere Beckenring frakturiert und die Symphyse rupturiert ist. Die Fraktur ist instabil und besonders gefährdet für Begleitverletzungen der intrapelvinen Organe und Gefäße. In der Regel werden Malgaigne-Frakturen operativ durch Anlage einer Plattenosteosynthese, ggf. im Notfall bei hohem Blutverlust durch einen Fixateur externe/ Beckenzwinge stabilisiert. Einzelne Fragmente müssen ggf. mithilfe von Zugschrauben oder Zerklagen fixiert werden.

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17
Q

Welche Frakturform findet man am häufigsten im Bereich des Beckens?

A
Mit etwa einem Anteil von 30 % macht die Azetabulumfraktur den größten Anteil der Beckenfrakturen aus. Das Azetabulum ist entweder dorsal oder ventral frakturiert und der Hü kopf meist in die gleiche Richtung luxiert (› Abb. 10.9). Azetabulumfrakturen werden nach Letournel je nach Beteiligung der Beckenknochen in einfache (ein Beckenknochen, Typ 1–5) und komplexe Frakturen (2–3 Beckenknochen, Typ 6–10) unterteilt (› Tab. 10.9). Klinisch zeigen sich eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk und ggf. ein Hämatom. Der Oberschenkel ist in der Hüfte in Rotationsstellung fixiert.
Tab. 10.9 Einteilung der Azetabulumfrakturen nach Letournel
Einfache Frakturen
• hintere Wand
• hinterer Pfeiler
• vordere Wand
• vorderer Pfeiler
• Azetabulumquerfraktur
Komplexe Frakturen
• hinterer Pfeiler und hintere Wand
• Querfraktur und hintere Wand
• T-Fraktur
• vorderer Pfeiler und Hemiquerfraktur 
• 2-Pfeilerfraktur
18
Q

Von der Azetabulumfraktur zu differenzieren ist die Hüftgelenkluxation. Wo liegt die besondere Gefahr der Hüftgelenkluxation?

A

Hü gelenkluxationen unterteilt man in hintere Luxationen, die etwa 75 % ausmachen, und vordere Luxationen, die die restlichen 25 % ausmachen. Komplikationen sind das Auftreten von Hü kopfnekrosen und Schäden des N. ischiadicus und/oder des N. femoralis. Begleitend zur Hüftgelenkluxation können eine Azetabulum- und/oder eine Femurfraktur auftreten. Da eine Hüftluxation extrem schmerzhaft ist und Folgeschäden drohen, muss eine schnelle Reposition erfolgen. Dafür ist oft eine Narkose erforderlich, da die Hüftmuskulatur recht kräftig ist und für die Reposition relaxiert werden muss. Zudem ist eine Reposition sehr schmerzhaft für den Patienten.

19
Q

Welche Winkel finden sich physiologischerweise am gesunden Femurkopf-Femurhals-Übergang?

A

Der Caput-Collum-Diaphysen-Winkel, kurz auch CCD-Winkel genannt, beschreibt den Winkel zwischen Schenkelhals und Schaftachse des Oberschenkels. Physiologischerweise schwankt er zwischen 125 und 130°. Eine zweite wichtige Beziehung zwischen Schenkelhals und Kondylenebene stellt der Antetorsionswinkel dar. Er schwankt beim gesunden Schenkelhals zwischen 10 und 15°.

20
Q

Was ist ein typischer Unfallmechanismus für die Entstehung einer Femurkopffraktur und wie äußert sie sich klinisch?

A

Femurkopffrakturen treten fast ausschließlich in Kombination mit traumatischen Hüftluxationen auf. Dabei ist der häufigste Unfallmechanismus die sog. „Armaturenbrettverletzung“ eines Fahrers oder Beifahrers bei einer Kollision. Durch den direkten Anprall des Armaturenbretts mit dem Knie erfolgt die Weiterleitung der Kraft über den Femur auf das gebeugte Hüftgelenk. Der Femurkopf kann je nach Stellung des Hüftgelenks nach dorsal luxieren und frakturieren. Oft kommt es zu Begleitverletzungen im Bereich des Beckens. Klinisch steht ein Bewegungsschmerz, evtl. auch eine Hämatomverfärbung im Vordergrund. Das Gelenk ist ähnlich wie bei einer Hüftgelenkluxation federnd fixiert und weist eine Fehlstellung im Sinne einer iliakalen Luxation auf.

21
Q

Was macht die Femurkopffraktur so gefährlich?

A

Die Hauptgefäßversorgung des Femurkopfes erfolgt zum Groß- teil aus der A. circum exa femoris medialis und lateralis aus der A. femoralis profunda und nur zu einem verschwindend geringen Teil aus der A. capitis femoris, die im gleichnamigen Band zwischen Azetabulum und Femurkopf verläuft. Die beiden erstgenannten Arterien bilden einen extra- und intraartikulär verlaufenden Anastomosenring, über den Femurhals und -kopf ernährt werden. Bei einer Fraktur können diese Gefäße zerreißen. Durch Ischämie kommt es zur Hü kopfnekrose. Weiterhin können Komplikationen auftreten wie:
• Pseudarthrosenbildung
• Knorpelschäden
• posttraumatische Coxarthrosen

22
Q

Beschreiben Sie die Einteilung der Femurkopffrakturen nach Pipkin.

A

Im eigentlichen Sinne handelt es sich bei der Einteilung nach Pipkin um eine Einteilung von Femurkopfluxationsfrakturen. Bezüglich des Frakturlinienverlaufs im Hinblick auf das Lig. capitis femoris unterscheidet man Typ I–IV (› Tab. 10.10, › Abb. 10.10).
Unkomplizierte Frakturen nach Pipkin I werden in der Regel konservativ behandelt. Dabei muss die Fraktur für 6 Wochen entlastet werden. Pipkin- II-, -III- und -IV-Frakturen werden in der Regel operativ versorgt. Vor allem bei jüngeren Patienten versucht man, die Fraktur zu reponieren und mit Schrauben zu fixieren. Oft gestaltet sich die Operation schwierig. Komplikationen treten auf im Sinne von Femurkopfnekrosen und Coxarthrosen. Bei älteren Patienten, bei Komplikationen und ungenügender Fixation durch eine Osteosynthese nimmt man aus diesem Grund einen prothetischen Gelenkersatz vor. Bei intakter Pfanne wird eine HEP (Hüftkopfendoprothese), bei defekter Pfanne oder arthrotisch veränderter Pfanne wird eine TEP (Totalendoprothese = Kopf + Pfanne) implantiert.
Tab. 10.10 Einteilung der Femurkopfluxationsfrakturen nach Pipkin
Pipkin I : dorsale Hüftluxation, horizontale Frakturlinie distal des Lig. capitis femoris und der Fovea capitis
Pipkin II : dorsale Hüftluxation, vertikale Frakturlinie unter Einschluss der Fovea capitis, Lig. capitis femoris hängt am Knochenfragment
Pipkin III : Pipkin I oder Pipkin II + Oberschenkelhalsfraktur
Pipkin IV : Pipkin I oder Pipkin II + Fraktur des dorsokranialen Pfannenrandes

23
Q

Welche Einteilung der Oberschenkelhalsfrakturen kennen Sie?

A

Oberschenkelhalsfrakturen betreffen bevorzugt alte Patienten oder Patienten, die unter Osteoporose leiden. Sie entstehen durch Biege-, Dreh- und Scherkräfte, die z. B. bei einem Sturz auf die Hüfte auf den Oberschenkelhals einwirken. Man unterscheidet:
• mediale Oberschenkelhalsfrakturen, die innerhalb der Gelenkkapsel lokalisiert sind. Dabei wird unterschieden zwischen
– Abduktionsfrakturen: Valgusstellung + Einstauchung der Bruchfragmente
– Adduktionsfrakturen: Varusstellung, fehlende Einkeilung
• laterale Oberschenkelhalsfrakturen, die außerhalb der Gelenkkapsel in der Nähe der Linea intertrochanterica liegen. Sie sind eher selten.
Die medialen Oberschenkelhalsfrakturen werden je nach Winkel zwischen der Horizontalen und der Frakturlinie im a. p. Röntgenbild nach Pauwels I bis III eingeteilt (› Abb. 10.11).

24
Q

Oberschenkelhalsfrakturen

Wie würden Sie therapeutisch vorgehen?

A

Kinder, Jugendliche und Erwachsene in aktivem Lebensalter sollten auf jeden Fall operiert werden. Bei alten Menschen, die das Hauptpatientengut für Oberschenkelhalsfrakturen darstellen, stellt die Einteilung nach Pauwels eine Entscheidungshilfe für die Wahl der Therapie dar. Je steiler der Bruchlinienverlauf, desto ungünstiger wirken sich Scherkräfte auf den Frakturspalt aus. Abduktionsfrakturen (Pauwels I) zeigen gelegentlich nur eine diskrete Klinik. Durch die Kraft der Adduktoren wird die Fraktur fixiert. Wenn der Patient schon vor dem Auftreten der Fraktur immobilisiert war und keine Schmerzen hat, kann die Fraktur ggf. konservativ behandelt werden.
Alle anderen medialen Oberschenkelhalsfrakturen werden operiert. Durch die Möglichkeit einer schnellen postoperativen Mobilisation der Patienten werden Risiken wie die Entwicklung einer Pneumonie, einer Thrombose und einer Lungenembolie minimiert. Ein weiteres Ziel ist es, die meist alten, oft dementen Patienten möglichst schnell wieder in ihre gewohnte Umgebung bringen zu können. Eine Pauwels-III-Fraktur ist komplett instabil und muss immer osteosynthetisch versorgt werden.

25
Q

Schenkelhalsfrakturen

Wie könnte eine operative Therapie aussehen?

A

Schenkelhalsfrakturen werden vor allem beim jungen Menschen durch 2–3 Zugschrauben stabilisiert. Gleichzeitig wird der Hämarthros im Hüftgelenk entlastet. Wird durch eine Zugschraubenosteosynthese allein die Fraktur nicht ausreichend stabilisiert, wird die Fraktur mithilfe einer dynamischen Hü schraube (DHS) versorgt. 130°- oder 95°-Winkelplatten werden eher selten eingesetzt. Bei alten Patienten und vorbestehender Coxarthrose ist oft ein prothetischer Gelenkersatz wie eine Hemi- oder Totalendoprothese indiziert.

26
Q

Wie behandeln Sie eine pertrochantäre Femurfraktur?

A

Pertrochantäre wie auch subtrochantäre Femurfrakturen sind extraartikuläre Frakturen. Sie sind wie die Schenkelhalsfrakturen typische Frakturen des alten Menschen. Die Klinik ist relativ eindeutig. Das Bein erscheint verkürzt und ist nach außen rotiert. Die Patienten klagen über Schmerzen und Bewegungseinschränkung. Die Fraktur ist instabil, wenn der mediale Tragpfeiler zerstört ist. In der Regel ist eine operative Therapie indiziert. Dazu stehen folgende Osteosyntheseverfahren zur Verfügung:
• proximaler Femurnagel
• Gamma-Verriegelungsnagel
• dynamische Hü schraube
• 130°-Winkelplatte (bei subtroch. Frakturen 95°-Kondylenplatte)
• bei Abrissfrakturen des Trochanter major: Zuggurtungsosteosynthese, Zugschraube
• künstlicher Gelenkersatz (Endoprothesen) bei fortgeschrittener Coxarthrose, pathologischen Frakturen, mangelnder Verankerungsmöglichkeit
anderer Implantate oder Problemen der Trochanterfixation • früher: Ender-Nagelung (Bündelnagelung)

27
Q

Wie funktioniert eine dynamische Hüftschraube?

A

Eine dynamische Hü schraube funktioniert nach folgendem Prinzip: Eine im Hüftkopf zentrierte Schraube gleitet in der Lasche einer am proximalen Femur fixierten Platte. Bei Belastung des Femurs kommt es zu einem Einstauchen der Fragmente. (› Abb. 10.12).

28
Q

Können Sie mir etwas über die Prinzipien von Totalendoprothesen im Bereich der Hüfte erzählen?

A

Bei einer Totalendoprothese der Hüfte werden Pfanne und proximaler Oberschenkel (Femurkopf- und Oberschenkelhals) prothetisch ersetzt. Man unterscheidet zementierte von nicht zementierten Totalendoprothesen:
• zementierte TEP: Der Markkanal wird in Höhe der Prothesenspitze mit einem Knochenzylinder verplombt. So wird ein Eindringen von Zement in die distale Markhöhle verhindert. Der Zement wird durch starke Kompression tief in die spongiösen Räume gedrückt als Voraussetzung für eine gute Verankerung der Prothese.
• nicht zementierte TEP: Ziel ist das Erreichen einer optimalen Passgenauigkeit, sodass die Prothese sofort stabil ist.
Heutzutage werden 80–90 % aller Patienten mit einer unzementierten Hüft- TP versorgt. In höherem Alter und/oder bei Osteoporose (v.a. bei Frauen) werden aufgrund der schlechteren Knochenqualität eher zementierte Prothesen gewählt. Die Langzeitergebnisse beider Techniken sind vergleichbar gut. Heutzutage bedient man sich nach Möglichkeit minimalinvasiver Operationstechniken. Dabei wählt man die Schnittführung so, dass der Hautschnitt relativ ventral gewählt und somit die Gluteal- und Oberschenkelmuskulatur nicht durchtrennt wird. Dies reduziert das Operationstrauma, erleichtert den postoperativen Heilungsprozess und ermöglicht dem Patienten eine schnelle- re Mobilisation und Erholung von der Operation.

29
Q

Berichten Sie mir etwas über Femurschaftfrakturen!

A

Femurscha frakturen entstehen meist traumatisch bei Verkehrs- oder Sportunfällen. Sie können große Blutverluste (bis zu 2l) zur Folge haben und somit Ursache eines Schockgeschehens werden. Femurschaftfrakturen werden operativ versorgt.
Bei geschlossenen Frakturen wird als intramedullärer Kraftträger ein Marknagel (unaufgebohrt) oder bei Rotationsinstabilität ein Verriegelungsnagel gewählt. Je nach Höhe der Fraktur wird der Marknagel von proximal oder distal vom Kniegelenk eingebracht. Plattenosteosynthesen sind nur selten bei speziell konfigurierten Frakturen indiziert. Trümmerfrakturen oder höhergradig offene Frakturen werden mithilfe eines Fixateur externe oder ebenfalls mithilfe eines UFN (ungebohrter Femurnagel) ruhig gestellt.
Kinder bis 15 kg mit dislozierten und verkürzten Frakturen werden per Overhead-Extension für 2–3 Wochen behandelt. Ältere Kinder mit dislozierten Frakturen werden operativ mit einem Marknagel, bei nicht dislozierten Frakturen konservativ mit einem Gipsverband versorgt.

30
Q

Was versteht man unter einer suprakondylären Femurfraktur?

A

Unter einer suprakondylären Femurfraktur versteht man eine distale Femurfraktur direkt oberhalb der Kondylen. Davon zu unterscheiden sind diakondyläre Femurfrakturen, bei denen die Frakturlinie im Bereich der Kondylen mit oder ohne Gelenkbeteiligung liegt. Supra- und diakondyläre Femurfrakturen werden operativ mithilfe einer anatomisch vorgeformten Platte (LISS-Platte = less invasive stabilisation system), einer 90°-Winkel- platte, einer dynamischen Kondylenschraube oder einem Retronail (distaler Femurspezialnagel) versorgt.

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Q

Ein junger, gesunder Patient leidet am Abend nach einer Marknagelung des Femurs plötzlich unter Luftnot, Angstgefühl und Herzklopfen. Die Haut ist kaltschweißig und blass. Es besteht Tachypnoe.
Denken Sie, dass die Symptome etwas mit der Operation zu tun haben?

A

Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der OP, der Art der Operation und des Alters und Gesundheitszustands des Patienten vor der Operation muss von einem direkten Zusammenhang ausgegangen werden. Eine nicht zu unterschätzende Gefahr der Marknagelung ist das Einschwemmen fettreichen Knochenmarks in das venöse Gefäßsystem. Wandert das Material in die Pulmonalarterie, so verursacht es dort eine Lungen- oder Fettembolie. Je nach Ausmaß der Verlegung der Pulmonalisstrombahn kommt es zum akuten Rechtsherzversagen. Differenzialdiagnostisch müssen andere kardiopulmonale Ursachen für die Symptomatik sowie ein septisches Geschehen ausgeschlossen werden.

32
Q

Wie viele Knochen sind an der Bildung des Kniegelenks beteiligt?

A

Das Kniegelenk ist aus vier Knochen zusammengesetzt: Femur, Tibia, Fibula und Patella, wobei die Fibula keinen direkten Kontakt zu den anderen Knochen hat. Beim Kniegelenk handelt es sich um ein Scharniergelenk, in Beugestellung zusätzlich um ein Drehgelenk. Das Knie wird durch einen kräftigen Kapsel-, Band- und Muskelapparat stabilisiert. Die Ligg. collaterale tibiale und fibulare verbinden den medialen Kondylus des Femurs mit der Tibia und den lateralen Kondylus mit der Fibula.
Der Muskelapparat setzt sich ventral aus dem M. quadriceps femoris, lateral aus dem M. biceps femoris, medial aus dem M. semimembranosus und dem Pes anserinus (Sehnen des M. sartorius, M. gracilis, M. semitendinosus) und proximal aus den Gastroknemiusköpfen zusammen.

33
Q

Wozu dienen die Menisken am Knie?

A

Menisken dienen vor allem einer Druckentlastung und dem Schutz des Knorpels von Femur und Tibia durch eine Gewichtsverteilung bei Belastung. Sie gleichen Unregelmäßigkeiten der Gelenk ächen aus und stabilisieren so das Kniegelenk. Sie bilden eine Gleitfläche für die Femurkondylen und vergrößern die Gelenkfläche zwischen Femur und Tibia um den Faktor 3. Im Stehen ruht die größte Last auf den Vorderhörnern, bei Belastung auf den Hinterhörnern.

34
Q

Welcher Meniskus ist bei Traumen des Kniegelenks am häufigsten verletzt?

A

Der Innenmeniskus ist am tibialen Seitenband befestigt und ist deshalb besonders anfällig für Valgustraumen. Er ist größer und etwa 20-mal häufiger von Verletzungen betroffen als der Außenmeniskus. Menisken reißen meist in Längsrichtung. Große Längsrisse werden wegen der charakteristischen Form der Verletzung auch Korbhenkelrisse genannt. Komplette Querrisse findet man bei Menisken eher selten, kleine schräge Risse dagegen häufig. Menisken sind je nach Alter und Belastung degenerativ verändert und dann besonders anfällig für Dreh- und Scherkräfte. Die häufigsten akuten Verletzungen werden durch Drehtraumen verursacht, wie sie vor allem beim Skifahren oder Fußballspielen auftreten.

35
Q

Wie untersuchen Sie das Knie, wenn Sie den Verdacht auf eine Meniskusverletzung haben?

A

Anamnese und Untersuchung des Knies nehmen in der Diagnostik am Knie eine zentrale Rolle ein. Ein Kniegelenkerguss, Schonhaltung und eine Streckhemmung können auf eine Meniskuseinklemmung hindeuten. Zudem kennt man verschiedene klinische Tests, um Meniskusläsionen zu diagnostizieren:
• McMurray-Test: maximale Flexion + Varusstress + Rotation Innenmeniskus; maximale Flexion + Valgusstress + Rotation Außenmeniskus
• Steinmann-I-Zeichen: In Beugestellung führt eine Rotation des Unterschenkels zu Schmerzen im Bereich des betroffenen Meniskus.
• Steinmann-II-Zeichen: Beugung des Knies unter gleichzeitigem seitlichem Druck auf die Menisken (Valgus- bzw. Varusstress) verursacht einen von ventral nach dorsal wandernden Schmerz.
• Böhler-Zeichen: Ein Abduktionsschmerz bei gestrecktem Kniegelenk ist wegweisend für einen Außenmeniskusschaden, ein Adduktionsschmerz für einen Innenmeniskusschaden.
• Payr-Zeichen: Im Schneidersitz treten bei Druck nach unten auf das Knie Schmerzen auf (v. a. bei Hinterhornläsionen).
• Apley-Zeichen: Ein Kompressions-und Rotationsschmerz bei einem in Bauchlage liegenden Patienten, der die Knie angewinkelt hat, ist Hinweis auf einen Meniskusschaden. Ein Zugschmerz weist eher auf eine Bandläsion hin.

36
Q

Wie wird ein Meniskusschaden behandelt?

A

Meniskusschäden werden therapeutisch per Kniearthroskopie angegangen. In der Regel wird meniskuserhaltend operiert, um einer vorzeitigen Gonarthrose vorzubeugen. Bei kleinen schrägen Rissen erfolgt eine Teilmeniskektomie. Korbhenkelrisse versucht man, insbesondere wenn sie kapselnah lokalisiert sind, zu reflxieren (Meniskusnaht). Ist eine Refixation nicht möglich, wird der Meniskus wie bei Querrissen teilreseziert und angeglichen. Bei einem Innenmeniskusschaden mit gleichzeitig vorliegender medialer Arthrose wird eine valgisierende Tibia-Umstellungsosteotomie durchgeführt. Abgenutzte und entfernte Menisken fördern langfristig das Entstehen einer Gonarthrose.

37
Q

Was stellt die zurzeit zuverlässigste Methode zur Erfassung intraartikulärer Schäden des Knies dar?

A

Unter den bildgebenden Verfahren liefert das MRT die sichersten und aussagekräftigsten Aussagen über den Zustand des Kniegelenks („Golden Standard“). Um sich jedoch ein genaues Bild machen zu können, ist eine Kniearthroskopie erforderlich. Die Arthroskopie dient der Diagnose und zu- gleich der Therapie von gewissen Krankheitsbildern wie:
• Meniskusschaden (→ Teilmeniskektomie, Meniskusnaht)
• Kreuzbandruptur (→ Kreuzbandplastik)
• freier Gelenkkörper (→ Resektion)
• Synovialitis (→ Synovektomie, Teilsynovektomie)
• chronische Instabilität (→ verbesserte Planung eines evtl. erforderlichen Folgeeingriffs)
• Erguss (→ Spülung, Bakteriologie)
• posttraumatischer Hämarthros (→ Spülung, Blutstillung)
• Knorpelschaden (→ Shaving, noch Ziel der Forschung: Knorpelaufbau)

38
Q

Nennen Sie einige Komplikationen, die nach einer Kniearthroskopie auftreten können?

A

Die Komplikationsrate liegt unterhalb 1 %. Möglich sind:
• Hämarthros mit der Gefahr von Knorpelschädigung, Infektion und Arthrose
• Gelenkempyem
• Thrombembolie
• Instrumentenbruch
• iatrogene Knorpelläsion
• selten CRPS (complex regional pain syndrome)

39
Q

Was versteht man unter einer Unhappy-Triad-Verletzung?

A

Der Begri „unhappy triad“ beschreibt treffend eine seltene, aber schwere und komplexe Verletzung des Kniegelenks mit Ruptur des vorderen Kreuzbands, des Innenmeniskus und des Innenbandes. Der Innenmeniskus ist an seiner Basis komplett mit der Gelenkkapsel, und im mittleren Drittel mit dem Innenband verwachsen. Bei plötzlicher heftiger Valgusrotation kann es zu einer Verletzung der drei genannten Strukturen kommen. Die Verletzung führt zu einer Instabilität des Knies nach ventral und medial. Vor allem bei jungen Patienten sollte eine zeitnahe Operation erfolgen. Dabei wird das vordere Kreuzband rekonstruiert und der Innenmeniskus teilreseziert oder genäht.

40
Q

Wie entstehen Kreuzbandläsionen?

A

Kreuzbandläsionen entstehen durch folgende Mechanismen:
• Rotation in frontal gestreckter Stellung (→ vorderes Kreuzband = VKB)
• massives Anspannen des M. quadriceps in Flexion (→ VKB)
• dashboard (Knieanpralltrauma) (→ hinteres Kreuzband)
• plötzlicher Richtungswechsel

41
Q

Wie überprüfen Sie die Intaktheit der Kreuzbänder?

A

Drei Untersuchungsmethoden ermöglichen eine relativ spezifische Untersuchung der Kreuzbänder (› Abb. 10.13).
• Lachmann-Test (bester Test bei Läsionen des vorderen Kreuzbands): Der Untersucher umfasst das Kniegelenk des Patienten und verschiebt den Unterschenkel in 20°-Beugestellung in Richtung dorsoventral. Eine abnorme Verschieblichkeit weist auf einen Kreuzbandschaden hin.
• Schubladenphänomen: Der Untersucher setzt sich beim liegenden Patienten auf die Zehenspitzen bei leicht angewinkeltem Knie. Eine verstärkte Verschieblichkeit des Unterschenkels nach dorsal (hinteres Schubladenphänomen) weist auf eine Verletzung des hinteren Kreuzbands hin. Bevor man ein vorderes Schubladenphänomen prüft, sollte ein spontanes hinteres Schubladenphänomen mit Durchhängen des Tibiakopfes nach dorsal und einem spontanen Tibiavorschub bei Anspannen des M. quadriceps ausgeschlossen werden. Ein vorderes Schubladenphänomen bedeutet eine verstärkte Verschieblichkeit nach ventral und deutet auf eine Verletzung des vorderen Kreuzbands hin.
• Pivot-Shift (vorderes Kreuzband): provozierte Subluxation des Schienbeins: Der Untersucher drückt beim liegenden Patienten den Unterschenkel in Richtung Knie und führt eine Innenrotation aus. Die andere Hand beugt das Knie und setzt es unter Valgusstress. Eine Subluxation ist Zeichen einer Instabilität des Kreuzbandes. Bei frischen Verletzungen ist die Untersuchung für den Patienten meist zu schmerzhaft.
Merke: Intakte Kreuzbandzeichen können Verletzungen der Kreuzbänder, z.B. Teilrisse, nicht sicher ausschließen.

42
Q

Wie behandeln Sie eine Kreuzbandruptur?

A

Entscheidend für die Indikationsstellung zur Operation sind die Stabilität und die Funktion des Kniegelenks. Liegt eine Verletzung des vorderen Kreuzbands vor, kann bei einer Teilruptur auf eine operative Therapie oft verzichtet werden. Krankengymnastik und Muskelau au helfen, das pathologisch bewegliche Gelenk zu restabilisieren. Knöcherne Ausrisse wer- den mithilfe von Schrauben transossär fixiert. Bei einer kompletten Ruptur des vorderen Kreuzbands erfolgt in 3⁄4 der Fälle ein autologer Ersatz des vorderen Kreuzbands. Meist wird dafür ein Teil des Lig. patellae, alternativ (selten) Sehnen des Pes anserinus (M. semitendinosus, M. gracilis) oder Anteile der Quadrizepssehne verwendet. Verletzungen des hinteren Kreuzbands werden ebenfalls mit autologem Sehnenmaterial versorgt. In etwa 25 % der Kreuzbandrupturen wird körperfremdes Material verwendet.