12 Traumatologie Flashcards

1
Q

Wie definieren Sie den Begriff „Fraktur“?

A

Bei einer Fraktur handelt es sich um eine vollständige Durchtrennung des Knochens. Es gibt traumatische und pathologische Frakturen. Traumatische Frakturen werden verursacht durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung, die die Stabilität und Elastizität des Knochens überschreitet. Pathologische Frakturen hingegen entstehen spontan oder durch geringe Traumen auf dem Boden einer pathologischen Knochenstruktur. Zu Ermüdungsfrakturen kommt es als Folge einer chronischen Schwächung oder im Rahmen rezidivierender Mikrotraumen.
Bei der Frakturheilung unterscheidet man eine primäre angiogene von einer sekundären Frakturheilung.
• primäre angiogene Frakturheilung (Kontaktheilung): Osteonüberbrückung des Frakturspalts ohne Kallusbildung = organtypische Regeneration
• sekundäre Frakturheilung: Im Bereich der Fraktur kommt es zunächst zu einem Hämatom. Dieses wird im weiteren Verlauf umorganisiert. Es sprossen Fibroblasten in den Frakturspalt ein. Durch chondrogene und desmale Ossifikation bildet sich im Bereich des Frakturspalts zunächst ein Kallus (Geflechtknochen), der sich während mehrerer Wochen in stabilen lamellären Knochen umwandelt.
Besondere Frakturformen sind die Fissur und die Infraktion. Bei einer Fissur handelt es sich um einen Knochenriss, bei der Infraktion um einen Spaltbruch.

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2
Q

Mit welchen Komplikationen nach Frakturen müssen Sie rechnen?

A

Zu den allgemeinen Komplikationen von Frakturen zählen:
• Begleitverletzungen von Nerven, Gefäßen und/oder Bandapparat
• Blutung (Schock), Fettembolie
• Verletzung innerer Organe (Beckenfraktur!)
• Infektion(Osteomyelitis, Wund- und Weichteilinfektionen)
• Crush-Syndrom (akutes Nierenversagen) bei hochgradigen Frakturen mit ausgedehnten Verletzungen des Muskelmantels ( Rhabdomyolyse)
• Kompartmentsyndrom (Muskellogensyndrom)
• komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS = complex regional pain syndrome, früher Morbus Sudeck oder sympathische Reflexdystrophie)
• Arthrose(v.a. bei Gelenkbeteiligung oder starken Fehlstellungen)
• Folgekrankheiten bei Immobilisation (Thrombose, Lungenembolie, Pneumonie etc.).
• ausbleibende oder verzögerte Frakturheilung (Ursachen: insuffiziente Reposition, Ischämie, Arteriosklerose, Diabetes mellitus, lokale Infektion, fehlende Immobilisation)
• Pseudarthrose: Es kann im Bereich des Frakturspaltsein„Falschgelenk“ entstehen.

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3
Q

Wie diagnostizieren Sie eine Fraktur?

A

Die Unfallanamnese liefert erste Informationen über die Art und Intensität des erlittenen Traumas. Bei der körperlichen Untersuchung unterscheidet man sichere und unsichere Frakturzeichen (› Tab. 10.1).
Zur Frakturdarstellung, genauen Lokalisation und Darstellung des Ausmaßes der Verletzung werden Röntgenaufnahmen in mindestens zwei Ebenen angefertigt. Bei Verdacht auf eine Klavikulafraktur genügt die a. p. Aufnahme. Bei besonderen Fragestellungen können Spezialaufnahmen erforderlich sein (z.B. bei Verletzungen im Bereich des Schultergürtels, der Hüfte oder des Fußes etc.). Im Zweifelsfall wird zum Seitenvergleich auch noch die Gegenseite geröntgt. Bei Frakturen der langen Röhrenknochen müssen die angrenzenden Gelenke mit geröntgt werden.
Tab. 10.1 Sichere und unsichere Frakturzeichen
Unsichere Frakturzeichen
• Schwellung • Functio laesa • Schmerz
Sichere Frakturzeichen
• groteske Achsenverbiegungen
• abnorme Beweglichkeit
• sichtbare Fragmente bei offenen Frakturen
• Krepitation

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4
Q

Nennen Sie uns drei grundlegende Prinzipien bei der Behandlung von Frakturen.

A

Ziel einer Frakturbehandlung ist eine Wiederherstellung der Knochenkontinuität, der umgebenden Weichteile und des Band- und Sehnenapparats. Die Therapie von Frakturen gliedert sich zeitlich gesehen in drei Phasen:
• Reposition: Die Frakturenden werden in ihre ursprüngliche anatomische Stellung zurückgeführt.
• Ruhigstellung (Osteosynthese/Gips): Die Frakturenden und der umgebende Muskel, Band- und Sehnenapparat werden bis zur endgültigen knöchernen Ausheilung der Fraktur stabilisiert und so weit möglich ruhiggestellt.
• Wiederherstellung der Funktion: Durch Physiotherapie wird die ursprüngliche Beweglichkeit der Extremität weitestgehend wiederhergestellt.

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5
Q

Nennen Sie uns verschiedene Bruchformen und beschreiben Sie uns den jeweiligen Verlauf der Frakturlinie.

A

Je nach Verlauf der Frakturlinie und Art des Traumas unterscheidet man verschiedene Bruchformen (› Tab. 10.2).
Tab. 10.2 Verschiedene Frakturformen
Art der Fraktur : Verlauf der Frakturlinie
Unfallmechanismus
→ Quer- oder Schrägfraktur : quer oder schräg
kurzes heftiges Anpralltrauma
→ Torsionsfraktur : spiralförmig
Verdrehung der Längsachse des Knochens (z. B. beim Skifahren oder Fußballspielen)
→ Biegungsfraktur : Biegungskeil auf der traumatisierten Seite
Überschreiten der Knochenelastizität
→ Abrissfraktur : Frakturenden oft stark disloziert
Einwirken von Zugkräften eines Bands oder einer Sehne
→ Kompressionsfraktur
Erwachsene: Kompression , Kinder: Wulstbildung
Stauchung in Knochenlängsachse
→ Mehrfragment- und Trümmerfraktur
Mehrfragmentfraktur: (4–6 Fragmente) Trümmerfrakturen (> 6 Fragmente)
breite, rasant auftreffende Gewalteinwirkung
→ Zwei-Etagen- oder Stückfraktur
zwei Frakturen in geringem Abstand
Anpralltrauma (z. B. Stoßstange gegen Unterschenkel eines Fußgängers)

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6
Q

Worum handelt es sich bei der AO-Klassifikation für Frakturen?

A

Die AO (Arbeitsgemeinschaft Osteosynthese) wurde 1958 in der Schweiz gegründet. Mitglieder sind Chirurgen aus aller Welt, die sich in einer Organisation zusammengeschlossen haben, um weltweit einheitliche Standards und Operationspraktiken zu etablieren. Die AO-Klassifikation dient der weltweit einheitlichen Klassifikation und Kodierung von Frakturen.

Die Verschlüsselung erfolgt in einer dreigliedrigen Systematik je nach Lokalisation und Morphologie der Fraktur
• frakturierter Knochen
• Knochensegment
• Morphologie (z. B. Frakturtyp, Anzahl der Fragmente, Begleitverletzungen, Dislokation etc.)

Die AO-Klassifikation orientiert sich eng am Schweregrad der Fraktur. Sie dient daher der Therapieplanung und der Einschätzung der Langzeitprognose.

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7
Q

Kommen wir zur osteosynthetischen Versorgung von Frakturen. Was muss man dabei beachten und worauf kommt es an?

A

Beim Anlegen einer Osteosynthese sollte das OP-Trauma so gering wie möglich gehalten werden. Darum werden Frakturen nach Möglichkeit sparsam freigelegt. Die Fraktur wird zuerst reponiert und schließlich mithilfe einer Osteosynthese adaptiert. Unterschieden werden lagerungs-, übungs- und belastungsstabile Osteosynthesen. Eine operative Frakturbehandlung ist immer indiziert bei:
• offenen Frakturen 2. und 3. Grades
• dislozierten Gelenkfrakturen
• Mehrfachverletzungen (Pflegeerleichterung)
• dislozierten Extremitätenfrakturen
• Pseudarthrosen
• Epiphysenfrakturen (Aitken II und III)
Die osteosynthetische Versorgung einer Fraktur sollte nach Möglichkeit in den ersten Stunden nach dem Trauma vorgenommen werden, bevor es zu ausgedehnten Hämatomen, Weichteilschwellung und lokalen Entzündungsreaktionen kommt. Ist das Umgebungsgewebe stark angeschwollen, sollte die Operation auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, wenn die Extremität abgeschwollen ist.
Merke: Man unterscheidet lagerungsstabile, übungsstabile und belastungsstabile Osteosynthesen.

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8
Q

Die konservative Therapie einer Fraktur beschränkt sich auf die Reposition und Ruhigstellung der Fraktur. Zur operativen Behandlung von Frakturen stehen verschiedene osteosynthetische Verfahren zur Verfügung. Welche Arten von Osteosynthesen kennen Sie?

A

Man unterscheidet bei den Osteosynthesen zwischen intramedullären (Marknägel etc.) und extramedullären Kraftträgern. Es kommen folgende Osteosyntheseverfahren zum Einsatz:
• Plattenosteosynthesen gehören zu den extramedullären Kraftträgern. Sie kommen meist bei Gelenks- oder gelenksnahen Frakturen zum Einsatz. Mithilfe von Schrauben wird die Platte proximal und distal des Frakturspalts fixiert. Auf diese Art können auch größere Frakturabschnitte überbrückt werden, wie es zum Teil bei Trümmerfrakturen oder Spiralbrüchen erforderlich ist.
• Schrauben fixieren das distal gelegene Fragment am schraubenkopfnahen Fragment und komprimieren nach Festziehen den Frakturspalt. Je nach Art und Beschaffenheit des Knochens wählt man zwischen Spongiosa- und Kortikalisschrauben.
• Marknägel dienen vor allem der Stabilisierung langer Röhrenknochen. Der Nagel wird axial in die Markhöhle eingeschlagen (mit oder ohne Vorbohrung). Bei unzureichender Rotationsstabilität müssen die Frakturenden mithilfe von Verriegelungsnägeln fixiert werden. Kontraindikationen sind lokale Infektionen, Epiphysenverletzungen bei Kindern und evtl. höhergradig offene Frakturen. Auf die Frakturstelle wirkt kein zusätzliches Trauma ein, da der Marknagel frakturfern eingebracht und vorgeschoben wird.
• Bohr- oder Spickdrähte werden in den Knochen eingebohrt zur Fixation der Fragmente gegeneinander. Entweder wird die Fraktur offen reponiert und mit Drähten fixiert (z. B. bei Epikondylusfrakturen des Humerus) oder es erfolgt eine geschlossene Reposition gefolgt von einer perkutanen Spickung (z. B. bei distalen Radiusfrakturen). Mit Bohr- oder Spickdrähten lässt sich höchstens eine Übungsstabilität erreichen.
• Zuggurtungen mit Drahtschlinge (z. B. bei Olekranon- oder Patellafrakturen) arbeiten nach dem Prinzip, Zug- in Druckkraft umzusetzen. Post- operativ sind sie übungsstabil.
• Fixateur externe: Bei höhergradig offenen Frakturen, Beckenringfrakturen und Trümmerfrakturen werden proximal und distal des Frakturspalts Schanz-Schrauben eingedreht. Eine externe Verbindung der Schrauben durch Metallrohre sorgt für eine Ruhigstellung im Bereich der Fraktur. Oft erfolgt sekundär eine Stabilisierung der Fraktur durch ein anderes Osteosyntheseverfahren.

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9
Q

Worin liegen die Vorteile einer operativen Frakturtherapie gegenüber der konservativen Therapie?

A

Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile, daher muss die Entscheidung, ob operativ oder konservativ vorgegangen wird, für jeden Patienten individuell gefällt werden. Entscheidend sind dabei das Alter des Patienten, die Art, Lokalisation und Stellung der Fraktur und die Genese und Traumatisierung der Fraktur bzw. des umgebenden Weichteilmantels (› Tab. 10.3).
Tab. 10.3 Vergleich von operativer und konservativer Frakturtherapie
Konservativ
Vorteile
• kein OP-Risiko (Gefäß- und Nervenverletzungen, Anästhesie)
• keine Infektionsgefahr
• keine Metallentfernung erforderlich
• meist kein Krankenhausaufenthalt erforderlich
Nachteile
• meist schlechtere Reposition
• lange Immobilisation
• häufiger CRPS, Achsenfehler, Verkürzung, Arthrose
• Gips: keine Weichteilinspektion möglich, häufiger Nervenläsionen

Operativ
Vorteile
• schnellere funktionelle Behandlung möglich
• sichere Reposition, bessere Ruhigstellung
• seltener Pseudarthrosen
Nachteile
• OP-Trauma und -Risiken
• Anästhesie erforderlich
• Metallentfernung erforderlich
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10
Q

Nach welchen Kriterien werden offene Frakturen eingeteilt?

A

Offene Frakturen werden gemäß dem Ausmaß der sie begleitenden Weichteilverletzungen in vier Grade eingeteilt (› Tab. 10.4).
Offene Frakturen sollten wie alle Frakturen mit besonderer Sorgfalt in Hinsicht auf steriles Arbeiten behandelt werden. Eine frühzeitige Antibiotikagabe (kein Reserve-Antibiotikum!) soll das Infektionsrisiko reduzieren.
Bei höhergradig offenen Frakturen mit ausgedehnten Weichteildefekten kann eine primäre Versorgung mittels Fixateur externe erforderlich sein, um eine Verschleppung von Bakterien in den Knochen hinein und weitere Weichteiltraumatisierungen zu verhindern.
Frakturen der langen Röhrenknochen (Humerus, Femur, Tibia) werden je nach Morphologie der Fraktur mit Marknägeln versorgt, um eine weitere Traumatisierung des Gewebes zu vermeiden.

Tab. 10.4 Einteilung offener Frakturen nach Tscherne u. Oestern (1982)
Grad I : kleinflächige Hautdurchspießung durch ein Knochenfragment von innen (→ punktförmige Verletzung)
Grad II : ausgedehnte Weichteilverletzungen und Gewebekontusion über dem Frakturgebiet
Grad III : frei liegende Fraktur mit ausgedehnter Weichteilzerstörung (Muskeln, Nerven und Gefäßen)
Grad IV : subtotale Amputation, die Extremität hängt nur noch an Weichteilen

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11
Q

Wie lautet Ihre Diagnose, wenn Sie sich das nächste Röntgenbild anschauen (› Abb. 10.1)? Wie alt, denken Sie, ist der Patient?

A

Das Röntgenbild zeigt den distalen Unterarm mit Handgelenk a.p. und im seitlichen Strahlengang. Die Fraktur erscheint im Röntgenbild wie ein gebrochener grüner Ast. Man bezeichnet Brüche dieser Art deshalb als Grünholzfraktur. Hier ist der distale Radius betroffen. Die Grünholzfraktur stellt eine typische Fraktur des Kindesalters dar. Bei der klassischen Grünholzfraktur handelt sich dabei um eine unvollständige Fraktur eines Röhrenknochens (meist Radius).

Es tritt keine Fragmentverschiebung, immer jedoch eine Achsabweichung sowie Druck-, Biegungs-, Stauchungs- schmerz auf. Die Kortikalis auf der konkaven Seite der Achsabknickung ist intakt oder lediglich angebrochen, die der Gegenseite komplett unterbrochen. Da Grünholzfrakturen typische Frakturen des Kindesalters sind und man im Röntgenbild die noch offenen Epiphysenfugen erkennt, handelt es sich bei dem Patienten um ein Kind.

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12
Q

Wie würden Sie eine Grünholzfraktur behandeln?

A

Klassische Grünholzfrakturen bergen das Risiko, dass die nur angebrochene Kortikalis sehr schnell heilt und somit die Kortikalis der gegenüberliegenden Seite in ihrer Heilung blockiert. Es kommt ohne Behandlung in fast 30 % zu Refrakturen oder zu Wachstumsstörungen. Bei Frakturen mit einer Achsverschiebung von < 10° kann eine konservative Therapie versucht werden. Bei größeren Achsknicken muss die Fraktur zunächst vervollständigt, dann reponiert und mit einem Gips ruhiggestellt werden. Ist die Fraktur nach der Reposition instabil, wird sie mithilfe von Spickdrähten immobilisiert.

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13
Q

Kennen Sie andere unvollständige Frakturen des Kindes?

A

Andere unvollständige Frakturen im Kindesalter sind die:
• metaphysäre Wulstfraktur, bei der die spongiösen Knochenfragmente ohne Dislokation ineinander geschoben sind. Das Periost ist intakt. Es handelt sich im eigentlichen Sinn um eine gestauchte Grünholzfraktur und tritt praktisch nur in den ersten 5 Lebensjahren auf.
• Bowing Fracture, bei der der Knochen verbogen, jedoch nicht die gesamte Kortikalis durchtrennt ist. Es existiert keine klare Frakturlinie. Stattdessen finden sich viele Haarrisse.

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14
Q

Für welche Frakturen gilt die Einteilung nach Aitken?

A

Die Einteilung nach Aitken dient der Klassifikation von Epiphysenverletzungen (› Abb. 10.2). Sie spielt bei der Indikationsstellung zur Operation eine wichtige Rolle. Eine Aitken-I-Fraktur (Salter II) wird in der Regel konservativ, eine Aitken-II-Fraktur (Salter III) meist operativ versorgt. Bei einer Aitken-III-Fraktur (Salter IV) ist die Indikation zur OP immer gegeben. Die Fragmente müssen in der Wachstumsfuge millimetergenau reponiert und adaptiert werden.
Die Aitken-Klassifikation ähnelt der Einteilung der Epiphysenverletzungen nach Salter-Harris.

Aitken 0 = Salter 1: Epiphysiolyse ohne Begleitfraktur
Aitken I = Salter 2: Partielle Epiphysiolyse mit Absprengung eines metaphysären Elements.
Aitken II = Salter 3: Partielle Epiphysiolyse mit Epiphysenfraktur.
Aitken III = Salter 4: Fraktur durch Epi- und Metaphyse.
Aitken IV = Salter 5: Kompressionsfraktur mit radiologisch darstellbarer axialer Stauchung der Epiphysenfuge

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15
Q

Welche Komplikationen können nach Frakturen der Epiphysen eintreten?

A

Da die Wachstumsfuge betroffen ist und Reparaturvorgänge einsetzen, werden hauptsächlich Veränderungen des Knochenwachstums beobachtet:
• Wachstumsverzögerung oder -stopp
• Schiefwachstum
• überschießendes Längenwachstum
Das Risiko für Komplikationen steigt von Aitken 0 bis IV (Salter I bis V).
Merke: Epiphysenverletzungen beeinflussen vor allem das Knochenwachstum: es kann zu verzögertem, schiefem oder überschießendem Längenwachstum kommen.

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16
Q

Bei ausgedehnten Knochendefekten, z.B. im Rahmen einer Trümmerfraktur, ist es manchmal erforderlich, eine Knochenplastik durchzuführen. Wo entnehmen Sie Material zur Füllung des Defekts?

A

Ausgedehnte Knochendefekte, bei denen durch große Zwischenräume eine primäre Frakturheilung ausgeschlossen erscheint, erfordern eine Füllung des Defekts mit knöchernem Material. Infrage kommen dabei autologe oder homologe Transplantationen rein spongiösen oder kortikospongiösen Materials. Dieses wird gewöhnlich dem Beckenkamm, seltener dem Trochanter, dem Tibiakopf, einer Rippe oder dem Radius entnommen. Nach der Operation muss die Fraktur ruhig gestellt und evtl. einer Extensionsbehandlung zugeführt werden. Eine gute Durchblutung der Knochenenden ist Voraussetzung für ein gutes Einheilen und Verwachsen des Transplantationsmaterials mit den Frakturenden.

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17
Q

Worin liegt die Gefahr bei ausgedehnten Weichteiltraumen nach Frakturen einer Extremität?

A

Ausgedehnte Weichteiltraumen einer Extremität führen zu einem Fraktur- bzw. Muskelhämatom. In engen Muskellogen, wie sie insbesondere am Unterschenkel oder am Unterarm vorliegen, steigt der Gewebedruck. Dies führt zu einem Kompartmentsyndrom. Durch die Druckerhöhung im Gewebe kommt es zur Kompression der Gefäße. Die Perfusion in den distalen Arealen wird reduziert oder sogar komplett unterbrochen. Unbehandelt führt ein Kompartmentsyndrom zu ausgedehnten Muskelnekrosen. Auch motorische und sensible Nerven können durch die Kompression schwer geschädigt werden. Daher müssen bei ausgedehnten Hämatomen und Weichteilschwellungen distal der Schwellung regelmäßige Kontrollen von Durchblutung, Motorik und Sensibilität (DMS) erfolgen. Unbehandelt führt ein Kompartmentsyndrom zum narbigen Umbau und zur Kontraktur der Muskulatur, im schlimmsten Fall zum Verlust der Extremität und zur Sepsis. Durch eine ausgeprägte Rhabdomyolyse kann der Patient ein akutes Nierenversagen (Crush-Niere) entwickeln.

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18
Q

Wo tritt ein Kompartmentsyndrom bevorzugt auf?

A

Das Kompartmentsyndrom entsteht meist als Folge von Traumen des Unterschenkels oder des Unterarms.
Am Unterschenkel existieren vier Kompartimente: ventral die Tibialis-anterior-Loge, lateral die Peroneusloge, in der Tiefe dorsal die Tibialis-posterior-Loge und dorsal oberflächlich die Loge mit dem M. triceps surae.
Am häufigsten findet man ein Kompartmentsyndrom im Bereich der Tibialis- anterior-Loge.
Am Unterarm existieren zwei Muskellogen: das der tiefen Unterarmbeuger und das der Handinnenmuskeln. Entwickelt sich im Bereich der tiefen Unterarmbeuger ein Kompartmentsyndrom, kann es unbehandelt zur Volkmann-Kontraktur führen.
Typisch für ein Kompartmentsyndrom sind abgeschwächte bis erloschene periphere Pulse mit Sensibilitäts- und Motilitätsstörungen.

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19
Q

Welche klinischen Befunde erwarten Sie bei einem Kompartmentsyndrom?

A

In der Regel tritt ein Kompartmentsyndrom als Folge eines starken Traumas, einer längeren Kompression, einer Reperfusion oder sehr selten als Folge einer massiven muskulären Überbelastung auf. Klinisches Leitsymptom sind zunehmende, durch Analgetika kaum zu beeinflussende Schmerzen. Außerdem imponiert das Kompartmentsyndrom ähnlich wie eine Thrombose mit:
• Umfangzunahme der betroffenen Extremität
• glänzende und gespannte Haut
• Schmerzen in Ruhe, Muskeldehnungsschmerzen
• Überwärmung
Sensibilitätsstörungen und abgeschwächte oder gar aufgehobene periphere Pulse sind absolute Spätsymptome. Es ist mit dauerhaften Schäden zu rechnen. Druckmessungen in den einzelnen Muskellogen durch das Einführen von Drucksonden und Doppler-Sonografie bestätigen die Diagnose.
Merke: Geprüft werden die 4 „K“: Kontraktilität, Konsistenz, Kolorit, Kapillardurchblutung.

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20
Q

Kompartmentsyndrom

Welche Therapie leiten Sie ein?

A

Entscheidend ist eine schnelle Druckentlastung der betroffenen Muskelloge. Dies geschieht durch eine Freilegung der betroffenen Muskelloge und Faszienspaltung zur Druckentlastung. Nekrosen werden abgetragen. Die Wundheilung wird meist primär offen durchgeführt. Nach Verbesserung der Druckverhältnisse in der Loge kann ein sekundärer Wundverschluss erfolgen.

21
Q

Was versteht man unter einem CRPS?

A

Unter einem CRPS (Complex Regional Pain Syndrome) versteht man ein komplexes Krankheitsbild im Bereich einer traumatisierten Extremität. Das Trauma selbst kann zum Teil sehr gering und vom Patienten kaum wahrgenommen worden sein. Synonym wurden früher Begriffe wie Morbus Sudeck, sympathische Reflexdystrophie oder Algodystrophie benutzt.
Die Pathogenese des CRPS ist noch nicht komplett geklärt. Vermutet wird eine Entzündungsreaktion, bei der gewisse Entzündungsmediatoren nicht ausreichend abgebaut werden. Dies verlängert das Entzündungsgeschehen. Auch im ZNS lösen diese Mediatoren spezielle Veränderungen aus. Es kommt zu einer Sensibilisierung der Neurone der zentralen schmerzregulierenden Zentren. Zusätzlich kommt es zu einer Fehlfunktion des Sympathikus, was zu einer Veränderung von Durchblutung und Schweißsekretion der Haut führt. Vasokonstriktion und verstärkte arteriovenöse Shunts führen zur Minderperfusion und Hypoxie des Gewebes. Es kommt zu einer Azidose. Typische Symptome des CRPS sind:
• Durchblutungsstörungen
• Ödeme
• Hautveränderungen
• Schmerzen
• Funktionseinschränkungen
• im Spätstadium Knochen- und Muskelatrophien
Es kommt im weiteren Verlauf zu einer kortikalen Reorganisation. Darunter versteht man eine Veränderung einzelner Repräsentationsbereiche im Bereich des zerebralen Kortex, wodurch es zu einer Ausweitung der Symptome über das ursprünglich betroffene Areal hinaus kommen kann.
Je nach Ausmaß der Veränderungen werden drei Stadien unterschieden (› Tab. 10.5).
Tab. 10.5 Stadieneinteilung des CRPS
Stadium : Klinik , Therapie
I : (0–3 Monate posttraumatisch)
Schwellung, Rötung, Wärme, Schmerz, Funktionsstörung, teigige Weichteilschwellung, glänzende, livide verfärbte Haut, Schmerzen, verminderter Muskeltonus
Ruhigstellung
Medikamente: Kalzitonin (Miacalcic Nasalspray®), NSAID, Adalat®, Valium, ggf. peripherer Schmerzkatheter
II : (3–6 Monate posttraumatisch)
blasse, glänzende Haut, Ödemrückgang, nachlassende Schmerzen, beginnende Muskelatrophie, radiologisch fleckige Knochendystrophie
Physiotherapie, Analgesie (s. o.)
III : (6–12 Monate posttraumatisch, irreversibel)
Weichteilschrumpfung, Muskelatrophie, blasse glänzende Haut, Kontrakturen, radiologisch diffuse Osteoporose
Physiotherapie, Quengelschienen, warme Bäder, Dehnungsbehandlung, Analgesie

22
Q

Was ist eine Oberst-Leitungsanästhesie?

A

Eine Oberst-Leitungsanästhesie ist eine Lokalanästhesie für Operationen an Fingern und Zehen. Über eine Blockade der peripheren Nerven durch Injektion je eines Depots eines Lokalanästhetikums distal des Grundgelenks werden kleine Eingriffe an den Phalangen möglich. Insgesamt werden pro Finger oder Zehe je vier Depots gesetzt (› Abb. 10.3).

23
Q

Was ist die häufigste Ursache von Klavikulafrakturen und wie sieht die Therapie aus?

A

Klavikulafrakturen sind entweder Folge eines Sturzes auf die Schulter (direktes Trauma) oder eines Sturzes auf den ausgestreckten Arm (indirektes Trauma). In etwa 80 % der Fälle ist die Fraktur im mittleren, in 5 % im medialen und in etwa 15 % im lateralen Drittel der Klavikula lokalisiert. Ungefähr 90% aller Klavikulafrakturen werden konservativ mittels Rucksack- (mediales und mittleres Drittel) oder Gilchrist-Verband (laterales Drittel) über 4–6 Wochen behandelt.
Eine operative Therapie ist indiziert bei:
• sehr weit lateral gelegener Fraktur mit Instabilität im Akromioklavikulargelenk
• schweren Begleitverletzungen mit Gefäß- und Nervenläsionen
• offener Fraktur oder drohender Durchspießung der Haut oder Pleura
• Pseudarthrose oder ausbleibender Frakturheilung nach 6 Wochen
• Herauslösung des lateralen Klavikuladrittels aus dem Periostschlauch (Kinder, Jugendliche)
• massive Dislokation der Frakturenden
Die meisten Klavikulafrakturen werden heutzutage mithilfe von Prevot-Nägeln stabilisiert. Alternativ dazu kommen je nach Lokalisation und Art der Fraktur Platten, Schrauben und Drähte zur Stabilisierung des Knochens zum Einsatz.

24
Q

Ein 45-jähriger Mann ist beim Skifahren auf die Schulter gestürzt. Nach dem Sturz klagt er über massive Schmerzen im Schultergelenk. Bei der körperlichen Untersuchung kann der Patient die Schulter schmerzbedingt nicht bewegen. Sie tasten eine knöcherne Erhebung am lateralen Klavikularand. Die Röntgendiagnostik ergibt folgende Bilder (› Abb. 10.4)
Wie lautet Ihre Diagnose?

A

Die Anamnese, Klinik und die Röntgenaufnahmen erlauben die eindeutige Diagnose einer Schultereckgelenkluxation. Dabei handelt es sich um eine Luxation im Akromioklavikulargelenk, meist ausgelöst durch einen Sturz auf die Schulter bei abduziertem Arm bzw. bei starker Hebelwirkung am Schultergürtel. Je nach Ausmaß der Verletzung teilt man Schultereckgelenk- luxationen nach Rockwood in 6 Grade (› Tab. 10.6) ein. Die Rockwood- Klassifikation hat die früher gebräuchliche Tossy-Klassifikation weitgehend ersetzt. Beim Verdacht auf eine Schultereckgelenkluxation werden beide Schultern im a. p. Strahlengang unter passiver Belastung (Gewichte am hängenden Arm) geröntgt. Nach Ermüden der Muskulatur wird eine Panorama-aufnahme angefertigt. Entscheidend ist der Seitenvergleich mit der gesunden Seite. Bei Rockwood III ist im Röntgenbild, wie auch in diesem Fall, ein deutlicher Hochstand des lateralen Klavikulaendes sichtbar (› Abb. 10.5).
Tab. 10.6 Rockwood-Klassifikation der Schultereckgelenkluxation
Grad : Morphologie , Klinik
→ Rockwood I (Tossy I)
Bänderüberdehnung oder -zerrung (Ligg. acromioclaviculare u. coracoclaviculare)
Schmerzen, Schwellung
→ Rockwood II (Tossy II)
Ruptur des Lig. acromioclaviculare und Überdehnung des Lig. coracoclaviculare
Schmerzen, Hochstand und Instabilität des AC-Gelenks (Subluxation)
→ Rockwood III (Tossy III)
Riss aller Bänder im AC-Gelenk (Ligg. acromioclaviculare und coracoclaviculare)
Hochstand des lateralen Klavikulaendes, komplette Luxation (Klaviertastenphänomen)
→ Rockwood IV
wie Rockwood III mit Dorsalverschiebung der lateralen Klavikula
Luxation des AC-Gelenks und Dorsalverschiebung des lateralen Klavikulaendes
→ Rockwood V
wie Rockwood III mit Abriss der Mm. deltoideus und trapezius vom distalen Klavikulaende
massiver Hochstand der Klavikula, AC-Gelenksspalt 2–3× so weit wie auf der Gegenseite, radiologisch sind der Arm und die Skapula nach distal disloziert
→ Rockwood VI
Luxation der Klavikula unter das Akromion oder das Korakoid
tief stehende, unter dem Akromion oder dem Korakoid fixierte Klavikula

25
Q

Schultereckgelenkluxation

Wie sieht Ihre Therapie aus?

A

Luxationen vom Typ Rockwood I und II werden mittels Gilchrist-, Desault- oder Tape-Verband ruhig gestellt. Auch stabile Rockwood-III-Luxationen rechtfertigen einen konservativen Therapieversuch. Instabile Luxationen vom Typ Rockwood III und alle höhergradigen Luxationen werden in der Regel operativ durch ein PDS-Banding zwischen Akromion und Klavikula bzw. Korakoid und Klavikula versorgt. Dies erfolgt heutzutage meist arthroskopisch. Alternativ können Bandnähte und eine temporäre Arthrodese für 6 Wochen durch Spickdraht oder eine Hakenplatte angelegt werden. Dies erfordert eine spätere Metallentfernung nach abgeschlossener Heilung.

26
Q

Was versteht man unter einer Schulterluxation?

A

Das Schultergelenk ist wegen seiner kleinen Pfanne und seines großen Gelenkkopfes sehr beweglich, damit aber auch anfällig für Luxationen. Es ist deshalb das am häufigsten luxierte Gelenk des Körpers. Man unterscheidet traumatische von habituellen (atraumatischen) und rezidivierenden Luxationen:
• Traumatische Luxationen treten meist im Rahmen indirekter Traumen mit hebelnder Humerusbewegung auf.
• Habituelle Luxationen treten ohne Gewalteinwirkung („gewohnheitsmäßig“) auf. Als Ursachen finden sich angeborene Fehlstellungen oder Dysplasien der Gelenkpfanne, Muskel-Kapsel-Band-Schwächen oder Torsionsfehler des Humerus.
• Bei den rezidivierenden Luxationen findet man ursächlich ein primäres adäquates Trauma und konsekutive Veränderungen des Gelenks.
Der Humeruskopf kann nach vorne (Luxatio subcoracoidea, 80 % der Fälle), nach unten (Luxatio axillaris, 15 % der Fälle) oder nach hinten (Luxatio infraspinata, 5 % der Fälle) luxiert sein. Man findet folgende Klinik:
• federnde Fixation
• leere Gelenkpfanne
• Zwangshaltung des Arms (fixierte Außenrotations-Abduktionsstellung), massive Schmerzen
• ggf. Sensibilitätsstörungen und Durchblutungsstörungen im Arm (selten)
• hervorstehendes Akromion, abgeflachter M. deltoideus
Zur Sicherung der Diagnose reicht in der Regel ein konventionelles Röntgenbild der Schulter.

27
Q

Wie reponieren Sie eine Schultergelenkluxation?

A

Es gibt verschiedene Repositionstechniken, die alle auf dem gleichen Prinzip beruhen. Durch konstanten vorsichtigen Zug am Oberarm nach distal schnappt der Humeruskopf in der Regel schnell in die Pfanne zurück.
• Reposition nach Kocher: Zunächst wird am Humerus gezogen und adduziert. Dann erfolgen eine Außenrotation und Elevation, gefolgt von einer raschen Innenrotation und Adduktion. Diese Methode ist mittlerweile das Standardverfahren für eine Schulterreposition.
• Reposition nach Arlt: Der Arm des Patienten wird in der Axilla über eine gepolsterte Stuhllehne (als Hypomochlion = Umlenkpunkt) gehängt. Durch konstanten Zug am Arm nach unten gleitet der Humeruskopf zurück in die Gelenkpfanne.
• Reposition nach Hippokrates: Der Arzt legt seine Ferse oder ein Tuch durch einen Helfer in die Axilla des liegenden Patienten. Er übt danach einen gleichmäßigen Zug auf den Arm des Patienten aus und rotiert den Oberarm leicht nach außen, bis der Humeruskopf reponiert ist. Die Ferse oder das Tuch in der Axilla dient als Hypomochlion. Diese Methode, die vor allem bei anterioren Luxationen Anwendung fand, wird wegen der Gefahr von Nervenverletzungen nur noch selten praktiziert.
• Reposition nach Iselin: Selbsteinrichtung durch den Patienten durch Zug und Rotation an einem fixen Gegenstand bei habitueller Luxation.
Vor allem bei muskulösen Patienten ist es möglich, dass zum Reponieren der Luxation der Schultergürtel entspannt werden muss. Dies kann eine Kurznarkose erforderlich machen. Durch Reposition einer Schulterluxation, aber auch durch die Luxation selbst kann es zu Läsionen von Gefäßen, des Plexus brachialis und knöcherner Strukturen kommen. Wichtig ist deshalb die Prüfung und Dokumentation von Sensibilität, Motorik und Durchblutung des Arms und des Schultergürtels vor und nach Reposition. Nach erfolgreicher Reposition erfolgt eine Ruhigstellung des Gelenks für 2–3 Wochen im Desault- oder Gilchrist-Verband. Eine längere Immobilisation sollte wegen der Gefahr einer Bewegungseinschränkung im Schultergelenk vermieden werden. Bestehen nach dieser Zeit noch Beschwerden, muss ein MRT des Schultergelenks erfolgen.

28
Q

Mit welchen Komplikationen müssen Sie rechnen nach einer Schulterluxation und -reposition?

A

Nach einer Schulterluxation und deren Reposition kann es zu Schäden verschiedener Strukturen des Schultergürtels kommen. Zu den Komplikationen durch Luxation und Reposition einer traumatischen Schulterluxation zählen die:
• Bankart-Läsion (Abriss des Labrum glenoidale inferius) = häufigste Ursache für rezidivierende Schulterluxationen!
• SLAP-Läsion (Schaden des superioren Labrum glenoidale anterius bis posterius)
• Hill-Sachs-Läsion (dorsokraniale keilförmige Knochen-Knorpel-Impression am Humeruskopf nach anteriorer Luxation) oder reverse Hill-Sachs- Läsion (ventrokraniale Impression nach posteriorer Luxation)
• Abrissfrakturen des Sehnenansatzes am Tuberculum majus oder minus und Rotatorenmanschetten-Ruptur
• Verletzung des Plexus brachialis und/oder Verletzung von A., V. und N. axillaris (vor allem bei Patienten > 60 J. nach einer Reposition nach Hip- pokrates)
• Versteifung der Schulter durch lange Immobilisation („frozen shoulder“)
• Oberarmkopfluxationsfraktur (Risiko: Humeruskopfnekrose)
Bis zu 70 % aller Patienten, die jünger als 30 Jahre bei Erstluxation waren, erleiden Rezidivluxationen. Deshalb sollten Luxationen wegen der Gefahr einer Nerven- oder Gefäßverletzung spätestens nach dem zweiten Auftreten operativ versorgt werden. Bei einer Bankart-Läsion wird der abgelöste Labrum- Ligament-Komplex am vorderen Pfannenrand refixiert (Bankart-OP). Bei entsprechendem Befund wird die OP kombiniert mit einer Kapselraffung nach Neer, wobei die gedehnte Kapsel gerafft und das Lig. glenohumerale inferius durch eine Doppelung der vorderen Kapsel verstärkt wird.

29
Q

Aus welchen Muskeln setzt sich die Rotatorenmanschette zusammen?

A

Die Rotatorenmanschette bildet das Dach des Schultergelenks und setzt sich aus vier Muskeln und deren Sehnen zusammen, die vom Schulterblatt zum Tuberculum majus bzw. zum Tuberculum minus ziehen. Diese vier Muskeln sind:
• M. infraspinatus
• M. supraspinatus
• M. subscapularis
• M. teres minor
Die Rotatorenmanschette stabilisiert die Schulter und ist für die Innen- und Außenrotation, sowie für das seitliche Abspreizen des Armes verantwortlich.

30
Q

Wie kommt es zu Schäden an der Rotatorenmanschette und wie behandeln Sie eine Rotatorenmanschetten-Ruptur?

A

Die Rotatorenmanschetten-Muskulatur ist oft degenerativ vorgeschädigt, kann aber auch bei Stürzen oder durch Luxationen beschädigt werden. Bei einem Riss eines oder mehrerer Muskeln der Rotatorenmanschette kommt es zu einer Abduktionsschwäche, Schmerzen, zur Instabilität und zu einem „drop arm“, d. h., der Arm kann nicht in der Horizontalen gehalten werden. Rotatorenmanschettenrupturen operiert man heutzutage regelmäßig arthroskopisch. Dabei werden die Muskelenden aufgesucht und mittels Anker am Knochen refixiert. Offene Rotatorenmanschetten-Rekonstruktionen werden nur noch selten (bei sehr großen Defekten) durchgeführt. Bei sehr großen, nicht frischen Rissen oder bei schlechter Muskelqualität kann ein Sehnentransfer vorgenommen werden. Die Funktion der Rotatorenmanschette kann damit nicht komplett wiederhergestellt werden, die Schulter wird jedoch wieder zentriert. Die Schmerzen sind danach meist rückläufig. Zum Teil sind Begleiteingriffe erforderlich wie:
• Akromioplastik (bei Einengung einer RM-Sehne unter dem Akromion)
• Akromioklavikulargelenksresektion
• Bizepstenotomie, Bizepstenodese

31
Q

Welcher Nerv ist am meisten durch eine Oberarmschaftfraktur gefährdet?

A

Oberarmschaftfrakturen werden durch direkte oder indirekte Traumen verursacht. Gefährdet ist vor allem der N. radialis, der den Oberarmschaft etwa in Höhe Oberarmmitte kreuzt. Neurologische Ausfälle betreffen die Motorik und/oder die Sensibilität des Unterarms und der Hand. Die Innervation des M. triceps brachii ist in der Regel nicht gefährdet, da der innervierende Ast meist schon in Höhe der Axilla abzweigt.

32
Q

Bezüglich der Therapie der Humerusschaftfrakturen hat in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Haben Sie eine Ahnung, was ich damit meinen könnte?

A

Noch bis vor wenigen Jahren wurden Humerusschaftfrakturen in der Regel konservativ therapiert. Der Bruch wurde dabei mit einem Sarmiento-Gips in 90°-Beugestellung im Ellbogengelenk oder im Desault- oder Gilchrist-Verband ruhig gestellt. Heutzutage neigt man jedoch insbesondere bei Erwachsenen immer mehr zur operativen Versorgung. Klare Indikation zur OP sind insbesondere zweit- bis drittgradig offene Frakturen, beidseitige Frakturen, Frakturen im Rahmen eines Polytraumas, Gefäß- und Nervenläsionen, nicht reponierbare Frakturen, Pseudarthrosen oder Muskelinterposition im Frakturspalt. Als operative Therapie kommen in Frage:
• Marknagelung mit UHN (unaufgebohrter Humerusnagel)
• Plattenosteosynthese
• Fixateur externe (Indikation: Primärversorgung bei Polytrauma und schweren Weichteilschäden)
• bei Kindern: intramedulläre Schienung durch Prevot-Pins

33
Q

Eine 64-jährige Patientin ist vom Fahrrad gestürzt und auf den Ellbogen geprallt. Nach dem Sturz klagt sie über starke Schmerzen im Oberarm und im Schulterbereich. Klinisch ist die Beweglichkeit im Schultergelenk eingeschränkt, was aber eher auf eine Schonhaltung zurückzuführen ist. Sichere Frakturzeichen lassen sich nicht nachweisen. Über dem Oberarmkopf beschreibt die Patientin bei Palpation einen Druckschmerz.
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose und welche weiteren Untersuchungen nehmen Sie vor?

A

Der Unfallmechanismus, die Symptomatik der Patientin und der klinische Untersuchungsbefund lassen an eine proximale Humerusfraktur denken. Ursache ist meist ein Sturz auf die ausgestreckte Hand oder den Ellbogen. Es handelt sich um die typische Fraktur des alten Menschen. Zur Diagnosesicherung sollten Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen und eine transthorakale skapuläre Aufnahme erfolgen. Wichtig sind die Prüfung und Dokumentation von Durchblutung, Motorik und Sensibilität. Oft bestehen Begleitverletzungen des Plexus brachialis und der Vasa axillares. Eine Unterbrechung der Blutversorgung kann zur Oberarmkopfnekrose führen. Es existieren verschiedene Frakturlinien, die einzeln oder kombiniert auftreten:
• Fraktur in Höhe des Collum anatomicum
• Tuberculum-minus-Fraktur
• Abriss des Tuberculum majus
• Fraktur in Höhe des Collum chirurgicum
Die Frakturen werden nach Neer gemäß der Anzahl der einzelnen Knochenfragmente in 2-, 3- oder 4-Segmentfrakturen oder nach der AO-Klassifikation unterteilt.

34
Q

proximale Humerusfraktur

Wie behandeln Sie die Patientin?

A

Der Humeruskopf ist in etwa 80% der Fälle eingestaucht und nicht oder nur wenig disloziert. Frakturen dieser Art werden gewöhnlich konservativ im Desault- oder Gilchrist-Verband über 1 Woche versorgt. Krankengymnastische Übungen im Sinne von Pendelbewegungen und zunehmend aktiven Bewegungen gewährleisten ein gutes funktionelles Ergebnis. Etwa 20 % der Humeruskopffrakturen bedürfen einer operativen Reposition und osteosynthetischen Versorgung. Die Gründe hierfür sind:
• irreponible dislozierte Fraktur
• Luxationsfrakturen
• offene Frakturen
• Schädigung von Nerven und Gefäßen
• Abrissfrakturen des Tuberculum majus mit subakromialer Interposition
• irreversible Zerstörung des Humeruskopfes
Zur operativen Stabilisierung wird meist eine PHILOS-Platte (proximal humerus internal locking system) gewählt. Dabei handelt es sich um eine winkelstabile Plattenosteosynthese. Bei irreversibler Zerstörung oder extremen Trümmerfrakturen benötigt der Patient eine Humeruskopfprothese, bei vor- bestehender Omarthrose eine Schultertotalprothese.

35
Q

Welchen Unfallmechanismus finden Sie am häufigsten bei einer suprakondylären Humerusfraktur und wie sieht ihre Therapie aus?

A

Bei Erwachsenen entsteht eine suprakondyläre Oberarmfraktur meist durch Stauchung, bei Kindern eher durch Extension, wobei dabei besonders die Gefahr groß ist, dass es zu Begleitverletzungen kommt wie ein Abriss des Epicondylus ulnaris oder eine Abscherung des Condylus radialis. Die besondere Gefahr liegt bei suprakondylären Oberarmfrakturen in einer Schädigung des N. ulnaris, des N. radialis und der sie begleitenden Gefäße. Nichtdislozierte Frakturen können konservativ behandelt werden. Dislozierte Frakturen oder Frakturen mit Gelenkbeteiligung werden operativ versorgt. Nach Möglichkeit erfolgen eine geschlossene Reposition und Stabilisierung der Fraktur mittels Kirschner-Drähten. Bei stark dislozierten oder Mehrfragmentfrakturen muss meist eine offene Reposition und anschließend eine Stabilisierung der Fraktur mithilfe einer Platte, von Schrauben oder Drähten erfolgen.

36
Q

Ein 17-jähriger Junge fällt auf den Ellbogen. Nach dem Sturz bilden sich ein ausgedehntes Hämatom und eine Schwellung des Ellbogens. Eine Streckung im Ellbogen- gelenk ist nicht mehr möglich. Bei vorsichtiger Untersuchung des Arms tasten Sie eine knöcherne Verhärtung dorsal leicht proximal des Ellenbogengelenks.
Zu welcher Diagnose tendieren Sie aufgrund der Klinik?

A

Es handelt sich vermutlich um eine Olekranonfraktur nach direktem Trauma des Ellbogengelenks. Das Olekranon wird durch den Zug der an ihm inserierenden Trizepssehne nach proximal disloziert. Der muskuläre Streckapparat im Ellbogen wird komplett inaktiviert. Olekranonfrakturen sind immer Gelenkfrakturen und bedürfen der operativen Korrektur. Dies geschieht entweder mithilfe einer Zuggurtungsosteosynthese, bei Trümmerfrakturen mit einer Plattenosteosynthese. Ist der Processus coronoideus in einem großen, gut reponierbaren Stück abgebrochen, kann es gelingen, ihn mit einer Schraube zu fixieren.

37
Q

Welche verschiedenen Unterarmfrakturen kennen Sie?

A

Man unterscheidet je nach Lokalisation proximale, mittlere und distale Quer-, Schräg- und Trümmerfrakturen des Radius und der Ulna. Frakturen, die den Schaft eines oder beider Knochen betreffen, nennt man Unterarmscha frakturen. Sonderformen der Unterarmfrakturen sind die Galeazzi- und die Monteggia-Fraktur.

38
Q

Sonderformen der Unterarmfrakturen sind die Galeazzi- und die Monteggia-Fraktur.
Können Sie uns zu diesen Sonderformen etwas mehr erzählen?

A

Bei den Sonderformen handelt es sich um Luxationsfrakturen.

  • Die Galeazzi-Fraktur ist eine distale Radiusfraktur mit Ulnaluxation im distalen Radioulnargelenk. Galeazzi-Frakturen werden operativ mit einer DC-Platte des Radius und evtl. einer Bandnaht des Radioulnargelenks oder temporärer Transfixation des radioulnaren Gelenks versorgt. Postoperativ wird die Fraktur mit einem Gips in Pronationsstellung ruhiggestellt.
  • Die Monteggia-Fraktur ist quasi das Gegenstück zur Galeazzi-Fraktur. Es handelt sich um eine proximale Ulnafraktur mit gleichzeitiger Radius- köpfchenluxation. Monteggia-Frakturen werden operativ mit einer DC- Platte an der proximalen Ulna und einer Naht des Lig. anulare radii versorgt. Postoperativ erfolgt die Ruhigstellung mit einem Gips in Supinationsstellung. Bei Kindern, bei denen sich die Fraktur gut reponieren lässt und unter dem Bildwandler stabil bleibt, kann man einen konservativen Therapieversuch unternehmen.
39
Q

Warum versorgt man Unterarmschaftfrakturen bei Erwachsenen meist operativ?

A

Die konservative Therapie von Unterarmschaftfrakturen bei Erwachsenen führt meist zu unbefriedigenden anatomischen und funktionellen Ergebnissen. Zum einen liegt dies an der oft schwierigen Reposition, zum anderen an der oft unzureichenden Immobilisation der Fraktur im Gipsverband. Die operative Therapie besteht je nach Morphologie und Lokalisation der Frakturen in einer osteosynthetischen Versorgung durch Plattenosteosynthesen, Prevot-Nägeln oder Schrauben. Trümmerfrakturen und offene Frakturen werden durch einen Fixateur externe ruhig gestellt.

40
Q

Was haben wir uns unter einer Chassaignac-Lähmung vorzustellen?

A

Eine Chassaignac-Lähmung tritt als Folge einer Subluxation des Radiusköpfchens auf. Bei Pronation des Unterarms luxiert das Radiusköpfchen teilweise oder komplett aus dem Lig. anulare radii. Klemmt das Band zwischen Radius und Humerusgelenkfläche (Capitulum humeri) ein, kommt es zu einer Pseudoparese. Das Ellbogengelenk bleibt gebeugt in einer schmerzbedingten Pronationsschonhaltung.

Typischer Unfallmechanismus ist der plötzliche Zug am gestreckten Ellbogengelenk, z. B. durch die Mutter am Arm eines stürzenden Kindes. Dies macht die Chassaignac-Lähmung zum typischen Krankheitsbild des Kleinkindesalters. Eine Reposition erfolgt, indem aus dem rechtwinklig gebeugten Ellbogen der Unterarm unter Zug und gleichzeitigem Druck auf das Radiusköpfchen vorsichtig rotiert in Supinationsstellung gebracht wird. Dies erfolgt bei Bedarf unter kurzer Narkose oder Analgosedierung.

41
Q

Ich habe Ihnen noch eine Röntgenaufnahme mitgebracht (› Abb. 10.6). Was meinen Sie dazu?

A

Es handelt sich um zwei Röntgenaufnahmen des distalen Unterarms mit Handgelenk im a. p. und seitlichen Strahlengang. Man erkennt eine distale Radiusfraktur mit Dislokation des Fragments nach dorsal und radial. Diese Fraktur wird auch Radiusfraktur loco typico (nach Colles) genannt. Es handelt sich entsprechend dem Unfallmechanismus um eine Extensionsfraktur. Durch Sturz auf die nach dorsal flektierte (extendierte) Hand kommt es zur Einstauchung und Verschiebung des distalen Frakturendes nach dorsal und radial.

Manchmal findet man begleitend einen Abriss des Processus styloideus ulnae. Fehlstellungen erkennt man meist schon beim Betrachten des Arms, manchmal aber auch erst im Röntgenbild. Eine radiale Abkippung des distalen Fragments bezeichnet man dabei als Bajonettstellung, eine dorsale Abkippung als Gabel- oder Fourchettestellung. Die Fraktur muss reponiert und ggf. mit einer Spickdraht- oder Plattenosteosynthese versorgt werden. Danach erfolgt eine Ruhigstellung im Gips für 4 Wochen.

42
Q

Welche historische Einteilung der distalen Radiusfrakturen ist Ihnen geläufig?

A

Man unterscheidet fünf verschiedene Formen der distalen Radiusfrakturen:
• Colles-Fraktur (loco typico): Extensionsfraktur, Dislokation nach dorsal und radial
• Smith-Fraktur: Flexionsfraktur, Dislokation nach volar und radial
• Barton-Fraktur: intraartikuläre, dorsale Zweifragmentfraktur
• Reversed-Barton-Fraktur (SmithII): intraartikulär, palmares Kantenfragment
• Chauffeur-Fraktur: radialer Keilbruch
Merke: Die Radiusfraktur loco typico (Colles-Fraktur) stellt mit 25% die häufigste Fraktur des Menschen dar.

43
Q

Wie gehen Sie vor bei der Reposition einer dislozierten Radiusfraktur?

A

Dislozierte Radiusfrakturen müssen auf jeden Fall reponiert und in den meisten Fällen operativ stabilisiert werden. Absolute Indikationen zur operativen Stabilisierung sind:
• offene Frakturen 2. und 3. Grades
• Durchblutungsstörungen der Hand
• Nervenverletzungen
• nicht reponierbare oder instabile Frakturen
• Trümmerfrakturen
• dislozierte intraartikuläre Frakturen
• traumatisches Karpaltunnelsyndrom
• dislozierte Smith- und Barton-Frakturen
• komplexe Verletzungen des Handgelenks und der Handwurzel
Die operative Versorgung erfolgt mithilfe von Spickdrähten oder (häufiger) einer winkelstabilen, palmaren Plattenosteosynthese, bei Mehrfragment- frakturen evtl. auch durch einen Fixateur externe. Postoperativ wird ein Unterarmgips angelegt. Dieser wird 4–6 Wochen belassen. Die Stellung des Handgelenks im Gipsverband sollte der beim Handgeben entsprechen (Shaking-Hands-Reposition).

44
Q

In einigen Kliniken ist es üblich, zur Reposition von Radiusfrakturen einen Mädchenfänger einzusetzen. Was haben wir uns darunter vorzustellen?

A

Bei einem Mädchenfänger handelt es sich um eine Art Korbhandschuh mit Fingerlingen, in die man die Finger locker einführen kann, die sich aber beim Zurückziehen zusammenziehen, sodass man sich selbst nur noch mithilfe der anderen Hand befreien kann. In solch ein Gefüge wer- den die Finger an der Seite des frakturierten Arms so eingehängt, dass im Ellbogengelenk ein rechter Winkel gebildet wird. An den Oberarm wird ein Gewicht gehängt, das auf diesem Weg einen konstanten Zug auf den Unterarm ausübt. Verkeilte Frakturen werden mit dieser Methode regelrecht ausgehangen. Die Reposition des Bruchs wird vereinfacht.

45
Q

Was versteht man unter einem Morbus Dupuytren?

A

Bei einem Morbus Dupuytren handelt es sich um eine Vermehrung von Fibroblasten im Bereich der Palmaraponeurose mit vermehrter Kollagenbildung. Infolgedessen entstehen schmerzlose Verhärtungen in der Hohlhand und auf den Fingerbeugeseiten. Diese führen zu Beugekontrakturen der Finger. Behindern diese Kontrakturen den Patienten im Alltags- oder Berufsleben, so kann eine Dupuytren-Kontraktur operativ behandelt werden durch:
• partielle oder vollständige Entfernung der Palmaraponeurose
• Fasziektomie und Tenolysen an den betroffenen Fingern
Die Prognose ist gut bei kompletter Palmarektomie, ansonsten besteht Rezidivgefahr.

46
Q

Bleiben wir noch kurz bei der Handchirurgie. Was ist ein Karpaltunnelsyndrom und wie behandelt man es?

A

Bei einem Karpaltunnelsyndrom handelt es sich um eine Kompression des N. medianus im Karpaltunnel. Dieser wird gebildet durch die Handwurzelknochen und das zwischen Os hamatum und Os pisiforme zum Os trapezium und Os scaphoideum gespannte Lig. carpi transversum (Retinaculum exorum). Eine Stenose des Karpaltunnels kann posttraumatisch, durch eine Raumforderung, degenerativ oder idiopathisch verursacht werden.

Symptomatisch wird ein Karpaltunnelsyndrom durch:
• Schmerzen (v. a. nachts) in der Hand und im distalen Unterarm
• Parästhesien im Versorgungsbereich des N. medianus
• Taubheitsgefühl
• Thenarmuskelatrophie
• in fortgeschrittenem Stadium komplette Plegie und Atrophie des M. abductor pollicis brevis

Bei Versagen einer konservativen Behandlung mittels Ruhigstellung und Antiphlogistika wird ein Karpaltunnelsyndrom operativ therapiert. Durch Spaltung des Retinaculum exorum wird der N. medianus entlastet. Schon vorhandene neurologische Defizite erholen sich oft nur partiell.

47
Q

Ein 45-jähriger Mann stürzt auf das dorsal flektierte Handgelenk. Danach klagt er über einen Druckschmerz im Bereich der Tabatière und über einen Zug- bzw. Stauchungsschmerz im Daumen. Jede Bewegung des Daumens ist schmerzhaft.
An was denken Sie bei dieser Anamnese und der Symptomatik?

A

Anamnese und Klinik sind typisch für eine Fraktur des Os scaphoideum (Kahnbein). Zur Diagnostik gehören Röntgenaufnahmen vom Handgelenk in zwei Ebenen (p.a. und streng seitlich), Skaphoid-Quartett- Aufnahmen (zwei Ebenen und zwei Schrägaufnahmen), und bei Verdacht auf zusätzliche radiokarpale und intrakarpale Bandverletzungen ein MRT. Die Diagnose einer Os-scaphoideum-Fraktur mit konventionellen Röntgenaufnahmen ist zum Teil sehr schwierig. Eventuell werden Kontrollaufnahmen nach einer Ruhigstellung von 8–10 Tagen erforderlich und ggf. ein CT oder bei unklaren Befunden ein MRT.

Eine konservative Therapie durch Ruhigstellung mittels eines Böhler- Gipses (Oberarmgips mit Einschluss des Daumengrundgelenks) über 4–6 Wochen und eines anschließenden Unterarmgipses für weitere 4–6 Wochen kann bei unverschobenen oder gering dislozierten Frakturen im distalen und mittleren Drittel sowie bei Frakturverdacht erfolgen.

Die Indikation zur Operation ist gegeben bei:
• dislozierten Frakturen (instabil)
• Frakturen mit Knochendefekt
• pathologischen Frakturen
• irreponiblen Luxationsfrakturen
• Begleitverletzungen (z. B. Luxation des Os lunatum = De-Quervain-Fraktur)
• offenen Frakturen
• bei ausbleibender Knochenheilung und klinischer Symptomatik

Die am häufigsten gewählten operativen Verfahren sind die offene Reposition und die Osteosynthese durch eine Kompressionsschraube, evtl. eine Defektauffüllung durch autologe Spongiosa (z.B. Radiusbasis, Beckenkamm), Spickdraht, Fixateur externe und bei Bandverletzungen eine Bandnaht.

48
Q

Welche Basisfrakturen des ersten Mittelhandknochens sind Ihnen bekannt?

A

Es gibt drei verschiedene Formen von Basisfrakturen des ersten Mittelhandknochens (› Abb. 10.7).
• Bei der Bennett-Fraktur handelt es sich um eine intraartikuläre basisnahe Schrägfraktur mit Subluxation im Daumensattelgelenk.
• Eine Rolando-Fraktur ist wie die Bennett-Fraktur ebenfalls basisnah und intraartikulär in Kombination mit einer Subluxation im Daumensattelgelenk, ist jedoch T- oder Y-förmig konfiguriert. Dadurch existieren drei
Fragmente.
• Eine extraartikuläre basisnahe Schaftfraktur wird als Winterstein-Fraktur bezeichnet.
Aufgrund der Zugwirkung des M. abductor pollicis longus besteht bei intraartikulären Frakturen (Bennett, Rolando) in der Regel eine Instabilität des Daumensattelgelenks. Es kommt zu einer Subluxation des Os metacarpale I.
Dies bedarf einer operativen Stabilisierung. Nicht dislozierte Wintersteinfrakturen können konservativ mit einer volaren Unterarmgipsschiene für 4 Wochen behandelt werden.