Vorlesung 8 Flashcards
Benotungsmodelle
Benotungsmodell = Regel oder Regelsystem, das Schülerleistungen Bewertungen zuweist
- Basisbenotung: Zielerreichung versus Zielverfehlung
- differenzierte Benotung:
- Schulnoten: sehr gut (1) bis ungenügend (6)
- Punktwerte: 0 bis 15 Punkte
- amerikanische „grades“: A bis D und F (failed) - etc.
Anforderungen an Benotungsmodelle
- Eindeutigkeit: gleiche Noten für gleiche Leistungen
- Bezugsnormorientierung: Verträglichkeit mit der jeweiligen Bezugsnorm (i.d.R. kriterial)
- Entscheidungsökonomie: Anzahl der Entscheidungen zur Notenfindung sollte nicht zu groß sein, regelgeleitete Differenzierung
- Fehlerkontrollierte Zuweisung von Noten zu Leistungen: Vergabe von Noten sollte im Bewusstsein der damit verbundenen Messfehler geschehen
- Flexibilität bei kriterialer Bezugsnorm: Anforderungen müssen in gewissem Maße an das Leistungsniveau der Schülerschaft angepasst werden
Arten von Benotungsskalen
- Skalentypen: bestimmen sich aus den inhaltlichen Bezügen sowie den Breiten der Skalenabschnitte inhaltlicher Bezug
- Punktskala: richtig gelöste Aufgaben
- Fehlerskala: nicht (richtig) gelöste Aufgaben (Diktate, einfache Rechenaufgaben) Abschnittbreiten
- lineare Skala: jede Notenstufe hat gleiche Abschnittbreite
- nicht-lineare Skala: nicht alle Notenstufen sind gleich breit
Notenskala und Bezugsnorm
Leistungsbeurteilungen umfassen zwei zentrale Prozesse:
- Feststellung eines Sachverhalts (Leistungsbeobachtung)
- Vergleichsurteil, das den Sachverhalt relativ zu einem Maßstab einstuft (Leistungsbeurteilung im engeren Sinne) Vergleichsmaßstäbe (Bezugsnormen) mit ihren Basisurteilen:
Notenvergabe unter der sozialen Bezugsnorm
Probleme:
- Normalverteilung ist eine theoretische Verteilung, die oft für große Populationen, nicht aber zwangsläufig auch innerhalb von kleineren Gruppen (z. B. in Schulklassen) gilt.
- Ziel von pädagogischer Förderung ist nicht, Normalverteilungen zu generieren, sondern eher schiefe Verteilungen mit möglichst vielen guten und möglichst wenigen schwachen Leistungen.
- Normalverteilung ist eher vor einer systematischen Förderung zu erwarten.
- Orientierung an der Normalverteilung sorgt zudem dafür, dass schwache Schüler/innen ihren Rückstand nie aufholen können.
Notenvergabe unter der kriterialen Bezugsnorm
- Normalverteilungsannahme ist nicht erforderlich
- Klassifikationsentscheidung (Zielerreicher / Zielverfehler) muss explizit gemacht werden
- Definition des kriterialen Beurteilungsmaßstabs „Mindestkompetenz“
- Kriterium der Lernbedeutsamkeit: „Die Mindestkompetenz bezeichnet den Kompetenzgrad, über den Schüler mindestens verfügen müssen, um auf dem Gebiet erfolgreich weiterzulernen.“
Vorteile:
- setzt vorausschauendes Unterrichten und Prüfen voraus, berücksichtigt Kumulativität von Lernprozessen
- zu klärende Fragen:
- Was ist „erfolgreiches Weiterlernen“?
- Was ist als Grundlage für erfolgreiches Weiterlernen erforderlich?
Vorgehen:
- Nach Festlegung der Mindestkompetenz (z.B. 50% der Aufgaben richtig gelöst) werden die Punktwerte ober- und unterhalb der Mindestkompetenz auf die restlichen Notenstufen verteilt (lineare oder nonlineare Abschnitte).
Wie definiert man eine Mindestkompetenz?
- Mindestkompetenz als das Können, das man von jedem Schüler erwartet, und dem gerade noch die Note 4 zugewiesen wird.
- Empirisch fundierte Definitionen sind bisher nur bedingt verfügbar (siehe Kompetenzstufenmodelle des IQB, die aber stark an der sozialen Bezugsnorm orientiert sind).
- Orientierung an Lehrplänen, Schulbüchern für nachfolgende Jahrgänge und andere Schularten.
- Vergleichsarbeiten, Abschlussprüfungen
- Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, die Schüler übernehmen werden.
- Eines Tages vielleicht: kriterial definierte Mindeststandards (z. B. erste Versuche der Definition von „Basiskompetenzen“ in Mathematik Sek I).
Notenvergabe unter der individuellen Bezugsnorm
- Ausgangsgröße: individueller Lernzuwachs eines Schülers/ einer Schülerin
- Messung über einen längeren Zeitraum
- gute Note: Leistungssteigerung;
- schlechte Note: Leistungsabfall
- stellt sehr hohe Anforderungen an Diagnostik und Informationsverarbeitung durch die Lehrkräfte
Probleme der Notenvergabe unter der individuellen Bezugsnorm
- Es muss bekannt sein, in welchem Ausmaß Leistungen bei Schülern/Schülerinnen dieser Altersstufe, dieser Schulart usw. zufallsbedingt schwanken.
- Ungleichgewicht der Veränderungsmöglichkeiten bei leistungsstarken und leistungsschwachen Schülerinnen/Schülern muss berücksichtigt werden.
- Leistungskonstanz bedeutet auf hohem Niveau etwas völlig anderes als auf niedrigem.
- Die Leistungsbeurteilung ist abhängig vom jeweiligen Unterrichtsstoff.
Schlussfolgerungen zur Bezugsnormen
- Noten können nur mit begrenzter Genauigkeit vergeben werden.
- Entscheidungen bei Durchschnittsnoten sollten daher nicht anhand von Nachkommastellen, sondern nach pädagogischen Gesichtspunkten getroffen werden (→ individuelle Bezugsnorm).
- Zur Vermeidung von Messfehlern sollten folgende Aspekte beachtet werden:
- Messfehler verringern sich mit steigender Aufgabenzahl bzw. steigenden Bewertungseinheiten.
- Allerdings sollte die Ermüdungsgrenze nicht überschritten werden.
- Messfehler sind bei den mittleren Noten am größten.
- Je breiter der Leistungsbereich für eine bestimmte Note auf einer Benotungsskala ist, desto sicherer ist die Zuordnung. Benotung muss letztlich auf der kriterialen Bezugsnorm basieren!
Kritik an Ziffernoten
Ziffernnoten
… mit sechs Abstufungen sind als Raster zu grob.
… sind starr, unflexibel.
… sind weniger aussagekräftig als verbale Beurteilungen.
… informieren nur über Gesamtleistungen, nicht über Leistungsprofile.
… informieren nur über Endleistungen, nicht über Lernprozesse.
… erlauben keinen Rückschluss auf die zugrundeliegende Bezugsnorm.
… enthalten keine Hinweise für zukünftige Lernprozesse.
Angenommene Vorteile von Verbalzeugnissen
Verbalzeugnisse
… können die individuellen Lernverläufe von Kindern abbilden und somit auch die individuelle Bezugsnorm berücksichtigen.
… können auch Aspekte des Sozial- und Arbeitsverhaltens einbeziehen.
… reduzieren im Vergleich zu Ziffernoten den Leistungsdruck auf die Kinder.
… veranlassen Lehrkräfte zu einer gründlicheren Beobachtung einzelner Schüler.
… reduzieren im Vergleich zu Ziffernoten Konkurrenzverhalten in der Klasse.
… haben im Vergleich zu Ziffernoten bei schwachen Kindern weniger negative Wirkungen auf das Selbstvertrauen.
… können zu einer Verbesserung der Chancengleichheit beitragen.
… können die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Eltern verbessern.
Kritik an Verbalzeugnissen
Verbalzeugnisse
- … verstecken die Bewertung im Grunde nur hinter mehr oder weniger deutlichen Formulierungen.
- … sind oft vieldeutig.
- … können kaum so abgefasst werden, dass sie die klassischen Testgütekriterien erfüllen.
- … stellen hohe Anforderungen an die Lehrkräfte in Bezug auf diagnostische Kompetenzen und die Verarbeitung sowie Kommunikation von Informationen.
- … sind in ihrer Erstellung sehr aufwendig.
- … sind für Eltern oft schwer zu verstehen.
- … schränken die Vergleichsmöglichkeiten ein.
Arten von Verbalzeugnissen
Formulierungshinweise für Verbalzeugnisse
- Verhaltensweisen statt Persönlichkeitsmerkmale
- keine interpersonalen Vergleiche
- möglichst präzise Verben verwenden (z.B. statt „lernen“ oder „können“: rechnen, lesen, schreiben, darstellen, vergleichen, begründen, verbessern)
- das Adjektiv „gut“ besonders sparsam und bedacht verwenden; konkrete verhaltensnahe Formulierungen vorziehen
- qualifizierende und quantifizierende Aussagen mit Angabe der Bezugsnorm (z.B. „du arbeitest im Deutschunterricht aktiver mit als im letzten Jahr“)
- unterschiedliche Grade der subjektiven Sicherheit kenntlich machen (z.B. „Ich hatte den Eindruck, dass …“)
- präzise Lernempfehlungen angeben, keine Ermahnungen oder Negativprognosen
- Lern-/Arbeitsverhalten sowie Lernerfolg getrennt beschreiben
- sprachlichen Stil dem Adressaten anpassen (keine Fremdwörter, keine Nominalform, keine doppelten Negationen etc.)