Vorlesung 10 Flashcards

1
Q

Was ist Hochbegabung (“giftedness“)?

A

Hochbegabung:

  • ein wenig präzises Konzept, da Begabungsbegriff unscharf und mehrdeutig
  • die breit angelegte intellektuelle Potenz, also eine hohe Ausprägung der kognitiven Leistungsfähigkeit
  • eine intellektuell hochbegabte Person kann:
    • a) sich schnell und effektiv Wissen aneignen,
    • b) Wissen in verschiedenen Situationen adäquat einsetzen,
    • c) rasch aus Erfahrungen lernen sowie
    • d)erkennen, auf welche neuen Situationen und Probleme die Erkenntnisse anwendbar sind (Generalisierung) und auf welche nicht (Differenzierung).
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2
Q

Differenzierung des Begabungsbegriffs

A
  • statisch (angeborene Leistungsdisposition) vs. pädagogisch-dynamisch (kulturell angeregte Begabungsentfaltung)
  • intellektuell (Denkvermögen, Sprache) vs. nicht-intellektuell (z.B. praktisch-handwerkliche, soziale Begabung)
  • generelle Intelligenz vs. bereichsspezifische Intelligenz (z. B. sprachliche, mathematische)
  • als Leistung gezeigt (Performanz) vs. noch nicht umgesetzte Begabung (Potenzial)
    • Konzept des Underachievements
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3
Q

Vielzahl an Begabungsmodellen

A
  • unidimensionales Modell - quantitative Definition über hohe Intelligenz
  • multifaktorielle Modelle
  • additive Modelle: Drei-Ringe-Modell und Modell der triadischen Interdependenz
  • Interaktionsmodell: z.B. Münchner Hochbegabungsmodell
  • systemtheoretischer Ansatz: z.B. Aktiotop-Modell
  • hohe kognitive Leistungsfähigkeit/Intelligenz ist ein zentraler Bestandteil der meisten Modelle.
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4
Q

Hochbegabung = hohe Intelligenz quantitative Definition von Hochbegabung

A
  • quantitative Definition von Hochbegabung: Intelligenztestwert in Relation zur Verteilung in der Population
  • einfachste Modellvorstellung (=unidimensionales Hochbegabungsmodell)
  • gut operationalisierbar (messbar)
  • relevant für diagnostische Praxis und für Forschung
  • Konvention
    • Die 2% intelligentesten Menschen gelten als intellektuell hochbegabt (Prozentrang von mindestens 98).
    • Dies entspricht einem Wert in einem Intelligenztest, der mindestens zwei Standardabweichungen über dem Mittelwert liegt. = IQ von mindestens 130
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5
Q

Diagnose durch Intelligenztests

A

Intelligenztests

  • werden von Psychologinnen/Psychologen oder dazu ausgebildeten Sonderpädagoginnen/Sonderpädagogen durchgeführt, um eine spezifische Fragestellung zu beantworten
  • (z. B. Zeitpunkt der Einschulung, Überspringen, Teilnahme an Förderprogramm, Abklären von Über-/Unterforderung).
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6
Q

Nachteile von Intelligenztests / zu beachten

A
  • Variation der Ergebnisse durch:
    • Unterschiede in zugrunde liegenden Intelligenz-Modellen
    • Messfehler
    • Alter des Kindes (je jünger, desto mehr Schwankungen; Einsatz ab Vorschulalter sinnvoll)
    • ggf. nicht gegebene Kulturfairness, insbesondere bei sprachlastigen Tests
    • Cut-Off-Kriterium ist willkürlich festgesetzt – je nach Fragestellung kann ein anderer Cut-Off-Wert sinnvoll sein
    • Für die Beantwortung einer Fragestellung ist oft weitere Diagnostik notwendig (z. B. zu Leistungsmotivation, zum familiären Umfeld, zum Arbeitsstil).
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7
Q

Woran erkennt man eine gute Intelligenzdiagnostik?

A
  • Testauswahl
    • Hauptgütekriterien erfüllt und Normen nicht älter als 10 Jahre;
    • Passung zur Fragestellung
    • Einsatz von zwei Tests oder Tests mit breitem Fähigkeitsspektrum, bei Kindern mit Zuwanderungshintergrund möglichst (auch) sprachunabhängiger Test
  • Testdurchführung
    • durch qualifizierte Personen
    • Beachtung der Verfassung des Kinds und Verhaltensbeobachtung
  • Ergebnisrückmeldung und –interpretation
    • schriftlich, verständlich, auf Fragestellung bezogen
    • Berücksichtigung des Messfehlers bei Auswertung: Rückmeldung von Vertrauensintervall
    • Berücksichtigung der Verhaltensbeobachtung bei Interpretation
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8
Q

Definition: Underachievement

A
  • Hochbegabung geht nicht zwangsläufig mit überdurchschnittlichen Leistungen einher!
  • Underachievement = erwartungswidrige Minderleistung: schulische Leistungen (Noten, standardisierte Schulleistungstests) sind deutlich geringer, als man aufgrund der Begabung erwarten würde.
  • …kann auf unterschiedlichen Begabungsniveaus vorkommen.
  • Ca. 15% aller schulpflichtigen Kinder und ca 15% der Hochbegabten sind „Underachiever“.
  • Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. •Diagnose ist aus gesellschaftlicher Perspektive und aus individueller Perspektive relevant.
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9
Q

Underachievement: Diagnose

A

im Einzelfall (klinische Praxis):

  • Erfassung der Intelligenz und der Schulleistung mit Hilfe von Tests durch geschulte Personen (z. B. durch Schulpsychologin)
  • Underachievement wird diagnostiziert, wenn die Schulleistung zwei Standardabweichungen unter dem jeweiligen IQ liegt. (Konvention!) Beispiel:
    • IQ-Wert im Intelligenztest = 130
    • IQ zwei Standardabweichung über dem Mittelwert
    • T-Wert in einem Schulleistungstest = 50
    • Schulleistung entspricht dem Mittelwert.
    • die Schulleistung dieser Person liegt zwei Standardabweichungen unter ihrem IQ
    • Person ist laut dieser Definition als Underachiever zu klassifizieren.
    • wichtig: weitergehende Diagnostik zur Abklärung möglicher Gründe für das Underachievement, um Vorgehen für Intervention festlegen zu können
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10
Q

Liste mit Merkmalen, die auf eine Hochbegabung hinweisen können, z. B.: Das Kind…

A

… überrascht häufig durch originelle Ideen oder Vorschläge.

… hat eine ausdrucksvolle, ausgearbeitete und flüssige Sprache. … ist sehr selbstständig.

… hat in einzelnen Bereichen ein hohes Detailwissen.

… neigt schnell dazu, über Situationen zu bestimmen.

… kann außergewöhnlich gut beobachten.

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11
Q

Was ist problematisch an Checklisten für Hochbegabung?

A
  • Vage Formulierungen mit Interpretationsspielraum
  • Fehlen von Vergleichsnormen
  • Enthalten häufig Merkmale, die nicht typisch für Hochbegabte sind
  • Checklisten eignen sich nicht für Diagnose.
  • Spezifisch formulierte Checklisten können sich für die Entwicklungsbeobachtung während einer Förderung eignen.
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12
Q

Vorteile der Befragung von Eltern

A
  • Eltern Beobachtung als sinnvolle Ergänzung von Testungen gerade bei jungen Kindern sinnvoll
  • Beobachtung über längere Zeit, auch in Situationen, die in der Schule nicht beobachtbar sind
  • gute Einschätzung der intellektuellen Entwicklung des Kindes gelingt
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13
Q

Vorteile der Befragung von Lehrkräften

A
  • Beobachtung (meist) über mindestens ein Schuljahr
  • Vergleich mit anderen Kindern möglich
  • viel Erfahrung im Einschätzen und Bewerten von Leistungen
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14
Q

Nachteile der Befragung von Eltern

A
  • tendenziell Überschätzung von Fähigkeiten
  • Gefahr: geschlechterspezifische Zuordnung von Hochbegabung (eher Jungen als Mädchen) möglich:
  • Kulturspezifisches Verständnis von Hochbegabung (z. B. Fokus auf Sozialverhalten)
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15
Q

Nachteile der Befragung von Lehrkräften

A
  • Einschätzung von Schulleistung beeinflusst (besonders bei Underachievern)
  • Gefahr: geschlechterspezifische Zuordnung von Hochbegabung (eher Jungen als Mädchen)
  • Unterschätzung von Kindern aus Familien mit niedrigerem sozio-ökonomischen Status oder Zuwanderungshintergrund
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16
Q

Diagnose von Hochbegabung (Fazit)

A
  • Diagnose sollte zum jeweiligen Hochbegabungskonzept passen (z. B. bei quantitativer Definition von Hochbegabung als hohe allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit Diagnose über Intelligenztest sinnvoll)
  • in Realität häufig: Leistung und/oder Intelligenz, Nominierung durch Eltern/Lehrkräfte (vgl. Ziegler, 2018)
  • Diagnostik als Prozess:
    • Beobachten (Eltern, Lehrkräfte) als Screening
    • Testen (falls notwendig): standardisierte Intelligenztests -Beobachten während einer Förderung
  • Diagnostik sollte zu Anlass/Fragestellung/Alter des Kindes passen (Kombination von Informationen; ggf. weitere Informationen notwendig)
17
Q

Arten von Lernschwierigkeiten

A

Lernschwierigkeiten können nach ihrer zeitlichen Dauer und ihrer Breite unterschieden werden

18
Q

Definition Lernstörungen

A
  • Lernstörungen sind Minderleistungen beim absichtsvollen Lernen
  • Das angezielte Können, Wissen und Verhalten wird nicht…
    • in ausreichender Qualität,
      • mit ausreichender Sicherheit und
      • in der dafür vorgesehen Zeit erworben.
19
Q

Definition Lese-Rechtschreib-Störung (LRS)

A
  • eine umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung im Erlernen von Lesen und Rechtschreiben (Lese-)Rechtschreibfähigkeiten liegen substanziell unter dem Niveau, das aufgrund
  • (des chronologischen Alters,)
  • des Schulalters und
  • des Intelligenzniveaus* zu erwarten wäre. * Doppeltes Diskrepanzkriterium umstritten: kein Kriterium gem. DSM 5 315.00, 315.2
    • leistungsbezogene Definition (Diskrepanz zum schulaltersentsprechenden Leistungsniveau); leistungsbezogene Definition gilt auch für das schulische Feststellungsverfahren in Berlin und Brandenburg
20
Q

Kritik an Diskrepanzdefinition

A

Gegen die Diskrepanzdefinition spricht, dass

  • IQ-Werte nur mittelhoch mit LR-Leistungen korrelieren
  • Kinder mit LRS gemäß Diskrepanzdefinition und Kindern und leistungsbezogenen LRS sich nicht hinsichtlich ihrer spezifischen Probleme beim Schriftspracherwerb unterscheiden;
  • Unabhängigkeit der Symptomatik von der Intelligenz
  • dass SuS mit bereichsspezifischer Minderleistung unabhängig vom Grad der Erwartungswidrigkeit (IQ-Diskrepanz) positiv auf Fördermaßnahmen reagieren
  • Unabhängigkeit des Förder- bzw. Interventionserfolgs von der Intelligenz
  • Konsequenz für schulische Praxis: Forderung, nur die bereichsspezifische Minderleistung (unter Berücksichtigung der Ausschlusskriterien, s. nächste Folie) als Kriterium für die Identifikation besonderer Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben zu nutzen
21
Q

Ausschlusskriterien bei LRS

A

Ausschlusskriterien (d.h. die LR-Probleme sind nicht Folge…):

  • peripherer Wahrnehmungsstörungen,
  • unzureichender Beschulung,
  • geringer Kenntnisse der deutschen Sprache,
  • geringer Intelligenz bzw. einer allgemeinen Lernstörung (Lernbehinderung) oder geistigen Behinderung,
  • einer körperlichen, neurologischen oder psychischen Erkrankung.
22
Q

Testdiagnostik für LRS - Diagnostische Verfahren

A
  • Lernprozessbegleitende Diagnostik ab Schulanfangsphase:
  • LauBe (Lernausgangslage)
  • ILeA (Individuelle Lernstandsanalysen) Deutsch für die Klassen 2 bis 6 •Rechtschreibtest:
  • Hamburger Schreib-Probe 1-10 (HSP 1—10)*
  • Lesetest:
    • Ein Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler (ELFE 1—6)*
    • Achtung, aktuelle Version: ELFE II * Empfohlenes Verfahren gemäß Leitlinie für die Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung (AWMF 028-044)