VL 6 Äquvalenzparadoxon Flashcards
Erläutern Sie das Äquvalenzparadoxon (Dodo-Bird-Verdikt) sowie deren experimentalpsychologische Hintergründe.
Dodo-Bird-Verdikt: “Everybody has won and all must have prizes”
Äquivalenzparadoxon nach Rosenzweig (1936)
- experimentelle Untersuchung der Annahmen klinischer Psychologie
- Quintessenz: alle PT-Verfahren (CBT, PDT etc.) sind im Grunde gleich wirksam -> eine Verbesserung durch PT wird durch allgemeine Wirkfaktoren (common factors) statt spezifische Wirkfaktoren verursacht.
Metaanalyse Smith & Glass (1977)
- Vergleich der Effektstärken der unterschiedlichen Therapieformen/-schulen
- PT und Beratung insgesamt wirksam mit mittleren (bis großen) Effekten (meist .50 - .70) => PT insgesamt wirksam!
- trotz großer theoretischer Unterschiede sind die Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit zu vernachlässigen
- keine Rechtfertigung für die Überlegenheit einer bestimmten Therapieschule
Kontext: Eysenck: PT ist nicht wirksamer als das Abwarten (Wartelisten-Studien)
Wie unterscheiden sich das medical model und das contextual model?
Wie lauten deren Vorhersage gegenüber:
a) absoluter Wirksamkeit
b) relativer Wirksamkeit
c) therapist effects
d) allgemeinen Wirkfaktoren
e) spezifischen Wirkfaktoren
Ausgangsfrage: Wie wird Heilung in PT bewirkt bzw. wodurch wirkt PT?
-> 2 unterschiedliche Perspektiven auf PT
Medical Model:
- manualisierte, kontrollierte Therapie unter Laborbedingungen, bei der die Wirkung auf die Variation des Treatments zurückzuführen ist (-> Kausalität)
- RCT-Designs: Treatment vs. Placebo
- spezifische Ursache -> spezifische Intervention (Verfahren/Technik) -> Heilung
- Vorhersagen:
a) PT ist wirksam; wirksamer als kein treatment; mit spez. Zutaten wirksamer
b) Variabilität in Wirksamkeit von Treatments
c) nur kleine therapist effects
d) keine allgemeinen Wirkfaktoren/Beziehungsfaktoren
e) spezifische Wirkfaktoren: Hinzufügen/Wegnahme einer spezifischen Zutat verändert die Effektivität; Adhärenz & verfahrensspezifische Kompetenz; symptomspezifische Behandlung
Contextual Model:
- Fokus auf Kontext der PT: Interaktion der ind. Bedigungen des Patienten in der therapeutischen Umgebung (mit dem Therapeuten)
- Alle Behandlungsformen ähnlich effektiv (Homogenität)
- Heilung durch psychologische Faktoren/allgemeine Wirkfaktoren
- Vorhersagen:
a) PT ist wirksam; wirksamer als kein treatment; mit spez. Zutaten wirksamer
b) Homogenität von Verfahren
c) großer Einfluss der therapist effects/Beziehungsfaktoren
d) allgemeine Wirkfaktoren: Alliance, andere Beziehungsfaktoren (z.B. Empathie), Erwartungen, Allegiance, kulturelle Anpassung
e) spezifische Wirkfaktoren: Hinzufügen/Wegnahme einer bestimmten Zutat beeinflusst nicht die Effektivität; kein Einfluss von Adhärenz & verfahrenspez. Kompetenz
Welche Wirkfaktoren von PT konnten extrahiert werden?
Wie groß sind deren Effekte (%-Varianz & ES)?
(3 Chunks; 6 Kontextfaktoren; 4 verfahrensspezifische Faktoren)
Tabelle Wampold & Imel:
a) allgemeine Wirkfaktoren/Kontextfaktoren:
- Übereinstimmung Ziele: 11.5% -> d=.72
- Empathie: 9% -> d=.63
- Arbeitsbeziehung: 7.5% -> d=.57
- Wertschätzung/Bestätigung: 7.3% -> d=.56
- Kongruenz/Echtheit: 5.6% -> d=.49
- Erwartungen: 1.4% -> d=.24
b) Therapeuteneffekte
- RCTS: 3% -> d=.35
- naturalistische Studien: 7% -> d=55
c) verfahrensspezifische Faktoren
- Kompetenz
- Adhärenz
- spezifische Anteile
- Verfahren
- > hier keine klinisch bedeutsamen Effekte!
Inwiefern stützt die Empirie eher das contextual model oder das medical model?
Metaanalyse Wampold & Imel (2015)
-Betrachtung der in PT aufgeklärten Varianz durch allgemeine und verfahrensspezifische Verfahrensanteile
-allgemeine/kontextuelle Anteile klären verhältnismäßig viel Varianz auf: v.a. Übereinstimmung Ziele, Empathie & Alliance
-verfahrensspezifische Anteile (Adhärenz & Kompetenz) klären verhältnismäßig wenig Varianz auf
=> auf Basis dessen Präferenz des kontextuellen Modells
Welche Charakteristika weist die bona fide Psychotherapie nach Wampold auf?
EB: “P AIU IA PA”
Psychotherapie als eine primär zwischenmenschliche Behandlungsform, die folgende 4 Bedingungen erfüllen muss:
- basiert auf psychologischen Prinzipien
- zwischen ausgebildetem und mit Behandlung identifiziertem Therapeut (Allegiance!) & nach Unterstützung suchendem Patient
- Aus Sicht des Therapeuten ist intendiert, Abhilfe bezüglich der Probleme des Patienten zu schaffen
- Behandlung ist an Patient & Beschwerden angepasst
-> wenn diese 4 Bedingungen erfüllt sind, sieht Wampold eine Behandlung als bona fide PT; falls nicht, dient diese Therapie lediglich als Kontrollbedigung
Wie funktioniert/wirkt PT auf Basis des Contextual Model?
Grafik Wampold & Imel, 2015
Contextual Model
- therapeutischer Prozess wird in 2 Phasen eingeteilt
- PT wirkt durch Symptomreduktion & Verbesserung der Lebensqualität
- sowohl Kontextfaktoren als auch spezifische “Zutaten” in PT bedeutsam
Beginn: Interaktion von Patient & Therapeut
->
Phase 1: Trust, Expertise, Understanding (TEU)
->
Phase 2: 3 wirkungsspezifische Stränge
I: Alliance
II: Erzeugung von Erwartungen/Remoralisierung (Annahme, dass Verbesserung grundsätzlich möglich ist)
III: spezifische therapeutische Handlungen
->
Konsequenzen:
-Verbesserung der Lebensqualität (beeinflusst durch I & II)
-Symptomreduktion (beeinflusst durch II &III)
Was spricht empirisch/konzeptuell für bzw. gegen das Äquivalenzparadoxon?
-> Hat der Dodo-Bird Recht?
- > 2 Argumente pro
- > 6 methodische Einwände
- > eigene Meinung
- > 4 Forderungen an PT-Forschung
Pro:
- Metaanalyse Smith & Glass (1977): PT insgesamt wirksam; trotz großer theoretischer Unterschiede, sind die Wirksamkeitsunterschiede zu vernachlässigen -> keine Überlegenheit einer spezifischen Therapieform/-schule
- Studie Wampold & Imel (2015): verfahrensspezifische Anteile (Adhärenz, Kompetenz) klären im Vergleich zu allgemeinen Anteilen (Empathie, Übereinstimmung Ziele, Alliance etc.) nur wenig Varianz auf
Contra: methodische Kritik
- zu kleine Stichproben -> geringe Power, Selektivität
- zu viele Vergleiche -> wie viele sind zufällig signifikant?
- Effekte v.a. korrelativ; Korrelation ungleich Kausalität (Kausalität nur in RCTs)
- zu große Heterogenität der Befunde
- mögliche konfundierte Variablen
- konzeptionelle Unschärfe
Meine Meinung:
- eher auf Seite des Dodo-Birds, aber methodische Einwände ernst nehmen
- wichtiger: (bona fide) PT ist insgesamt wirksam -> so kann Patienten geholfen werden (!) -> Versorgungsrelevanz ist Kern von PT
- PT-Forschung muss sich weiterentwickeln
1. PT-Forschung sollte wieder inhaltlicher & konzeptueller werden
2. Methodenpluralismus fördern
3. mehr Fokus auf ind. Situationen von Patienten (within-subject-Forschung)
4. Forschung muss wieder psychologischer werden
Durch welche allgemeinen Wirkfaktoren wirkt PT laut dem kontextuellen Modell?
- Übereinstimmung Ziele
- Empathie
- Alliance
- Wertschätzung
- Echtheit
- Erwartungen
- Researcher and therapist Allegiance
- Kulturelle Anpassung