VL 4: No-Opinion Filter („Weiss-nicht“-Kategorie) und Akquieszenz Flashcards
Was ist der No-Opinion Filter?
- Einige Fragebogen-Experten empfehlen den routinemässigen Einsatz von sog. „no- opinion-Filtern“ (z. B. Bogart, 1972; Converse & Presser, 1986). D.h. neben der eigentlichen Bewertungsskala bzw. den inhaltlichen Antwortkategorien (bei kategorialen
Antwortmöglichkeiten) wird eine Zusatzoption „Keine Meinung“ bzw. „weiss nicht“ zum
Ankreuzen angeboten. - Die Idee hierbei ist, dass dann die tatsächlich angegebenen Werte aussagekräftiger (reliabler & valider) sind, da Personen ohne Meinung dies auch ausdrücken können und nicht gezwungen werden, einen eher „willkürlichen“ und kaum aussagekräftigen Wert anzugeben.

wie sieht die empirische Realität des No-Opinion Filter aus?
Mehrheitlich erweisen sich Antworten aus Fragebögen mit „no-opinion-Filter“ als eher
weniger reliabel und valide (zusammenfassend: Krosnick et al., 2005).
Was sind die Ursachen für die kleinere Reliabilität und Validität des No-Opinion Filter in der Realität?
- Einerseits halten die Filter offenbar auch Menschen von Antworten ab, die tatsächlich eine Meinung zur gestellten Frage haben und ohne Filter auch angeben würden. Diese wählen die Filter-Option oft erst nach längerem Nachdenken.
- ->Beispielsweise können die Filter suggerieren, es sei sehr schwierig, eine Antwort zu geben oder man müsse sich wirklich absolut sicher sein, um zu antworten und die Befragten so verunsichern, dass sie lieber „keine Meinung“ bzw. „weiss nicht“ antworten.
- Ferner verleiten solche Filter die Befragten zu stärkerem „satisfycing“ Verhalten. In diesem Fall findet man immer sehr kurze Antwortzeiten.
- > Anstatt sich anstrengen und wirklich nachdenken zu müssen, bieten sie eine einfache und willkommene Gelegenheit, sehr schnell und mühelos eine offensichtlich akzeptable (da ja schon als Alternative vorgesehen) Antwort zu liefern.
Was ist der Tipp beim No-Opinion Filter?
Einen No-Opinion Filter („weiss-nicht“-Kategorie) in der Antwortskala nur dann Vorgeben, wenn zur Beantwortung der Frage wirklich ein hohes Mass an Wissen (Spezialwissen) notwendig ist. (vgl. Faulbaum, Prüfer & Rexroth, 2009, S. 180)
–> Ob dies der Fall ist, lässt sich durch kognitive Pretests feststellen (z. B. Probing zum Besitz relevanter Informationen und zur Kategorienwahl; vgl. Folien der nächsten Sitzung).
Was ist Akquieszenz?
–> Mit Akquieszenz bezeichnet man die Antworttendenz, auf Aussagen (Statements) unabhängig vom Inhalt eher mit Zustimmung als mit Ablehnung zu reagieren.
- Akquieszenz findet sich häufig im Zusammenhang mit
relativ stabilen personenbezogenen Merkmalen wie niedrigem sozialem Status, geringerer Bildung, niedriger Intelligenz und geringer kognitiver Anstrengungs- bereitschaft sowie mit Eigenschaften der Fragen (insbes. Fragekomplexität, Fragelänge etc.) sowie situativen Faktoren wie Ablenkung der Aufmerksamkeit und Ermüdung.
Welche empirischen Befunde zur Akquieszenz gibt es?
Viele empirischen Befunde deuten darauf hin, dass Akquieszenz weniger Ausdruck sozialer Erwünschtheit ist, wenngleich auch dies möglich ist (vgl. Johnson et al., 2005).
Vielmehr ist Akquieszenz sehr häufig das Ergebnis eines bestimmten kognitiven Reaktionsstils, den man auch im Zusammenhang mit Satisfycing kennt:
geringes Kognitionsbedürfnis und eher unsystematisches, oberflächliches Problemlöseverhalten; geringe kognitive Komplexität und Neigung zu starker Vereinfachung etc. (z.B. Knowles & Nathan, 1997).
Wie kann Akquieszenz vermieden werden?
Ein häufig vorgeschlagener Weg zur Kontrolle von Akquieszent-Effekten besteht in der Bildung ausbalancierter Itemsets durch Formulierung zusätzlicher umgekehrt (bzw. negativ) formulierter Items (sog. „item reversals“).
Wenn es gelingt, gleich extreme positiv und negativ formulierte Items zu konstruieren, sollte dies Akquieszenz-Effekte ausgleichen.
Oft ist es jedoch recht schwierig, wirklich äquivalente umgekehrt formulierte Items zu konstruieren.
Werden hierbei Verneinungen/Negationen genutzt, muss bedacht werden, dass die Items hierdurch oft schwerer verständlich werden und die Beantwortung kognitiv aufwendiger wird (vgl. Swain et al., 2008). Dies erhöht die Fehlervarianz und macht zugleich „Satisfycing“ wahrscheinlicher wird.
Insgesamt kommt es somit oft zu einer Verringerung der Reliabilität und der Validität der Skala (zumindest im Vergleich zu einer gleich langen Skala ohne „item reversals“).
Ferner muss bedacht werden, dass es auch möglich und logisch sein kann, einer positiv formulierte Aussage zuzustimmen, ohne auch zugleich deren Verneinung abzulehnen (z.B. bei ambivalenten Einstellungen). Perfekte negative Korrelationen sind daher oft nicht einmal theoretisch zu erwarten
Die Konstruktion und Anwendung ausbalancierter Itemsets ist also oft mit Problemen verbunden.
Was schlagen Krosnick et al. (2005) zur Minimierung von Akquieszen vor?
Da viele Hinweise darauf vorliegen, dass Akquieszenz oft eine spezielle Folge von Satisfycing darstellt (kognitiver Stil), schlagen Krosnick et al. (2005) zur Minimierung von Akquieszenz vor:
- möglichst leicht verständliche Items zu konstruieren
- Teilnehmermotivation zu maximieren.