Übungsfragen Flashcards
Was versteht man unter den Begriffe Kriminalität und Dissozialität?
Dissozialität: „Verhaltensweisen, die gegen altersgemäße soziale Erwartungen, Regeln und formelle sowie informelle Normen verstoßen.“
Kriminalität (=Verbrechen): “Alle Handlungen, die durch ein Gesetz mit Strafe bedroht sind; bzw. jegliches sozialschädliches Verhalten.”
Wie stehen Kriminalität und Dissozialität zu einander in Beziehung?
Dissozialität schließt Kriminalität mit ein.
Zu Dissozialität gehören außerdem Alkohol-/ Drogenmissbrauch, familiäre Gewalt, Verkehrsdelikte
Was ist mit dem Begriff heterotypische Kontinuität von Dissozialität gemeint? Veranschaulichen Sie Ihre Erläuterung anhand von Beispiele für Verhaltensweisen.
Entwicklungswissenschaftliche Perspektive: Dissozialität ist relativ stabile Personeneigenschaft (hat mittlere/ hohe Stabilität, wer zw. 10-15 verurteilt wurde, wird dies zu 67% nochmal) = persistent, die sich im Entwicklungsverlauft auf unterschiedliche Weise manifestiert = heterotypische Kontinuität.
- Kindheit: Lügen, Stehlen,
- Jugendalter: Substanzmissbrauch
- Jugend und Erwachsenenalter: Eigentums- und Gewaltkriminalität
Nennen Sie drei Aspekte, hinsichtlich derer sich aggressive Handlungen zwischen Jungen und Mädchen häufig unterscheiden
Die typischen Ausformungen von Aggression unterscheiden sich nach Alter und Geschlecht. Jungs sind physisch und direkt aggressiv - Mädchen eher relational, verbal und indirekt.
Aspekte:
1. Art der Schädigung: physisch vs psychisch
2. Ausführungsmodalität: physisch vs verbal
3. Unmittelbarkeit: direkt vs indirekt
Erläutern Sie den Unterschied zwischen feindseliger und instrumenteller Aggression und nennen Sie für beide Arten jeweils ein Beispiel.
Der Unterschied liegt in der Motivation der Aggression: feindselige (affektive Aggression) ist z.B. physische Gewalt in einem Streit - instrumentelle Aggression dient dazu, ein Ziel bestimmtes Ziel zu erreichen (z.B. seinen Status zu erhöhen oder sich zu bereichern)
Veränderungen der Delikthäufigkeit im polizeilichen Hellfeld gehen nicht nur auf tatsächliche Veränderungen der Kriminalität zurück. Nennen Sie 4 weitere Faktoren, die die Befunde des polizeilichen Hellfeldes beeinflussen können.
- Anzeigeverhalten
- Änderung der demographischen Struktur
- Änderung des Strafrechts
- Polizeiliche Kontrolldichte
- Echte Kriminalitätsänderung
Nennen Sie 4 Einflussgrößen für das Anzeigeverhalten und jeweils ihre Einflussrichtung.
- Erwartung bzgl Nutzen der Anzeige
- Bekanntheitsgrad mit Täter
- Alter des Opfers und des Täters
- Geschlecht des Täters (m>w)
- Divergenz: juristische Konzepte und Alltagskonzepte
Studien zum Anzeigeverhalten haben gezeigt, dass junge Menschen seltener angezeigt werden als Erwachsene. Erläutern Sie zwei mögliche Ursachen für diesen Befund.
- Ki und Ju begehen eher Bagatelldelikte (Graffiti, Sachbeschädigung, Drogen).
- Ki und Ju führen Starftaten i.d.R. weniger schwerwiegend aus als Erwachsene.
Stellen Sie sich vor, sie sollten überprüfen, inwiefern sich die Eigentumsdelinquenz von Jugendlichen, in den nächsten 10 Jahren verändert. Beschreiben sie kurz welche Untersuchungsmethode sie anwenden würden und auf welche Untersuchungsgruppe sie abzielen würden und begründen Sie diese Wahl jeweils kurz.
Querschnittsstudien: Sich wiederholende standardisierte Interviews mit repräsentativen, alle Milieus umfassenden Jugendlichen.
» QS: weil LS kein Sinn macht
» logischerweise müssen alle Milieus abgedeckt werden
» standardisiert, damit Ergebnisse jährlich reliabel
» Interview, damit unabhängig von Rasterstudien der Justiz/Polizei usw. Außerdem wird so Dunkelfeld-Delinquenz erfasst.
Wie lässt sich das typische Nord-Süd-Gefälle der Kriminalität in Deutschland erklären? Erläutern Sie eine mögliche Ursache.
- Im Norden wird häufiger angezeigt
2. Im Süden eher informelle Konfliktlösungen
Beschreiben Sie, inwiefern sich die Schwere krimineller Handlungen von der Kindheit über das mittlere Erwachsenenalter bis ins hohe Alter üblicherweise verändert.
Kriminalität folgt einer typischen Altersverlaufskurve mit einem Anstieg während der Adoleszenz und einem Rückgang über das Erwachsenenalter.
- im Kindesalter werden überwiegend Bagatelldelikte begangen (- Ladendiebstahl, Graffiti, ..).
- im mittleren Alter nehmen Deliktschwere und Versatilität.
- im fortgeschrittenen Alter wieder Bagatelldelikte
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Geschlechterverhältnis der jungen Tatverdächtigen insbesondere im Bereich der Gewaltdelikte zunehmend angeglichen. In Dunkelfelduntersuchungen findet man diesen Entwicklung meist nicht. Nennen Sie zwei mögliche Erklärungen für diese diskrepanten Entwicklungen.
Bis zum 21. LJ werden 25% der Männer und 10% der Frauen als Tatverdächtige erfasst. (Hellfeld 1:3; Dunkelfeld 1:2.) Das Geschlechterverhältnis gleicht sich zunehmend an.
Gründe:
„Frauendisziplinen“ wie „leichte Gewalt“ werden häufiger angezeigt
Veränderung der Geschlechterrolle führt zu Anzeigebereitschaft gegenüber Frauen
Die Kulturkonflikttheorie ist ein migrationsspezifischer Erklärungsansatz für die Entstehung von Delinquenz. Nennen Sie zwei weitere Erklärungsmodelle, welche für Menschen mit Migrationshintergrund eine besondere Relevanz aufweisen und erläutern Sie diese jeweils kurz.
- Theorie der sozialstrukturellen Benachteiligung » weniger legitime Mittel zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele; Wohnsituation mit delinquenten Kontakten, ..
- Etikettierungs- bzw. Labelingtheorie » negative Zuschreibung führt zu Verringerung von Zugangschancen und delinquentem Selbstbild)
- Kulturkonflikttheorie » äußerer Kulturkonflikt = Differenz zwischen Normen des Heimat- und Gastlandes; innerer Kulturkonflikt = widersprüchliche Werte führen zu Orientierungslosigkeit
- Ausgrenzung » führt zu Rückzug und Übernahme traditioneller Rollenmuster und Normen
Die Pyramide des sozialen Normlernens beschreibt die Hierarchie verschiedener normvermittelnder Instanzen hinsichtlich ihres Einflusses auf die Aneignung von Normen. Welche beiden Bedingungen lassen sich aus dem Modell ableiten, unter denen Normlernen besonders effektiv ist? Nennen Sie diese.
Die Pyramide des sozialen Normlernens zeigt, dass Normlernen effektiver ist, wenn
- es früh erfolgt
- der Personenbezug intensiv ist.
Die konkreten Aufnahmekriterien für sogenannte Mehrfach- und Intensivtäter in polizeiliche Interventionsprogramme sind in den Bundesländern verschiedenen. Anhand welcher Merkmale wird die Gruppe der sogenannten „Mehrfach- und Intensivtäter“ jedoch üblicherweise definiert?
Die Arbeitsdefinition von Mehrfach- und Intensivtäter (MIT) umfasst 3 Bereiche. 1 qualitativ ("besonders kriminelle Energie) 2 quantitativ ("wiederholt Straftaten begangen ..“) 3 Negativprognose
Nennen Sie vier Merkmale dissozialen Verhaltens, welche sich als bedeutsame Prädiktoren für die Prognose persistenter Verläufe erwiesen haben.
- je häufiger das Verhalten auftritt
- je vielfältiger das Verhalten ist
- je verschiedener die Kontexte, in denen das Verhalten gezeigt wird
- je früher das Verhalten gezeigt wird
(> für individual-prognostische Zwecke allerdings nicht ausreichend)
Die Zahl und Art der Trajektorien, welche man in der kriminologischen Verlaufsforschung findet, ist abhängig von methodischen Faktoren. In Studien, welche sich auf die Allgemeinbevölkerung beziehen, findet man neben den non-offenders bzw. low-leveI-offenders häufig drei weitere typische Verlaufsformen. Nennen und beschreiben Sie diese.
- chronic/ persistent offenders: persistente Delinquenz von der Jugend bis ins frühe Erwachsenalter und zum Teil darüber hinaus
- adult desisters, adolescence limited offenders: delinquentes Verhalten in Jugendzeit, welches zum frühen Erwachsenenalter eingestellt wird
- late starters/ bloomers, adult/late onset offenders: Unauffälligkeit in Kindheit und Jugend, Entwicklung von Delinquenz erst zum Erwachsenenalter
(4. non-offenders, low-level-offenders: sowohl in Adoleszenz, als auch im Erwachsenenalter kaum/ gar keine Delinquenz)
Für die Auftretenshäufigkeit von Kriminalität zeigt sich im Allgemeinen ein typischer Altersverlauf, die sogenannte age-crime-curve. Erklären Sie dieses Phänomen anhand der Anomietheorie nach Merton.
ANOMIE
Schwächung der allgemeinen geteilten moralischen Überzeugungen und Handlungsmaxime.
ENTSTEHUNG
Entfernung der kulturellen Ziele (z.B. Anerkennung) und der sozialstrukturell bestimmten legitimen Mittel, die Ziele zu erreichen (z.B. Geld).
ERKLÄRUNG der AGECRIMEKURVE mit MATURITY GAP
Man hat als jugendlicher zwar schon soziale Ziele, aber keine legitimen Mittel. Eine mögliche Anpassung der Jugendlichen ist, die Ziele durch illegale zu erreichen (“innovativer Anpassungstyp”). (Die Diskrepanz ändert sich mit Eintritt in das Berufsleben.)
Aus der Anomietheorie nach Merton lassen sich sozial- und gesellschaftspolitische Veränderungspotenziale zur Reduzierung der Kriminalität in einer Gesellschaft ableiten. Nennen sie jeweils ein Beispiel für eine solche Veränderung hinsichtlich der kulturellen und hinsichtlich der sozialen Struktur.
kulturelle Struktur:
normative Werte und Ziele, die von Mitgliedern einer Gesellschaft getragen werden
» Integration und Akzeptanz anderer kultureller Werte zur Reduktion von Diskrimination (z.B. diskriminierendes Anzeigeverhalten, Labeling)
soziale Struktur:
soziale Beziehungen, in die die Mitglieder einer Gesellschaft eingebunden sind und Mittel, die zur Verfügung stehen
» Förderung bildungsferner Schichten
Der Labeling-Approach erklärt die Verfestigung delinquenter Karrieren. Erläutern Sie welche Konstrukte im Rahmen dieses Stabilisierungsprozesses miteinander in Wechselwirkung stehen.
Was ist Labeling?
Ursache für abweichendes Verhalten ist die soziale Reaktion der Umwelt auf den Normbruch (abhängig vom sozialen Status des Delinquenten).
primäre und sekundäre Devianz: auf die primäre Devianz erfolgen Sanktionen der Umwelt, dies führt zu Einschränkungen des Aktionsfeldes (z.B. schulisch) und Labeling, was wiederum abweichendes Verhalten verstärkt = sekundäre Devianz
Self-fullfilling prophecy: langfristig wird die (zugewiesene) abweichende Rolle akzeptiert und es entsteht ein deviantes Selbstbild = self-fulfilling prophecy
Erläutern sie, warum ungünstige Prognosen im Rahmen des Labeling Approach zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führen können.
Negative Zuschreibung führt zu verschlechterten Zugangschancen und abweichendem Sebstbild. Langfristig wird (zugewiesene) abweichende Rolle akzeptiert und es entsteht ein deviantes Selbstbild.
Als Neutralisierungstechniken im Sinne von Sykes und Matza werden unter anderen die Ablehnung der Verantwortung und die Metapher des Hauptbuches genannt. Erläutern Sie beide anhand eines Beispiels und nennen Sie vier weitere dieser Techniken.
Delinquente Personen haben die gesellschaftlichen Normen zwar auch internalisiert, sie haben aber gelernt, die aus den Normbrüchen resultierenden Affekte zu neutralisieren/rationalisieren.
TECHNIKEN
1 Ablehnung der Verantwortung („Ich bin das Opfer“)
» nach Ladendiebstahl: nur weil mir die Ausländer Arbeitsplätze wegnehmen, habe ich kein Geld und muss stehlen
2 Verneinung des Unrechts (Schaden wird verneint)
3 Abwertung des Opfers („Der hat es nicht anders verdient“)
4 Verdammung den Verdammenden („Du bist nicht besser“)
5 Berufung auf höhere Instanz („Das war notwendig für das größere Wohl“)
6 Verteidigung der Notwendigkeit („Das war der einzige Ausweg“)
7 Metapher des Hauptbuches (“deviante Handlung wird als erlaubte Ausnahme in einer Reihe von normgerechten Taten deklariert”)
» der Uli ist ein Gutbürger, der wirklich viel spendet - deshalb darf ein bisschen Steuerhinterziehung sein :o)
Bewerten Sie den Erklärungsansatz der Neutralisierungstechniken von Sykes und Matza, indem Sie zwei Vorteile und zwei Nachteile nennen.
- Techniken lassen sich nur schwer voneinander trennen
- unklar, wie stark die NT sein muss, um internalisierte Norm zu neutralisieren
+ lässt sich auf nahezu alle dissozialen Handlungen anwenden
+ das Modell liefert gute Ansätze für Prävention und Intervention
Erläutern Sie, was Gottfredson und Hirschi unter dem Konzept der Selbstkontrolle verstehen und nennen Sie 5 typische Eigenschaften von Personen mit niedriger Selbstkontrolle.
Fähigkeit, auf unmittelbare aufwandlose Befriedigung verzichten zu können, wenn sie langfristig negative Effekte bringt.
(> Bei niedriger Selbstkontrolle werden Kurzzeitfolgen hoch bewertet und Langzeitkosten bagatellisiert)
Personen mit geringer Selbstkontrolle:
- sind auch bei nichtkriminellen Handlungen auffällig (Rauchen, Trinken, Drogen, Glücksspiel)
- risikoreichere Lebensführung (häufiger in Unfälle verwickelt)
- häufig eine fehlende Ausdauer (z.B. in Ausbildung/ Beruf)
- höhere Ich-Zentrierung und geringe Empathiefähigkeit
- unbeständige, schnell wechselnde Gemütszustände
- geringe Frustrationstoleranz und hohe Impulsivität
- neigen bei Konfliktlösungen zu körperlichen Mitteln