SS Vorlesung 8 Flashcards
Was nennen wir in der Wissenschaft „Zufall“?
Wenn ein Ereignis (typischerweise aufgrund der Komplexität der Einflussfaktoren) nicht erwartbar / berechenbar ist. Ein zufälliges Ereignis zeichnet sich (auch im natürlichen Sprachgebrauch) dadurch aus, dass es unerwartet und für uns bedeutsam (oder im Aufmerksamkeitsfokus) ist. Also zwei subjektive Momente: Unwissenheit und Interesse.
Ist es sinnvoll in eine wissenschaftliche Erklärung eine Zufallskomponente einzubauen (z. B. normalverteilte Varianz in den Daten)?
Ja, man kann nie alles wissen und alles kontrollieren.
Welche subjektiven Momente kennzeichnen den Zufall im natürlichen Sprachgebrauch? Erläutern Sie dies anhand von Beispielen.
Unwissenheit (unerwartet) und Interesse (bedeutsam)
- Interesse: Welche Zahl beim Würfelspiel oben liegt und welche Seite eines zu Boden gefallenen Brühwürfels oben liegt.
- Unwissenheit: Es ist kein Zufall, dass ein Raucher Lungenkrebs bekommt. Bei Unwissenheit der Risiken, könnte man es aber als einen Zufall sehen.
Geben Sie Beispiele für positive und negative Zufälle, die vor dem Hintergrund persönlicher Pläne unerwartet sind.
- Positiver Zufall: Sechser im Lotto
- Negativer Zufall: Von Asteroid erschlagen
Wie reduzieren wir mit experimentellen Methoden den Zufall als Wissenschaftler? Inwieweit gibt es auch hier ein subjektives Moment?
Durch isolierte Bedingungsvariation und Störvariablenkontrolle. Das subjektive Moment ist hierbei, welche Variablen ich isoliere und was Randbedingungen sind.
Wie wurde in der antiken Philosophie typischerweise mit dem Zufall umgegangen?
Persönliches Interesse an nicht beeinflussbaren Variablen reduzieren.
Was haben gebiaste Erwartungen mit dem Zufall zu tun?
- Retrospektiver Bias: im Nachhinein erscheint alles geplant.
- Post-hoc-Rationalisierungen
- Fundamentaler Attributionsfehler (intern > extern)
Es gibt eine Tendenz der Unterschätzung des Zufalls
Was ist der fundamentale Attributionsfehler und was hat er mit dem Zufall zu tun?
Er bezeichnet die Neigung, den Einfluss dispositionaler Faktoren, wie Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungen und Meinungen, auf das Verhalten anderer systematisch zu überschätzen und äußere Faktoren (situative Einflüsse) zu unterschätzen. Kriegt also der Kettenraucher einen Husten, ist das kein Zufall, denn er ist selbst schuld. Bekommt aber jemand Husten, weil er angehustet wurde, ist das ein Zufall, da er ja machtlos war.
Inwiefern unterschätzt ein Bias Zufallskomponenten in unserer persönlichen Biographie?
Durch den retrospektiven Bias erscheint im nach hinein alles als geplant „das musste ja so kommen“, da man ja immer das Ende mit im Blick hat.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Wahrnehmung eines Ereignisses als Zufall und dem Problem der Willensfreiheit?
Kriegt der Kettenraucher einen Husten, ist das kein Zufall, denn er ist selbst schuld. Bekommt aber jemand Husten, weil er angehustet wurde, ist das ein Zufall, da er ja machtlos war. Unter Annahme der Willensfreiheit, ist im ersten Fall kein Zufall zu sehen. Zweifler der Willensfreiheit dürften quasi keinen Zufall sehen. Es ist also ein enger Zusammenhang.
Inwieweit kann ein Bias, der zur Unterschätzung des Zufalls führt auch psychische Probleme auslösen?
Heraushebung einer dem eigenen Willen unterliegenden Vorbedingung für ein Ereignis kann für Schuldgefühle sorgen. „Wenn ich meinen Freund nicht beschimpft hätte, wäre er eher gegangen und nicht vom Dachziegel erschlagen worden.“ (Man hebt die gewollte Bedingung hervor als Grund)
Nennen und skizzieren Sie mindestens sechs Wahrheitstheorien
- Korrespondenztheorie (Aristoteles, Thomas von Aquin): Übereinstimmung von Denken und Sache (Realität)
- Abbildtheorie (früher Wittgenstein): Sprache bildet Sachverhalte in der Welt ab
- Redundanztheorie (Frege, Ramsey): Wahr sind Sätze, bei denen es redundant ist zu behaupten, dass sie wahr sind: „Es ist wahr, dass 5 eine Primzahl ist“ = „5 ist eine Primzahl“
- Performative Theorie (Strawson): Wahrheit einer Aussage behaupten heißt, eine Möglichkeit (Gedanken, Proposition) in eine Wirklichkeit (Behauptung) zu überführen
- Semantische Theorie (Tarski): Der Satz „Schnee ist weiß“ ist wahr genau dann, wenn Schnee weiß ist (Unterscheidung von Objektund Metasprache)
- Kohärenztheorie (Neurath, Quine): Aussage lässt sich widerspruchfrei in ein Satzsystem einfügen; jeder Satz verweist auf das gesamte Sprachgefüge (Theorie), in dem er auftritt (Holismus)
- Pragmatismus: Wahrheit im Zusammenhang mit praktischer Nützlichkeit (Dass wir zum Mond fliegen können, belegt die Wahrheit der Sätze in Mechanik/Maschinenbau)
- Konsenstheorie (Habermas): Wahr ist ein Satz, wenn Geltungsansprüche diskursiv eingelöst werden können
- Gebrauchstheorie (später Wittgenstein): Die Bedeutung des Begriffs „wahr“ erschließt sich aus dem Gebrauch des Wortes in verschiedenen Kontexten
- Satzwahrheit vs. Sachwahrheit (Hegel, Heidegger): „ein wahrer Freund“
Was unterscheidet in der Wissenschaftstheorie Metatheorien von Methodologien?
Richtungen der Wissenschaftstheorie: logischer Empirismus (Schlick, Carnap), kritischer Rationalismus (Popper), wissenschaftstheoretischer Strukturalismus (Sneed)
Die Prinzipien. Metatheorien sind Theoriestrukturen und Wirklichkeitsverknüpfungen. Methodologien sind Normen zum Erkenntnisvorgang.
Was unterscheidet in der Wissenschaftstheorie apriostische von quasi-empirischen Herangehensweisen?
Die Prinzipien. Apriostische Herangehensweisen klären, wie Theorien und Forschung sein sollten. Quasi-empirische Herangehensweisen zeigen, wie Wissenschaft wirklich funktioniert.
Was sind Aufgaben der Wissenschaftstheorie?
- Systematische Rekonstruktion von Theorien der Einzelwissenschaften
- Nachweis von Unklarheiten, Problemen etc.