Sitzung 4 Objektwahrnehmung Flashcards
Grundprobleme der Objektwahrnehmung
- Mehrdeutigkeit des retinalen Abbilds
- Problem der inversen Projektion
- Objektkonstanz trotz Verdeckung/Unschärfe, Helligkeitsunterschieden und variablen Blickwinkeln
Grundprobleme der Objektwahrnehmung
1. Mehrdeutigkeit des retinalen Abbilds
je nach Perspektive können uns Objekte anders erscheinen, als sie eig. sind
Grundprobleme der Objektwahrnehmung
2. Problem der inversen Projektion
Ein bestimmtes Abbild auf der Retina kann prinzipiell durch eine unendliche Anzahl von Objekten hervorgerufen werden
Dennoch können wir das Objekt meist korrekt identifizieren
Grundprobleme der Objektwahrnehmung
3. Objektkonstanz
Wir nehmen ein Objekte tortzdem als eins wahr oder können es erkennen, obwohl es
1) Verdeckt oder unscharf ist
2) Helligkeitsunterschiede gibt
3) durch variierende Blickwinkel unterschiedliche Netzhautbilder hervorruft
Blickwinkelinvarianz
Die Fähigkeit Objekte o. Gesichter trotz variierender Blickwinkel wiederzuerkennen
Können Menschen besser als automatische Erkennungssysteme
Erklärungsansätze der Objektwahrnehmung
- Strukturalismus
2. Gestaltprinzipien
Erklärungsansätze der Objektwahrnehmung
1. Strukturalismus (“Elementepsychologie”)
Ende 19. Jh../ Anfang 20 Jh.
Wichtiger Vertreter: Wilhelm Wundt
Wahrnehmung kommt durch die Kombination elementarer Empfindungen zustande
Beispiel: einzelne Punkte fügen sich zur Wahrnehmung eines Gesichts zusammen
Analogie: Atome/ Moleküle
-> Das Ganze ist die Summe seiner Teile
Erklärungsansätze der Objektwahrnehmung
2. Gestaltpsychologie
Begründer: Max Wertheimer (1880-1943)
Kritik am Strukturalismus: Die durch ein Spielzeugstroboskop erzeugte Wahrnehmungsillusion einer „Bewegung“ bildete den Ausgangspunkt seiner Kritik am Strukturalismus
Erklärungsansätze der Objektwahrnehmung
- Gestaltpsychologie
- Scheinkonturen
Die Wahrnehmung der Scheinkonturen verschwindet,
wenn man sich vorstellt, dass die schwarzen Punkte Löcher sind, durch die man den Würfel betrachtet
Nicht erklärbar durch Strukturalismus
Schlussfolgerung der Gestaltpsychologen:
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
Erklärungsansätze der Objektwahrnehmung
- Gestaltpsychologie
- Scheinbewegung
Darbietung zweier stationärer Lichtreize in bestimmtem zeitlichen Abstand -> Wahrnehmung kontinuierlicher Bewegung, obwohl physikalisch nur aufleuchtende Bilder gibt
Problem für den Strukturalismus: keine Stimulation im Raum zwischen den beiden Reizen
Bewegungswahrnehmung kann nicht auf elementaren Erfahrungen beruhen, denn es gibt nichts als Dunkelheit zw. den Reizen
Wahrnehmungsorganisation Definition
Wie werden kleine Elemente zu größeren Objekten zusammengesetzt / gruppiert?
Der Prozess, der einzelne Elemente aus unserer Umgebung perzeptuell zu einer Einheit verbindet und so die Wahrnehmung von Objekten hervorbringt
Gestaltprinzipien der Wahrnehmungsorganisation
- Prinzip der guten Gestalt
- Prinzip der Ähnlichkeit
- Prinzip der fortgesetzt durchgehenden Linie
- Prinzip der Nähe
- Prinzip des gemeinsamen Schicksals
- Prinzip der Vertrautheit
- Prinzip der guten Gestalt
Prägnanzprinzip, Prinzip der Einfachheit
Wichtigstes Prinzip
• Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die resultierende Struktur so einfach wie möglich ist.
- Prinzip der Ähnlichkeit
Ähnliche Dinge erscheinen zu Gruppen geordnet
Gruppierung aufgrund von Ähnlichkeit (z.B. hinsichtlich Farbe, Form, Größe oder Orientierung)
- Prinzip des guten Verlaufs (Prinzip der fortgesetzten durchgehenden Linie)
Punkte, die mit einer geraden oder mit einer sanft geschwungene Linien verbunden sind, werden als zusammengehörig wahrgenommen. Linien werden so gesehen, als folgten sie dem einfachsten Weg
- Prinzip der Nähe
Dinge, die sich nahe beieinander befinden,
erscheinen als zusammengehörig
- Prinzip des gemeinsamen Schicksals
Dinge, die sich in die gleiche Richtung bewegen, erscheinen als zusammengehörig
- Prinzip der Vertrautheit
Dinge bilden mit größerer Wahrscheinlichkeit Gruppen, wenn die Gruppen vertraut erscheinen oder etwas bedeuten
• Dies kann natürlich auch zu falschen Interpretationen führen („Marsgesicht“)
Permanenz der perzeptuellen Organisation: Es ist schwierig, keine Gesichter (insgesamt 12) wahrzunehmen, wenn die perzeptuelle Organisation einmal erfolgt ist (siehe Folie 24)
Übersicht über später formulierte Gestaltprinzipien
- gemeinsame Region
- Verbundenheit von Elementen
- zeitliche Synchronizität
- Prinzip der gemeinsamen Region
Wenn Objekte sich in einer gemeinsamen Region befinden, werden sie als zueinander zugehörig wahrgenommen
- Prinzip der Verbundenheit von Elementen
Sind Elemente miteinander verbunden, werden sie als zugehörig wahrgenommen
- Prinzip der zeitlichen Synchronizität
z.B.: Lichter gehen zusammen an/aus, dann werden sie als zueinander zugehörig wahrgenommen
Perzeptuelle Gliederung
Definition
Prinzipien nach denen wir Figuren und Hintergrund trennen
Perzeptuelle Gliederung
Eigenschaften einer Figur
- Figur dinghafter und leichter erinnerbar als Grund
- Figur steht vor dem Hintergrund
- Die Figur hat den „Besitz der Kontur“
Perzeptuelle Gliederung
Faktoren, die bestimmen darüber, ob ein Areal einer Szene (wahrscheinlicher) als Figur gesehen wird
- Vertikale Position
- Symmetrie
- Größe
- Ausrichtung
- Bedeutungshaltigkeit
- konvexe und konkave Seiten
-> Gestaltgesetze spiegeln Regelmäßigkeiten in der Umwelt wieder
Perzeptuelle Gliederung
Faktoren
1. Faktor der (vertiklaen) Position
Weiter unten positionierte Areale werden gegenüber weiter oben positionierten Arealen mit höherer Wahrscheinlichkeit als Figur wahrgenommen
Gewöhnlich sehen wir auf Objekte „von oben drauf“
Perzeptuelle Gliederung
Faktoren
2. Faktor der Symmetrie
Symmetrische Areale werden gegenüber asymmetrischen Arealen mit höherer Wahrscheinlichkeit als Figur wahrgenommen
Perzeptuelle Gliederung
Faktoren
3. Faktor der Größe
Kleinflächigere Areale werden gegenüber großflächigeren Arealen mit höherer Wahrscheinlichkeit als Figur wahrgenommen
Perzeptuelle Gliederung
Faktoren
4. Faktor der Ausrichtung
Vertikal-horizontal ausgerichtete Areale werden gegenüber geneigten Arealen mit höherer Wahrscheinlichkeit als Figur wahrgenommen s. F. 34
Perzeptuelle Gliederung
Faktoren
5. Faktor der Bedeutungshaltigkeit
Bedeutungshaltige Areale werden gegenüber nicht-bedeutungshaltigen Arealen mit höherer Wahrscheinlichkeit als Figur wahrgenommen
Oblique-Effekt
Menschen sind empfindlicher für horizontale/vertikale
als für geneigte Orientierungen (vgl. Faktor d. Ausrichtung)
In der Umwelt gibt es eine Häufung gerader (bzw. leicht gekrümmter) Linien in horizontaler und vertikaler
Orientierung (vgl. links)
Es gibt überproportional viele orientierungsspezifische Neurone, die auf h/v-Orientierung antworten
Objekterkennung und Trennung von Figur und Grund Annahme der Gestaltpsychologie
Objekterkennung erfolgt erst nach der Trennung von Figur und Grund
Objekterkennung und Trennung von Figur und Grund
empirische Beobachtung und Schlussfolgerung
- > Bedeutsamkeit beeinflusst offenbar die Figurbildung
- > Erkennungsprozess findet vermutlich vor oder zeitgleich mit der Trennung von Figur und Grund statt
Modelle der Objektwahrnehmung
- Schablonenmodell
- Merkmalsbasierte Modelle:
a) Merkmalsintegrationstheorie
b) Geon-Theorie - Modelle der kanonischen Ansicht
Modelle der Objektwahrnehmung
1. Schablonenmodell
Idee: Übereinstimmung des sensorischen Inputs mit einer „inneren Schablone“ führt zur Erkennung
Kritik: unsere Formerkennung ist sehr vielseitig, Schablonensystem mit 1:1 Übereinstimmung wäre sehr ineffizient, da ein zu großer Speicherbedarf und Zeitaufwand resultieren würde
Modelle der Objektwahrnehmung
2. a)Merkmalsintegrationstheorie
- Treismann (1987)
1. Gegenstand
2. Präattentive Stufe: Elementarmerkmale werden identifiziert, einzeln verarbeitet
3. aufmerksamkeitsgerichtete Verarbeitung: attentiv: Die Elementarmerkmale werden verknüpft
4. Der Gegenstand wird aufgebaut
5. Er wird mit dem in Gedächtnis verglichen
6. Der Gegenstand wird erkannt, wenn ein Vergleichsobjekt im Gedächtnis gefunden wurde
s. F. 40
Modelle der Objektwahrnehmung
2. a)Merkmalsintegrationstheorie -Evidenz
Scheinverbindungen (illusionary conjunctions): Personen vertauschen Merkmale zweier Objekte
-> kommt vergleichsweise häufig vor
Intrusionsfehler: Menschen vertauschen Objekte oder Merkmale von Objekten mit welchen, die gar nicht gezeigt wurden
-> kommt sehr selten vor
Interpretation: Elementarmerkmale werden zunächst getrennt verarbeitet (prä-attentiv) und dann verknüpft (attentiv). Bei der Verknüpfung kann es zu Fehlern kommen. s. F. 41
Modelle der Objektwahrnehmung
2. b) Geno-Theorie
von Irving Biederman (1987)
Geone = elementare geometrische Körper
Fähigkeit zur Erkennung von Objekten beruht auf Geonen und ihrer Beziehung zueinander
Geone sind nahezu blickwinkelinvariant voneinander unterscheidbar
Prinzip der Rekonstruktion elementarer Teilkörper: Identifikation eines Objekts durch Identifikation seiner Geone
Wichtig sind die Schnittpunkte der Geone: je mehr Schnittpunkte verdeckt sind, desto schwieriger wird die Objektidentifikation
Modelle der Objektwahrnehmung
2. b) Geno-Theorie
Zufällige Merkmale
= bestimmt Perspektiven, unter dennen Geone nicht identifiziert werden können, z.b.: von Oben, die
Objektidentififikation fällt schwerer
Die Merkmale eines Geons sind also nahezu, aber eben nicht vollständig blickwinkelinvariant
Modelle der Objektwahrnehmung
2. b) Geno-Theorie
Stärken und Grenzen
+ Theorie kann erklären, warum wir Objekte auch unter suboptimalen Bedingungen, wie Sie in der Umwelt häufig vorkommen (z.B. Verdeckung eines Teils des Objekts), erkennen können
- Grenzen der Theorie: Mithilfe von Geonen kann gut zwischen Klassen von Objekten (z.B. Flugzeuge vs.
Toaster), aber nicht gut zwischen Objekten einer Klasse (z.B. Pferde vs. Zebras) unterschieden werden
Modelle der Objektwahrnehmung
3. Modell der kanonischen Ansicht
Kanonische Ansicht: abgespeicherte, zweidimensionale Repräsentationen eines Objektes
- Eine Repräsentation (kanonische Ansicht) ist dominant
- Identifikationszeiten sind besonders kurz für diese Ansicht
- Probanden wählen typischerweise diese
Perspektive, wenn Sie die beste Präsentation für ein drehbares Objekt angeben oder ein Objekt zeichnen sollen - Nicht-kanonische Ansichten sind für sich allein kaum zu identifizieren; es sei denn, man weiß, was gemeint ist
-> Kanonische Repräsentationen sind vermutlich idealisierte Formen und Teil eines kollektiven Wissens
Beispiel: Tasse
Verarbeitung von Wahrnehmungsinformationen - 1. Binokulare Rivalität - Definition
Wird zeitgleich ein Objekt dem linken Auge und ein anderes Objekt dem rechten Auge dargeboten, resultiert keine durchmischte Wahrnehmung beider Objekte
Zu einem Zeitpunkt wird nur eines der beiden Objekte gesehen & über die Zeit wechselt die Wahrnehmung zwischen den beiden Objekten hin- & her
Verarbeitung von Wahrnehmungsinformationen - 1. Binokulare Rivalität - Experiment
(a) Experimentalbedingung (binokulare Rivalität) Probanden berichten, dass ihre Wahrnehmung über die Zeit zwischen den beiden Objekten wechselt
(b) Kontrollbedingung: Beiden Augen wird zu
einem Zeitpunkt dasselbe Objekt dargeboten und
über die Zeit wechselt das dargebotene Objekt
Verarbeitung von Wahrnehmungsinformationen - 1. Binokulare Rivalität - Lokalisierung der Verarbeitungsregionen
in der Kontrollbedingung: Mit dem Wechsel der Objekte werden ver. Hirnareale (FFA o. PPA) aktiv
Wechsel der berichteten Wahrnehmung korrespondiert mit der Änderung der gemessenen Hirnaktivität (entspricht nahezu dem Aktivitätswechsel bei einem tatsächlichen Wechsel des Reizes)
s. F. 51, 52
Verarbeitung von Wahrnehungsinformationen 2. Perzeptuelle Intelligenz
- Theorie der unbewussten Schlüsse (Helmholtz, 1866-1911): Wahrnehmungen sind zum Teil das Ergebnis unserer unbewussten Annahmen über die Welt
- Wahrscheinlichkeitsprinzip der Wahrnehmung: Wir nehmen das Objekt war, das die größte Wahrscheinlichkeit aufweist, das entsprechende Reizmuster ausgelöst zu haben.
- > Klare Evidenz dafür, dass Wissen über die Welt und der Kontext unsere Wahrnehmung beeinflussen: z.B. wird ein kurz dargebotenes Objekt mit höherer Wahrscheinlichkeit identifiziert, wenn es zu einem zuvor dargeboten Kontext passt
Gestaltpsychologie Definition
untersucht, wie sich ein Gesamtbild - die Gestalt - aus kleinen Teilen ergibt
Modelle der Objektwahrnehmung
3. Modell der kanonischen Ansicht - Grundidee
Objekterkennung auf Basis abgespeicherter,
zweidimensionaler Ansichten des Objekts aus
unterschiedlichen Perspektiven
Im Falle vertrauter Objekte bestehen mehrere
dieser Repräsentationen, so dass Blickwinkelinvarianz gegeben ist
Probleme der Gestaltpsychologie
- Keine Vorhersagen zur Gruppierung in strittigen
Reizkonstellationen; unklar, welches Gestaltprinzip
dominiert - Fehlende Kriterien, wann und unter welchen Bedingungen eine einfachste, stabilste und beste Gestalt vorliegt
- > Eher beschreibend als erklärend
Perzeptuelle Gliederung
Faktoren
6. konvexe und konkave Seiten
konvexe (vorgewölbte) Seiten von Konturen werden eher als Figur wahrgenommen als konkave (innengewölbte) Seiten