Rechte des Bürgermeisters Flashcards
Fehlerhaftes Vertretungshandeln des ersten Bürgermeisters:
Handelt der erste Bürgermeister bei der Vertretung der Gemeinde rechtsfehlerhaft (insbesondere ohne erforderlichen Ratsbeschluss oder unter Verstoß gegen das Schriftformerfordernis in Art. 38IIGO, stellt sich die Frage welche Folgen die betreffenden Rechtsverstöße nach sich ziehen. Dabei ist zunächst danach zu differenzieren ob der Bürgermeister in den Rechtsformen des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts handelt:
- Öffentlich-rechtliches Handeln:
- > kaum Besonderheiten
- > Erlässt der Bürgermeister entgegen Art. 29,37 GO ohne Ratsbeschluss einen VA oder fertigt er eine Satzung. bzw. Rechtsverordnung aus, richten sich die Rechtsfolgen seines Handelns nach der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Fehlerfolgenlehre: Der betreffende VA ist rechtswidrig und anfechtbar bzw. aufhebbar
- > die betreffend formell-rechtswidrigen Rechtsnormen sind nichtig. Mit Blick auf öffentlich rechtliche Verträge kommt nur eine Nichtigkeit nach Art. 59I BayVwVfG in Betracht, bei subordinationsrechtlichen Verträgen auch anch Art.59II Nr.2 BayVwVfG(im Falle der Kenntnis der Vertragsschließenden vom Zuständigkeitsmangel.
-> Wird die Schriftform gem. Art.38 II GO auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht eingehalten, so ist der VA (nach Art. 44 I BayVwVfG ) bzw. der öffentlich rechtliche Vertrag nach Art.57, 59I BayVwVfG iVm § 125 S.1 BGB nichtig.
Privatrechtliches Handeln:
-st.Rspr. in Bayern früher: formelles Vertretungsrecht
Art. 38 I GO wurde nicht als gesetzliche Vertretungsmacht interpretiert. -> wurde als formelles Vertretungsrecht interpretiert, d.h. die Vorschrift sollte nur festlegen welches Organ verbindlich mit Außenwirkung handeln könne, soweit es die dafür erforderliche materielle Zuständigkeit hat. Die Zuständigkeitsnorm des Art. 37 GO bildet also zugleich die Schranke der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters nach Art. 38IGO. Als Konsequenz handelte der Bürgermeister als falsus procurator iSv. § 179 BGB wenn ihm die materielle Zuständigkeit nach Art. 29, 37 GO fehlte. Folge ist somit, dass die getätigten Rechtsgeschäfte schwebend unwirksam sind, bis sie der Gemeinderat nachträglich per Beschluss genehmigt.
a.A. echte gesetzliche Vertretungsmacht :
Nach der Gegenansicht handelt es sich bei Art.38IGO um eine echte gesetzliche Vertretungsmacht. D.h. der erste Bürgermeister hat bei privatrechtlichen Geschäften im Außenverhältnis stets eine wirksame Vertretungsmacht unabhängig davon, ob er im Innenverhältnis im konkreten Fall vertretungsberechtigt ist. -> dafür: Rechtssicherheit und Schutz des Rechtsverkehrs der sich nicht mit den Innergemeindlichen Verhältnissen auseinandersetzen muss, sondern grundsätzlich auf die Vertretungsmacht des Bürgermeisters vertrauen kann. (Grenze der Vertretungsmacht findet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen in der Figur des Missbrauchs der Vertretungsmacht, d.h. bei kollusivem Zusammenwirken und bei Offensichtlichkeit (Evidenz) des Missbrauchs.
- > BGH und BAG haben sich kürzlich mit Blick auf den bayrischen Art. 38I GO nun der letztgenannten Auffassung angeschlossen. (wirkt sich auch auf Frage aus ob der erste Bürgermeister im Namen der Gemeinde auch ohne Ratsbeschluss rechtswirksam einen Rechtsbehelf (v.a. Klagen und Anträge nach §§80, 80a VwGO) einlegen kann.
- > bayrische Staatsregierung hat 2016 Gesetzesentwurf vorgelegt wonach Art. 38I GO um den Satz ergänzt werden soll, dass der Umfang der Vertretungsmacht auf die Befugnisse des Bürgermeisters beschränkt ist. -> Dadurch soll wieder die alte Rechtslage herbeigeführt werden.
- > Diese als Klarstellung betitelte Änderung ist jedoch in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht unproblematisch, da der Landesgesetzgeber nach Art. 74I Nr. 1 GG keine Regelungskompetenz für das Zivilrecht hat und somit an sich auch keine Befugnis eine inhaltliche Ausgestaltung der Vertretungsregelung der §§164ff BGB vorzunehmen.
Verstöße gegen Schriftformerfordernis gem. Art. 38II GO:
Auch die Folgen von Verstößen gegen das Schriftformerfordernis in Art. 38II GO sind mit Blick auf zivilrechtliche Verträge problematisch. Aufgrund der mangelnden Regelungskompetenz für das Zivilrecht, kann der Landesgesetzgeber kein zivilrechtlich wirksames Formerfordernisin der GO schaffen. Der Vertrag ist daher nicht nach §125S.1BGB nichtig. Allerdings betrachtet der BGH Bestimmungen wie die des Art. 38II 1GO als materielle Vorschriften über die Beschränkung der Vertretungsmacht, d.h. als Modifikation des Art.38IGO -> Fehlt die Schriftform, so wird man den Vertrag mangels wirksamer Vertretung richtigerweise gem. §177IBGB analog als schwebend unwirksam behandeln.
Laufende Angelegenheiten
Laufende Angelegenheiten sind solche Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen.
- > Die Zuständigkeit beurteilt sich damit danach ob es sich um eine häufig wiederkehrende Routineangelegenheit in der jeweiligen Gemeinde handelt. Abzustellen ist dabei auf die Größe, Struktur und Verwaltungskraft der jeweiligen Gemeinde.
z. B. der Ankauf von Bürobedarf; der Erlass von im Wesentlichen gleichlautenden Abgabebescheiden; die Führung von Passivprozessen (Gemeinde als Beklagte)
Keine laufenden Angelegenheiten sind personalrechtliche Entscheidungen; Verkauf und Ankauf von Grundstücken; Einzelentscheidung zur Zulassung einzelner Schausteller bei Volksfesten bei Kapazitätserschöpfung; Planungsentscheidungen der Gemeinde; Verfügung von Obdachloseneinweisungen sowie die Führung von Aktivprozessen (Gemeinde als Klägerin)
-> Der Gemeinderat kann für die laufenden Angelegenheiten des Art. 37I Nr.1 GO mit konstitutiver Wirkung Richtlinien aufstellen ->unterliegen der Prinzipalen Normenkontrolle § 47I Nr.2VwGO Art. 5 AGVwGO
Außenvertretungsmacht Art. 38
hM: bloßes Vertretungsrecht formaler Natur-> räumt keine Vertretungsmacht ein
-> sofern der Bürgermeister ein Geschäft tätigt welches in den Kompetenzbereich des Gemeinderats fällt (Art. 29GO) so handelt der Bürgermeister als Vertreter ohne Vertretungsmacht (falsus procurator)
-> Wirkung unterscheidet sich:
-öffentlich rechtliches Handeln (VA ist rechtswidrig und anfechtbar aber wirksam Art. 44 BayVwVfG-> Heilung ist durch einen (nachträglichen) Beschluss des Gemeinderrats möglich Art. 45I Nr.4 BayVwVfG -> Die Anwendung des Art. 46 BayVwVfG ist grds zu bejahen (es handelt sich in der angesprochenen Fallkonstellation um einen Verfahrensfehler, weil die notwendige Mitwirkung des Gemeinderats fehlt) (Anderes soll aber nach einer Entscheidung des BayVGH gelten sofern ein gesetzlich gar nicht vorgesehenes und damit für einen Beschluss unzulässiges Organ anstelle des Bürgermeisters gehandelt hat. Das Gericht hat die Entscheidung ganz allgemein damit begründet Verletzungen der in der GO festgelegten Kompetenzgrenzen fielen als beachtliche Zuständigkeitsfehler aus dem Anwendungsbereich des Art. 46 BayVwVfG heraus, Satzung/Verordnung nichtig, Verwaltungsrechtliche Verträge sind schwebend unwirksam (art. 59I BayVwVfG iVm § 177 BGB analog
-Bei Handeln in Form des Privatrechts:
Privatrechtliche Verträge sind nach §177BGB schwebend unwirksam. Sie können durch nachträgliche Beschlussfassung des Gemeinderats geheilt werden.
AUf einseitige privatrechtliche Rechtsgeschäfte findet §180 BGB Anwendung -> sie sind nichtig(Ausnahme § 180 S.2 BGB)
-Prozesserklärungen und sonstige öffentlich rechtliche Erklärungen mit (etwa die Erteilung des Einvernehmens nach §36 BauGB) oder ohne Hoheitsmacht (z.B. Anträge bei anderen Behörden) entfalten zunächst keine Wirksamkeit, ihre Fehler können aber nachträglich durch Gemeinderatsbeschluss geheilt werden-> Insbesondere für die Erhebung von Rechtsbehelfen ist wichtig, dass die Heilung auch nach Fristablauf erfolgen kann.
Funktionen und Zuständigkeiten
1. Funktionen im Zusammenhang mit dem Gemeinderat
- er erledigt die täglichen Geschäfte und vertritt die Gemeinde nach außen Art. 37 GO, 38 GO
- er steht an der Spitze der Verwaltung der Gemeinde und leitet diese
- er führt die Dienstaufsicht 37 IV
- er sorgt für ordnungsgemäßen Geschäftsgang im Gemeinderat, der als Kollektivorgan seiner Leitung bedarf und kontrolliert dessen Entscheidungen.
1.Funktionen im Zusammenhang mit dem Gemeinderat:
a) Leitungsfunktion
- > er führt Vorsitz im Gemeinderat Art. 36 1 GO (in der Regel auch Vorsitzender der Gemeinderatsausschüsse Art. 33IIGO
- > Ergänzt wird diese Leitungsfunktion durch Art. 46I1 GO (Leitung der Geschäfte, 46II GO Vorbereitung der Gemeinderratssitzungen, und 53I1 GO (Handhabung der Ordnung und Hausrecht) -> Nicht immer wird der erste Bürgermeister allein auf der Grundlage der GO tätig, vielmehr können allgemeine Ordnungsfragen und damit seine Leitungstätigkeit durch die Geschäftsordnung des Gemeinderrats konkretisiert werden.
b) Vollzugs- und Kontrollfunktion
Beschlüsse des Gemeinderrats haben keine unmittelbare Außenwirkung, sondern dienen der internen Willensbildung. Sie werden durch den ersten Bürgermeister vollzogen (Art. 36S.2GO).-> Grundsätzlich muss der Bürgermeister tätig werden und damit den Willen des Gemeinderrats außenwirksam umsetzen, etwa durch die Bekanntgabe von Verwaltungsakten oder die Ausfertigung von Satzungen. Er kann diesen Willen nicht durch seinen eigenen politischen Überzeugungen ersetzen. Da er aber eigenständiges Organ der Gemeinde und seinerseits an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20IIIGG), darf ihm nicht zugemutet werden auch rechtswidrige Beschlüsse zu vollziehen. -> Aus diesem Grunde räumt ihm Art. 59IIGO ein Beanstandungsrecht ein. -> besteht darin dass dem Gemeinderat mitgeteilt wird der Beschluss sei rechtswidrig; sie ist zu Verbinden mit der Aussetzung des Vollzugs. Verweigert der erste Bürgermeister auf diese Weise die Umsetzung des Gemeinderatsbeschluss bleiben 2 Möglichkeiten: 1. Entweder der Gemeinderrat fasst einen neuen Beschluss, womit er den Zustand der Rechtswidrigkeit beseitigt (=Abhilfe); 2. oder der Gemeinderrat ist mit der Beanstandung nicht einverstanden weil er seinen Beschluss für rechtmäßig hält. In diesem Fall ist eine Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde, an die der erste Bürgermeister vorzulegen hat, erforderlich.
-> Wird Rechtssaufsichtsbehörde eingeschaltet hat sie die Funktion einen bestehenden Streit zu schlichten. Dafür finden die weiteren Vorschriften über die Rechtsaufsicht keine Anwendung die Tätigkeit der Aufsichtsbehörde ist nicht gegenständlich beschränkt. Die Streitschlichtung kann sich auf das gesamte Handeln des Gemeinderrats und des Bürgermeisters insbesondere auch das privatrechtliche Beziehen. Weder die Beanstandung durch den ersten Bürgermeister noch die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde stelln Verwaltungsakte dar, da es an einer Regelungswirkung fehlt. Der Gemeinderrat kann seine Rechtsposition nicht unmittelbar im Wege der Leistungsklage durchsetzen, weil Art. 59II GO dem ersten Bürgermeister ein Recht auf Beanstandung einräumt.
-> Anders wenn der erste Bürgermeister Beschlüsse “kalt beanstandet, d.h. diese einfach liegen lässt, ohne sich ausdrücklich zu äußern und die Rechtsaufsichtsbehörde anzurufen. Zwar fehlt auch diesem Verhalten die Regelungswirkung, so dass es keinen VA darstellt jedoch besitzt der Gemeinderrat nach der in der GO vorgesehen Konzeption ein Recht darauf dass entweder seine Beschlüsse vollzogen werden oder die REchtsaufsichtsbehörde streitschlichteend tätig wird; dieses Recht lässt sich im Wege der Leistungsklage (als kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit) gegenüber dem ersten Bürgermeister durchsetzen.
Funktionen und Zuständigkeiten
2. Eigene Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters
a) Grundsatz
- > Art. 37I1 GO
- > kann durch Richtlininien Art. 37I2GO ausgestaltet werden. Diese Richtlinien können das Ermessen binden und insbesondere Wertgrenzen aufzeigen, etwa für Geschäfte der Bedarfsdeckung-> sie haben nur klarstellende, präzissierende Bedeutung. Da durch sie keine Zuständigkeitsverlagerung angeordnet werden darf, sind sie selbst an den in Art. 37I1 GO verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffen zu messen (und wären etwa auch bei Berücksichtigung eines Einschätzungsspielraum unwirksam wenn sie objektiv geringfügige Verpflichtungen z.B. solche in Höhe von weniger als 50 Euro als erheblich und damit in die Zuständigkeit des Gemeinderrats fallend einstufen würden). Bei den Richtlininien handelt es sich um Rechtsnormen-> § 47 VwGO überprüfbar
b) Übertragung weiterer Angelegenheiten
- > Echte Zuständigkeitsübertragung durch Regelung in der Geschäftsordnung von bestimmten, begrenzbaren Aufgaben (“weitere Angelegenheiten)
- > unliebsame Einzelentscheidungen können nicht zurückgeholt werden -> nur zurückholen der Kompetenz für die Zukunft ist möglich (Art. 37II2 GO)
c) Zuständigkeit anstelle des Gemeinderrats
-> 37 III1GO
Dringlichkeit oder Unaufschiebbarkeit liegt vor, wenn der an sich zur Beschlussfassung zuständige Gemeinderrat oder Ausschuss nicht mehr rechtzeitig einberufen werden kann, die Angelegenheit aber eine rasche Entscheidung erfordert, da sonst der Gemeinder oder Dritten ein Nachteil oder Schaden entstehen würde. Ob eine rechtzeitige Berufung möglich ist, richtet sich vorallem nach den einzuhaltenden Ladungsfristen (Minimum 3 Tage). Für die Beurteilung der Eilbedürftigkeit ist die objektive Lage zum Zeitpunkt der Entscheidung ausschlaggebend, nicht aber die Frage ob eine Dringlichkeit durch den ersten Bürgermeister schuldhaft verursacht wurde. -> Da der Gemeinderat bzw. Ausschuss seine Kompetenz nicht verloren hat, kann er die Entscheidung des ersten Bürgermeisters wie eine eigene korrigieren.
-> Wird der erste Bürgermeister tätig obwohl er aus Rechtsgründen nicht hätte handeln dürfen, leidet seine Handlung an einem Verfahrensfehler-> Fehlerfolge hängt von der Natur der jeweiligen Handlung ab.