Die Kommunalverfassungsstreitigkeit Flashcards
Begriff
ist eine Streitigkeit zwischen Organen oder Mitgliedern bzw. Gruppen innerhalb eines Organs einer kommunalen Körperschaft über die sich aus dem Kommunalverfassungsrecht ergebende Rechte und Pflichten.
Verwaltungsrechtsweg § 40IVwGO
- > die Bezeichnung Kommunalverfassungsstreitigkeit ist irreführend -> die Streitigkeit ist nichtverfassungsrechtlicher Art iSd §40I1 VwGO
- > nach älterer Rechtsprechung des BayVGH soll die Klage eines kommunalen Mandatsträgers gegen seine Fraktion wegen eines Ausschlusses aus dieser keine öffentlich rechtliche Streitigkeit darstellen, da es sich hierbei um eine fraktionsinterne Streitigkeit handele und Gemeinderatsfraktionen nicht rechtsfähige bürgerlich-rechtliche Vereine seien. -> Nach neuer REchtsprechung des VGH sind Fraktionen jedoch nicht lediglich private Zusammenschlüsse gleichgesinnter Mandatsträger sondernder organsierten Staatlichkeit zuzurechnende Teile der Vertretungskörperschaft. -> Daher Ausschluss aus Fraktion öffentlich rechtliche Streitigkeit +
Beteiligungs und Prozessfähigkeit des Klägers:
- kollegial besetztes Organ
- einzelner Organwalter
- kollegial besetztes Organ bzw. eine Gruppierung hiervon (z.B. Gemeinderat, Fraktion, Gruppe von Geminderatsmitgliedern)-> Beteiligungsfähig gem § 61Nr.2 VwGO; ordnungsgemäße Vertretung ergibt sich aus § 62 III VwGO
- einzelner Organwalter (z.B. erster Bürgermeister, einzelnes Gemeinderratsmitglied) -> str. teilweise wird §61Nr.1 angenommen; aA. wendet §61 Nr.2 analog an, da der Kläger hier nicht als Person in seiner natürlichen sondern als Organ in seiner organschaftlichen Rechtsstellung handele.
statthafte Klageart
- > in den meisten Fällen keine Anfechtungs/Verplichtungsklage da die streitgegenständlichen kommunalverfassungsrechtlichen Akte idR keine Verwaltungsakte iSd Art. 35S.1 BayVwVfG sind.-> es fehlt an der unmittelbaren Rechtswirkung nach außen. -> es handelt sich um im Gemeindeverfassungsrecht wurzelnde Organisationsakte. (Betroffen ist nicht das Gemeinderatsmitglied, der erste Bürgermeister etc. als natürliche Person, sondern das organschaftliche Mitgliedschaftsrecht.
- > Keine Verwaltungsakte sind daher z.B.:
- Entscheidung des ersten Bürgermeisters über die Aufnahme des von einem Gemeinderatsmitglied gestellten Antrags in die Tagesordnung
- Beanstandung und Aussetzung des Vollzugs eines Gemeinderatsbeschlusses durch den ersten Bürgermeister (Art. 59 II GO)
- Beschluss des Gemeinderats über Ausschluss eines Gemeinderatsmitgliedes wegen persönlicher Beteiligung nach Art. 49 GO
- Ausschluss eines Gemeinderatsmitgliedes von der Sitzung durch den ersten Bürgermeister mit Zustimmung des Gemeinderats nach Art. 53I3GO
- Beschluss des Gemeinderates über Bildung und Besetzung von Ausschüssen
Als Verwaltungsakte können dagegen - da Insoweit das Außenrechtsverhältnis betroffen ist - z.B. angesehen werden:
- Verhängung eines Ordnungsgeldes, z.B. nach Art. 20IV1/48II GO -> Sanktionscharakter, persönliches Vermögen
- Aberkennung des Amtes nach Art.48 III GO-> Sanktionscharakter, Status als gemeinderatsmitglied als solcher betroffen
- Aufforderung den Sitzungssaal als Zuhörer in öffentlicher Sitzung zu verlassen, nach Art. 53I2GO
- > soweit kein VA vorliegt, sind je nach Klagebegehren die allgemeine Lesitungsklage oder die Feststellungsklage nach §43 VwGO statthaft.
- > Im Falle der Erledigung (z.B. Ausschluss aus einer inzwischen abgelaufenen Gemeinderatssitzung, Aufnahme eines Antrages in die Tagesordnung einer inzwischen abgelaufenen Sitzung) ist Feststellungsklage (§ 43 VwGO) zu erheben bzw. von der allgemeinen Leistungsklage auf eine Feststellungsklage überzugehen. Ein in der Vergangenheit liegendes Rechtsverhältnis ist für die Feststellungsklage ausreichend.
- > Teilweise wird statt dessen eine analoge Anwendung der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113I4 VwGO angenommen (erscheint systemwidrig, da hier gerade keine VA bezogene Klage vorliegt
Klagebefugnis bei Leistungs und Feststellungsklage
- > § 42 II VwGO ist bei Leistungsklage und Feststellungsklage analog anzuwenden
- > Klagebefugnis kann sich insbesondere ergeben aus einer möglichen Verletzung organschaftlicher Mitwirkungsrechte.-> Diese sind in den Kommunalgesetzen zwar nicht ausdrücklich bzw. jedenfalls nicht abschließend geregelt. Wehrfähige Innenrechtspositionen sind solche die einem Organ oder Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesen sind, was durch Auslegung der jeweils einschlägigen innerorganisatorischen Norm zu ermitteln ist. -> Ganz allgemein wird beispielsweise aus der in Art. 48IGO enthaltene Verpflichtung, an Sitzungen und Abstimmungen teilzunehmen (gleichsam als logische Kehrseite) ein Recht des einzelnen Gemeinderatsmitgliedes abgeleitet, an der Ausübung seiner Pflicht nicht gehindert zu werden.
Ausprägungen des subjektiven Mitgliedsschaftrecht sind z.B.:
- Recht auf Ladung
- Teilnahmerecht an Sitzung, kein ungerechtfertigter Ausschluss
- Antragsrecht und (im Vorfeld dazu) Recht auf Aufnahme des gestellten Antrags in die Tagesordnung
- keine ungerechtfertigte Abberufung als Mitglied eines Gemeinderatsausschusses
- > Auch die mögliche Verletzung der Zuständigkeit eines Organs führt idR zu einer Klagebefugnis z.B. die Anmaßung einer in Wirklichkeit nicht gegeben Kompetenz nach Art. 37I Nr.1 /37III1 GO durch den ersten Bürgermeister. -> In diesem Fall kann aber nach h.M. nur der Gemeinderat als ganzes in seinen Rechten verletzt sein; das einzelne Mitglied soll dagegen nicht in seinen Mitgliedschaftsrechten betroffen sein.
- > Eine Klagebefugnis ergibt sich dagegen idR nicht aus einer möglichen Verletzung des Art. 5I1 GG. Ein Gemeinderatsmitglied, das sich im Rahmen der gemeindlichen Aufgabenerfüllung zu Wort meldet, nimmt nicht seine im Grundgesetzt verbürgten Freiheitsrechte ggü. dem Staat in Anspruch, sondern organschaftliche Befugnisse, die ihm als Teil eines Gemeindeorgans verliehen sind.
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis fehlt es wenn das Rechtsschutzbegehren einfacher bzw. effektiver auf anderem Wege als durch Klage vor dem Verwaltungsgericht erreicht werden kann.
Da kein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten besteht, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nicht schon aufgrund der Möglichkeit, die Rechtsaufsicht (Art.108 GG) einzuschalten.
Begründetheit
-> Passivlegitimation
Richtiger Beklagter ist nach ständiger Rechtssprechung des BayVGH die Gemeinde (bzw. der Landkreis, Bezirk) als Rechtsträger des handelnden bzw. unterlassenden Organs (§ 78 I Nr. 1 VwGO)
(Nach der h.M. außerhalb Bayerns ist dagegen das betreffende Organ selbst passiv-legitimiert.
Einstweiliger Rechtsschutz
-> Wenn in der Hauptsache Leistungs oder Feststellungsklage zu erhebn ist ist allein der Antrag nach §123 VwGO statthaft, nicht der nach §§ 123V, 80 VwGO.
Anspruch auf Anerkennung einer Fraktion im Gemeinderat
-> Anspruchsgrundlage: Recht auf freie Mandatsausübung -> lässt sich aus dem Demokratieprinzip iVm Art.30, 48I1, 51 GO ableiten. Es beeinhaltet Teilnahme, Beratungs und Stimmrecht im Gemeinderat. Die Fraktion ist als solche nicht in der GO aufgeführt, jedoch Parteien und Wählergruppen.
(In Art. 33 GO finden sich die Begriffe “ Parteien” und “Wählergruppen” nicht aber Fraktion -> Fraktionen sind freiwillige Zusammenschlüsse von Mandatsträgern in Beschlussorganen auf der Basis gemeinsamer politischer Anschauungen (vgl. §§46, 47 AbgG iVm§ 10I GOBT. -> Daraus folgt dass Fraktionen der Arbeitsteilung in Beschlussorganen dienen. Gemeinderatsmitglieder mit gleichen politischen Anschauungen (Indiz: gleiche Parteizugehörigkeit) können gemeinsam eine Fraktion bilden, müssen dies aber nicht tun.)
-> Zulässigkeit der Fraktionsbildung
Die grundsätzliche Fraktionsbildung ist in der bayrischen Rspr unstreitig allerdings erfolgt sie in der Praxis nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Gemeinderats (Art. 45 GO)
-> Ausschlussgründe
Recht auf freie Fraktionsbildung findet Grenze in der Funktionsfähigkeit des Gemeinderats, dessen Aufgabe gem. Art. 30II,IIIGO in der Entscheidung und Überwachung der gemeindlichen Tätigkeiten besteht.
Ein weiterer Ausschlussgrund des Rechts auf Fraktionsbildung ergibt sich mittelbar aus Art. 33I5 GO, der die Bildung von Ausschussgemeinschaften regelt. Abspaltungen die lediglich dazu dienen einer bestimmten Partei oder Wählergemeinschaft möglichst viele Ausschusssitze zu sichern, sind Rechtsmissbräuchlich. Die Rechtsmissbräuchlichkeit einer Fraktionsbildung ist jedenfalls dadurch indiziert, dass dem Fraktionswechsel keine Änderung der kommunalpolitischen Anschauung entspricht.
Anwendbarkeit von Grundrechten im Kommunalverfassungstreit
(z.B. kann sich ein Gemeinderatsmitglied in der Gemeinderatssitzung auf Art. 5 I berufen ?
grds. können sich nach der Abkehr der Lehre des besonderen Gewaltverhältnisses auch Staatsnahe Personen (Beamten auf Grundrechte berufen)
-> die entscheidende Differenzierung erfolgt in welcher Funktion die Person betroffen ist. Ist der Organwalter in Befugnissen beeiträchtigt die er in Ausübung seiner Eigenschaft als Organwalter innehat, (z.B. Rederecht (es handelt sich hier nicht um subjektive Rechte, sondern um persönliche Amtsbefugnisse) Teilnahmerecht an Sitzungen, Antragsrecht) ist er insoweit in seinem Statusverhältnis betroffen. (Hier ist der Sinn und Zweck des Rederechts zur körperschaftlichen Meinungsbildung beizutragen. Es dient ausschließlich der demokratischen Legitimation gemeindlicher Hoheitsbefugnis hingegen nicht der Selbstverwirklichung des Individuums als Person. Mithin bleibt dem Organwalter hier grds. ein Rückgriff auf Grundrechte (Meinungsfreiheit versagt).
Das Gemeinderatsmitglied befindet sich hier nicht in der Position des Individuums das dem Staat gegenüberstehe und ggü. Eingriffen in seine Freiheitsspähre mit Hilfe der Grundrechte verteidigen könne. Vielmehr sei das Mitglied als Teil des gewählten kommunalen Vertetungsorgans Gemeinderat selbst ein Teil des Staates, nämlich als Glied mittelbarer Staatsverwaltung
Wird jedoch die Organwalterstellung als solche beeinträchtigt muss ein Rückgriff auf Grundrechte möglich bleiben.
Z.B. das Recht zur Publikation geheimer Informationen. Diese unterliegt zwar uU spezifischen Sanktionen die ebenfalls nur Personen in amtlicher Eigenschaft treffen (z.B. Art. 20 II GO) Die entsprechenden Handlungen können aber von jedermann begangen werden, weshalb die Zuordnung einer Handlung zum Amtstatus die Betroffenheit der Person im Grundrechtsstatus in diesem Fall nicht ausschließt.
-> Bei Plaketten mit politischem Inhalt kann als Meinungsäußerung bei Gelegenheit aufgefasst werden. In diesem Fall wird die Äußerung nicht im Rahmen der mitgliedsschaftlichen Funktion getan sondern ist nicht anders zu beurteilen als etwa die Äußerung eines Zuhörers. Art. 5 +
Parallele zum Abgeordneten der sich in Ausübung seiner parlamentarischen Redefreiheit auf Art. 38 GG berufen kann nicht auf Art. 5.
Recht eines Gemeinderatsmitglieds auf Aufnahme eines Antrags in die schriftliche Tagesordnung des Gemeinderats
(NVwZ 1988, 83, beck-online)
a) Der erste Bürgermeister ist grundsätzlich verpflichtet, in die für Gemeinderatssitzungen von ihm aufzustellende schriftliche Tagesordnung auch Beratungsgegenstände, die sich aus Anträgen einzelner Gemeinderatsmitglieder ergeben, wenigstens stichwortartig aufzunehmen. Dieser objektiv-rechtlichen Verpflichtung steht grundsätzlich ein entsprechendes subjektives Recht des Ast. auf Aufnahme gegenüber; es ist Bestandteil des mitgliedschaftlichen Rechts zur Antragstellung, das nach bayerischem Gemeinderecht (auch) dem einzelnen Gemeinderatsmitglied zusteht.
Die Frage, welche Rechte das einzelne Gemeinderatsmitglied oder sonstige Gemeindeorgane bei der Aufstellung der Tagesordnung für eine Gemeinderatssitzung durch den ersten Bürgermeister haben, ist in der Gemeindeordnung nicht ausdrücklich geregelt. Sie läßt sich jedoch aus einer Gesamtschau der Vorschriften über die Sitzungen des Gemeinderats sowie aus allgemeinen kommunalrechtlichen Grundsätzen beantworten.
Art. 46 II 1 BayGO weist dem ersten Bürgermeister die Aufgabe zu, die Beratungsgegenstände vorzubereiten. Dies gilt unmittelbar für die Sitzungen des Gemeinderates und gem. Art. 55 II BayGO auch für beschließende Ausschüsse. Zur Sitzungsvorbereitung gehört nach allgemeiner Ansicht, daß eine schriftliche Tagesordnung zu erstellen ist (Hölzl-Hien, GO, Stand Dezember 1984, Art. 46 Anm. 3; Widtmann-Grasser, GO, Stand März 1986, § 46 Rdnr. 6; Masson-Samper, BayKommunalG, Stand April 1986, Art. 46 GO Rdnr. 6; zum früheren Recht: Helmreich-Rock, BayGO, 8. Aufl. (1931), Art. 17 Anm. 5; Laforet-v. Jan-Schattenfroh, BayGO, 1931, Art. 17 Anm. 9). Dies wird durch Art. 52 II 1 BayGO bestätigt, wonach grundsätzlich Zeitpunkt und Ort der Sitzungen des Gemeinderats unter Angabe der Tagesordnung spätestens am dritten Tag vor der Sitzung ortsüblich bekanntzumachen sind. Im konkreten Fall ergibt sich die Verpflichtung des ersten Bürgermeisters der Bekl. zur Erstellung der schriftlichen Tagesordnung zusätzlich aus den - gem. Art. 45 II BayGO zulässigen - Bestimmungen in § 21 I 1 der Geschäftsordnung für den Stadtrat der Bekl. Gegenteiliges läßt sich nicht aus einem Vergleich zwischen Art. 47 II und Art. 51 III BayGO entnehmen. Hieraus
ergibt sich lediglich, daß bei Wahlen im Gemeinderat die Ladung zwingend den Gegenstand anzugeben hat, während dies bei sonstigen Beschlüssen (Art. 51 I BayGO) der Regelung der Geschäftsordnung vorbehalten ist. In dem (Ausnahme-) Fall, daß eine Geschäftsordnung - anders als die der Bekl. - keine entsprechende Regelung enthält, wären die Gemeinderatsmitglieder über die öffentlich bekanntgemachte Tagesordnung in die Lage versetzt, sich über die zu beratenden Angelegenheiten zu unterrichten.
Mit dieser objektiv-rechtlich bestehenden Verpflichtung des ersten Bürgermeisters, für Gemeinderats- und Ausschußsitzungen eine schriftliche Tagesordnung zu erstellen, korrespondiert grundsätzlich ein subjektiv-öffentliches Recht des einzelnen Gemeinderatsmitglieds, daß der Beratungsgegenstand eines von ihm gestellten Antrags in die Tagesordnung aufgenommen wird. Dieser Anspruch ist - wie erwähnt - in der Gemeindeordnung nicht ausdrücklich enthalten. Ob die Geschäftsordnung ihn einräumen will, ist nicht entscheidend. Denn die Geschäftsordnung kann Mitgliedschaftsrechte eines Gemeinderats - im Unterschied zum Geschäftsgang (Art. 45 BayGO) - nur insoweit regeln, als dies in der Gemeindeordnung (vgl. Art. 32 III, Art. 33 I, Art. 37 II BayGO) ausdrücklich vorgesehen ist. Das hat der VGH bereits grundsätzlich ausgesprochen (VGH München, VGH n. F. 13, 24 = BayVBl 1960, 192; u. BayVBl 1980, 656 (657) sowie VGH n. F. 35, 22 (26)). Einen entsprechenden Vorbehalt, die Rechte eines Gemeinderatsmitglieds bei der Aufstellung der schriftlichen Tagesordnung durch die Geschäftsordnung zu regeln, enthält die Gemeindeordnung nicht. Eine in der Geschäftsordnung enthaltene Bestimmung, die sich mit dieser Frage befaßt, kann demnach nicht mit konstitutiver Wirkung ein subjektiv-öffentliches Recht des Gemeinderatsmitglieds begründen.
Der Anspruch des einzelnen Gemeinderatsmitglieds, die Aufnahme des Beratungsgegenstandes seines Antrags in die schriftliche Tagesordnung zu verlangen, ergibt sich jedoch als Folge und Bestandteil des mitgliedschaftlichen Rechts, dem Gemeinderat Anträge zur Beschlußfassung vorzulegen, das nach bayerischem Gemeinderecht (nicht auf Fraktionen oder auf eine Mehrzahl von Gemeinderatsmitgliedern beschränkt ist, sondern) jedem einzelnen Gemeinderatsmitglied zukommt. Von einem solchen Antragsrecht gehen vorliegend auch die Bet. übereinstimmend aus. Durch Antragstellung wird der Gemeinderat als Gremium in die Lage versetzt, über einen bestimmten Gegenstand zu entscheiden
und einen entsprechenden Beschluß zu fassen (Hölzl-Hien, GO, Art. 51 Anm. 1a). Das einzelne Gemeinderatsmitglied kann durch Stellung von Anträgen seine Vorstellungen äußern und damit eine Willensbildung des Gemeinderats herbeiführen. Sein Antragsrecht stellt sich somit als eines der bedeutendsten Mitwirkungsrechte des Gemeinderatsmitglieds dar (Hölzl-Hien, Art. 45 Anm. 2). Ohne diese Befugnis wäre das Gemeinderatsmitglied gleichsam auf die Antragstellung durch den ersten Bürgermeister als Vorsitzenden des Gemeinderats (Art. 36 S. 1 BayGO) oder von Ausschüssen (Art. 33 II BayGO) angewiesen; das Mitgliedschaftsrecht wäre weitgehend ausgehöhlt. Dies wäre mit dem Grundgedanken der Gemeindeordnung, die kommunale Selbstverwaltung als Teil des demokratischen
Staatsaufbaus (Art. 11 IV BayVerf., Art. 1 BayGO) zu gewährleisten, schwerlich vereinbar. Auch ohne ausdrückliche Erwähnung des Antragsrechts in der Gemeindeordnung ist dieses nach alledem anzuerkennen (vgl. auch VGH München, BayVBl 1980, 657; Reigl, Geschäftsordnung der Gemeinden, 18. Aufl. (1984), Anm. 57).
Das Recht, die Aufnahme eines Antragsgegenstandes in die schriftliche Tagesordnung zu verlangen, liegt im Vorfeld des Antragsrechts und sichert dieses ab. Ohne diese verfahrensrechtliche Absicherung könnte das Antragsrecht nicht stets wirksam genug ausgeübt werden. Dafür spricht schon folgende Überlegung: Gem. Art. 47 II BayGO ist Beschlußunfähigkeit des Gemeinderats anzunehmen, wenn es an einer ordnungsgemäßen Ladung fehlt. Ist die Übersendung einer Tagesordnung mit der Ladung vorgeschrieben, führt die Nichtbeachtung dieses Formerfordernisses zur Fehlerhaftigkeit der Ladung (Hölzl-Hien, Art. 47 Anm. 2b). Die Folge könnte sein, daß der Gemeinderat Angelegenheiten, die nicht in der Tagesordnung bezeichnet sind, grundsätzlich nicht wirksam beschlußmäßig behandeln kann, wenn nicht nach Maßgabe der Geschäftsordnung etwa ein dringender Antrag noch während der Sitzung gestellt werden kann. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn sämtliche Gemeinderatsmitglieder erscheinen und sich rügelos auf die Beratung einlassen (VGH München v. 5. 12. 1957 - Nr. 85 IV 55 in VGH n. F. 11, 10 insoweit nicht abgedr.; Hölzl-Hien, Art. 47 Anm. 3; Widtmann-Grasser, Art. 47 Rdnr. 4; Masson-Samper, Art. 47 Rdnr. 4; Prandl-Zimmermann, GemeindeR in Bayern, Stand 15. 4. 1982, Art. 47 Anm. 4). Die Gefahr, daß hiernach Anträge nicht rechtswirksam behandelt werden können, ist geringer, wenn das antragstellende Gemeinderatsmitglied ein subjektives Recht auf Aufnahme des Beratungsgegenstands in die schriftliche Tagesordnung geltend machen kann.
Ein solches Recht wird durch Sinn und Zweck der Regelung, eine Gemeinderatssitzung durch Aufstellung einer schriftlichen Tagesordnung vorzubereiten, bestätigt. Dieser besteht darin, daß den Gemeinderäten durch die vorab erfolgte Information über die in der nächsten Sitzung zu behandelnden Punkte die Möglichkeit gegeben wird, sich hierauf vorzubereiten (VGH München, NVwZ 1985, 284 = BayVBl 1985, 88 (89)). Auf diese Weise ist eine ordnungsgemäße und sachgerechte Beratung der einzelnen Beratungsgegenstände zu erwarten. Dies liegt nicht nur im öffentlichen Interesse an einer wirkungsvollen Gemeinderatsarbeit, sondern auch im subjektiven Interesse des einzelnen Gemeinderatsmitglieds, dessen antragsmäßig vorgetragenes Anliegen behandelt wird.
(NVwZ 1988, 83, beck-online)