Psychosomatik Flashcards
Psychosomatik, was ist das?
• Soma: Körper
• Psyche: Atem, Hauch, Seele
• Lehre der körperlich-seelischen-sozialen und biopsychosozialen
Wechselwirkung
• Teilgebiet der Medizin
• Bei ca. 20% der Patienten, die einen
(Fach-) Arzt aufsuchen werden keine körperlichen Ursachen gefunden.
• Psychisch beeinflusste organische Erkrankungen mit Symptombeschreibung als organisches Korrelat, eine klare organische Ursache der Symptome kann nicht ermittelt werden bzw. der Organbefund das Gesamtbild der Krankheit nicht hinlänglich erklärt
• Somatoforme Störung
• Oft dauert es mehr als sieben Jahre,
bis ein Patient in einer Psychosoma- tischen Klinik therapiert wird.
Und was ist somatopsychisch?
• Psychische Erkrankungen, die sich sekundär auf Basis einer organischen Erkrankung entwickeln
• Störung der Krankheitsverarbeitung
• z.B. Depression aufgrund einer unheilbaren Erkrankung, wie Krebs,
AIDS
Dr. Melenkeit-Jaap
ca. 20-40% der Patienten mit Tumorerkrankungen,
15-30% mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und
30-50% mit Muskelskeletterkrankungen entwickeln im Verlauf psychische Störungen
Somatogen - psychogen
• bezeichnet den Ursachenbereich der Erkrankung, Symptomatik oder Störung
Somatisch - psychisch
• der Ort der Erkrankung wird erfasst, wo hat sich die Krankheit ausgebildet
Verschiedene Modelle, Beispiele 1:
• Frage nach dem Ursprung (Henne – Ei)
• Freud: Phasenmodell der psychosexuellen Entwicklung und
Konversionsmodell
• Symptombildung ist nach Freud Lösungsversuch eines
(unbewussten) Konflikts mit der Ausbildung von Konversionssymptomen
Verschiedene Modelle, Beispiel 2:
- Zubin und Spring: Vulnerabilitäts- Stress-Modell
- Empfänglichkeit des Patienten für Stress = Vulnerabilität
- Persönliche Ressourcen beeinflussen die Vulnerabilität
- Individuelle Belastungsschwelle kann durch Stress überschritten werden -> Ausbildung von körperlichen Symptomen
Verschiedene Modelle, Beispiele 3:
- Sharpe und Bass: soziale Stressfaktoren bewirken bestimmte Physiologische Zustände (Muskelver- spannung, Hyperventilation, etc.)
- Daraus resultieren körperliche Empfin- dungen, die als gefährliche Krankheits- symptome interpretiert werden.
- Daraus resultierende Angst führt zur Befindlichkeitsverschlechterung
Sozialer Stressfaktor (zb. Todesfall, chronische Erkrankung, Konflikte mit dem Partner) \+ psychische Faktoren (zb. Angst, emotionale Labilität, negatives Selbstbild)
- > physiologischerZustand(z.B. Hyperventilation, Muskelverspannung)
- > körperlicheEmpfindung,dieals gefährliches Krankheitssymptom interpretiert wird
- > psychischeBelastung(z.B.Angst)=> Verschlechterung der physiologischen Symptome
Psychosomatische Störungen
• Ca. 13 – 18% der Allgemeinbevölkerung
• ICD-10 definiert Erkrankung anhand der aktuellen Symptomatik und
Diagnose, nicht dem Krankheitsstatus
• Begriff Psychosomatik wird nicht abgebildet
• Im ICD-10-Gruppe F45 werden Somatische Belastungsstörung und
verwandte Störungen eingeordnet und in F54 die Psychosomatosen
• DSM 5 berücksichtigt im Gegensatz zur ICD 10 auch
geschlechtsspezifische Unterschiede und geht genauer auf kulturelle Besonderheiten ein
Klassifizierung nach ICD 10:
F40-F48: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
F50-F59: Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
Übersicht über die Klassifikation der somatoformen Störungen im ICD 10:
F45.0 Somatisierungsstörung F45.1 Undifferenzierte Somatisierungsstörung F45.2 Hypochondrische Störung F45.3 Somatoforme autonome Funktionsstörung F45.4 Anhaltende somatoforme Schmerzstörung F45.8 Sonstige somatoforme Störungen F45.9 Somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet
F 45 Somatoforme Störung
Darstellung des Verstärkungskreislaufes bei somatoformen Störungen:
• Über eine Fehlinterpretation von
körperlichen Symptomen kommt es zu einer Verstärkung der Symptomatik mit
• folgender Verschlechterung und eventueller Chronifizierung der Erkrankung.
• Durch die dauerhafte Beschäftigung mit der Erkrankung kommt es zu einer Beeinträchtigung auch im sozialen Bereich.
F 45.0 Somatisierungsstörung
- Definition: sechs oder mehr Symptome aus einer Liste von 14 Beschwerden aus mindestens zwei Organsystemen
- Über mindestens 2 Jahre anhaltend ohne ausreichende somatische Erklärung
- Weigerung des Patienten die Symptome als nicht somatisch anzuerkennen
- Familiäre und soziale Funktionen werden durch das Verhalten und die Symptome beeinträchtigt
- Ausschlussvorbehalt, dass die Störung nicht ausschließlich auftritt bei affektiver oder Panikstörung bzw. Schizophrenie
- Beispiele der Symptome: Magen-Darm- Beschwerden, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Herzrasen,…..
F 45.2 Hypochondrische Störung
• Mindestens 6 Monate beharrliche Beschäftigung
mit der Möglichkeit an einer oder mehreren fortschrei- tenden körperlichen Krankheiten zu leiden
• Eigentlich normale Symptome werden vom Patienten als abnorm interpretiert
• Sorge verursacht andauerndes Leid oder eine Störung des alltäglichen Lebens und veranlasst den Patienten, um medizinische Behandlungen oder Untersuchungen nachzusuchen
• Medizinische Feststellung, dass keine körperlichen Ursachen für die Symptome vorliegen werden nicht akzeptiert
• Ausschlusskriterium wie bei der Somatisierungsstörung
F 45.3 Somatoforme autonome Störung
• Symptome vegetativer Innervation (z.B. Herzklopfen, Hyperventilation,…)
• Vegetative Symptome werden als Erkrankung gedeutet
• hoher Leidensdruck
• Eines oder mehr der folgenden Symptome
– Brustschmerzen/Druckgefühl in der Herzgegend
– Dyspnoe oder Hyperventilation
– Außergewöhnliche Ermüdbarkeit bei leichter Anstrengung
– Aerophagie, Singultus oder brennendes Gefühl im Brustkorb oder im Epigastrium
– Bericht über häufigen Stuhlgang
– Erhöhte Miktionsfrequenz oder Dysurie
– Gefühl der Überblähung oder Völlegefühl
– Schweißausbruch
– Mundtrockenheit ………
• Zwei oder mehr der folgenden vegetativen Symptome:
- Schweißausbrüche
- Palpitationen
- Mundtrockenheit
- Hitzewallungen oder auch
- Drückgefühl im Oberbauch
• Auch hier gilt ein Ausschlusskriterium, dass die Symptome nicht ausschließlich mit einer phobischen Störung oder einer Panikstörung auftreten.
F 45.4 anhaltende somatoforme Schmerzstörung
• Schmerz steht als Symptom im Vordergrund
• Andauern bzw. als quälend empfunden, über mind. 6 Monate
• kann durch eine körperliche Ursache nicht vollständig erklärt werden
• Steht oft in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder Belastungen
• Häufige Symptome: Rückenschmerzen, Bauchschmerzen, Muskel- oder
Gelenkschmerzen
• Erkrankungsbeginn vor dem 35. LJ
• Ausschlusskriterium: nicht während einer
Schizophrenie oder affektiven Störung
Darüber hinaus nach ICD klassifizierte psychogene Erkrankungen, die sich somatisch äußern können:
- Affektive Störungen (z.B. Depression)
- Belastungsstörungen sowie neurotische und somatoforme Störungen
- Angststörungen und Phobien
- Zwangsstörungen
- Dissoziative Störungen
- Belastungsstörungen (z.B. PTBS)
- Andere neurotische Störungen (z.B. chronische Müdigkeit)
- Essstörungen
- Persönlichkeitsstörungen
F 32 Depressive Störung:
- Allg. Symptome: Schlafstörung, verminderter Appetit, Magen- Darm- Beschwerden, Kopfschmerz, Störung des Herz-Kreislauf-Systems (Tachykardie, Arrhythmie,..)
- Neurologische Symptome (Schwindel, Sehstörungen..)
- Schmerzsymptome (Muskelverspannung, neuralgiforme Schmerzen)
- Menstruationsverlust
- Demenzielles Symptom
F 41 Angststörung :
• Realangst-pathologische Angst- Angststörung
• Gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen, ca.15% Lebenszeitprävalenz
• Ursächlich Dysregulation des limbischen Systems und Neurotransmitter
• Therapie aus pharmakologischer und nichtpharmakologischer Therapie
• Mögliche Symptome: Hyperventilation, Herzrasen, Muskelspannung,
Oberbauchbeschwerden oder Schwindel
F 43 Belastungs- und Anpassungsstörung
• Z.B. nach einem Trauma,
• Akut und posttraumatisch (PTBS)
• Z.B. Schlafstörungen, Tachykardien,
Magen-Darm-Beschwerden, Schwitzen…
F 44 dissoziative Störung/Konversionsstörung:
• Störung des Bewusstseins, der Wahrnehmung oder Motorik (Arc de cercle)
• Stehen oft in Verbindung mit traumatisierenden Ereignissen oder gestörten
Beziehungen, Abspaltung traumatischer Erlebnisse => symbolhafte
Somatisierung
• Konversionsstörungssymptome vielfältig, z.B. Lähmung, Dysphonie, auch
Blind- oder Taubheit
Exkurs Hysterie:
- Wurde für Symptome in der Antike durch wandernde Gebärmutter benannt, die umherwandert
- Erst 1682 durch T. Sydenham widersprochen, insbesondere dadurch, dass nicht nur Frauen betroffen sind
- Gehstörung, Bewegungssturm, Lähmungen, Gefühlsstörung, Ausfall der Sinnesorgane wie z. B. Blindheit oder Taubheit
Nach ICD-10 klassifizierte somatische Störungen, die eine deutliche psychische Komponente haben und u.a. psychosomatisch behandelt werden (sog. somatoforme Beschwerden)
- K 58 Reizdarmsyndrom
- M 79.7 Fibromyalgie (chronisches Schmerzsyndrom, insbesondere im Bereich von Muskeln und Gelenken)
- H 93.1 Tinnitus (Ohrgeräusch)
- M 54 Rückenschmerzen
Psychosomatik in unterschiedlichen medizinischen Fachbereichen (Differentialdiagnosen):
- Augenheilkunde
- Endokrinologie
- Frauenheilkunde
- Hals- Nasen-Ohrenheilkunde, Atmungsorgan
- Haut
- Herz- Kreislauf
- Kinderheilkunde
- Magen-Darm
- Muskel-Skelett-Apparat
- Niere und Blase …….
Endokrinologie (Beispiele, auch andere Fachbereiche können betroffen sein):
Symptom: Müdigkeit, Antriebslosigkeit
somatogen: Schilddrüsenunterfunktion, Hypophysenunterfunktion
psychogen: Depressive Störung
Symptom: Gedächtnisstörungen
somatogen: Z.n. Schädelhirntrauma
psychogen: Depressive Störung, Belastungsstörung
Symptom: Schlafstörung
somatogen: Schilddrüsenüberfunktion
psychogen: Depressive Störung, Belastungsstörung
Frauenheilkunde (Beispiele, auch andere Fachbereiche können betroffen sein):
Symptom: Sexuelle Funktionsstörung
somatogen: Hormone, Medikamente (z.B. SSRI, Östrogentherapie), Entzündungen
psychogen: Depression, Angst
Symptom: Dysmenorrhoe (Menstruationsbeschwerden)
somatogen: Endometriose, Myom, Entzündungen, Zysten, „Spirale“
psychogen: Konflikte, Rollenidentifikation
Symptom: Amenorrhoe (Ausbleiben der Menstruation)
somatogen: Schwangerschaft, Hormone
psychogen: Essstörung (Anorexie oder auch starkes Übergewicht), Stress
HNO- und Atmungsorgan (Beispiele):
Symptom: Tinnitus (Ohrgeräusch)
somatogen: Mittelohrtumor, Gaumensegelnystagmus, Blutstromveränd. in Halsvenen
psychogen: Depression, Stress
Symptom: Kloßgefühl im Hals/Schluckbeschwerden
somatogen: Struma, Reflux, Motilitätsstörung
psychogen: Angststörung
Symptom: Schwindel (hier auch Überschneidungen mit anderen Fachgebieten)
somatogen: Lagerungsschwindel, Migräne, Vestibularisausfall, M. Menière
psychogen: Depressive Störung, Angststörung
Symptom: Atemnot
somatogen: Herzinsuffizienz, Asthma, Infektionen, Lungenembolie
psychogen: Angststörung
Haut (Beispiele, auch andere Fachbereiche können betroffen sein):
Symptom: Juckreiz
somatogen: Histaminausschüttung (z.B. bei Allergien), Infektionen (z.B. Skabies oder Pilze)
psychogen: Phobien, Depressive Erkrankungen, Belastungsstörung
Symptom: Kribbelparästhesien
somatogen: Durchblutungsstörung, Polyneuropathie, Medikamente, Bandscheibenvorfall,
psychogen: Angst- und Panikattacken
Symptom: Ekzeme
somatogen: Irritativ z.B. durch Gefshrstoffe, Infektionen
psychogen: Stress
Herz-Kreislauf (Beispiele, auch andere Fachbereiche können betroffen sein):
Symptom: Hypotonie
somatogen: Hypovolämie, Anaphylaxie
psychogen: Phobie, Depressive Störung
Symptom: Herzrhythmusstörung
somatogen: WPW-Syndrom, AV-Block, Vorhofflimmern, -flattern, Extrasystolen, SD-Erkrankungen
psychogen: Angststörung, Belastungsstörung
Symptom: Angina pectoris
somatogen: KHK, Myokardinfarkt, Prinzmetallangina
psychogen: Stress, Angststörung
Magen-Darm (Beispiele, auch andere Fachbereiche können betroffen sein):
Symptom: Übelkeit/Erbrechen
somatogen: Infektion, toxisch, hormonell
psychogen: Angststörung, Essstörung
Symptom: Magenschmerzen
somatogen: Ulcus ventriculi,
psychogen: Stress
Symptom: Meteorismus (Blähungen)
somatogen: Störung der Darmflora
psychogen: Panikstörung
Symptom: Durchfall und Verstopfung
somatogen: Colitis ulcerosa, Infektionen
psychogen: Stress, Angststörung, depressive Störung
Muskel-Skelett-Apparat (Beispiele, auch andere Fachbereiche können betroffen sein):
Symptom: Bewegungsschmerz
somatogen: Verstauchung, Prellung, Entzündung, Rheuma
psychogen: Depressive Störung, Angststörung
Symptom: Muskelkrämpfe
somatogen: Mineralstoffmangel, Nervenschädigung, Durchblutungsstörung
psychogen: Konversionsstörung
Symptom: Lähmungen
somatogen: Muskelverletzungen, Nervenverletzungen
psychogen: Konversionsstörung
Diagnostik
• Anamnese sehr wichtig!
• Medizinische Diagnostik je nach Befund
• Verhaltenstherapeutische Diagnostik durch Gespräch, Beobachtung, Tests
• Biofeedback
• Standardisierte Psychologische Testverfahren (z.B. Trait Anxiety Index
STAI), Fremdbeurteilung z.B. Mini-Mental State Examination
• Selbstbeurteilung (Beck Depression Inventar-II, Pain Disability Index,
Fragebogen zum Gesundheitszustand SF-36)
Merke: Eine Psychosomatische Diagnostik ist immer mehrstufig und beinhaltet neben dem Ausschluss organischer Ursachen, einer ausführlichen Eigen- und Fremdanamnese auch den Einsatz standardisierter Testverfahren.
Beispiel einer ausführlichen psychosomatischen Anamnese nach Engel/Morgan (1962):
- Vorstellen, Begrüßen: Erster Eindruck
- Frage nach dem aktuellen Befinden
- Alle Beschwerden werden durch den Patienten beschrieben
- Aktuelle Beschwerden werden einzeln durchgegangen hinsichtlich: zeitlicher Ablauf, Qualität, Intensität, Lokalisation und Ausstrahlung, Begleitzeichen, intensivierende/ lindernde Faktoren/ Umstände
- Frühere Beschwerden werden erfragt
- Aktuelle Lebensumstände sowie die frühere Entwicklung werden durchleuchtet
- Systematische Erfragung der Beschwerden nach Körperregion
- Frage an den Patienten, ob die Anamnese vollständig ist, Planung der
Untersuchungen, erste therapeutische Schritte
Wichtig: Offene „W-Fragen“ stellen!
Für Psychologische Psychotherapeuten
- Konsiliarbericht eines Mediziners vor Beginn einer Therapie, die von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen übernommen werden
- dient der gründlichen körperlichen Untersuchung vor Beginn um möglich körperliche Ursachen auszuschließen
Biofeedback (auch therapeutisch nutzbar):
• Messung biologischer Daten, die der Patient normalerweise nicht wahrnimmt- Reaktionen des Körpers werden bewusst
• Die Rückmeldung soll die willkürliche Kontrolle der Körperfunktionen erleichtern
Z.B.: Hautleitwert, Temperatur, Muskelspannung, Herzvariabilität, Atmung
Therapie:
• Tiefenpsychologische Therapie • Analytische Psychotherapie • Verhaltenstherapie • Entspannungsverfahren • Systemische Therapie • Interpersonelle Psychotherapie • Gesprächspsychotherapie • Körperpsychotherapie • Sport • Autogenes Training Durchführung in ambulanter oder stationärer Behandlung