Opiat-/Heroinabhängigkeit Flashcards
ICD-10 (F11.2): Psychische- und Verhaltensstörung durch psychotrope Substanzen
Opiatabhängigkeit als psychische Störung gezeichnet durch:
— Unwiderstehliches Verlangen nach Suchtmittelkonsum bzw. Suchtmittelwirkung
— Fortsetzung des Suchtmittelkonsums trotz negativer Konsequenzen
— Schwierigkeiten, Konsum zu kontrollieren (bzgl. Zeitpunkt, Menge usw.)
— Vernachlässigung anderer Verpflichtungen, Vergnügen und Interessen
— Auftreten von Entzugsbeschwerden bei Beendigung des Konsums
— Toleranzentwicklung
Was sind Opiate?
> = psychoaktive Substanzen, die aus dem Milchsaft der unreifen Schlafmohnkapsel (Papaver somniferum) gewonnen werden
Opiate: Opium, Morphin, Codein, Noscapin, Papaverin, Thebain
≠ Opioide: Methadon, Tilidin, Fentanyl
- Vollsynthetisch hergestellt. Versuch:Produkt mit analgetischer Wirkung aber ohne Suchterzeugung
Was ist Heroin?
> = Halbsynthetisches Opioid, erstmals 1847
Bindet kaum an den Opioidrezeptoren und wirkt eigentlich nur über seine Abbauprodukte
Im Gegensatz zu Morphin gut lipidlöslich, und passiert die Blut-Hirn- Schranke deshalb rasch
Heroin wirkt sechs bis zehnmal stärker als Morphin (Gölz, 1995)
Heroinbedarf: aufgrund der geringen Halbwertszeit drei bis vier Substanzaufnahmen pro Tag (Löhrer, 1998)
Wird in CH vor allem gespritzt: auf einem Löffel mit Zitronensäure oder Vitamin C und Wasser erhitzt.
Aber auch inhaliert (auf Folie verdampfen lassen), geschnupft oder selten mit Tabak geraucht.
Wirkungsweise des Heroins
> Dockt an Opiatrezeptoren im ZNS an, die normalerweise von Endorphinen besetzt werden
Prozess in der Zelle wird in Gang gesetzt, welche Neurone hemmt und vermehrt Opiat-Rezeptoren bildet
Aktivierung dieser Rezeptoren mindert das Schmerzempfinden. Heroin als eines der wirksamsten Schmerzmittel.
Hohe Dichte an Opiatrezeptoren im Limbischen System –> Abhängigkeitsentwicklung
Aktivierung des dopaminergen Belohnungs- und Motivationssystem
Akute Wirkung: Psychisch und physisch
Psychisch
> Sedierung: Dämpft die geistige Aktivität und beseitigt unangenehme Empfindungen wie Angst, Unlust und Gefühle der Leere
> Entspannung: Ausblenden von Problemen/Konflikten
> Euphorie
> Vollkommenes Glücksgefühl und Zufriedenheit
> Reizabschirmung
> Passivität - Apathie
Physisch
> Analgetikum (Schmerzlinderung)
> Antitussiv (hustenstillend)
> Kurzzeitiger aber intensiver ‘‘Flash‘‘ (v.a. beim Spritzen)
Risiken des Konsums
> Vital bedrohliche Intoxikation (Scherbaum, 2011) — Atemdepressorische Wirkung — Verlängerung der QTc-Zeit im EKG — Beikonsum anderer Substanzen — Längere Abstinenzen
> Bei i.v.-Gebrauchern (Wessel, Martino-McAllister, & Gallon, 2009)
— Unter dem Einfluss der Drogen werden Entscheidungsprozesse schlechter (ungeschützter sexueller Verkehr, gebrauchte Nadeln benutzen)
— HIV/AIDS, Hepatitis B und C
— Kollabierte Venen, Blutbahn-Infektionen
> Langzeitfolgen
— Körperliche und psychische Abhängigkeit
— Veneninfektionen, Lebererkrankungen, Abszesse, Lungenkomplikationen
— Bei einer Schwangerschaft: geringes Geburtsgewicht, Reizbarkeit, Frühgeburt, Entzugserscheinungen bei der Geburt
— Kriminalität
— höhere Sterblichkeitsrate (Gründe: Überdosis, Trauma- und Suizidbedingte Todesfälle, krankheitsspezifische Mortalität; Degenhardt et al., 2011) –> SMR von 14.66
Ätiologie
> Genetik
— Wird bei Opiatabhängigen als wichtiger Faktor angesehen — substanzspezifisch vs. substanzunspezifisch
— –> Genetik der Opiatabhängigkeit bisher nicht aufgeklärt!
> Komorbidität
— Affektive Störungen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen,
komorbide substanzbezogene Störungen
— Traumata, sexueller Missbrauch –> PTBS
— Opiatkonsum als Versuch der Selbstbehandlung?
> Psychosoziale Faktoren
— Früher Verlust eines Elternteils, Armut, Drogenkonsum der
Eltern etc.
— Oftmals mehrere Faktoren gleichzeitig
> Unterhaltende Faktoren — Veränderung der biologischen Systeme — Auftreten von Entzugserscheinungen — Psychosoziale Faktoren — --> sich selbst unterhaltende Erkrankung
Epidemiologie: geschichtlich
> Schmerzbehandlung von Soldaten im Deutsch- Französischen Krieg (1870/71)
Abhängige neben Soldaten v.a. Medizinalpersonen
Seit 1960er-Jahren Opiatabhängigkeit epidemisch
— Isolierung des Morphins/Synthese von Heroinàindustrielle Produktion
— Erfindung der Injektionsspritze
— Globalisierte Wirtschaft, internationale kriminelle Organisationen
Platzspitz Zürich 1986-1992 (NZZ, 2017)
— Täglich bis zu 3000 Fixer
— Im Jahre 1992 gab es 419 Drogentote, fast alle in Zürich — Der Grammpreis fiel im Vorjahr von 600 auf 100 Fr.
Epidemiologie: allgemein
> Erstkonsum im späten Jugend-/frühen Erwachsenenalter
„Heroinkarriere“: Früher Konsum von Tabak, danach Alkohol, Cannabis und Psychostimulanzien, schliesslich Konsum von Heroin
Mehr Männer als Frauen
Häufigste Einnahmeform in DE: i.v. Applikation
Jahresprävalenz für Personen zwischen 15-64 Jahren zwischen weniger als eine Person pro 1000 Einwohner (Türkei) bis zu sieben (Irland)
Entzug
> Symptome des Opiatentszugsyndroms (bei Heroin 4-7 Tage, bei Methadon 10-21 Tage)
— noradrenerge Überaktivitaẗ des Locus coeruleus bei Beendigung der Opiateinnahme –> Zeichen sympathischer Aktivierung
— Schlafstörungen können auch noch Monate andauern (evtl. durch anhaltende Überaktivität der HPA-Achse)
Entzugssymptome
Augentränen, Laufende nase, Kältegefühl, Herzrasen, innere Unruhe, Schmerzen, Knoche-/Muskelschmerz, Übelkeit/Erbrechen, geweitete Pupillen, Gänsehaut, Gähnen, erhöhter Blutdruck, Schlafstörung, Muskelkrämpfe, Bauchkrämpfe, Durchfall
Entzug
> Entzugsbehandlung meistens stationär
— Medikamentöse Linderung von Entzugsbeschwerden (bspw.
Medizinisches Opioid, sedierende Antidepressiva etc.)
— Diagnose/Therapie von komorbiden psychischen/somatischen Erkrankungen