Einführung/Störungen durch psychotrope Substanzen Flashcards
HeGeBe in der Schweiz
- Pilotstudie PROVE (1994-1996): 800 Plätze für HeGeBe
- 2001: Registrierung Heroin als Medikament
- 2002: HeGeBe muss von Krankenversicherung übernommen werden
- 2008: Revision des BetmG
2009: Etablierung als Therapieform und Verankerung im BetmG - 8% der Abhängigen erhalten eine situationsgestützte Behandlung mit Diacetylmorphin
- 2016 wurden 1’600 Abhängige in 21 ambulanten Fachzentren und 1 SVA behandelt
Aufnahmekriterien HeGeBe
- Mindestalter 18 Jahre
- schwere Heroinabhängigkeit seit mind. 2 Jahren
- Mind. 2 erfolglose Behandlungsversuche (unbefriedigte Ergebnisse oder abgebrochen)
- Physische, psychische oder soziale Auswirkungen, die auf den Drogenkonsum zurückzuführen sind
Ziele der HeGeBe
- Dauerhafte therapeutische Einbindung
- Verbesserung des physischen und psychischen Gesundheitszustandes und der sozialen Integration der Betroffenen
- Herbeiführung eines risikoarmen Konsums und Schaffund von Bedingungen für eine dauerhafte Abstinenz
Distanzierung der Betroffenen von der Drogenszene und Verhinderung der Beschaffungskriminalität
Definition Psychotrope Substanzen
Psychotrope Substanzen = Stoffe (Medikamente, illegale/legale Drogen), welche zentralnervös auf den Organismus wirken und die Wahrnehmung, das Denken, Handeln und Fühlen beeinflussen
Effekte von Substanzen
Heroin etwa gleich psychotogen wie Amphetamine, weniger psychotogen als LSD, Ecstasy, Cannabis, Cocain. Nur Benzos sind dämpfender
Abhängigkeitspotenzial von Opioiden
Psychische Abhängigkeit, körperliche Abhängigkeit, Toleranzentwicklung, starke körperliche Entzugserscheinungen, sofortiger Entzug
Schadenspotential
Harm to others: nur Alkohol grösser
Harm to self: ähnlich wie Metamphetamine, nur Crack grösser
Drug-specific mortality und drug-related mortality, dependence, crime sehr hoch
Wirkung von Substanzen abhängig von…
- Art der Einnahme (oral langsamer als intravenös)
- Leichtigkeit, mit der sie das Gehirn erreichen (Hürden: Schleimhäute des Mundes/Magens/Darms; Lungenkapillaren; Blut-Hirn-Schranke)
- Art, wie sie mit Rezeptoren des ZNS interagieren
- Schnelligkeit, mit der sie wieder abgebaut werden
Baler und Volkov (200&) unterscheiden vier neurobiologische Systeme:
- Das System für Belohnungserwartung (Nucleus accumbens und ventrales Pallidum)
- Das Gedächtnis- und Lernsystem (Amygdala und Hippocampus)
- das Motivations- und Antriebssystem (orbitofrontaler Kortex)
- das kognitive Kontrollsystem (präfrontaler Kortex und Gyrus cinguli)
Beispiel Entscheidungsfindung
- Drogenabhängige erreichen in einer Spielsituation, in der es um die Entscheidung kurz- oder langfristiger Gewinne und um die Gewinnhöhe geht, schlechtere Ergebnisse
- Ergebnisse sind mit Defiziten im präfrontalen Kortex korreliert
Neurobiologische Aspekte
- Belohnungssystem (Dopamin): verstärkung von Verhalten durch dopaminerge Neuronen. Endorphine wirken analgetisch und erzeugen ein euphorisches Wohlgefühl.
- Abhängigkeitserzeugende Wirkung einer Droge durch Sensitivierung entsprechender Hirnstrukturen (Suchtgedächtnis). Langfristige Sensitivierung durch die Bildung von Rezeptoren/Rezeptorveränderung in bestimmten Tielen des ZNS.
- Zusammenhang mit der Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde-Achse (neurobiologische Grundlage von Stressreaktionen). ZH von Stress und Craving.
Störungen durch/infolge Substanzkonsum
- Substanzahbängigkeit (DSM-IV & ICD-10)
- Schädlicher Gebrauch = Schädigung der psych./phys. Gesundheit als Konsequenz des Konsums (mind. 12 Monate); = Substanzmissbrauch im DSM-IV
- Neu im DSM 5: Substanzgebrauchsstörung
Substanzinduzierte Störungen
- Intoxikation: temporärer Zustand mit Störungen unterschiedlicher psychophysiologischer Funktionen, in Abhängigkeit der unmittelbar konsumierten Substanz. Vgl. Schwere Vergiftung, aber Symptome verschwinden, wenn Substanzkonsum aufhört.
- Entzug: Entzugssyndrom (F1x.3) nach Absetzen oder grosser Reduktion der Substanz
- Substanzinduzierte psychische Störungen: psychotische Störungen, das amnestische Syndrom (F1x.6; Störung des Kurzzeitgedächtnisses), substanzinduzierte Angst- und affektive Störungen, Delir, Demenz, sexuelle Funktionsstörung…
Substanzinduzierte Störungen: Häufigste Symptome
Vorbeireden, Zerfahrenheit, Konzentrationsstörungen, Beziehungswahn, ängstliche Verstimmung, Verfolgsungswahn…
Diagnostik: Methoden
- vs. Screening!
- Körperliche Untersuchungen, Laborergebnisse (Urin, Blut)
- Interviews
- Selbstbeurteilungs- und Fremdbeurteilungsfragebögen
- Störungsspezifische Skalen
- Zeitpunkt und Störungsbild als solches berücksichtigen (z.B. Diagnosestellung während Entzug schwierig)
- Nutzung verschiedener Informationsquellen wichtig
Diagnostik: Schädlicher Gebrauch (ICD-10)
- Mind. während 1 Monat innerhalb des letzten Jahres:
- Muster von Substanzgebrauch, das eine körperliche oder psychische Gesundheitsschädigung bewirkt.
- Die Diagnose wird nicht gestellt, wenn ein Abhängigkeitssyndrom, eine psychotische Störung oder andere alkohol- oder substanzbedingte Störungen vorliegen.
- Eine akute Intoxikation oder ein Kater reichen für die Diagnose nicht aus.
Diagnostik: Substanzabhänigkeit nach ICD-10
Mindestens 3 Kriterien während letztem Jahr erfüllt:
- starkes Verlangen, die Substanz einzunehmen
- Schwierigkeiten, Konsum zu kontrollieren (bzgl. Beginn, Beendigung, Menge)
- körperliche Entzugssymptome
- Toleranzentwicklung
- Vernachlässigung anderer Verpflichtungen, Aktivitäten, Interessen
- fortdauernder Gebrauch der Substanz(en) wider besseres Wissen und trotz schädlicher Folgen
Diagnostik: Veränderungen DSM-IV –> DSM-5
- Keine Unterscheidung mehr zwischen Abhängigkeit und Missbrauch –> Neu: Substanzgebrauchsstörung
- Oberbegriff: “Substanzbezogene Störungen” wird “Sucht und zugehörige Störungen” –> Öffnung für Verhaltenssüchte
DSM-5-Kriterien für Substanzgebrauchsstörung
Mind. 2 Merkmale müssen innerhalb eines 12-Monats-Zeitraums erfüllt sein:
- Wiederholter Substanzgebrauch, der zum Versagen wichtiger Verpflichtungen in der Schule, bei der Arbeit oder zuhause führt.
- Wiederholter Substanzgebrauch in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer körperlichen Gefährdung kommen kann.
- Fortgesetzter Substanzgebrauch trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme
- Toleranzentwicklung charakterisiert durch ausgeprägte Dosissteigerung oder verminderter Wirkung unter derselben Dosis
- Entzugssymptome oder deren Linderung bzw. Vermeidung durch Substanzkonsum
- Einnahme der Subtanz in grösseren Mengen oder länger als geplant
- Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzgebrauch zu verringern oder zu kontrollieren
- Hoher Zeitaufwand für Beschaffung und Konsum der Substanz oder um sich von ihren Wirkungen zu erholen
- Aufgabe oder Einschränkungen wichtiger Aktivitäten aufgrund des Substanzkonsums
- Fortgesetzter Konsum trotz körperlicher oder psychischer Probleme
- Craving, das starke Verlangen nach der Substanz
Epidemiologie: Allgemein
- Schwer zu erfassen wegen: Verleugnungstendenzen, Illegalität, Nichterreichbarkeit von Personen mit schweren Störungsausprägungen, hohe Kosten aufgrund des zumeist kleinen Prävalenzzahlen
- Unterscheidung: Verbreitung des Konsums und Verbreitung des Substanzstörungen
Epidemiologie: Konsum in DE
- 12 Monats-Prävalenz:
> Cannabis: 16.2% (18-20jährige)
> 25-29jährige: Amphetamine (2.4%), Ecstasy (1.7%)
> Medikamente: 61.9% (Schmerzmittel) - Prävalenzzahlen der Frauen unter denen der Männer (ausser bei Schmerzmitteln)
- Lebenszietprävalenz des Konsums illegaler Drogen in DE: 2006 hatten 23.7% eine Konsumerfahrung mit einer illegalen Droge (M: 27.4%, F: 19.9%)
Epidemiologie: Prävalenz der Substanzstörungen
ESA-Studie:
- 12-Monats-Prävalenz für Alkoholabhängigkeit: 3.4%
- Cannabismissbrauch: 2.3% bei den 21-24jährigen
Mortalität in DE:pro Jahr sterben ca. 42’000 Personen an alkoholbezogenen und über 1000 Personen an drogenbezogenen Störungen
Substanzstörungen: 71% unversorgt
Ätiologie: Risiken und Schutzfaktoren
- Risikofaktoren werden als Dispositionsfaktoren unter dem Aspekt der Vulnerabilität betrachtet
- Schutzfaktoren werden unter dem Aspekt der Widerstandsfähigkeit diskutiert und nicht nur als Fehlen von Risikofaktoren
Das biopsychosoziale Modell: 3 Teufelskreise
- Teufelskreise beschreiben 1. wie der Anreiz zu weiterem Konsum erhöht wird, 2. wie die Automatisierung den Konsum beeinflusst und 3. wie der Konsum wiederum verstärkend auf die Teufelskreise wirkt:
- Intrapsychischer Teufelskreis: z.B. beeinträchtigte Selbstwahrnehmung, Copingdefizite
- Neurobiologischer Teufelskreis: z.B. Toleranzentwicklung, Suchtgedächtnis
- Psychosozialer Teufelskreis: z.B. soziale Folgeschäden, Konsumkultur
Ätiologie: Gateway Theory
- Stellt ein früher Nikotin-, Cannabis- oder Alkoholmissbrauch eine Disposition für eine spätere Drogenabhängigkeit dar?
- Früher regelmässiger Zigarettenkonsum in der Kindheit erhöht das Risiko für den Missbrauch illegaler Substanzen
26% der Cannabis-User haben später “härtere” Drogen wie LSD, Heroin oder Amphetamine gebraucht, während von den High-School-Studenten ohne Cannabiskonsum nur 1% zu härteren Drogen übergingen
Ätiologie: Selbstmedikationshypothese
- Substanzstörung als Versuch, die Symptome anderer psychischer Störungen zu regulieren
- Substanzgebrauch-/missbrauch und -abhängigkeit oft als zunächst entlastender, dann maladaptiver Versuch, unangenehme Emotionen zu regulieren oder zu vermeiden
- es muss nicht eine ausgewachsene Störung vorgelegen haben, die dann selbst mediziert wird.
Ätiologie; psychologisch-lerntheoretische Aspekte
> Operante Konditionierung:
- Positive Verstärkung durch: euphorisierende Drogenwirkung, erlangte soziale Akzeptanz
- Negative Verstärkung durch: Beendigung von Entzugserscheinungen, Reduktion von Schmerz, Spannung, Hemmung, Minderwertigkeitsgefühl, Langeweile, Angst
> Klassische Konditionierung:
- Substanz wird in bestimmtem Umfeld konsumiert (Ort, Geruch, Geräusch, Stimmungszustand, anwesende Personen)
- -> Umfeld wird Hinweisreiz für den Konsum und damit verbundenen positiven Effekte (Anblick der Droge, Orte, Personen etc. löst starken Wunsch nach Konsum aus)
Ätiologie: Kognitives Modell der Sucht (Beck)
Auslösesituation –> Suchtspezifische Grundannahme –> automatische Gedanken –> Verlangen –> Erlaubniserteilende Gedanken –> instrumentelle Handlung –> weiterer Konsum oder Rückfall –> Auslösesituation