Klinische Psychologie: Psychische Störungen Flashcards
Klinische Psychologie
Klinische Psychologie ist diejenige Teildisziplin der Psychologie, die sich mit psychischen Störungen und den psychischen Aspekten somatischer Störungen und Krankheiten beschäftigt.
Inhalte:
- Ätiologie (Ursachenforschung) und Bedingungsanalyse
- Klassifikation (Einteilung) und Diagnostik (Krankheitsbegriff)
- Prävention, Psychotherapie und Rehabilitation
- Epidemiologie (Häufigkeit), Gesundheitsversorgung und Evaluation (Bewertung)
Psychopathologie
psychiatrische Lehre von der Beschreibung abnormen Erlebens, Befindens und Verhaltens im Zusammenhang mit psychischen Störungen.
Psychopharmakologie
Lehre von der Beeinflussung seelischer Vorgänge durch Psychopharmaka (medizinisch)
Forensische Psychiatrie
Lehrfach der Psychiatrie, das sich mit Rechtsfragen, die psychisch Kranke betreffen, beschäftigt (Gefängnisse, Kriminelle + psychisch Erkrankte)
Neurologie
Lehrfach der Medizin, das sich mit den organischen Erkrankungen des zentralen, peripheren und vegetativen Nervensystems befasst.
Psychische Störung (psychological disorder)
abweichendes, beeinträchtigendes und dysfunktionales Muster von Gedanken, Gefühlen oder Verhalten.
Modellvorstellungen
Wozu dienen Theorien und Modelle im Allgemeinen?
Wissen und Erklärungen ordnen, strukturieren und organisieren.
=> wissenschaftliche Theorien sind nicht vollständig, umfassend und endgültig
Modellvorstellungen
Was sind die Zielsetzungen in der klinischen Psychologie
- Beschreibung des Verhaltens: möglichst objektiv, reliabel und das gesamte Verhalten betreffend d.h. kognitive, affektive, biologische, soziale Ebene
- Erklärung: Finden von regelhaften Mustern
- Vorhersage: verstehen wie Verhaltensereignisse zusammenhängen
- Beeinflussung und Kontrolle: Ableitung von Interventionen
- Reduktion von Leiden, Behinderung und Verbesserung der Lebensqualität
Modellvorstellungen
Wozu dienen theoretische Annahmen?
- für ein Problem ist eine eindeutige, entstehungs- und aufrechterhaltungsrelevante Ursache identifizierbar
- Lösung des Problems durch Beseitigung der Ursache
- Diagnose bestimmt – Therapie heilt
BEISPIEL:
Medizinisches Krankheitsmodell
> Annahme: Beobachtbare Beschwerden („Symptome“) verursacht durch dahinterliegende somatische Erkrankung; Beseitigung von Ursache und Symptomen durch aus Diagnose ableitbarer Therapie
Aber: Für die Erklärung psychischer Störungen ist ein einfaches kausales Modell nicht ausreichend!
Modellvorstellungen
Was ist die biologische Perspektive?
- Störungen werden durch strukturelle und biochemische Prozesse erklärt.
- Fokus: Gene, Genetik, Physiologie des neuronalen und endokrinen (Hormone) Systems
Modellvorstellungen
Was ist die tiefenpsychologische (psychodynamische) Perspektive?
- Störungen entstehen durch innerpsychische, zumeist unbewusste Konflikte und Impulse, die häufig auf frühkindliche Konflikte rückführbar sind.
- Fokus: Gespräch, indirekte subjektive Maße (Träume, Widerstände)
Modellvorstellungen
Was ist die kognitiv-behaviorale Perspektive?
bewusst über die Sprache anwendbar
- Psychische Störungen entstehen durch fehlangepasste, erlernte Verhaltens- und Einstellungsmuster, einschließlich kognitiver Prozesse.
- Fokus: Konditionierung, Modelllernen, Aufmerksamkeit, Erinnern, Denkmuster, Attributionsmuster (Zuschreibung) (z.B. innere Überzeugungen)
Modellvorstellungen
Was ist die integrative Perspektive
- Psychische Störungen sind Ergebnis von komplexen Vulnerabilitäts (Verletzbarkeit)-Stress-Interaktionen und deren Dynamik
- Fokus: Vulnerabilität, Stress, Resilienz (Widerstandsfähigkeit), Coping (Bewältigungsstrategien)
Welche Gemeinsamkeiten haben das Vulnerabilitäts-Stress-Modell und bio-psycho-soziales Modell?
- Verhalten: Interaktion von Anlage (Genetik) und Umwelt (Lernerfahrungen)
- Erleben: psychologische Faktoren (Persönlichkeit, Attributionsstil)
Was sind Risiko- und Schutzfaktoren für eine psychische Erkrankung?
- Genetische Prädisposition: (Wechselwirkung von Genen)
- Pränatale und perinatale Schädigungen: (Vor und während der Geburt)
- Soziodemographische Faktoren (Geschlecht und Alter)
- Persönlichkeit:
- Komorbidität und vorangegangene Störungen
- Kultur
- Risikofaktor geringer sozio-ökonomischer Status (wenig Geld, keine Arbeit, untere Schicht)
Was sind Auslöser für eine psychische Erkrankung?
- interpersonale Verletzungen, Verluste, Konflikte:
- Inkongruenz (nicht zusammenpassend) (Grawe, 1998, 2004): -> Nicht-Befriedigung von Grundbedürfnissen u. Nicht-Erreichen von Zielen
Welche Schutzfaktoren schützen vor einer psychischen Erkrankung?
- Coping (Bewältigungsstrategien)
- Problemlösekompetenz
- soziale Kompetenzen und soziale Unterstützung:
- motivationale Kompetenzen (z.B. Loslassen ermöglicht N - emotionale Kompetenz: Konstruktiver Umgang mit negativen Gefühlen ist zentral
Welche aufrechterhaltende Faktoren gibt es bei einer psychischen Erkrankung?
- positive Rückkopplungsprozesse innerhalb der Störung: „Teufelskreis“
- operante Faktoren: Verstärkung von Störungsverhalten, wenn auf diese unmittelbar positive Konsequenz folgt
- belastende Folgen der Störung: Reduktion von Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit durch psychische Störung
- eingeschränkte Verfügbarkeit therapeutischer Angebote: Beeinträchtigung der Inanspruchnahme durch Informationsdefizite, Stigmatisierungsängste und Vorurteile
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS; attention-deficit hyperactivity disorder, ADHD)
psychische Störung, gekennzeichnet durch Auftreten von einem oder mehr der drei Schlüsselsymptome vor dem 7. Lebensjahr: extreme Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität.
Medizinischer Ansatz (medical model)
Konzept, dass Krankheiten, in diesem Fall psychische Störungen, auf physischen Ursachen beruhen, die diagnostiziert, behandelt und in den meisten Fällen auch geheilt werden können, oft durch Behandlung in einem Krankenhaus.
Welche Faktoren beeinflussen eine psychische Störung?
- biologischer Einfluss
- soziokultureller Einfluss
- psychologische Einfluss
Sind psychische Störungen universell oder kulturspezifisch? Geben Sie in Ihrer Antwort Beispiele!
Einige psychische Störungen sind kulturspezifisch, z. B. tritt Anorexia nervosa meist in westlichen Kulturen und tajin-kyofusho in Japan auf. Andere Krankheiten wie z. B. Schizophrenie treten in allen Kulturen auf.
DSM-V-TR (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th Edition, Text Revision)
Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (5. Ausgabe) der American Psychiatric Association mit aktualisierter Textrevision, ein weithin genutztes System zur Klassifikation psychischer Störungen.
- es gibt nur eine Version
- wurde auf breiterer empirischer Basis entwickelt
- nationales System
- es gibt keine Rubrik kulturspezifische Störungen
- 5-Achsen-Diagnose
- stärkerer Operationalisierung bzgl. klinischer und psychosozialer Relevanz der Symptomatik
Wie werden psychische Störungen im DSM-5 diagnostiziert?
mit dem multiaxialen System (5 Achsen)
ICD-10 (WHO, 1991)
- Erstellt von der WHO
- Folgt eher der psychiatrisch-europäischen Tradition („Neurose“)
- in Deutschland das am meisten genutzte System
- fst komplett kompatibel mit DSM-V
- es gibt viele Versionen je nach Aufgabenstellung
- internationales System
- Anhang beinhaltet kulturspezifische Störungen
- 3-Achsen-Diagnose
- es gibt eine sehr differenzierte Kodierung
Kategoriale Diagnostik
- Vergabe von Diagnosen, als wären es klar zu trennende Zustände („gesund“ oder „krank“)
- Ab einem bestimmten Punkt ist man krank oder gesund
- Einfacher zu kategorisieren
Dimensionale Diagnostik
- Berücksichtigung kontinuierlicher Übergänge zwischen den Polen „gesund“ und „krank“
- Man weiß nicht ob man gesund oder krank ist
- Schwierig z.B. für Krankenkassen
- Ist aber näher an der Realität
Symptome
Symptome werden auf der Grundlage der Psychopathologie als Zeichen einer Störung definiert. Sie können objektiv beobachtbar (Fremdbeurteilung) oder subjektiv erlebbar
Syndrome
- Syndrome sind definiert als überzufällig (>50%) häufige oder typische Muster von Symptomen. Sie können kategorial oder typlogisch definiert sein und sich sowohl aus obligaten (verpflichtend, müssen vorhanden sein) wie auch fakultativen (können vorhanden sein) Symptomen zusammensetzen.
- Je mehr Symptome man hat umso schwerer wird das Störungsbild
Diagnosen
- Diagnosen setzen sich aus Symptomen und Syndromen sowie unterschiedlichen Zusatzkriterien zusammen. Sie sind als die eigentlichen Krankheitsbezeichnungen definiert. Die Zusatzkriterien können sich auf die Zeitdauer, Verlauf, Schweregrad wie auch ätiologische Merkmale beziehen.
- Differentialdiagnosen regeln wie bezüglich der Überlappung von Diagnosekriterien zu verfahren ist. Sie werden auch als Ausschluss- oder Hierarchieregeln bezeichnet.
- Ein Störungsbild von anderen trennen
- Symptome müssen den passenden Diagnosen zugeteilt werden
Kriterien der Diagnose
- Symptomatologie: Art der Symptome, Syndrome
- Zeit/Verlauf: Erkrankungsalter, Tempo des Ersterkrankungsbeginns, Verlauf, Dauer, Ausgang
- Ätiologie: Disposition (Veranlagung, Wahrscheinlichkeit), Auslöser, Einflüsse
- Intensität: die meisten Kriterien auf 1-3
- Sicherheit: jedes Kriterium auf 1-3
Aufgaben der klassifikatorischen Diagnostik
- Beschreibung
- Klassifikation
- Diagnose
- Differentialdiagnose
- Erklärung
- Indikation
- Prognose
- Begründung und Rechtfertigung
- Institutionelle Zuweisung
- Evaluation
- Qualitätskontrolle und -sicherung
- Dokumentation
- Interventionszuweisung (Ansatz)
Ziele der Klassifikation
- Grundlage für die Indikationsstellung und Einleitung von Behandlungsmaßnahmen
- Vereinfachen des klinischen Denkens und Reduktion der Komplexität klinischer Phänomene durch Trennung einzelner Beobachtungsebenen
- Verbesserung der Kommunikation zwischen Klinikern in verschiedenen Berufsgruppen
- Charakterisierung von Patientengruppen in empirischen Studien (zur Epidemiologie, zur Entwicklung und Überprüfung therapeutischer Interventionen)
- Verbesserung der Kommunikation von Forschungsergebnissen
- Grundlage der Ausbildung
- Bedarfsplanung für Versorgungseinrichtungen
Ziele der diagnostischen Klassifikation:
- Störungen (möglichst) objektiv zu beschreiben (deskriptiver Ansatz)
- Planung von Interventionen und Behandlungen
- Diagnostische Kategorien reliabel (Interraterreliabilität) darzustellen
- Dokumentation (Qualitätskontrolle)
Argumente pro Klassifikation
- Kommunikation (einheitliche Nomenklatur)
- Ökonomische Informationsvermittlung
- Organisation und Reduktion von Informationen
- Grundlage für Wissensakkumulation (Praxis, Forschung)
- Entspricht auch anderen medizinischen Bereichen
- Handlungsanleitung für Diagnostik und Therapie
- Explizite Klassifikation besser als implizite
Argumente contra Klassifikation
- Komplexität psychischer Störungen
- Abgrenzung der Störungen untereinander
- Abgrenzung vom “Normalen”
- mangelndes Wissen über Ätiologie
- mangelnde Validität (mangelnde Bedeutsamkeit)
- Ettiketierung
- Stigmatisierung
- mangelnde (Interrater-)Reliabilität
- mangelnder Therapiebezug
- Folgen für therapeutische Beziehung
Was ist die biopsychosoziale Perspektive und warum ist sie so wichtig für das Verständnis psychischer Störungen?
Biologische, psychologische und soziokulturelle Einflüsse führen gemeinsam zu einer psychischen Störung. Diese breite Perspektive hilft zu verstehen, dass das Wohlbefinden beeinflusst wird von Genen, Hirnfunktionen, Gedanken und Gefühlen und den Einflüssen der sozialen und kulturellen Umwelt.
Beispiel Stigmatisierung
- Hindernis bei der Hilfesuche
- zusätzliche Belastung
- zusätzliche Symptomquelle
- Hindernis bei der Behandlung
- Hindernis bei der Integration
- „eine zweite Krankheit“ (Asmus Finzen, 1996)
=> Stigma haftet allem an, was mit psychischer Erkrankung verbunden ist:
Den Patienten, der Familie oder anderen Betreuungspersonen, allen an der Therapie Beteiligten, den Behandlungsinstitutionen und Behandlungsmethoden
Einstellungen und Ursachen für Stigmatisierung
- Schuld – Menschen mit psychischen Erkrankungen sind selbst schuld an ihrer Erkrankung, die Familie ist schuld
- Unberechenbarkeit/Gefährlichkeit psychisch Kranker, Verletzung sozialer Normen
- Unheilbarkeit – chronischer Verlauf, schlechte Prognose, schlechte Behandlung (Stigmatisierung auch der Psychiatrie)
- Simulation - die Betroffenen tun nur so, als ob sie krank wären, sind faul, nutzen System aus
- Ursachen:
- Mangel an Information, Fehlinformation,
- Latent negative Einstellungen (z. B. „nimby“: soziale Inklusion „Ja“, aber „not in my backyard“.)
Diskriminierung und Intervention
- Individuelle Diskriminierung (soziale Distanz)
- Strukturelle Diskriminierung (soziale Strukturen, politische Entscheidungen, rechtliche Regelungen)
- Diskriminierung aufgrund von Selbststigmatisierung (Reaktionen auf erwartete Diskriminierung)
- Reduzierung von Stereotypen zur Reduzierung von individueller Diskriminierung
- Einflussnahme auf Politik gegen strukturelle Diskriminierung
- Empowerment, Recovery (Interessensvertretung, Selbsthilfe, peer specialists)
- therapeutische Interventionen gegen Selbststigmatisierung
Untersuchungsinstrumente
- Klinische Interviews (z.B. SKID)
- Klinische Tests (Projektive Tests, Persönlichkeitsfragebögen, spezifische Selbstbeurteilungsfragebögen, Psychophysiologische Tests, Neurologische und neuropsychologische Tests, Intelligenztests)
- Klinische Beobachtungsverfahren (natürliche und strukturierte Beobachtungen, Selbstbeobachtung)
- In der Praxis i.d.R.: Fachurteil des Klinikers
Untersuchungsziele
- Zweck der Diagnostik: Klassifikation und Aufdeckung auslösender und aufrechterhaltender Faktoren einer Erkrankung Basis für profunde Therapieplanung
- Multimethodale Diagnostik: möglichst umfassende Diagnosestellung, die sich verschiedener Datenquellen bedient
SORKC-Modell (Kanfer & Saslow, 1965)
- Verhaltens- und Bedingungsanalyse:
- Systematisierung der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Problemverhaltens und darauf aufbauend Therapieplanung
- Analyse des Problemverhaltens nach folgenden Prozessaspekten:
- S= situative Merkmale
- O= Organismusvariable
- R= Reaktionskomponente
- K= Konsequenzen
- C= Kontingenzverhältnis (wie häufig kommt das vor)
Mikro- und Makroanalyse
- Mikroanalyse: genaue Analyse der problematischen Situation, die als relevant für die psychische Störung eingeschätzt wird (d.h. Aufzeigen des Problemverhaltens in einer spezifischen Situation)
- Makroanalyse: beleuchtet Regelmäßigkeiten und Muster in der Problematik (z.B. Schemaanalyse, Plananalyse)
- Aus Mikro- und Makroanalyse lässt sich spezifischer Therapieplan ableiten