Integrative Wirtschaftsethik Flashcards
Kurz und Knackig
Integration von Ethik und Ökonomik → Überwindung Zwei-Welten-Konzeption
Ausgangsthese
- Gedachter/praktizierter Vorrang des „Marktes“ vor „Politik“ → Wirtschaft (ökonomisches System) bestimmt Politik (Subsystem)
- Politik würde Chance bieten, normative und moralische Werte zu berücksichtigen → Aber: Sachzwangsdenken und -argumentation (moralisch richtig X zu tun, aber gezwungen Markt-, Wettbewerbs-, Standort- und Kostenargumenten
zu folgen)
Anerkennung des Reflexionsstopps vor normativem Gehalt ökonomischer Argument
- Vorrang von Markt-, Wettbewerbs-, Standort- und Kostenargumenten impliziert Werturteile (normativer Gehalt) → Wohlstand bestimmter Gruppen/niedrige Preise wichtiger als alles andere
- Zwang suggeriert Alternativlosigkeit → keine Handlungsfreiheit (Demokratie, Marktwirtschaft?)
- Behauptung, dass Entscheidung zu höherer Wohlfahrt führt, aber empirisch nicht beweisbar → marktmetaphysische Gemeinwohlfiktion
Woher kommt Akzeptanz des Sachzwangdenkens?
- Altliberalismus: Marktwirtschaft = natürliche Wirtschaftsordnung, die sich durch Vorteilhaftigkeit zur jetzigen Form entwickelt hat → durchgesetzt = gut
- Sein-Sollen-Fehlschluss: Marktwirtschaft = politisch/institutionell errichtete Wirtschaftsordnung (nicht natürlich)
- Staat generiert mit Institutionen/Gesetzten geordneten Markt: Offene Märkte und Wettbewerb (Bundeskartellamt), Sicherung Eigentumsrechte, Vertrags- und Haftungsrecht, Internationale Freihandelsabkommen und -gesetzte (WTO)
Begründung des republikanischen Liberalismus
Alternative zu Altliberalismus: Ordoliberalismus (Rüstow, Röpke) → Vorrang politischer Ethik vor ökonomischer Logik des Marktes (greift IW auf)
- Einbettung marktwirtschaftlicher Systeme in höhere Gesamtordnung (politische Rahmenordnung) (Orientierung an ethischen Gesichtspunkten/Lebensdienlichkeit, statt Angebot/Nachfrage, Preis etc.) → normative Grundlage für konkrete Ausgestaltung der Marktwirtschaft
Konzept des Besitzbürgers (Bourgeois)
- Eigennutzenmaximierende Individuen ohne Tugendzumutung (HO) -> Definition über private Rechtsansprüche/Interessen und wechselseitige Gleichgültigkeit
- Individuum = ungebundenes Selbst, soziale Einbindung nicht konstitutiv für Identitätsbildung
- Soziale Interaktion: Wenn individuell nützlich, in Form eines Tauschvertrags (Güter, Arbeit) oder Gesellschaftsvertrags (Institution auf Auflösung sozialer Dilemmata)
Konzept des Staatsbürgers (Citoyen) (IW; moderner republikanischer Liberalismus)
- Selbstinteressierte, moralische Individuen -> Ethische Vernunft reflektiert/kontrolliert Eigeninteresse (Tugendethik)
- Mensch als soziales Wesen: Konditioniert durch Moralkodex, Interaktion durch Bürgerrechte-/Pflichten, Diskurs
- Individuum zu selbstkritischer Reflexion und autonomer Selbstbestimmung fähig -> Wirtschaftsbürgerkonzept
Integrative Wirtschaftsethik – Grundkonzeption
- Marktwirtschaft als Systemsteuerung prinzipiell notwendig (Koordinationskapazität, Effizienz) → Funktionale Prämisse
- Marktwirtschaftliches System = Subsystem in Gesamtsystem der Koordination aller sozialen Interaktionen in Gesellschaft → normative Prämisse
- Implikationen: Marktsteuerung erhält kontrollierte Lenkungs- und Anreizfunktion (wenn zweckdienlich, moralisch verantwortbar), Vorrang der Politik
Integrative Wirtschaftsethik als Diskursethik (i.w.S.)
- Ort der Moralimplementierung: Institutionelle Rahmenordnung
- Ort der Moralbegründung: Unbegrenzte Öffentlichkeit aller mündigen Bürger → öffentlicher Diskurs
- Primäre institutionenökonomische Aufgabe der Politik: Diskurse etablieren
-> Moralisch fundierte Gesamtordnung soll sich dabei an der Lebensdienlichkeit orientieren. Impliziert Sinn- und Legitimationsfrage
1. Zwanglose (politisch-ökonomische) Verständigungsprozesse mündiger Bürger, z.B. Konferenzen (Klimagipfel, UNO),
Diskussion von Unternehmen mit Konsumenten/Gewerkschaften
2. Diskussionen, die in demokratischen Wahlen münden
-> Zu klären: Lebensdienlichkeit als Wertemaßstab einer Wirtschaft; Einstimmigkeit gefordert
Sinnfrage
Wie sinnvoll ist der Lebensstil?
- zu erzeigende Werte? -> lebenspraktisches, sinnvolles Wirtschaften
- Leben in Zukunft? -> kulturelle Motive, attraktive Lebensformen
- Wirtschaften uns selbst zugänglich (individuell)? - gutes Leben
Vorrang Lebenswelt vor Eigensinn des ökonomischen Systems
Legitimationsfrage
Lässt sich der Lebensstil vor Menschen und Lebewesen heute und in Zukunft rechtfertigen?
- Für wen welche Werte erzeugen? -> gesellschaftlich legitimes Wirtschaften
- Wie zusammenleben? -> soziale Regeln
- Wirtschaften gegenüber allen vertretbar? -> gerechtes und nachhaltiges Zusammenleben
Vorrang Politik vor Logik des Marktes
Sozialökonomische Rationalität (Kritik an rein Ökonom. Rationalität und neues Konzept)
Kritik der reinen ökonomischen Rationalität
- Grundsätzlich Nicht-Akzeptanz irgendeiner Sachlogik (Gewinnmaximierung) → Überprüfung im Einzelfall
- Frage, wem ökonomische Rationalität dient
- Diskussion von Verteilungsfragen
Neues Konzept: Sozialökonomische Rationalität (Theorie)
- Integration/Aufhebung in Diskursethik
- Sozialökonomische Rationalität global umzusetzen: Weltordnung mit wechselseitigen Regulierungsinstanzen und Regesystemen (keine Weltregierung, kein Weltstaat)
Wirtschaftbürgerethik (Tugendethik)
Definition: Wirtschaftsbürger
- Am volkswirtschaftlichen Konsum- und Produktionsprozess beteiligt („Wirtschaftssubjekt“)
- Mitverantwortlicher Anteil an gutem/gerechtem Zusammenleben in wohlgeordneten Gesellschaft freier/gleicher
Bürger („moralische Person“)
Bürgertugend nach integrativer Wirtschaftsethik: Minimale/unabdingbare individualethische Ansprüche, ohne die wohlgeordnete Gesellschaft nicht zu haben ist
- Reflexionsbereitschaft
- Verständigungsbereitschaft
- Kompromissbereitschaft
- Legitimationsbereitschaft, d.h. Bereitschaft zu gesellschaftlicher Angemessenheitsprüfung individuellen Verhaltens
Wirtschaftsbürgerrechte
Wirtschaftsbürgerrechte: zusätzliche Grundrechte (zu allgemeinen Grund-/Bürgerrechten), die Bürger befähigen gleichen Bürgerstatus auch als ungleich ausgestaltete Wirtschaftsbürger zu bewahren → Rechte institutionell über Diskurse/politische Prozesse zu bestimmen
- Unabhängig von wirtschaftlichem Erfolg
- Auch bei Arbeitslosigkeit, Insolvenz, Überschuldung, Krankheit
Warum sind Grundrechte nicht ausreichend?
- Negative Freiheitskonzeption: Grundrechte als “Abwehrrechte”
- Positive Freiheitskomzeption als reale Freiheit -> u.a. Wirtschaftsbürgerrechte
Wirtschaftsbürgerrechte: Stärkung positive Freiheitsrechte
- Integration in Marktwirtschaft („einsteigen können“) → Fairer Zugang zu Fähigkeiten, Ressourcen (Bildung, Kapital, Kritik, Erwerbsarbeit)
- Partielle Emanzipation aus Sachzwängen des Marktes („aussteigen können“) → Faire Chance auf selbstbestimmtes Leben ohne Leistungs- und Anpassungsdruck
Konkrete Ausgestaltung
1. Liste von Grundbefähigungen (Recht auf Erziehung/Bildung, unverletzliche Identität, soziale Integration, Rechtsschutz,
soziale Unterstützung für Familien, Berufsbildung, Existenzsicherung etc.)
2. Begrenzte Systembeteiligungsrechte: Recht auf Privateigentum (prinzipiell, nicht unbegrenzt), bedingungsloses Grundeinkommen und/oder Arbeit