HS 2014 – Bankrecht Flashcards
Erläutern Sie das Phänomen der «Entnationalisierung» der Regulierung im Finanzmarktrecht und nennen Sie ein konkretes Beispiel für einen Bereich, in dem die internationale Regulierung die staatliche Regulierung praktisch verdrängt hat
- Als Reaktion auf Bankenkrisen von internationalem Ausmass, aber auch als Folge der internationalen elektronischen Vernetzung der zunehmenden grenzüberschreitenden Tätigkeit von Finanzdienstleistern, haben sich verschiedene internationale Institutionen bzw. Standardsetting-Gremien der Erarbeitung von internationalen Standards im Bereich des Finanzmarktrechts gewidmet und die territorial begrenzte staatliche Regulierung verdrängt. Die Krise zeigte die Notwendigkeit von grundlegenden Reformen der Regulierung der globalen Märkte und verbesserter internationaler Koordination
- Beispiele:
- Internationale Rechnungslegungsstandards IFRS/IAS
- Regulierung der Rating-Agenturen
Was ist unter dem Begriff des «moral hazard» im Kontext der Diskussion um die Systemrelevanz von Finanzinstituten zu verstehen?
- Wird ein systemrelevantes Finanzinstitut durch staatliche Interventionen geschützt und geniesst es damit faktisch eine Staatsgarantie, so setzt dies für das betreffende Institut unerwünschte Anreize für ein übermässig riskantes Geschäftsgebahren
- Das Wissen um den staatlichen Rückhalt verleitet mithin dazu, dass ein systemrelevantes Institut die Risiken nicht minimiert, sondern noch bewusster eingeht
Welches sind die vier aufsichtsrechtlichen Kernmassnahmen zur Begrenzung der von systemrelevanten Banken ausgehenden Risiken für das Finanzsystem und wo sind diese in der Schweiz geregelt?
- Höhere Eigenmittelanforderungen (Eigenkapital und Pflichtwandelanleihen) – BankG 9 II lit. a
- Höhere Liquiditätsanforderungen – BankG 9 II lit. b
- Risikoverteilungsvorschriften – BankG 9 II lit. c
- Organisatorische Vorkehrungen (Definition der systemrelevanten Funktionen und Aussonderungsmöglichkeit in der Krise) – BankG 9 II lit. d
Was sind «Contingent Convertible Bonds (CoCos)» und welche Funktion erfüllen diese unter aufsichtsrechtlichen Aspekten?
- «Contingent Convertible Bonds» sind bedingte Pflichtwandelanleihen, die ein wesentliches Element zur Stärkung der Eigenmittel systemrelevanter Banken darstellen
- Die Bank kann damit potentiell eigenkapitalersetzendes Fremdkapital aufnehmen
- Bei Erreichen eines bestimmten Prozentsatzes von risikogewichteten Aktiva werden die Bonds (Fremdkapital) in Eigenkapital umgewandelt
- Auf der einen Seite dienen CoCos mit einer Wandelungsschwelle (Trigger) als erweiterter Kapitalpuffer
- Andererseits sollen CoCos im Fall drohender Insolvenz die benötigte Kapitalreserve sicherstellen, die zur Finanzierung der Weiterführung systemrelevanter Funktionen (z.B. Kreditgeschäft, Zahlungsverkehr) und zur geordneten Abwicklung der Restbank benötigt wird
Welches ist die rechtliche Konsequenz, wenn die FINMA gestützt auf Art. 7 Abs. 3 FINMAG Selbstregulierungsakte als Mindeststandard anerkennt?
Wie bzw. in welcher Form anerkennt die FINMA Selbstregulierungsakte als Mindeststandards?
Nennen Sie ein Beispiel für einen Selbstregulierungsakt, den die FINMA als Mindeststandard anerkannt hat.
- Als Folge der Anerkennung von Akten der Selbstregulierung durch die FINMA gelten solche Regeln nicht mehr nur für die Mitglieder der entsprechenden SRO, sondern sind fortan auch von den übrigen Branchenzugehörigen als Mindeststandards zu beachten
- Die Einhaltung anerkannter Mindeststandards wird von der FINMA durchgesetzt
- Die FINMA hat das Rundschreiben 08/10 «Selbstregulierung als Mindeststandard» erlassen (Aufgehoben per August 2020! jetzt gilt: https://www.finma.ch/de/dokumentation/selbstregulierung/anerkannte-selbstregulierung/), in welchem sie die von ihr anerkannten Selbstregulierungserlasse als Mindeststandards anerkennt
- M.E. heisst das, dass RS wurde aufgehoben, jetzt Information auf Webseite (auch über (interne) Bindungswirkung)
- Beispiele:
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Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB 20)
- gilt noch!
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Richtlinien zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse 2008
- gilt noch!
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Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB 20)
Grenzen sie die Funktionen der externen und internen Revision einerseits sowie die Funktionen der externen Revisionsstelle und der bankengesetzlichen Prüfgesellschaft andererseits voneinander ab
- Externe v.. interne Revision:
- Die externe Revisionstelle prüft als von der Bank unabhängiges Organ die Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften durch die Bank
- Während die ebenfalls vom Management unabhängige interne Revision organisatorisch in die Bank, jedoch nicht in deren laufende Geschäftstätigkeit integriert sein kann und an den VR-Präsident oder den Prüfungsausschuss rapportiert
- Deren Hauptaufgabe besteht in der Überprüfung der Funktionsweise des Internen Kontrollsystems der Bank
- Externe Revision v. Prüfgesellschaft gem. BankG
- Die bankengesetzliche Prüfgesellschaft nimmt im Gegensatz zur aktienrechtlichen Revisionsstelle nicht nur eine Rechnungsprüfung vor, sondern hat auch zu prüfen, ob die Bank die aufsichtsrechtlichen Vorschriften einhält (Aufsichtsprüfung)
- “Verlängerter Arm der FINMA”
- Vgl. BankG 18 und FINMAG 24 (ff.)
- Die bankengesetzliche Prüfgesellschaft nimmt im Gegensatz zur aktienrechtlichen Revisionsstelle nicht nur eine Rechnungsprüfung vor, sondern hat auch zu prüfen, ob die Bank die aufsichtsrechtlichen Vorschriften einhält (Aufsichtsprüfung)
Erläutern Sie das Zusammenspiel von Risiko und Ertrag im Zinsdifferenzgeschäft der Banken?
- Für den erfolgreichen Betrieb des Bankgeschäfts ist das bewusste Eingehen von Risiken Grundvoraussetzung
- Das Zinsdifferenzgeschäft (Erzielung einer Zinsmarge durch das Betreiben von Aktiv- und Passivgeschäft) kann nur ertragswirksam betrieben werden, wenn die Bank auf der Aktivseite gewisse Kredit- und Ausfallrisiken und auf der Passivseite Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiken eingeht
- Vgl. dazu BankG 1a lit. c und BankG 1b (FinTech-Bewilligung) und BankV 6 II lit. b (Sandbox) welche dem Risiko des Zinsdifferenzgeschäfts Rechnung tragen
Eine Bank vergibt im Bereich des Aktivgeschäfts Hypothekarkredite mit einer durchschnittlichen Laufdauer von 8 Jahren. Ist diese Bank eher konservativ unterwegs oder hat sie vielmehr einen grossen Risikoappetit?
- Diese Bank vergibt durchschnittlich relativ langfristige Kredite (hohe «Duration») und läuft damit ein hohes Zinsänderungsrisiko, weil sie im Falle eines raschen Zinsanstiegs auf der Aktivseite gegenüber ihren Hypothekarkunden längerfristig an die tiefen Zinsen gebunden bleibt und auf der Passivseite aber den Einlegern die höheren Zinsen anbieten muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben
- Die Bank zeigt somit einen relativ hohen Risikoappetit
- M.E. läuft die Bank auch Gefahr, in Liquiditätsprobleme zu gelangen, da ihre Aktia sehr lange gebunden sind, mit welchen sie ggf. ihre Passiva begleichen muss
Erläutern Sie das im Finanzmarktrecht geltende Prinzip «same business, same risks, same rules»
- Die Finanzmarktaufsicht soll integriert wahrgenommen werden und die Regulierung der sich in den unterschiedlichen Branchen des Finanzmarktes ergebenden Risiken soll einheitlich erfolgen, denn die unterschiedlichen Anbieter, wie Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter, bieten letztlich ähnliche Produkte und Dienstleistungen an und sind damit auch von denselben Risiken betroffen
- Vgl. FINMAG 1 I und FINIG/FIDLEG
Wie kann eine Bank rechtlich vorgehen, wenn Sie mit einer Anordnung eines von der FINMA eingesetzten Untersuchungsbeauftragten nicht einverstanden ist?
- UB (FINMAG 36)
- Sie kann gestützt auf Art. 25a VwVG bei der FINMA eine anfechtbare Verfügung verlangen und beantragen, dass die Behörde bzw. der von ihr eingesetzte Untersuchungsbeauftragte widerrechtliche Handlungen unterlässt, einstellt oder widerruft
- Der Untersuchungsbeauftragte hat als blosses Privatrechtssubjekt keine Verfügungsbefugnis. UB trifft lediglich faktische Anordnungen, die als verfügungsfreies Staatshandeln in Form eines Realaktes zu qualifizieren sind
- Diese Anordnungen bilden kein taugliches Anfechtungsobjekt
- Gegen die Verfügung der FINMA kann Beschwerde ans BVGer erhoben werden (FINMAG 54 I)
- Dieser Entscheid kann sodann ans BGer weitergezogen werden (FINMAG 54)
Was ist unter der sogenannten «informellen Sanierung» in einer finanziellen Schieflage einer Bank zu verstehen? Nennen Sie zwei Beispiele für Massnahmen, die im Rahmen einer informellen Sanierung angeordnet werden können
- Gemäss Art. 26 BankG kann die FINMA bei einer begründeten Besorgnis, dass eine Bank überschuldet ist oder ernsthafte Liquiditätsprobleme hat, oder wenn eine Bank die Eigenmittelvorschriften auch nach Ablauf einer von der FINMA gesetzten Frist nicht erfüllt (Art. 25 Abs. 1 BankG), Schutzmassnahmen verfügen
- Dabei handelt es sich im vorsorgliche Massnahmen in einer Vorstufe zum formellen Sanierungs- und Konkursverfahren
- Als Schutzmassnahmen kann die FINMA gemäss Art. 26 Abs. 1 lit. a-h BankG insbesondere die folgenden Massnahmen anordnen
- siehe BankG 26 I
Grenzen Sie das Bankkundengeheimnis vom Geschäftsgeheimnis einerseits und vom Berufsgeheimnis andererseits ab
- Das Bankkundengeheimnis schützt das Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Bank
- Das Geschäftsgeheimnis gemäss Art. 162 StGB bezieht sich auf Informationen über die Bank als Unternehmen und nicht primär auf Kundeninformationen
- Das Berufsgeheimnis gemäss Art. 321 StGB gilt für bestimmte freie Berufe (wie Anwälte, Notare, Geistliche und Ärzte), nicht aber für Bankangestellte
- Das Bankgeheimnis ist sozusagen das spezifische Berufsgeheimnis der Banker
Inwiefern hat sich die Finanzmarktregulierungsarchitektur mit dem FIDLEG und dem FINIG grundlegend geändert?
- Mit dem FIDLEG/FINIG hat sich das bisherige vertikale Säulenmodell der Schweizer Finanzmarktregulierung mit einzelnen auf bestimmte Sektoren zugeschnittenen Spezialgesetzen zugunsten einer konzeptionell im Wesentlichen auf horizontalen Regulierungsebenen aufbauenden Systematik abgelöst
-
Integriete Aufsicht; integrierte Regulierung
- Ausnahme BankG
- Insb. auch FIDLEG v. aBEHG, Doppelnorme v. Konzept der Ausstrahlungswirkung
Was ist unter dem sogenannten «indifferenten Bankgeschäft» zu verstehen? Nennen Sie zwei Beispiele
- Das indifferente Bankgeschäft beinhaltet Dienstleistungen der Bank, die in der Bankbilanz nicht unmittelbar zum Ausdruck kommen
- Abzugrenzen zum “Zinsdifferenzgeschäft”, Bankgeschäft, bei dem die Bank entweder einen Zins erhält oder bezahlen muss
- Die in diesem Zusammenhang erwirtschafteten Erträge der Bank stellen das Entgelt für Dienstleistungen dar und sind somit blosse Provisionen bzw. Kommissionen
- Man bezeichnet sie daher auch als bilanzneutrale Bankgeschäfte
- Beispiele:
- Depotgeschäft
- Schrankfachgeschäft
- Bankauskunft und Raterteilung
- Anlagberatung
- Vermögensverwaltung
- Finanzplanung
- Investmentbanking und Handelsgeschäft
- Zahlungsverkehr
Wie ist die Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunde rechtlich zu qualifizieren?
- Die h.L. qualifiziert die Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunde als Geschäftsverbindungsvertrag, sofern die AGB beim Abschluss des ersten Einzelvertrages gültig übernommen werde
- Der Geschäftsverbindungsvertrag ist ein aus den Klauseln der AGB bestehender Rahmenvertrag, der die Abwicklungsmodalitäten und weitere Einzelheiten für künftige Einzelverträge regelt
- AGB zentral
- Weitere Meinungen/Konzepte sind:
- “Allgemeiner Bankvertrag”
- Gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht
- Tatsächliches Verhältnis
- “vertrauensbegründeter TB”