Bereicherungsrecht - §§ 812 ff. Flashcards
Allgemeines
- dient der Abschöpfung unrechtmäßiger Vermögensvorteile
- rechtswidrige Vermögenszuordnungen können entstehen, weil ein Rechtsverletzer sich Vorteile anmaßt (Eingriffskondiktion), weil einem PRSubjekt etwas geleistet wird, das ihm tatsächlich nicht (mehr) zusteht (Leistungskondiktion), oder weil ein PRSubjekt aus sonstigen Gründen Vorteile erlangt (Aufwendungskondiktion)
- rundet Schutz der Rechtssphäre eines PRSubjekts ab und tritt komplementär neben den negatorischen Rechtsschutz (§ 1004) und den schadensrechtlichen Rechtsschutz (§§ 823 ff.)
- Anspruch auf das begrenzt, was sich noch im Vermögen des Schuldners befindet (§ 818 III), es besteht von vornherein keine Gefahr, dass der Schuldner sein eigenes Stammvermögen antasten muss, um den Gläubiger zu befriedigen
- > dies unterscheidet das BereicherungsR maßgeblich vom Schadensersatz, weshalb der BereichungsA verschuldensunabhängig gewährt werden kann; er setzt nicht einmal ein Verhalten des Schuldners voraus
- > das unterscheidet das BereicherungsR von der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung, weshalb es keines besonderen Minderjährigenschutzes bedarf
- es lassen sich insoweit Parallelen zum negatorischen Rechtsschutz erkennen: auch hier muss der Störer nur räumen, was er faktisch auf rechtswidrige Weise okkupiert; im BereicherungsR muss der Schuldner nur das räumen, was er vermögensrechtlich in rechtswidriger Weise okkupiert (Farbe wird angestrichen)
Bereicherungstatbestände
- Nichtleistungskondiktionen
a) Eingriffskondiktion
b) Aufwendungskondiktion
Nichtleistungskondiktionen - § 812 I S. 1 Alt. 2: Eingriffskondiktion: Einführung
- erfasst werden Vermögensvorteile, die durch den rechtswidrigen Eingriff in eine absolut geschützte Rechtsposition erlangt worden sind
- wie bei § 823 I stellt sich die Frage, welche Rechtspositionen absolut zu schützen sind
- maßgebend ist das Resultat eines unrechtmäßigen Vermögensvorteils, auch wenn der Begriff “Eingriff” suggeriert, es werde ein Eingriff sanktioniert
- der Anspruch richtet sich gegen den Bereicherten, nicht gegen den Eingreifer
Nichtleistungskondiktionen - § 812 I S. 1 Alt. 2: Eingriffskondiktion: Tatbestand
- etwas erlangt: jeder vermögenswerte Vorteil (Besitz, Nutzungs- oder Gebrauchsmöglichkeiten, …)
- > Diff: Ursprünglich einmal etwas erlangt vs. was im maßgeblichen Zeitpunkt (Anspruchsstellung) erlangt ist (-> Rechtsfolge, ggf. Entreicherung)
- in sonstiger Weise:
- > nach hM hat die Leistungskondiktion Vorrang vor der Nichtleistungskondiktion (nur Relevanz in den Mehrpersonenverhältnissen)
- auf Kosten des Bereicherungsgläubigers:
- > Bereicherung muss aus einer Rechtsposition generiert worden sein, die dem Bereicherungsgläubiger mit absoluter Wirkung zugewiesen ist
- > alle Positionen, die nach § 823 I geschützt sind, grds. auch nach § 812 geschützt (auch nach § 1004: quasi-negatorischer Rechtsschutz)
- > auch berechtigter Besitz (Sukzessionsschutz als Dinglichkeitsmerkmal gegeben, jedoch daraus kein notwendiger Schluss -> “Stimmung der Dinglichkeit kreieren”); Anwartschaftsrecht (Sukzessionsschutz § 161 I S. 1 -> “Stimmung der Dinglichkeit”; P: Nutzungsbefugnis? denn eigentlich nur Schutz der Erwerbsaussicht)
- > Lehre vom Zuweisungsgehalt: es gibt Rechtspositionen, die nur schadensersatzrechtlich geschützt sind, nicht aber bereicherungsrechtlich (früher: Patent, APR; eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb, Körper und Gesundheit)
- -> Hoffmann: unzutreffend: Systeme sind komplementär, BereicherungsR zugleich viel geringer hinsichtlich Eingriffsintensität
- ohne Rechtsgrund
- > bei vertraglicher Gestattung
Verfügung eines Nichtberechtigten - § 816 I S. 1
- spezielle Spielart der Eingriffskondiktion, die auf einen besonderen Eingriff in das Eigentum reagiert
- die Eigentumsverletzung besteht in einer wirksamen Veräußerung durch einen Nichtberechtigten
- der Spezialtatbestand ist im Grunde überflüssig; seine Existenz lässt sich vor allem historisch erklären (stand zuerst im SachenR, dann in BereicherungsR eingefügt; übersehen, dass dies hier schon geregelt ist)
- Voraussetzungen
- > Verfügung: erfasst werden rechtsgeschäftliche Verfügungen; Eigentumsverluste durch originären Erwerb werden mittels §§ 951, 812 ausgeglichen – dingliche RGe werden erfasst; eine unberechtigte (Unter)Vermietung wird nach hM nicht (auch nicht analog) erfasst; das ist in Anbetracht der allgemeinen Eingriffskondiktion (fehlt an Regelungslücke) ohnehin nicht erforderlich (die der BGH auch freilich ablehnt)
- > durch Nichtberechtigten: Nichteigentümer, ohne im Vorfeld erteilter Ermächtigung (§ 185)
- > Wirksamkeit ggü dem Berechtigten: kann sich aus VerkehrsschutzTB ergeben (§§ 892, 932, 2366 BGB, 366 HGB); RGlicher Erwerb vom Nichtberechtigten ist zwar ebenfalls ein Eingriff in das Eigentum, aber grds. kondiktionsfest ausgestaltet (Rechtsgrund ist bspw. mit 932 gegeben); die nunmehr hM eröffnet § 816 I S. 1 auch bei nachträglicher Genehmigung (obwohl dann nicht mehr Nichtberechtigter - im Ergebnis: Wahlrecht zwischen Vindikation und Kondiktion des Verletzten)
Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten - § 816 I S. 2
- der Erwerb vom Nichtberechtigten ist ausnahmsweise nicht kondiktionsfest, wenn er unentgeltlich erfolgt
- > daher e contrario: gutgläubiger Erwerb grds. kondiktionsfest
- Telos: da der Erwerber keine Gegenleistung erbracht hat, ist er weniger schutzbedürftig; sich nur mit einem Vertragspartner auseinanderzusetzen, da er im Rahmen einer Rückabwicklung keine Gegenansprüche hat
- P: was gilt bei gemischten Schenkungen? BGH fragt, welcher Teil überwiegt; Lit.: teilt das Geschäft schlicht wertmäßig auf
- zT wird eine analoge Anwendung des § 816 I S. 2 auf den rechtsgrundlosen Erwerb befürwortet (rechtsgrundloser Erwerber hat trotzdem Gegenleistung erbracht; nach wie vor daher schutzbedürftig)
§ 816 II - Forderungsanmaßung
- es handelt sich um eine spezielle Form der Eingriffskondiktion, die das Eingreifen in die absolute Dimension eines ForderungsR (“Forderungszuständigkeit”) sanktioniert
- abgeschöpft wird die Bereicherung, die daraus generiert wird, dass sich jemand rechtswidrig als Forderungsinhaber geriert
- die Wirksamkeit der Einziehung einer Forderung durch einen Nichtberechtigten kann sich bspw. aus §§ 407, 851, 893, 2367 f. ergeben
- nach hM soll auch hier eine Genehmigung gem. §§ 362 II, 185 II die Kondiktion eröffnen
§ 822 - Durchgriffskondiktion
- abzugrenzen von § 816 I S. 2: dort trifft ein Nichtberechtigter eine unentgeltliche Verfügung
- § 816 I S. 2 = Vindikationsersatz; (ein Nichtberechtigter verfügt unentgeltlich) § 822 = Kondiktionsersatz (ein Berechtigter verfügt ohne Rechtsgrund unentgeltlich)
Aufwendungskondiktion - § 812 I S. 1 Alt. 2
- wenn der Gläubiger dem Schuldner unbewusst etwas zuwendet oder für die Zuwendung gar nichts kann (Kühe weiden beim Nachbarn)
- eine idLit geläufige Kategorisierung einer Nichtleistungskondiktion, die sich rein phänomenologisch am Bereicherungsvorgang orientiert
- beachte vor allem Sperrwirkung §§ 994, 996
Rückgriffskondiktion - § 812 I S. 1 Alt. 2
- Sonderfall der Aufwendungskondiktion
- eine idLit geläufige Kategorisierung einer Nichtleistungskondiktion, die sich am Bereicherungsgegenstand (= Befreiung von einer Verbindlichkeit) orientiert
- klassische Konstellation etwa die Drittleistung gem. § 267
- zu beachten ist, dass vertragliche Vereinbarungen (etwa § 670) Vorrang haben
- zu beachten ist, dass innerhalb einer Gesamtschuld § 426 Vorrang hat
- zu beachten ist, dass nach hM eine angeordnete cessio legis die Rückgriffskondiktion ausschließen soll, da der Schuldner keine Befreiung von der Verbindlichkeit erlangt habe (etwa §§ 268 III, 774 I S. 1)
- beachte weiterhin: GoA
Leistungskondiktionen: Einführung
- Leistungskondiktionen reagieren auf durch Leistung herbeigeführte rechtswidrige Vermögenszuordnungen
- im dt. Recht kommt der Leistungskondiktion wegen des Abstraktionsprinzips eine bes. Bedeutung zu (gälte das Abstraktionsprinzip nicht, könnte regelm. vindiziert werden)
- trotz der einheitlichen Grundlage von Nichtleistungs- und Leistungskondiktion entspricht es der heute hM, beide TB strikt voneinander zu trennen (sog. Trennungslehre)
-> im Prüfungsschema: äußert sich darin, dass nach hM keine Voraussetzung für die Leistungskondiktion ist, dass etwas “auf Kosten” erlangt worden ist - dagegen: Einheitslehre: beharrt auf einheitlicher Ordnungsfunktion der BereicherungsTB und verlangt auch bei Leistungskondiktion, dass der Schuldner den Vorteil “auf Kosten” erlangt hat
(- Klausur: Merkmal “auf Kosten” mental mitprüfen und Streit nur führen, wenn sich unterschiedliches Ergebnis zeigt: s. Hoffmann-Fall mit Dieb)
Leistungskondiktionen: das Erlangte
- grds. wie Eingriffskondiktion
- bei Überweisung des Kaufpreises: Erlangtes ist die Auszahlungsforderung gegen die Bank
- klare Trennung zwischen bereicherungsauslösenden TB und der Bereicherung iSd § 818 III (Rechtsfolgenseite)
Leistungskondiktionen: durch Leistung
(- wäre nach Einheitslehre untergeordnetes Merkmal ggü “auf Kosten” - Trennungslehre muss die mit der gewichtigen Stellung der “Leistung” wieder auffangen)
- Subsidiaritätsdogma: Leistungskondiktion hat Vorrang vor Nichtleistungskondiktion nach hM (Trennungslehre)
- > Leistung: bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens
- > häufigster Leistungszweck ist die Erfüllung einer vermeintlichen Verbindlichkeit (solvendi causa)
- > nach hM nach dem obj. Empfängerhorizonts auszulegen, wer geleistet hat
Leistungskondiktionen: ohne Rechtsgrund
a) § 812 I 1 Alt 1 - condictio indebiti
- bei anfänglicher Nichtigkeit oder schwebender Unwirksamkeit
- str. ist, ob auch die Anfechtung wegen der Wirkung ex tunc hierunter fällt
- > keinen großen Streit eröffnen, sondern eine Alternative wählen und entsprechend isoliert begründen
b) § 812 I 2 Alt 1 - condictio ob causam finitam
- auflösend bedingte oder befristete Verträge
- teilweise wird die Anfechtung hierunter subsumiert
c) § 813 I 1
- Leistung in Unkenntnis bestehender Einrede
- > Ausnahme: verjährte Forderung - kann nicht kondiziert werden, §§ 813 I 2, 214 II
- nicht erfasst wird auch § 320 (Zug-um-Zug), da Ausfluss des Synallagmas (begrenzter Bindungswille: Rücktritt) - Schwebezustand des § 320 ist kein erstrebenswerter Selbstzweck, der mit 813 wiederhergestellt werden könnte - daher nur Rücktritt oder Einklagen
d) § 812 I 2 Alt. 2 - condictio ob rem
- problematisch: ist historisch wohl dem Umstand geschuldet, dass im römR die möglich vertraglichen Zweckvereinbarungen enumertiert waren (num.claus); lag ein vereinbarter Zweck außerhalb des numcau wurde eine condictio bei Zweckverfehlung trotzdem gewährt
- heute sind die Parteien…
…
e) § 817 S. 1
- kaum Bedeutung, da bei Unwirksamkeit wegen §§ 134, 138 bereits die allgemeine Leistungskondiktion einschlägig ist
- aber insoweit relevant, da der Ausschluss des § 814 nicht für § 817 S. 1 gilt
Ausschluss der Leistungskondiktion
a) § 814
- grds. nur §§ 812 I 1 Alt 1, 813 (Wortlaut) betroffen
- telos ist unklar (“Verbot widersprüchlichen Verhaltens”) und wenig glaubhaft
- > eng auszulegen
- es handelt sich in der Sache um eine Rechtsverweigerung, weshalb ein strenger Maßstab an die Kenntnis zu legen ist; erforderlich ist die Rechtskenntnis (!)
- nicht anwendbar, wenn unter Vorbehalt geleistet wird
b) § 815
- überträgt § 814 auf condictio ob rem