8. Sitzung: Shintō (2): Der religiöse Status des Tennō im historischen Wandel Flashcards

1
Q
  1. Mythologisch-genealogische Aspekte
A

Tennō 天皇 : „Himmlischer Souverän“
- Bis ins 7. Jh. ist die übliche Bezeichnung für den Herrscher in Japan Ōkimi 大王 „Großkönig“ u.a.
- Titel 天皇 (Chin. tiānhuáng, Jap. tennō) wurde aus China eingeführt: Tang-Kaiser Gaozong (reg. 649–683) und Kaiserin Wu Zetian (reg. 684/690–705) verwendeten diesen Titel im Unterschied zum traditionellen Kaisertitel huangdi 皇帝.

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2
Q
  • Die Herrschaftslegitimation der Tennō-Dynastie
A

wird unter Bezug auf die ältesten offiziellen historischen Quellen (Nihon shoki und Kojiki, frühes 8. Jh.) genealogisch auf den mythischen ersten Tennō Jimmu (神武天皇, 660–585 v.Chr.) zurückgeführt.
- Jimmu seinerseits wird darin als Urenkel des Kami Ninigi-no-Mikoto ( 邇邇芸尊, alternativ 瓊瓊杵尊) dargestellt,
- Ninigi wurde seinerseits von seiner Großmutter Amaterasu-ōmikami (天照大神) auf die Erde beordert, um sie zu kultivieren und als Kulturbringer u.a. den Reisanbau einzuführen.

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3
Q

Ninigi als Überbringer der „Drei Utensilien der Kami“ (sanshu no jingi 三種の神器),

A

welche die Legitimität der Dynastie materiell beglaubigen:
a) Kusanagi no tsurugi 草薙劍, **„Das grasschneidende Schwert“ **- befreit aus Ungemach („aus brennendem Gras“); Atsuta-Schrein, Nagoya
b) Yata no kagami 八咫鏡, **„Der Acht-Handspannen-Spiegel“ **- reflektiert unbeteiligt, was sich ihm zeigt; Ise-Schrein, Ise
c) Yasakani no magatama 八尺瓊曲玉, „Gekrümmtes Acht-Fuß-Jadejuwel“, Wohlwollen; Schrein des kaiserl. Palasts, Tokyo

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4
Q

Die „Drei Utensilien“ gelten:

A
  • als Herrschaftsinsignien des Tennō, überreicht von Amaterasu, verbunden mit einem
    Herrschaftsauftrag.
  • Sie werden seit 690 von Shintō-Priestern dem Tennō anlässlich der
    Thronfolgezeremonie präsentiert (in Behältern verborgen bzw. verhüllt, zuletzt am 30. April 2019 anlässlich der Abdankung von Kaiser Akihito zu Gunsten des künftigen Tennō Naruhito).
  • Sie symbolisieren die drei kaiserlichen Grundtugenden Mut, Aufrichtigkeit, Wohlwollen.
  • Die hist. Authentizität der „Utensilien“ ist nicht belegt (es wurden wiederholt Replikas angefertigt).
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5
Q
  1. Das ōnamesai-Ritual
A

Im Kontext der mythologisch-genealogischen Herrschaftslegitimation stehen die Shintō-spezifischen Aspekte der religiösen Funktion des Tennō, vor allem:
- niinamesai 新嘗祭 Erntedankritual (im November, seit 7. Jh. belegt); Tennō bringt Reisopfer an die Kami.
- ōnamesai 大嘗祭: Großes namesai, Tennō zugleich Akteur und Gegenstand in der rituellen Bestätigung der Thronfolge.
Das ōnamesai-Ritual ist eines von drei Ritualen im Rahmen der Thronfolge. Früheste Hinweise reichen in das 5. Jh. zurück.
Die Vorbereitungen beginnen im Frühling und nach dem Tod des Tennō, das eigentliche Ritual ist in 11 Abschnitte gegliedert; es findet in der Regel im Spätherbst statt und nimmt vier Tage in Anspruch:
mitama shizume 御霊 „Einholen des Geistes“ des Tennō zur Erneuerung seiner Herrschaft.
Opfer der neuen Aussaat durch den Tennō an Amaterasu Gastmahl des Tennō mit Amaterasu
Gastmahl des Tennō mit seinen Untertanen
Der mythologische Kontext ist institutionell mit dem Schrein von Ise verbunden (Ise Jingū 伊 勢神宮) und der Verehrung der Amaterasu, welche den Ursprung der Tennō-Genealogie
repräsentiert.
Die Darstellung der Genealogie steht indirekt im Zusammenhang mit den zyklischen Riten des Tennō zur Aussaat/Erntedank, der Verehrung des Reiskorns und dem Besitz der „Drei Utensilien“. Damit wird deutlich, dass sich die Herrschaftslegitimation aus verschiedenen traditionellen Wissensbeständen speist und auch im historischen Verlauf einer gewissen Variabilität unterworfen ist. Die Idee einer ungebrochenen Genealogie ist also nicht die einzig verbindliche Legitimationsformel. Zudem besteht auch keine ungebrochene Aufrechterhaltung der kaiserlichen Ritualpraxis im Durchgang der Geschichte der Tennō-Genealogie.

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6
Q
  1. Status des Tennō gemäß Meiji-Verfassung
    Meiji-Verfassung (1889),
A

Verfassungskonformer Sakralitätsbegriff in Bezug auf den Tennō seit der Meiji-Zeit (bis 1945):
- arahitogami 現人神 „als Mensch manifester Kami“
- Konvergenz alter Vorstellungen vom arahitogami als Clans-Gottheit und westlichem Verständnis von hist. Sakralkönigtum: Souverän als Nachfahre einer Gottheit (Genealogie) und verkörpert zugleich Unantastbarkeit.

Voraussetzungen der Meiji-zeitlichen Vorstellung der „Göttlichkeit“ des Tennō:
- Historisch: Kami können von Menschen (Tennō, Shōgun) ernannt werden bzw. Menschen kann der Kami-Status per Erlass wieder aberkannt werden. Der Begriff „Gottheit“ ist daher problematisch.
- Politisch: Bestreben der Verfassungsväter, den Tennō als Gegenstand eines „guten Bekenntnisses“ (bona fide) quasi nach dem Vorbild deistischer Religionsauffassungen zu instituieren. Verfassungsmäßig verliehene Sakralität (Unantastbarkeit) impliziert aber noch keine Göttlichkeit im religiösen Sinn.

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