3. Sitzung: Einführung des Buddhismus nach Japan Flashcards
- Traditionelle jap./chin. Bezeichnung für die Originalsprache der buddhistischen Quellen
梵語 (Jap. bongo, Ch. fanyu), bedeutet so viel wie:
- „Sprache Brahmas“, steht meist für Sanskrit, ggf. aber auch für mittelindische Sprachen, erlaubt keine linguistisch präzise Bestimmung der Quellensprache,
- kann sich auch auf die Siddham-Schrift beziehen:
梵字 (Jap. bonji, Ch. fanzi), mit welcher ritualmagische Wirkformeln (bspw. mantras) in der buddhistischen Praxis notiert, visualisiert und als Gegenstand kalligraphischer Übung gepflegt werden.
- Struktur des buddhistischen Kanons
Die Sammlung der traditionell verbindlichen (“kanonischen”) Texte, die in Indien zunächst mündlich, später auch schriftlich verfasst und überliefert wurden, heißt: „Dreikorb“: Sk. Tripiṭaka, 三藏 (Jap. sanzō, Ch. sanzang).
Diese Bezeichnung entspricht der grundlegenden Unterteilung der darin enthaltenen Textsorten in:
- Lehrreden, Sk. sūtra 經 Jap. kyō, Ch. jing
- Ordensdisziplin, Sk. vinaya
- Systematik und Exegese, Sk. abhidharma
Übersetzungen
Buddhistische Lehren und Praxis wurden auf Grundlage von chinesischen Übersetzungen nach Japan überliefert.
Die chinesische Übersetzungstätigkeit v.a. zwischen dem 2. und 10. Jh. n. Chr. führte parallel zur Entstehung einer sehr umfangreichen einheimischen buddhistischen Literatur in China, Korea und Japan<:
- Kommentare, Traktate zur buddhistischen Lehre und Praxis,
- Ritualhandbücher, Chroniken, Biographien,
- Sammlungen hinterlassener Schriften und Unterweisungen,
- Erbauungsliteratur.
Die einheimische chin. Literatur wurde ebenfalls auf Initiative des Hofes in den wachsenden buddhistischen Kanon chinesischer Sprache aufgenommen und in Korea und Japan umfassend rezipiert. Auf dieser Grundlage haben sich in Korea und Japan in großem Umfang auch eigene Texttraditionen entwickelt (meist in chinesischer Schriftsprache, später auch in Koreanisch und Japanisch).
Die ältesten Kanon-Gesamtdrucke sind in China im 10. Jh. n. Chr. entstanden und von diplomatischen Gesandtschaften in benachbarte Länder gebracht worden, u.a. um Chinas Ansehen als Zentrum der damaligen buddhistischen Welt zu festigen.
- Älteste historiographische Quellen zur Einführung des Buddhismus in Japan
Kojiki
Kojiki 古事記, „Aufzeichnungen der Begebenheiten des Altertums“,
- diktiert von einem höfischen Rezitator und Vertrauten des Temmu Tennō 天武天 皇 (reg. 672–686),
- aufgezeichnet 711/12 von Ō no Yasumaro 太 安万侶 (?–723), einem Gelehrten und Hofschreiber, verfasst in klass. chinesischer Schriftsprache und Altjapanisch.
Kojiki
Das Kojiki beschreibt die Herrschaftsordnung von den mythischen Anfängen bis zur Herrschaft der Suiko Tennō 推古天皇 (reg. 592–628), die ihren Neffen, den Kronprinzen Shōtoku (Shōtoku Taishi 聖徳太子, 574–622) zum Regenten ernennt (593).
Nihon shoki 日本書紀, „Chronik Japans in seinen Schriften“
- Herausgegeben 720 n. Ch. vom Prinzen Toneri Shinnō 舎人親王 (676–735), Sohn
des Temmu Tennō, verfasst in klass. chinesischer Schriftsprache allein.
- Enthält bzw. zitiert „Dokumente“ in chronologischer Abfolge von den mythischen Anfängen bis zur Herrschaft von Jitō Tennō 持統天皇 (reg. 686–697), der Witwe des Temmu Tennō.
Diese Selbstbeschreibung der Herrschaftsordnung wird bereits vom Fujiwara-Clan (藤原氏) beeinflusst, der seit dem frühen 9. Jahrhundert einen Erbanspruch auf Regentschaft behauptet.
Das offizielle Datum der Einführung des Buddhismus lt. Nihon shoki ist das Jahr 552 n. Chr. Anlass: Gesandtschaft des Königs Seongmyong 聖明 (r. 523-554), 26. König von Paekche 百 濟 an den Hof des Kinmei Tennō 欽明天皇 (509-571). Als Tribut sendet Seongmyong u.a. eine vergoldete Bronzestatue des Buddha, Banner, Schirme und buddhistische Schriften, ferner Lobpreisungen der Wirkmacht buddhistischer Praxis.
Buddhist. Lehre im Nihon shoki
Die Lehre Buddhas wird im Nihon shoki dargestellt als:
(quasi aus „innenpolitischer“ Perspektive)
- Gegenstand von bzw. Anlass für anhaltende Streitigkeiten um die Deutungshoheit zwischen einzelnen aristokratischen Clans,
- „Ritus“ der kaiserlichen Familie,
- Grundlage apotropäischer Riten zum Schutz der Herrschaftsordnung.
(quasi aus „außenpolitischer“ Perspektive)
- Tribut des Königs von Paekche an den japanischen Souverän,
- Bindeglied für die Überlieferung chinesischer Wissensbestände (Schrift etc.) nach Japan mit koreanischen Gesandten und Mönchen als Mittler,
- weiterer Anlass für die Entsendung von Gesandtschaften nach Korea und China,
- zusätzlicher Anlass für die Pflege bereits bestehender diplomatischer
Beziehungen bzw. für die Errichtung neuer politischer Bündnisse.
- Frühe Konflikte um „Wirksamkeit“ und Folgen buddhistischer Praxis
Der Clan der Soga (Soga uji 蘇我氏) setzt sich für die Verbreitung des Buddhismus in Japan ein.
Widerstand gegen die probuddhistische Position der Soga leistet u.a. der Bidatsu Tennō 敏 達天皇 (538-585, r. 572-585), welcher die einheimischen Gottheiten bevorzugt und
buddhistische Praxis untersagt.
Im Jahr 584 werden auf Anordnung von Bidatsu buddhistische Nonnen in den Laienstand versetzt und bestraft. Bidatsu gestattet dem schwer erkrankten Soga no Umako (551?–626) auf dessen Bitten, den Buddhismus privat zu praktizieren, jedoch fällt diese Lockerung mit einer Epidemie zusammen, wobei in der historischen Darstellung des Nihon shoki ein kausaler Zusammenhang impliziert wird. Gegner der Soga behaupten einen entsprechenden Zusammenhang, was dann weitere Verbote der buddhistischen Praxis zur Folge hat.
Eine neuerliche Pockenepidemie wird indessen wieder als Strafe Buddhas für die Zerstörung buddhistischer Tempel und Statuen gedeutet. (Siehe Deal 1995, 219-221).
Bidatsus Nachfolger Yōmei Tennō 用明天皇 (r. 585-587) pflegt in der Folge Rituale für einheimische Gottheiten und den Buddha gleichermaßen, aber auch unter seiner Herrschaft wird u.a. eine Pockenepidemie als Korrelat der Verehrung Buddhas bzw. ihrer Unterlassung zu Gunsten einheimischer Gottheiten interpretiert.
Erst gegen Ende des 6. Jhs. scheint sich die Förderung des Buddhismus am Hof allmählich durchzusetzen. Gesandtschaften aus dem koreanischen Königreich Paekche gewährleisten den Nachschub an buddhistischen Texten, Kultgegenständen und Wissen etwa zur korrekten Durchführung von Riten, für die Pflege der Ordensdisziplin sowie der Errichtung und Ausstattung von Tempeln.
Drei Aspekte der historischen Darstellung von der Einführung des Buddhismus in Japan
Im Nihon shoki können drei Aspekte unterschieden werden, unter denen die Einführung des Buddhismus nach Japan von den Historiographen als strittig dargestellt wurde. Dabei spielen pro- und antibuddhistische Interpretationen ausgewählter Ereignisse unter dem Aspekt ihrer Bedeutung auf ein „jenseitiges Korrelat“ (vgl. Religionsbegriff von Luhmann) eine wesentliche Rolle:
1. religiös (betr. Sinndeutung des Beobachtbaren)
2. politisch (betr. Regelung verbindlicher Entscheidungen innerhalb der Herrschaftsordnung, bspw. Import von Wissen, Pflege der Riten usw.)
3. sozial (betr. Gestaltung des Zusammenlebens der Menschen)
Religiöser Aspekt:
Der Buddhismus kommt nicht in Form eines geschlossenen, lehrhaften Religionssystems nach Japan, sondern wird zunächst durch einzelne Statuen, Schriften und Artefakte vermittelt, deren Verehrung eine Wirk- und Schutzmacht zugeschrieben wird.
Folglich tritt die Buddhaverehrung in Konkurrenz zur einheimischen Kamiverehrung. Ihre Anerkennung am Hof hängt wesentlich von ihrer behaupteten Wirksamkeit ab. Inwieweit Wirksamkeit direkt als positiver Effekt der Buddhaverehrung verstanden wird, hängt wiederum von der Deutungshoheit einflussreicher Clans ab, beispielsweise bei der Interpretation von Naturereignissen (z.B. Unwetter, Seuchen). Einflussreiche Fürsprecher der Buddhaverehrung waren Soga no Iname (506?–570) und dessen Sohn Soga no Umako (551?–626).
Politischer Aspekt:
Die Anerkennung der buddh. Lehren am Hof erfolgt keinesfalls unabhängig von politischen Erwägungen. Sie steht vielmehr im Kontext der
- Förderung diplomatischer Beziehungen zu den koreanischen Königreichen und
China und
- der bewussten Übernahme chinesischer Kulturtechniken (u.a. Schrift,
Herrschafts- und Verwaltungstechniken etc.), deren Pflege mit dem wachsenden Einfluss am Hof insbesondere des Soga-Clans verbunden war.
Die Buddhaverehrung und später auch buddhistische Priester, Lehre und Praxis wurden von Anfang an in die Herrschaftsordnung eingebettet und als Mittel verstanden, die politische Konkurrenz zwischen den unterschiedlichen Parteien zu kanalisieren und die Zentralmacht als übergeordnete Instanz zu begründen.
Sozialer Aspekt:
Buddhistische Lehren, Praxis und Institutionen eröffnen neue Perspektiven auf die Ordnung menschlichen Zusammenlebens:
- „Karitative Initiativen“ von Laien und Klerus (bspw. medizinische Versorgung, Pflege von Alten und Kranken, Einrichtung von Hospizen usw.),
- „Ethisierung“ der Bevölkerung bspw. durch Ermutigung altruistischen Handelns unter buddhistischen Vorgaben (Prinzip des universalen Mitgefühls mit allen Lebewesen; Schonung des Lebens, karmische Wirksamkeit, usw.).
Fazit
Es können drei frühe Bedingungen der „ritual-orientierten“ Anschlussfähigkeit des Buddhismus in Japan und seiner späteren institutionellen Ausdifferenzierung unterschieden werden:
- Nichtabgeschlossenheit der buddhistischen Lehre erlaubt Anschlüsse und Vereinbarkeit mit der lokalen Kamiverehrung,
- Abhängigkeit buddhistischer Praxis von Förderern in der höfischen Elite und damit verbunden die Notwendigkeit, sich mit der Herrschaftsordnung zu arrangieren,
- Bereitschaft des Souveräns, buddhistische Lehren zur Konsolidierung seiner Macht zu nutzen; Bereitschaft buddhistischer Autoritäten, mit der Herrschaftsmacht zu kooperieren (Opportunität).