VL9 _Gedächtnis 1 Flashcards

1
Q

Gedächtnis Definition (Gruber)

A

„Unter Gedächtnis versteht man Prozesse und Systeme, die für die
Einspeicherung, die Aufbewahrung, den Abruf und die Anwendung von
Informationen zuständig sind, sobald die Quelle der Information nicht
mehr verfügbar ist.“ (Gruber, 2018)

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2
Q

Kategorisierung Gedächtnisformen

A

Information: unterschiedliche Reize (Bilder, Wörter, Geräusche etc.), autobiografische
Details, generisches Wissen über die Welt & spezifische sensomotorische Fertigkeiten
* Wie lassen sich Gedächtnisformen unterscheiden? #1 deskriptiv (z.B. Zahlen vs. Bilder);
#2 funktional (z.B. Kapazität, Lernrate); #3 neuronal (z.B. beteiligte Hirnstrukturen)

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3
Q

Prozesstheorien (Gedächtnis)

A

Prozesstheorien stellen die Rolle systemunabhängiger Verarbeitungs-
prozesse in den Vordergrund, z.B. bei der Einteilung in drei Phasen
▪ Kernannahme: evolutionär ist nur begrenzte Anzahl an Gedächtnisprozessen entstanden,
so dass auch in sehr unterschiedlichen Situationen ähnliche Mechanismen beteiligt sind
▪ #1 Enkodierung (engl. encoding): Information wird transformiert in neuronalen Code, den
das kognitive System verarbeiten kann (~mentale Repräsentation)
▪ #2 Speicherung (engl. storage) & Retention: Speicherung & Aufrechterhaltung (Retention)
des Gedächtniseintrags; ggf. weitere Festigung der Gedächtnisspur (Konsolidierung)
▪ #3 Abruf (engl. retrieval): Suchen & Finden/Nutzen der gespeicherten Information zu
einem späteren Zeitpunkt
▪ Gute/schlechte Erinnerungsleistungen können auf jeden der drei Prozesse zurückgehen

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4
Q

Systemtheorien (Gedächtnis)

A

Systemtheorien sind strukturorientiert und teilen das Gedächtnis in
unterschiedliche Systeme ein (z.B. aufgrund von Inhalt & Dauer)
▪ Beispiel: Mehrspeichermodell (syn. modales Modell) von Atkinson & Shiffrin (1968)
▪ #1 Sensorisches Gedächtnis: Registrierung sensorischer Reize (Millisekunden bis ca. 2s)
▪ #2 Kurzzeitgedächtnis (KZG): registrierte & beachtete Reize gelangen ins KZG (Sekunden)
▪ #3 Langzeitgedächtnis (LZG): aktives Wiederholen (engl. rehearsal) hält Info im KZG und
überführt Information ins LZG zur dauerhaften Speicherung

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5
Q

Enkodierung & Kodierung (Gedächtnis)

A

▪ Enkodierung bezeichnet i.d.R. die Informationsaufnahme am Anfang;
Kodierung ist die Transformation der Information in spezifische Codes
▪ Beispiel Mehrspeichermodell (Atkinson & Shiffrin, 1968): Enkodierung für das sensorische
Gedächtnis; Um-Kodierung der Info für das Kurzzeitgedächtnis & das Langzeitgedächtnis
▪ Begriffe werden auch synonym verwendet (z.B. Birbaumer & Schmidt, 2010; H&D, 2017)

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6
Q

Paradigmen & Aufgaben (Gedächtnis)

A

▪ In klassischen Experimenten besteht die Aufgabe der Vp häufig darin, eine
Liste von Items (z.B. Buchstaben, Ziffern, Wörter) auswendig zu lernen
▪ #1 Freie Wiedergabe/Reproduktion (engl. free recall): Vp soll möglichst viele Items in
beliebiger Reihenfolge wiedergeben
▪ #2 Wiedererkennen (engl. recognition): In der Abrufphase werden die Items erneut gezeigt,
zusammen mit neuen Items (Distraktoren); Vp muss entscheiden, ob Item „alt“ oder „neu“ ist
▪ #3 Wiedergabe in vorgegebener Reihenfolge (engl. serial recall): Liste der Items soll in der
Reihenfolge ihrer Präsentation oder in umgekehrter Reihenfolge wiedergegeben werden
▪ #4 Wiedergabe mit Hinweisreizen (engl. cued recall): Hinweisreize werden gegeben, die die
Vp an Items der gelernten Liste erinnern sollen (z.B. mit Items assoziierte Wörter)
▪ #5 Gezielte Wiedergabe (engl. probed recall): Ein Indikator zeigt an, welches Item als
nächstes wiedergegeben werden soll (z.B. Item an Position 2, Item nach dem Item xyz)
▪ Abhängige Variablen: u.a. % richtiger Antworten, Reaktionszeit (beim Wiedererkennen)

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7
Q

Ersparnismethode (Gedächtnis)

A

Hermann Ebbinghaus untersuchte die Funktion des Gedächtnisses in
zahlreichen Selbstversuchen („Über das Gedächtnis“, 1885)
▪ Einprägen einer Liste mit sinnlosen Silben (ZOF, FUB, DAU) durch wiederholtes Aufsagen
▪ Messung der benötigten Wiederholungen bis zur fehlerfreien Reproduktion (Lernkriterium)
▪ Nach Intervallen unterschiedlicher Länge: Erneute Messung der benötigten Wiederholungen
▪ Abhängige Variable: Anzahl „gesparter Wiederholungen“ als Maß für die Gedächtnisleistung
▪ Ebbinghaus‘sche Vergessenskurve folgt einer Potenzfunktion & ist typisch für Ergebnisse aus
Experimenten zum Auswendiglernen von bedeutungslosem Material (z.B. sinnlose Silben)

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8
Q

Massiertes & verteiltes Lernen (Ebbinghaus; Gedächtnis)

A

▪ Ebbinghaus beobachtete, dass über die Zeit verteiltes Lernen effektiver
ist als das Üben an einem Stück (sog. massiertes Lernen)
▪ #1 Anzahl benötigter Wiederholungen bis zur fehlerfreien Reproduktion geringer beim
verteilten Lernen (z.B. an drei Tagen) als beim massierten Lernen (d.h. in einer Sitzung)
▪ #2 Behaltensleistung nach Zeitintervall besser für verteiltes als für massiertes Lernen
▪ Steilere Lernkurven & flachere Vergessenskurven zeigen sich auch für andere Lernformen
(z.B. motorisches Lernen in Tracking- und Tracing-Aufgaben)

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9
Q

Gesetzmäßigkeiten (Ebbinghaus, Gedächtnis)

A

Ebbinghaus beschrieb in systematischen Gedächtnisexperimenten einige
weitere Gesetzmäßigkeiten, die z.T. bis heute gültig sind
▪ #1: Untersuchungen zu Vergessenskurven; Leistungen beim Wiedererkennen i.d.R. besser
als beim Reproduzieren
▪ #2: Vergrößerung des Lernmaterials macht sprunghafte Steigerung der Wiederholungen
notwendig; nicht-lineare Beziehung zwischen Menge & Lernzeit (sog. Ebbinghaus-Gesetz)

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10
Q

Serielle Positionseffekte (Ebbinghaus, Gedächtnis)

A

▪ Ebbinghaus zeigte auch, dass die Stellung eines Items innerhalb einer
Liste einen Einfluss auf die Gedächtnisleistung beim Abruf hat
▪ Listen mit sinnlosen Silben (& sinnvollen Wörtern) werden gelernt; danach freie
Reproduktion & Auswertung der Behaltensleistung abhängig von der Listen-Position
▪ Primacy-Effekt & Recency-Effekt: die ersten und die letzten Elemente in einer Liste
werden besser behalten/reproduziert als die Elemente im mittleren Bereich der Liste
▪ Kritik: Ebbinghaus beschränkte sich auf bedeutungsarmes Material, um Einfluss von
Vorwissen auf Gedächtnis zu minimieren; Gedächtnis ist aber kein passiver Speicher

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11
Q

Interferenz (Gedächtnis)

A

▪ Interferenz ist die störende Wechselwirkung ähnlicher Gedächtnisinhalte
▪ #1 Retroaktive Interferenz: neue Informationen stören das Erinnern an (bzw. den Zugriff
auf) bereits gespeicherte Informationen
▪ #2 Proaktive Interferenz: bereits gelernte Informationen stören die Speicherung und das
Erinnern neuer Informationen
▪ Je größer die Ähnlichkeit zweier Listen von Lernmaterial, desto größer ist die Interferenz

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12
Q

Testing Effect (Gedächtnis)

A

▪ Soll man Prüfungsstoff noch einmal lernen oder sich abfragen lassen?
▪ Roediger & Karpicke (2006): wissenschaftliche Texte; nach erster Lernphase durchliefen die
Vpn entweder eine zweite Lernphase (Study, Study) oder eine Abfragephase (Study, Test)
▪ Abhängige Variable: Behaltensleistung für gelerntes Material nach unterschiedlichen Intervallen
▪ Ergebnis: Üben des Abrufs (engl. testing) hat positiven Einfluss auf die Behaltensleistung
▪ Schlussfolgerung: „Testing is a powerful means of improving learning, not just assessing it.”

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13
Q

Mehrspeichermodell (Gedächtnis)

A

▪ Modales Modell von Atkinson & Shiffrin (1968) postuliert drei Speicher-
systeme, in Abhängigkeit von Inhalt, Menge & Dauer der Speicherung
▪ Modell kann nicht alle Daten gut erklären, aber der Modellrahmen ist nach wie vor nützlich

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14
Q

Sensorisches Gedächtnis

A

▪ Im Mehrspeichermodell dient das sensorische Gedächtnis als modalitäts-
spezifischer Zwischenspeicher, in dem Stimuli kurzzeitig behalten werden
▪ Besitzt hohe Kapazität & registriert alle eingehenden Informationen vor jeglicher Selektion
▪ Annahme: Repräsentation der Stimuli ist „originalgetreu“ (vgl. analoge Repräsentation, AP1)
▪ Gedächtnisdauer ist extrem kurz (je nach Modalität: Millisekunden bis ca. 2 Sekunden)
▪ Ikonisches Gedächtnis (visuell), echoisches Gedächtnis (auditiv), haptisches Gedächtnis
▪ Hypothese: Übergang ins Kurzzeitgedächtnis mit Hilfe von selektiver Aufmerksamkeit

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15
Q

Sperling Experiment (Gedächtnis)

A

▪ George Sperling (1960) führte eine Reihe von einflussreichen Experimenten
zum ikonischen Gedächtnis durch
▪ Eine 3x3 Matrix aus Buchstaben wird für 50ms auf dem Bildschirm dargeboten
▪ Vollständiger Bericht (engl. whole report): möglichst viele gesehene Buchstaben nennen
▪ Teilweiser Bericht (engl. partial report): Töne unterschiedlicher Höhe werden als Hinweisreiz
nach dem Ausblenden der Matrix präsentiert; Vpn nennen Buchstaben aus markierten Zeilen
▪ Hypothese: kurzzeitige Speicherung der gesamten Buchstaben-Matrix im ikonischen Gedächtnis

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16
Q

Maskierung (Gedächtnis)

A

▪ Visuelle Post-Cues sind im Sperling-Experiment unterschiedlich wirksam
▪ Positive Wirkung auf Behaltensleistung: Position eines Buchstaben wird markiert (z.B. Pfeil)
▪ Negative Wirkung: bestimmte Cues (z.B. Kreis um Position) & Zeitintervalle verringern die
Behaltensleistung an der markierten Position durch Reduktion der Buchstaben-Sichtbarkeit
▪ Phänomen der rückwirkenden Maskierung (engl. backward masking); #1: physiologische
Summation der Signale macht Buchstaben „unlesbar“; #2: Analyse des ersten Signals wird
unterbrochen, wenn vor Abschluss der Analyse ein zweites Signal (sog. Maske) erscheint

17
Q

Kurzzeitgedächtnis (Mehrspeichermodell Gedächtnis)

A

▪ Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses kann über die Gedächtnisspanne
bestimmt werden
▪ Gedächtnisspanne (engl. memory span): Anzahl der Informationseinheiten, die Vp nach
einmaliger Darbietung fehlerfrei und in der richtigen Reihenfolge reproduzieren kann
▪ Beispiel: Test der verbalen Gedächtnisspanne; Liste von zufälligen Zahlen wird vorgelesen;
sofortige Reproduktion in gleicher Reihenfolge
▪ Bestimmung der maximalen Anzahl von Items, die korrekt wiedergegeben werden können
▪ Miller (1956): „Magische Zahl 7 ± 2“ (gilt für verbales Material); genaue Kapazität des KZG
ist jedoch von zahlreichen Faktoren abhängig, z.B. Artikulationsdauer & Vorwissen
FAZIT KGS:
▪ Funktion des Kurzzeitgedächtnisses (KZG) ist die kurzzeitige Speicherung
bzw. Aufrechterhaltung von Information
▪ Kapazität: ca. 7 ± 2 Informationseinheiten bzw. Chunks
▪ Dauer der Speicherung: kurz (im Sekundenbereich), wenn kein Rehearsal möglich
▪ Vergessen: #1 passiver Spurenzerfall; #2 Interferenz mit ähnlicher Information
▪ Arbeitsgedächtnis: erweitertes Modell des KZG, das nicht nur die Speicherung von
Information, sondern auch kognitive Kontrollprozesse umfasst (Baddeley et al., 2010)

18
Q

Chunking (Kurzzeitgedächtnis)

A

▪ Kapazität des Kurzeitgedächtnisses kann definiert werden durch die
Anzahl von bedeutungshaltigen Gruppen von Elementen (engl. chunks)
▪ Chunking: Gruppierung von Elementen mit Hilfe von bereits gespeicherten Einheiten
▪ Wie viel Information im KZG gespeichert werden kann, hängt also vom Vorwissen (LZG) ab
▪ Kurzzeitgedächtnis (KZG) ist somit nicht unabhängig vom Langzeitgedächtnis (LZG)

19
Q

Brown-Peterson-Paradigma (Kurzzeitgedächtnis)

A

▪ Im Brown-Peterson-Paradigma wurde die Bedeutung des Rehearsals für
die Aufrechterhaltung von Information im KZG untersucht
▪ Rehearsal: Strategien zur Speicherung, z.B. inneres (subvokales) Wiederholen
▪ Vpn sehen Trigramm aus drei Konsonanten (z.B. KQN); Wiedergabe nach Zeitintervall
▪ Unterbindung von Rehearsal: In 3-er Schritten laut rückwärts zählen (z.B. 267, 264, 261)
▪ Hypothese: Vergessenskurve zeigt exponentiellen passiven Zerfall im Kurzzeitgedächtnis

Retentionsintervall:
Zeitraum zwischen
Lern- und Testphase