VL6 _Emotion 3 Flashcards
Was ist die James-Lange-Theorie?
William James publizierte 1884 die These, dass die bewusste Wahrnehmung körperlicher Reaktionen auf äußere Reize zur emotionalen Erfahrung führt
▪ ähnliche These wurde fast zeitgleich von Carl G. Lange formuliert: → James-Lange-Theorie
▪ Emotionales Ereignis löst körperliche Veränderungen aus (z.B. Erröten, Zittern, Weglaufen)
▪ Körperliche Veränderungen & Ausdruck werden von der Person als Emotion wahrgenommen
▪ Präzisierte Fassung der Theorie: stereotype peripher-physiologische Reaktionen, nicht Motorik
▪ Implizite Annahme der Theorie: körperliche Reaktionen zeigen emotionsspezifische Muster
▪ Emotionen haben ihre Grundlage in peripher-physiologischen körperlichen Veränderungen
▪ William James (1884): „We feel sorry because we cry, angry because we strike, afraid because
we tremble, and [it is not] that we cry, strike, or tremble, because we are sorry, angry, or fearful.“
What is an emotion? (James, 1884)
Kernaussagen von James‘ Emotionstheorie:
“An object falls on a sense-organ and is apperceived by the appropriate
cortical centre; or else the latter, excited in some other way, gives rise to an idea of the same object. Quick as a flash, the reflex currents pass down through their pre-ordained channels, alter the condition of muscle, skin and viscus; and these alterations, apperceived like the original object, in as many specific portions of the cortex, combine with it in consciousness and
transform it from an object-simply-apprehended into an object-emotionally-felt.”
- Kann es körperlose Emotionen geben, d.h. Emotionen ohne Körper?
W. James: “A purely disembodied human emotion is a nonentity. […] I do not say that it is a contradiction in the nature of things […] but I say that for us, emotion dissociated from all bodily feeling is inconceivable.”
Was ist die Cannon-Bard-Theorie?
Walter Cannon (1927) hielt die periphere James-Lange-Theorie für falsch;
seiner Ansicht nach entstehen Emotionen zentral, also im Gehirn.
▪ Emotionen sind nicht eindeutig anhand physiologischer Reaktionen unterscheidbar
▪ Emotionen entstehen i.d.R. schneller als peripher-physiologische Veränderungen
▪ Chirurgische Trennung der sensorischen Verbindungen zwischen Organen & Gehirn
bringt die emotionalen Reaktionen bei Versuchstieren nicht zum Verschwinden
▪ Theorie von W. Cannon & P. Bard: sensorische Signale gehen vom Thalamus gleichzeitig
an Cortex (=subjektives Erleben der Emotion) & Hypothalamus (=physiologische Reaktion)
▪ Parallele Verarbeitung: Emotionales Erleben ist unahängig von körperlicher Reaktion
Emotion im Zwischenhirn (Diencephalon)
Das Zwischenhirn (Diencephalon) wird von anterior nach posterior in drei Hauptbestandteile unterteilt: Hypothalamus, Thalamus und Epithalamus
▪ Hypothalamus: Nuclei-Ansammlung (homöostatische Regelkreise, z.B. Hunger, Durst, Temperatur) & Hypophyse (Hirnanhangdrüse): Erzeugung & Freisetzung von Hormonen (z.B. Sexualhormone, Vasopressin, Oxytocin)
▪ Thalamus: Nuclei-Ansammlung, die größtenteils zum Cortex projizieren (sensorische Schaltstation); absteigende Projektionen aus dem Cortex beeinflussen Aktivität („Filter“)
▪ Epithalamus: Habenula (Hirnkerne mit diversen Funktionen) und Epiphyse (Zirbeldrüse): Schlaf-Wach-Regulation über die Ausschüttung des Hormons Melatonin
Thalamus
Der Thalamus ist eine bilateral angelegte Ansammlung von Nuclei und bildet den größten Teil des Diencephalons (Zwischenhirns)
▪ Zwei taubeneigroße Thalami, verbunden über Adhaesio interthalamica (evtl. Kommissur)
▪ Spezifische Kerne: afferent & efferent mit abgrenzbaren Cortexbereichen verbunden
▪ Unspezifisch: ↔ Formatio reticularis, Cerebellum, Basalganglien; diffuse Cortexprojektion
▪ „Tor zum Bewusstsein“: (fast) alle sensorischen Inputs werden im Thalamus verschaltet
Vergleich der Theorien (JL, CB)
▪ James-Lange-Theorie (peripher): Emotionen sind die Wahrnehmung von spezifischen peripher-physiologischen Reaktionen
▪ Cannon-Bard-Theorie (zentral): emotionales Erleben entsteht im Cortex, zusätzlich kommt es zu physiologischen Reaktionen
Emotionen & Querschnittslähmung
▪ Reduziertes Emotionserleben bei Querschnittslähmung wäre besser
vereinbar mit James-Lange-Theorie als mit Cannon-Bard-Theorie
▪ Hohmann (1966): Reduktion des Erlebens von Ärger & Angst;
Reduktion umso stärker, je höher die Läsion lag
▪ Neuere Studien (u.a. Chwalisz et al.,1988; Deady et al., 2010)
zeigen keinen eindeutigen Unterschied zwischen Querschnitts-
gelähmten & gelähmter Gruppe mit intakter Somatosensorik
Emotionsspezifische Erregungsmuster
▪ Eine zentrale Frage für die Formulierung von Emotionstheorien lautet, ob es spezifische Erregungsmuster für unterschiedliche Emotionen gibt
▪ Levenson et al. (1990): Vpn sollten sich in sechs unterschiedliche emotionale Zustände
versetzen; Messung peripher-physiologischer Indikatoren (u.a. Herzfrequenz & Blutdruck)
▪ Ergebnisse lassen z.T. auf einige emotionsspezifische Erregungsmuster schließen
▪ Neuere Studien & Meta-Analysen (u.a. Siegel, …, & Barrett, 2018): Emotionen können
anhand der Physiologie nicht konsistent differenziert werden, jedoch Valenz & Erregung
Physiologische Erregung & Kognition (Emotion, Marañon Adrenalin)
▪ Marañon ging aufgrund seiner Untersuchungen mit Adrenalin davon aus, dass körperliche Erregung & Kognitionen zur Emotionsentstehung beitragen
▪ Adrenalin bewirkt u.a. Anstieg von Atemfrequenz, Herzrate, Blutdruck & Gefäßerweiterung
▪ Marañon (1924): Vpn erhalten Adrenalin-Injektion & werden nach Erleben befragt; Vpn gaben
deutliche körperliche Erregung an (z.B. trockener Mund, Übelkeit & Schwäche, Nervosität)
▪ Ergebnis A: Vpn berichteten i.d.R. von „kaltem“ Erregungszustand ohne Emotion; Vpn mit Emotionen dachten laut Selbstbericht während der Adrenalin-Wirkung an emotionales Erlebnis
▪ Ergebnis B: Berichte über Emotionen traten häufiger auf, wenn ProbandInnen nach der Adrenalin-Injektion instruiert wurden, an vergangene emotionale Erlebnisse zu denken
▪ Hypothese: Emotionen entstehen dann, wenn ein emotionaler Gedanke gemeinsam mit der Wahrnehmung physiologischer Erregung auftritt; Faktor #1: Erregung; Faktor #2: Kognition
Schachter & Singer (1962)
▪ Klassisches Experiment: Versuchsdesign mit drei between-Faktoren
▪ #1: Zustand der physiologischen Erregung (Injektion von Salzlösung oder Adrenalin)
▪ #2: Erklärungsbedürfnis für den Zustand (richtig informiert oder falsch/nicht informiert)
▪ #3: Emotionsinduzierende Situation durch „Helfer“ (regte zu Euphorie oder Ärger an)
▪ Ergebnis: Vpn nahmen bei physiologischer Erregung die jeweils induzierte Emotion dann
am stärksten auf, wenn sie keine angemessene Erklärung erhalten hatten (stat. Interaktion)
Zwei-Faktoren-Theorie (Emotion)
▪ Laut Zwei-Faktoren-Theorie von Schachter & Singer (1962) basieren Emotionen auf dem Zusammenspiel von peripheren & zentralen Prozessen
Faktor #1: unspezifische physiologische Erregung
(assoziiert mit Emotionsintensität)
Faktor #2: kognitive Bewertung der Erregung
(assoziiert mit Emotionsqualität)
▪ Emotionen entstehen dann, wenn die wahrgenommene physiologische Erregung auf eine
kognitive Bewertung der Situation zurückgeführt wird, die mit Emotion vereinbar ist
▪ Theoretischer Ansatz lenkte Aufmerksamkeit der bisher physiologisch orientierten Forschung
insgesamt mehr auf den Einfluss der kognitiven Bewertungen
▪ Kritik: medikamentöse Dämpfung von Erregungszuständen (z.B. Betablocker) führt i.d.R. nicht
zu einer Abnahme des emotionalen Erlebens (Erdmann & van Lindern, 1980)
▪ Zwei-Faktoren-Theorien wurden in der Folge zunehmend von kognitiven Ansätzen verdrängt
Kognitive Theorien (Emotion)
▪ Kognitive Emotionstheorien nehmen an, dass Emotionen von subjektiven
Einschätzungen einer Situation/Reiz ausgelöst werden
▪ Subjektive Einschätzung erfolgt u.a. im Hinblick auf Werte, Ziele & Wünsche der Person
▪ Bewertungen lösen spezifische Reaktionen in physiologischen, motivationalen & expressiven
Systemen aus; die Dynamik dieser Veränderungen wird als Emotion erlebt (appraisals)
▪ Unterschiede in Persönlichkeit, Motivationslage, kulturellen Werten & anderen sozialen
Variablen (z.B. Gruppendruck) beeinflussen das Appraisal-Resultat und die Emotion
▪ Kognitive Theorien unterscheiden sich z.T. deutlich in ihren Annahmen bzgl. der genauen
Ausdifferenzierung des Appraisal-Prozesses
Appraisals (Emotionen; Lazarus-Hypothese)
▪ Magda Blondiau Arnold (1960) verwendete als erste den Begriff „Appraisal“
(Bewertung/Einschätzung) als Grundlage für die Entstehung von Emotionen
▪ Richard Lazarus hatte in den 1960er Jahren ebenfalls Einfluss auf den Appraisal-Ansatz
▪ Lazarus-Hypothese: Emotion/Stress ist das Ergebnis eines zweistufigen Bewertungsprozesses
▪ Primäres Appraisal: Hat die Situation positive oder negative Bedeutung für das Wohlergehen?
▪ Sekundäres Appraisal: Bewertung des eigenen Bewältigungsvermögens & -möglichkeiten
▪ Reappraisal: Prozess der Emotionsentstehung ist dynamisch & erfordert eine Neubewertung, wenn sich die Situation oder Bedürfnislage ändert
Emotionsrelevante Kognitionen (Appraisal Arnold, Lazarus
▪ Ein Appraisal ist die Einschätzung von Situationen/Reizen/Ereignissen als relevant für die eigene Person und das eigene Wohlergehen
▪ M. Arnold (1960): Appraisals sind i.d.R. „direkt, unmittelbar, nichtreflexiv, automatisch“
▪ R. Lazarus (1991) sah Kernthemen der Mensch-Umwelt-Beziehung im Vordergrund;
Einschätzungen bzgl. eines bestimmten Themas mit bestimmten Emotionen verbunden
▪ Übersicht über einige emotionsrelevante Kognitionen in modernen Appraisaltheorien:
▪ Antizipation: Ist Situation/Reiz/Ereignis (= Stimulus) erwartet oder unerwartet?
▪ Kontrollierbarkeit: Kann ich den Stimulus verhindern oder hervorrufen?
▪ Motivrelevanz: Ist der Stimulus relevant für meine aktuellen oder überdauernden Ziele?
▪ Bewältigungspotenzial: Welche Möglichkeiten gibt es, die Situation zu verbessern?
Appraisal-Ansätze (Emotion; Roseman)
▪ Eine Grundannahme der Appraisal-Ansätze ist, dass sich die Unterschiede zwischen Emotionen durch die Muster von Appraisals erklären lassen
▪ z.B.: Roseman (1984): Zwei Dimensionen bei der Bewertung von Ereignissen und den daraus
folgenden emotionalen Konsequenzen („Tritt ein/nicht ein“; „Wünschenswert oder nicht“)
▪ Appraisal-Theorien können gut erklären, warum verschiedene Menschen unterschiedlich auf
das gleiche Ereignis reagieren; Emotionen werden durch individuelle Appraisals differenziert