Verbalkontrakte Flashcards
Stipulationen (Verbalkontrakt)
Stipulation = Verbalkontrakt, d.h. formgebundener Vertrag (mündlich), der im Grundsatz jeden erlaubten Inhalt haben (grds. alles, was nicht Rechts- oder Sittenwidrig ist) kann und damit verpflichtend macht
* kleine Privatautonomie (da im Prinzip jeder Inhalt zulässig)
* Verpflichtung mit Aussprechen von Wortformeln
* keine Willenserklärung, sondern formelhafte Frage mit formelhafter Antwort
* Stipulator: “Gelobst du …?” – Promissor: “Ich gelobe es.”
* Begründet wird eine einseitige Verpflichtung
* abstrakte Stipulation: nur Summe wurde genannt und Möglichkeit der Klage ohne Rechtsgrund (durch exceptio doli [Arglisteneinrede] abgemildert → Einrede der unzulässigen Rechtsausübung)
* kausale Stipulation: Summe und Schuldgrund bestimmt genannt → Fehlte hier der Rechtsgrund oder war er nichtig, so wurde nichts geschuldet
* ein Strukturelement des römischen Privat- und Prozessrecht
* verschiedene Arten:
* Kautionen = Sicherheitsstipulation, die einen vom prätorischen Edikt vorformulierten Inhalt haben
* Strafstipulationen = Verspreche, von Vertragsstrafen zur Sicherung einer anderweitigen eingegangenen Verpflichtung
* Bürgschaften = Verpflichtung eines Dritten zur Sicherung der Hauptschuld
Voraussetzungen
* Physische Anwesenheit und Handlungsfähigkeit der beiden Parteien
* Fähigkeit zu sprechen und zu hören
* Verwendung identischer Verben des Versprechend in Frage und Antwort
* “geloben” war NUR römischen Bürgern nach ius civile vorbehalten
* ius gentium (alle anderen) mussten andere Worte verwenden → wenn zwei Nichtbürger sich mit „geloben“ versprechen lassen, ist dies ungültig
* Inhaltliche Kongruenz zwischen Frage und Antwort bezüglich Inhalts, Summe, Bedingungen
* Zeitlicher Zusammenhang zwischen Frage und Antwort. Einheit des Aktes
* Keine Unwirksamkeitsgründe
Grundformel:P arteien können eine Stipulation mit einem Termin oder einer Bedingung formulieren
* Termin: Befristung auf ein zukünftiges gewisses Ereignis → unmittelbare Schuld, aber Verschiebung der Durchsetzbarkeit
* Bedingung: Leistung von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht → Schuld entsteht und wird durchsetzbar mit Eintritt der Bedingung
→ grundsätzlich OHNE Publizität möglich, aber vorteilhaft für Gläubiger (im Falle einer Klage als Beweis)
Klagen aus der Stipulation
- condictio certae pecuniae → Klage auf bestimmte Summe
- condictio incerti → Klage auf Sache / andere Leistung (unbestimmter Wert, liegt im Ermessen des Richters)
Klagen aus der Stipulation sind «strengrechtlich»
* der entscheidende Richter hat kein Ermessen (nicht «nach Treu und Glauben»)
* der Richter kann nur auf den Betrag (condictio) oder den Wert (actio ex stipulatu) verurteilen, der genannt wird
* Einreden und Gegenrechte des Beklagten muss dieser beim Prätor vorbringen, damit sie in die Klage «eingebaut» werden können
Vorteile der Klage aus Stipulation
* wenn gut formulierte Stipulation (Eindeutigkeit) → dann hat man fertige Klage in der Hand und kann diese sofort durchsetzen
Nachteile der Klage aus Stipulation
* bestimmte Klage (condictio) → man kann nur einfordern, was versprochen wurde → sehr beschränkt
* unbestimmte Klage (actio incerti ex stipulatio) → Ermessensspielraum für Richter (kann nachteilig sein)
Strafstipulation
Doppelstipulation → 1. Primärlleistung (primärer Inhalt der Stipulation) und 2. Sekundärleistung (wenn nicht…dann… → Vertragsstrafe)
Sicherungsfunktion der Stipulation
* erleichtert Situtation des Gläubigers vor Gericht
* kann Unerfüllung fix einklagen (muss nicht weiter auch noch zB Höhe der Summe/des Sachenwerts beweisen)
* da bedingte Stipulation (Potestitativbedingung, d.h. Nicht-/Eintreten vom Willen des Versprechenden ab) → sichert Gläubiger in der Gewissheit, dass Leistung erbracht wird / Bedingung erfüllt wird
* wenn Bedingung NICHT erfült: Vertragsstrafe (durch Strafversprechen)
Erscheinungsformen
* echte / unselbstständige Vertragsstrafe
* Strafe wurde für den Fall versprochen worden, dass eine bestehende Verbindlichket nicht (ordnungsmäss) erfüllt wird/werden kann
* grds. kann bereits Primärleistung (alleine) mit condictio incerti verlangt werden
* ABER zustätzlich noch durch selbstständige Strafstipulation geschützt!
* Vertragsstrafe dient dazu, die erfüllung der gesicherten Stipulation zu erzwingen
* Gläubiger muss den aus der Nichterfüllung (der Primärleistung) entstandenen nicht beweisen, da er condicio certae auf festgesetzte Vertragsstrafe hat
* unechte / selbstständige Vertragsstrafe
* Strafe ist vereinbart, um eine nicht geschuldete Handlung oder Unterlassung zu erzwingen
* Primärleistung könnte selber NICHT mit actio incerti eingeklagt werden → hat keine Wahl, on actio incerti für Primärleistung oder actio certae für Strafe → es kann NUR Strafe eingeklagt werden, falls Stipulation nicht erfüllt!
Inhaltskontrolle der Stipulation (Unwirksamkeitsgründe)
Grundsatz: Stipulation ist nicht wirksam, wenn die Förmlichkeit nicht eingehalten wurden → ZUSTÄTZLICH kann die Stipulation auch aus INHALTLICHEN Gründen unwirksam sein
Stipulation unwirksam wenn:
* *objektiv unmögliche Leistung *versprochen wird
* eine rechtlich unmögliche Leistung versprochen wird
* eine sittenwidrige Leistung versprochen wird
* eine unbestimmbare Leistung versprochen wird
* unter einer objektiv unmöglichen Bedingung versprochen wird
Verbot der Stipulation für Dritte
Römisches Recht: alteri nemo stipulari potest («niemand kann sich für einen anderen versprechen lassen») → römisches Recht kennt KEINE Stellvertretung durch FREIE Personen
* Grund: freier Mensch soll sich nicht derart in die Dienste eines anderen geben → würde sonst auf die selbe Stufe wie Sklaven stellen
→ nur Personen IN GEWALT (Sklaven/Hauskinder) können Gewalthaber indirekt vertreten (sowohl zu Gunsten, als auch zu lasten des Herren)
* Ein Sklave/Hauskind kann Stipulator (Versprechensempfänger/Gläubiger) für den Herrn sein
* Ein Sklave/Hauskind kann Promissor (Versprechender/Schuldner) für den Herrn sein
Ausnahme: Strafstipulation
→ indirekte Verpflichtung gegenüber einem Dritten zulässig (in Form von Geldkondemnation) → kommt Konventionalstrafe gleicg
Stipulation zur Verwirklichung von Selbstzweck → dient dazu, eigenes Interesse zu schützen, daher Stipulation durch Dritte (mit Ausnahmen) unzulässig
Ausnahme / Möglichkeit der Umgehung→Strafstipulation
* Wie Konventionalstrafe
* Bsp.: wenn du etwas nicht tust, versprichst du 1000 Sesterzen o Stipulation z.G. Dritter nicht möglich
* d.h. «versprichst du, den Sklaven an B (Dritter) zu geben?»→geht nicht
* ABER: «versprichst du, 1000 Sesterzen zu zahlen, wenn du Sklaven nicht an B (Dritter) gegeben hast?» → Strafstipulation → zulässig
Auslegung und Haftungsfragen der Stipulation
Ambiguitas contra stipulatorem = Auslegung gegen den Stipulator (Fragenden/Gläubiger) → bei Mehrdeutigkeit des Inhalts der Stipulation wird im Zweifel die Auslegung gewählt, die dem Stipulator ungünstig ist
* Grund für die Privilegierung des Promissor:
* Stipulator formuliert die Frage (= sein Risikobereich);
* Stipulator ist der Gläubiger (= Schuldnerschutz)
* Stipulation ist ein Instrument (einseitige Verpflichtung!) des Gläubigers
→ Klage aus der Stipulation nach dem Inhalt
* grundsätzlich wird bei Stipulation eine bestimmte Summe oder ein bestimmter Inhalt (bestimmte Sache) versprochen
Versprechen einer bestimmten Summe/Sache (certum) → actio certae creditae pecuniae/actio certae rei bzw. condictio (Kondiktion)
* Klage auf Zahlung der Summe / Hingabe der Leistung
* Risiko der Zuvielforderung (pluris petitio)
Versprechen einer unbestimmten Leistung (incertum) → actio incertio ex stipulatu
* unbestimmte Klage aus der Stipulation → da Wert unbestimmt (weil Klage in Form von Geldkondemnation) hat der Richter schlussendlich Ermessensspielraum
Haftung aus der Stipilation
* grundsätzlich: Haftung des Schuldners bei Gattungsschulden → «Verewigung der Schuld» (perpetuatio obligationis): Schuldner «hat die Nichtleistung zu vertreten»
- Unmöglichkeit = die geschuldete Sache ist untergegangen
- nur nachträgliche Unmöglichkeit erfasst → da vorherige Unmöglichkeit Stipulation unwirksam macht
- falls Unmöglichkeit durch Verschulden des Versprechenden: Haftung auf Wertsatz
- condictio-Klage → muss nicht verändert, da sowieso auf Geldkondemnation gerichtet ist
- falls Unmöglichkeit nicht durch Verschulden des Versprechenden: keine Haftung
- für Unmögliches wird grundsätzlich nicht gehaftet → Klage (condictio) geht unter
- ES SEI DENN: Untergang nach Erreichen der litis contestatio = Rechtshängigkeithaftung
- litis contestatio = Moment, in dem sich Parteien & Prätor auf die Klageformel einigen
- wenn bereits im Verzug → stärkere Verpflichtung (= Gefahrtragung des Untergangs)
Gläubigerverzug (mora creditoris) kann eintreten, wenn Leistung nach Eintritt des Verzugs verweigert wird
* Folgen des Gläubigerverzugs (für alle Verträge):
* Aufhören des Schuldnerverzugs
* Wahl- und Gattungsschulden werden zu Stückschulden
* Der Schuldner haftet nur für Arglist