Besitzerwerb und Besitzübertragung Flashcards
Besitzerwerb (Allgemeines)
Besitzerwerb (possessio) = tatsächliche Sachherrschaft
- Erwerb durch “Ergreiffen” der Sache mit “Besitzeswille”
- corpore et animo = “mit Körper und Wille=
- Die Sachherrschaft richtet sich nach dem Einzelfall; massgeblich ist die Verkehrsanschauung
corpus = tatsächlcihe Sachherrschaft (“Ergreifen”)
animus = Beherrschungswille (“um die Sache innezuhaben”)
Besitzerwerb durch Unmündige ohne Zustimmung des Vormunds
Unmündige = Personen, die Geschlechtsreife noch nicht erlangt haben (m > 14J. / f > 12J.)
- infantes = Mündige, die noch nicht selbstständig handeln können
- imbuberes infantia maiores = Unmündige, aber Kindesalter hinter sich (ab 7J.)
→ Unmündige werden als handlungsunfähig angesehen → können nur wirksam rechtsgeschäftlich handeln, wenn Vormund zustimmt
Besitzerwerb durch Unmündige
- Besitz kann nur erworben werden, wenn der Erwerbende einen entsprechenden Willen haben kann
- corpore et animo fraglich, ob der Besitzwille eine rechtgeschäftliche Handlung ist oder nur rein tatsächliche Frage
- falls rechtserhebliche Handlung: Besitzwille des Unmündigen von der Zustimmung von Vormund abhängig
- falls rein tatäschliche Handlung: Besitz begrünfbar (für Unmündige)
Auch heute stellt sich die Frage, ab welchem Alter unmündige Kinder besitzen können. Die h.M. stellt auf die Urteilsfähigkeit ab und unterscheidet insb. auch nach der Komplexität der Besitzeslage. So wird vertreten, dass ein Kind von 5 Jahren sein Spielzeug sehr wohl besitzen könne, nicht aber eine Immobilie. Insoweit wird der Besitzwille relativ gestaltet und entspricht insoweit der relativen Urteilsfähigkeit. Ein weiteres Kriterium ist die Art des Besitzeserwerbs: Bei derivativem Besitzerwerb mit Traditionssurrogaten
(z.B. Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses) ist die Urteilsfähigkeit vollkommen zu verlangen; evtl. geringere Anforderungen können an einen originären Besitzerwerb (z.B. Abpflücken eines Apfels von einem Baum) begründen
Umstände zur Bestimmung der Sachherrschaft (corpus)
→ unterschiedlicher Erwerb für unterschiedliche Arten von Sachen
- Grundstücke: es genügt Betreten (mit Besitzeswille: animus)
- ist eine Sache einmal in Besitz, genügt für die Aufrechterhaltung des Besitzeswile (animus)
- wenn einmal Besitz hat & fortlaufender Wille, es weiter in Besitz zu haben, dann verliert man Besitz nicht (auch wenn vorübergehend keine Ausübung keine tatsächliche Sachherrschaft)
- “das Haus verliert nichts”
- auch wenn eine Sache im eigenen Haus verloren geht, hat Hauseigentümer weiterhin Besitz (Sachherrschaft an Sache)
Besitzerwerb (Besonderheiten)
Erwerb des Besitzes durch Dritte
- Personen im Gewaltverhältnis besitzen für ihren Gewalthaber
- zB Sklaven besitzen Peculium für Hausherren
- Detentoren besitzen für den, von dem sie ihre Berechtigung, die Sache innezuhaben, ableiten
- zB Mieter
Besitzschutz in besonderen Fällen
→ zwischen Parteien bei Besitzerwerb durch Dritte findet KEIN Interdiktenverfahren statt
- Besitzschutz richtet sich am Personen ausserhalb dieser Beziehungen (gegen [unberechtigte] Dritte)
- Interdiktenschutz kann nicht innerhalb dieser Beziehung eingreiffen
→ Fremdbesitzer (Detentoren) haben i.d.R. keinen Besitzesschutz, sondern nur für den, für den sie besitzen → Verpächter/ -mieter können Besitzschutz in Anspruch nehmen und den für die Detentoren geltend machen
- Bei der Bittleihe haben BEIDE Besitz; d.h. können den Interdiktenschutz in Anspruch nehmen
- derjenige, der precarium verliehen hat
- sowie der Prekarist
Die “Verleihung” im Besitz kann sowohl die Sachherrschaft als auch den Besitzeswillen betreffen (siehe Bsp.)
Bsp.:
- Sklave kann entscheiden, eine Sache für den Herrn zu ergreifen / Haussohn kann entscheiden, eine Sache für den Hausvater wegzugeben →Vertretung im Besitzeswillen
- Wenn jedoch Sklave nur den exakten Willen des Herren umsetzt → dann nur Vertretung in Sachherrschaft (z.B. kaufe dieses Zigarettenpack für mich)
- Vertreibung des Pächters vom Grundstück kann durch den Verpächter mit
Interdiktenschutz geahndet werden (gegen den Gewaltanwender)
Besitzverlust
Grundsatz: Aufgabe oder Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft und/oder des Besitzeswillens beendet den Besitz
Besitzeswillen kann ausreichen bei:
- Grundstücken, die der Besitzer gerade nicht bewohnt, aber weiter besitzen will
- Sklaven (als Sache), auch wenn sie weggelaufen sind
- “das Haus verliert nicht”
ABER bei weggelaufenem Vieh (im Gegensatz zu Sklaven) reicht Besitzeswille alleine NICHT aus, weil sie “weniger intelligent” sind und sozusagen ihr weglaufen nicht bewusst sind
Besitzverlust richtet sich AUCH nach Verkehrsanschauung
Besitzübertragung (traditio)
Grundsatz: Besitzübertragung verlangt Verschaffung der tatsächlichen Gewalt mit Willen des Besitzers (Sachherrschaft und Besitzeswille beim Erwerber des Besitzes)
Traditio = Übergabe der (beweglichen) Sachen → MIT Publizität! (Sichtbarmachung für Dritte = Rechtssicherheit)
Ausnahmen (nach Verkehrsanschauung)
- Bei Grundstücken: Überlassung des freien Besitzes (vacua possessio)
- Veräusserer lässt den Besitz frei, damit ihn ein anderer (Besitzerwerber) nehmen kann → Grundstück wird aus Herrschaftsbereich gelassen (offeriert)
- Übergabe von Schlüsseln, Zugangscodes anstelle der (un-)beweglichen Sache
- Anweisung zum Besitz
- A weist B an, den Besitz an Drittperson (C) auszuliefern
- Macht (von A) über diese Person (B) ersetzt die Macht über die Sache (aka tatsächliche Sachherrschaft)
→ Sache kann über die Person weitergegeben werden
Besitzsübergabe: Traditionssurrogate
brevi manu traditio (Übergabe kurzer Hand) = der besitzempfänger hat bereits tatsächliche Sachherrschaft
- zB Mieter können vom Eigenbesitzer den Besitz übertragen erhalten → Sache bereits in ihrem Besitz
- Problekmatik Publizität?
- weil äusserlich ändert sich eigentlich nichts (für Dritte schwer erkennbar)
- für Dritte aber unerheblich, ob sie sich gegen denjenigen wenden, der keinen Besitz hat
longa manu traditio (Übergabe langer Hand) = Besitzvertrag, aufgrund dessen der Geber dem Empfänger den Besitz überlässt (ohne, dass der Geber tatsächliche Gewalt überträgt) → bei BEWEGLICHEN Sachen
- zB “Die Schatulle liegt im Wald unter der grossen Eiche”
- Besitz wird aufgegeben, um der anderen Person den Besitz zu übergeben
- in dem Moment, in dem die andere Person Mitteilung erhält, hat sie Besitz
- Sonderwissen (zB Ort der Schatulle) genügt, um Besitz daran zu haben
- Vetragsschluss ersetzt Übergabe des Besitzes
- Problematik der Publizität?
- Dritte müssen sich im Streitfall näher erkundigen
Besitzkonstitution = Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnis
- der Besitzempfänger trifft mit dem Geber eine Vereinbarung, aufgrund derer der Geber jederzeit zur herausgeber verpflichtet ist
- Erwerber überlässt dem Veräusserer den Besitz, hat jedoch durch Vertrag die Möglichkeit, den Besitz jederzeit herauszufordern
- Sache wird tatsächlich erst übergeben, wenn gefordert
- aktive Forderung nötig