Besitzschutz Flashcards
Grundbegriffe
Besitz & Eigentum
Besitz = tatsächliche Sachherrschaft mit Besitzeswille
- Verkehrsanschauung: ist Person, doe grundsätzlich die Sachherrschaft ausübt für sich selbst Besitzer:in oder ist sie ggf. verpflichtet die Sache herauszugeben? – bzw. auch im Besitz der Sache ohne direkte Sachherrschaftsausübung?
- Unterscheidung zwischen Eigenbesitz vs. Fremdbesitz
- Eigenbesitzer:in = jemand, der die Sache mit dem Willen ind er Gewalt hat, für sich selbst zu besitzen
- “selbstständiger” Besitz
- wer im Glauben, Eigentümer:in zu sein, gutgläubig (& ordnungsgemäss) Früchte erntet wird darin geschützt → hoher Schutz
- Fremdbesitzer:in = jemand, die die Sache für eine andere besitzt (d.h. bereit ist, diese Sache dieser Person herauszugeben)
- “unselbstständige Besitzer:in”
- hat Sachherrschaft (corpus) inne, jedoch keinen Willen zu besitzen (animus)
- zB MIeter:in/Pächter:in
Eigentum = umfassende Berechtigung an einer Sache (Herrschaftsrecht)
Unterscheidung: Eine Person kann den Besitz an einer Sache haben, ohne der Eigentümer zu sein, und eine andere Person kann das Eigentum an einer Sache haben, ohne den Besitz daran auszuüben. Der Besitz kann auf einem rechtlichen Anspruch, einem Mietvertrag, einer Leihe oder anderen Gründen beruhen, während das Eigentum auf einem Rechtstitel, wie beispielsweise einem Kaufvertrag, einer Schenkung oder einer Erbschaft, beruhen kann.
Interdiktenverfahren
interdictum /interdictere = verbieten – besonderes Verfahren für den Besitzschutz (vgl. vorläufiger Rechtsschutz)
- “Verbot” / Regulierung der Selbsthilfe
- spezielles Verfahren vor dem Prätor, der den Parteien bestimmte Handlungen verbietet
→ Verfahren knüpft ausschliesslich an den Besitz, nicht an an das Eigentum an
- d.h. wer keinen Besitz hat (kein corpus oder kein animus) kan kein Interdikt geltend machen!
- Interdikte schützen NUR den Besitz – Eigentum hat keinen Einfluss auf Interdiktenschutz (d.h. es muss auch kein Eigentum bewiesen werden dafür)
geschützt sind
- Eigenbesitzer:innen
- bestimmte Fremdbesutzer:innen
- Erbpächter:innen = jemand, der/die das Land auf lange Dauer gepachtet hat und insofern wie ein:e Eigentümer:in nutzt
- Prekarist = jemand, der aufgrund eines precarium besitzt
- Precarium (Bittleihe)= widerrufliche Überlassung von Land zu Gebrauch und Nutzung
- «bitte leih mir dein Land» → wird genehmigt, aber kann jederzeit wiederrufen werden
- Solange er das Land brauchen & nutzen darf, wird er durch interdicti geschützt, da er das Land wie ein Eigentümer bearbeitet
- Pfandgläubiger = jemand, zu dessen Gunsten an der Sache eine Pfandrecht bestellt wurde
- Verwertung, wenn Schuld nicht gezahlt wird (Verkauf oder Nutzung)→ Pfandgläubiger kann darin nur geschützt werden, wenn er sich gegen Übergriffe von anderen wehren kann
nicht geschützt sind
- Alle Fremdbesitzer, die keinen Interdiktenbesitz haben, sind keine «Besitzer», sondern Detentoren
- Eigenbesitzer kann jedoch den Detentor dazu ermächtigen, selber Interdikte zu beantragen
Klageziele
- Interdicta alpiscendae possessionis = zur erstmaligen Erlangung des Besitzes
- Spezialfall→Erbe wird in seiner Besitzesposition (die er noch gar nicht hat, aber haben will) geschützt
- Eigentlich widersprüchlich (da «Besitzesschutz» zum Schutz des Besitzes) → hier besteht Besitz noch gar nicht, sondern wird erst erlangt
- Interdicta retinendae possessionis = zur Erhaltung des Besitzes (zum Schutz vor Störungen)
- Verbot von Störungen (prohibitorisch) (durch Prätor)
- Störung bspw. Wegnahme / Limitierung (Ausübung des Besitzes beeinträchtigt)
- Interdicta recuperandae possessionis = zur Wiedererlangung des Besitzes (Herausgabebefehl)
- Herausgabe des Besitzes (restitutorisch)
- Klagegegner = Störer→Sache wird von demjenigen, der Besitz entzogen hat, herausverlangt
Klagegegner = Besitzesstörer
1. Erlangung → Störung durch Vorenthaltung
2. Erhaltung → Störung durch (drohenden) Eingriff
3. Wiedererlangung → Störung durch erfolgte Wegnahme (verweigert Herausgabe)
Unterschied zw. Besitzer nach ius civile und Interdiktenbesitzer
* Interdiktenbesitzer kann auch bösgläubig sein!
* Interdiktenbesitzer = Eigenbesitzer
= besitzender ET
= gutgläubiger / bösgläubiger Besitzer
NICHT: Fremdbesitzer (mit Ausnahmen)
Einrede des fehlerhaften Besitzes
= Klagegener kann sich gegen Interdikt wehren, wenn der Kläger seinerseits fehlerhaft besitzt
→ Gegenrecht des Klagegegners → behauptet, dass Kläger verbotene Eigenmacht begangen hat
Fehlerhafter Besitz
- wer den Besitz aufgrund verbotener Eigenmacht erlangt hat
- gewaltsam (vi) weggenommen
- heimlich (clam) weggenommen
- Prekarist, der die Sache nicht (an Eigentümerin) herausgibt (precario)
→ Interdikt wird durch Hinweis auf das Eigentum des Störers NICHT verhindert
- reine Besitzesfrage → kommt nicht auf Eigentum an!
- Interdiktenverfahren knüpft ausschliesslich an Besitz an
- Schutz der tatsächlichen Gewalt
- Regulierung der Selbsthilfe
- Rechtsbehelfe können nebeneinander bestehen
- jedoch greift zuerst Besitzschutz → schneller
- danach kann “immer noch” Eigentumsklage geltend gemacht werden
Interdikt: “wie ihr besitzt” (uti possidetis)
Bezeichnung des Interdikts “uti possidetis” = wie ihr besitzt → Ableitung von Anfangsworten der vom Prätor verwendeten Verbotsformel
→ prohibitisches Interdikt: Prätor untersagt eigenmächtige Besitzesänderung (Verbot der verbotenen Eigenmacht / Gewaltverbot)
→ betrifft Grundstücke (bzw. deren Besitz)
- Wirkung für beide Parteien
- Ist der jetzige Besitzer dem Gegner gegenüber fehlerfreier Besitzer, dann darf der Gegner jetzt keine Gewalt mehr anwenden
- Bei fehlerfreiem Besitz spricht der Prätor das Verbot aus; Besitzesposition des jetzigen Besitzers wird gestärkt
- uti possidetis schützt immer NUR fehlerfreien Besitzer
- Ist der jetzige Besitzer gegenüber dem Gegner in unerlaubter Eigenmacht, weil er aufgrund von Gewalt, heimlich oder aufgrund einer Bittleihe besitzt, dann darf er die Wiedererlangung durch den Gegner nicht verhindern
- derjenige, der mal Besitzer war und dem der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen wurde, darf durch Selbsthilfe (Gewalt / heimlich) den Besitz zurückverlangen
- Verbot der eigenmächtigen Besitzesänderun gilt dann gerade nicht für denjenigen, der früher bessessen hat
→ Gewaltsamer Entzug muss bewiesen werden
→ Interdikt kann nicht dadurch verhindert/entkräftet werden, indem der fehlerhafte Besitzer eines Eigentums erweist (weil Interdikt schützt nur Besitzlage)
Wirkung des Verbots hängt von Zustand ab:
- wer ist aktueller Besitzer?
- ist der Besitz durch unerlaubte Eigenmacht erlangt, oder nicht?
- Schutz nur für fehlerfreie Besitzer
- d.h. auch wenn durch Gewalt entwendet; aber dann mit Gewalt zurückgeholt, dann ist man dennoch fehlerhafter Besitzer
- wenn selbst keine Gewalt angewendet (fehlerfreier Besitz), so kann durch uti possidetis der Besitz zurückerlangt werden
→ Besitz durch uti possidetis erlangen kann vorteilhaft sein, auch wenn fehlerhafter Besitzer ziviler Eigentümer ist
- ziviler Eigentümer kann die ET-Stellung nicht im Interdiktenschutz geltend machen
- wenn er dann rei vindicatio geltend macht, lann er lediglich auf Weg verklagen
Interdikt: “bei welchem von Euch” (uturbi)
Bezeichnung uturbi = “bei welchem von Euch”
→ prohibitorisches Interdikt: Prätor untersagt eigenmächtige Besitzesänderung
betrifft bewegliche Sachen
- zeitliche Komponente: Interdikt schützt den, der innerhalb des letzen Jahres, vom erlass der Interdikts zurückgerechnet, den längeren fehlerfreien Besitz hatte
- wichtig, da bewegliche Sachen Besistz viel häufiger wechseln
- Prätor kann verfügen, dass sich der unberechtigte besitzer nicht durch Herausverlangung durch den berechtigten Besitzer wehren darf
Vorraussetzungen
1. bewegliche Sache
2. fehlerhafter Besitz des Besitzers durch verbotene Eigenmacht
3. keine unerlaubte Eigenmacht durch früheren Besitzer
4. Besitzzeit (gilt nur bei 2 gutgläubigen Besitzern)
Berechnung der Besitzzeit
- derjenige ist besser berechtigt, der länger im (fehlerfreien) Besitz war
- Berechnung nach grösserem Teil eines Jahres erfolgt durch Rückrechnung
- Anrechnung fremder Besitzeszeit: Rechtsnachfolge in den Besitz, zB durch Erbfall / Kauf / Schenkung
Interdikt: “Wovon du jenen mit Gewalt vertreibt hast” (unde vi)
Bezeichnung unde vi = “ wovon du jene mit Gewalt verjagt hast”
→ restitutorisch: Prätor setzt den mit Gewalt Verjagten wieder in den Besitz hinein
→ betrifft nur Grundstücke
- Sanktion eigenmächter gewaltsamer Besitzentziehung
- Grund? → häuftig handelt sich hier um die schwächere Partei, die sich den Besitz nicht aus eigener Gewalt zurückholen könnte
- grundsätzlich gelten andere Interdikte zwar, aber Waffengleichheit vorausgesetzt!
- Präter zwingt somit zu Gunsten der schwächeren Partei den anderen, Besitz wieder herauszugeben
- bei fehlerhaftem Besitz
- Besitz der Restitution des Besitzes
- → starker Eingriff in Privatautonimi
- befristet auf 1 Jahr
- Ausnahme: hat Kläger selbst fehlerhaften Besitz erlangt ≠ Restitution
-
Sonderfall (Qualifikation)
- unde vi armata = “wovon du jenen mit Waffengewalt vertrieben hast”
- Einrede des fehlerhaften Besitzes gilt hier NICHT
- Auch wenn Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt wurde (fehlerhafter Besitz), darf der früherer Besitzer nicht mit Waffengewalt den Besitz zurückerlangen → falls er dies tut, so ist der jetzige (fehlerhafte) Besitzer dennoch im Besitz geschützt
- Wenn man mit Waffengewalt vertreibt, dann muss man sogar an den restituieren, der mir gegenüber fehlerhaft besessen hat
→ Einrede des fehlerhaften Besitzers gilt nicht bei Waffengewalt
- Einrede des fehlerhaften Besitzes gilt hier NICHT
- unde vi armata = “wovon du jenen mit Waffengewalt vertrieben hast”