Rechtswissenschaft und juristische Methode Flashcards

1
Q

Was sind die Merkmale juristischer Logik?

A
  • Mehrheitlich deduktives Vorgehen
  • Induktives Vorgehen nur in Teilbereichen
  • Grundsätzlich keine Experimente, Rechtssicherheit steht im Vordergrund
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2
Q

Was ist Deduktion?

A

Deduktion ist eine wissenschaftliche Methode, bei der von einem Allgemeinen auf ein Besonderes geschlossen wird.

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3
Q

Wo im Recht arbeitet man auf deduktive Weise?

A

Jede Norm regelt auf generelle und abstrakte Weise eine Vielzahl von Fällen. In der Rechtsanwendung finden diese Regeln ihre konkrete und spezielle Anwendung. Die allgemeine Regel wird so auf den speziellen Fall angewandt und ist grundlegend für sämtliches juristisches Arbeiten.

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4
Q

Was ist Induktion?

A

Induktion ist eine wissenschaftliche Methode, bei der von verschiedenen Einzelfällen auf eine allgemeine Regel geschlossen wird.

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5
Q

Wo im Recht arbeitet man auf induktive Weise?

A
  • Systemgewinnung aus Einzelfällen im englischen Common Law. Hierzu nicht unähnlich ist die Aufbereitung der gesamten Rechtsprechung zu einem Thema (Aufarbeitung der Kasuistik)
  • In der Rechtsetzung: Erarbeitung oder Anpassung des Rechts aufgrund von Einzelfällen
  • In der Rechtsanwendung: bei der Lückenfüllung
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6
Q

Führe aus: Das Recht besteht aus einem wertenden und einem normativen Element.

A

«Spezifisch juristisch ist es, logisches, formales Denken mit Wertungen zu verknüpfen, welche als Regeln Geltung beanspruchen.»

Nun nimm irgendeine Norm, z.B. StGB 111: Dass es verboten ist zu töten, ist eine Wertung, die wir als Gesellschaft so vorgenommen haben. Ob jemand im konkreten Einzelfall getötet hat oder nicht, ist nochmals die juristische Beurteilung, zu der wir nach einem klaren Verfahren und unter Anwendung klarer Regeln gelangen können.

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7
Q

Führe aus: Wertungen sind stets relativ.

A

Wertungen sind immer relativ – eine absolute, universale und autonome Wertung ist nicht möglich.
Konkretes Anwendungsbeispiel: «Sittenwidrige Verträge»

-> Was sittenwidrig ist, kann nicht genau eruiert werden, wenn man sich das ehrlich eingesteht. Es gibt wohl eine bundesrechtliche Kasuistik, aber Richter sind auch nur Menschen und zwei Menschen empfinden selten dasselbe als sittenwidrig. Darüber hinaus ändert sich das Ganze natürlich über die Zeit. Vor 30 Jahren war noch so einiges sittenwidrig, was heute ganz normal ist. Daneben ist im Tessin u.U. sittenwidrig, was in Zürich in Ordnung ist, oder umgekehrt.

-> Eine Wertung ist daher nie beweisbar, aber immer begründbar

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8
Q

Was bedeutet «Das Recht ist normativ»?

A

Das Recht ist eine Sollensordnung, d.h. es ist präskriptiv und nicht deskriptiv (wie z.B. die Naturwissenschaften).
Recht hat damit einen Ordnungscharakter und will nicht einfach nur erklären.

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9
Q

Wertungsfragen können zu Interessenabwägungen innerhalb der Rechtsordnung führen. Nenne ein Beispiel aus dem Privatrecht!

A

Stell dir vor: K kauft von V eine Uhr. V ist aber nicht Eigentümer, ihm wurde die Uhr von seinem Bruder B geliehen. Dieser will die Uhr nun wiederhaben.

Grundsätzlich gilt das Eigentumsrecht absolut nach ZGB 641. Aber auch das Prinzip des Vertrauensschutzes gilt im Privatrecht. Hiernach ist der gutgläubige Erwerb einer Sache zu schützen, wenn der Käufer sie in guten Treuen erworben hat, also gutgläubig war.

Es fragt sich, wessen Schutz höher zu gewichten ist: De Schutz des Rechtsverkehrs oder der Schutz des Eigentums. Schützt man das Eigentum um jeden Preis, ist ein sicherer Rechtsverkehr wegen gestohlener Gegenstände nicht mehr möglich. Man muss sich ab einem gewissen Punkt darauf verlassen können, dass man kaufen darf.

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10
Q

Mit welchen Fragen können Wertungsurteile überprüft werden?

A
  • Was ist überhaupt die richtige Frage?
    Das Recht knüpft an bestimmten Sachverhalten an. Diese ergeben sich aus dem Recht selbst.
  • Ist der Sachverhalt richtig erfasst?
  • Gibt es schon ähnliche Urteile? Ist dabei der Sachverhalt auch ähnlich genug?
  • Sind verschiedene Lösungen möglich und gegeneinander abwägbar?
  • Kann die Lösung vernünftigerweise verallgemeinert werden?
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11
Q

Was ist Begriffsjurisprudenz?

A

Begriffsjurisprudenz ist eine Theorie der Rechtsfindung des 19. Jahrhunderts und arbeitet vornehmlich mit klar definierten Rechtsbegriffen, ohne Raum für Wertung.

 Nach der Aussage von C. Savigny wird mit juristischen Begriffen «gerechnet».
Die Begriffsjurisprudenz hatte natürlich auch einen dogmatischen Antagonisten auf den Plan gerufen: Das Freirecht.
Beide sind heute nur noch von historischem und allenfalls intellektuellem Interesse.

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12
Q

Was ist teleologische Jurisprudenz?

A

Teleologische Jurisprudenz ist eine Theorie der Rechtsfindung des 19. Jahrhunderts und sucht die Erarbeitung des Zweckes hinter dem Gesetz als Auslegungshilfe.

-> Es handelt sich um die Theorie, die zurückgeht auf Rudolf von Jherings Werk: Der Zweck im Recht.

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13
Q

Was ist Interessenjurisprudenz?

A

Interessenjurisprudenz ist eine Weiterführung der teleologischen Jurisprudenz. Sie führt diese weiter durch die Anerkennung der verschiedenen Interessen, welche im Gesetz ihren Kompromiss gefunden haben.

 Gesetze beruhen regelmässig auf verschiedenen Interessen und versuchen diese zu einem «sinnvollen» Ausgleich zu führen, z.B. Interessen von Konsument und Verbraucher oder Mieter und Vermieter

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14
Q

Was ist Wertungsjurisprudenz?

A

Wertungsjurisprudenz ist eine Weiterentwicklung der Interessenjurisprudenz. Die Wertungsjurisprudenz nimmt die Wertung des Gesetzgebers in der Abwägung der verschiedenen, antagonistischen Interessen auf.

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15
Q

Was ist Sinn und Zweck der Rechtsauslegung?

A

Die Auslegung des Rechts hat zum Zweck, die auszulegende Rechtsnorm zu verstehen. Dies bedingt natürlich, dass die betreffende Norm auslegungsbedürftig ist und stellt die Frage, wann eine Norm auslegungsbedürftig ist. Ist sie es, so muss nach der konkreten Methode der Auslegung gefragt werden.

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16
Q

Wann ist eine Norm auslegungsbedürftig?

A
  • Die Sprache ist immer unpräzise
  • Eine Norm ist generell-abstrakt, sie muss also ohnehin konkretisiert werden
  • Häufig ist der Gesetzgeber selbst etwas unpräzise, im Parlament sitzen ja nicht zwingend Juristen
  • Was Auslegung, Interpretation, Bedeutungsermittlung eines sprachlichen Ausdrucks allgemein und konkret heisst, ist selbst theorieabhängig
17
Q

Welche sprachliche Schwierigkeit spielt in der Schweiz bei der Auslegung eine weitere Rolle?

A

In der Schweiz werden drei offizielle Amtssprachen vom Bundesgesetzgeber verwendet; Deutsch, Französisch und Italienisch. Die Gesetzestexte sind nebeneinander absolut gleichberechtigt.

Eine Übersetzung ist aber niemals wortwörtlich. So können sich schon unterschiedliche Bedeutungen aus dem Wortsinn ergeben. Das bringt Schwierigkeiten, aber auch zusätzliche Freiheiten für die Auslegung.

18
Q

Definiere Gesetzeslücke!

A

Eine Lücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts.

19
Q

Was ist qualifiziertes Schweigen?

A

Das Schweigen des Gesetzgebers ist durch die Intention und ihre Verwirklichung im Gesetz qualifiziert, den betreffenden Sachverhalt nicht zu regeln. Da solche Lücken im Gesetz bewusst und gewollt sind, sind sie von der Auslegung zu respektieren.

20
Q

Wann liegt eine offene Lücke vor?

A

Eine offene Lücke (oder Lücke «praeter legem») liegt immer dann vor, wenn das Gesetz etwas zu regeln unterlässt, was es regeln sollte. Solche Lücken können im Gesetz angelegt sein oder sich durch neue Sachverhalte – etwa durch die technische Entwicklung – ergeben.

21
Q

Was ist eine verdeckte Lücke?

A

Eine verdeckte Lücke liegt dann vor, wenn ein Gesetz einen Sachverhalt erfasst, der gerade nicht erfasst werden soll. Die Regelung kann sinnvollerweise nicht angewendet werden, es braucht eine Ausnahmeregelung.
Die Norm kann dann teleologisch reduziert und die Lücke durch Auslegung geschlossen werden.
(eigener Nachtrag: Wikipedia: «…, wenn die Lücke in dem Fehlen einer Ausnahme von einer Regel besteht»)

22
Q

Was ist eine Lücke «intra legem»?

A

Von einer Lücke «intra legem» spricht man zuweilen, wenn ein abstrakter, unbestimmter Rechtsbegriff vorliegt. Da die Norm jedoch eine Regelung enthält (nur eben eine abstrakte), liegt gerade keine Lücke vor.

23
Q

Welche Elemente der Auslegung gibt es?

A
  • Grammatisches Element
  • Systematisches Element
  • Teleologisches Element
  • Historisches Element
24
Q

Womit beschäftigt sich das grammatische Element der Auslegung?

A

Das grammatische Element der Auslegung beschäftigt sich mit dem Wortlaut der Norm. Der Wortlaut ist Ausgangspunkt jeder Auslegung.
Entsprechend muss auch immer geprüft werden, ob der Normsinn dem Wortsinn entspricht.

25
Q

Was ist der Wortlaut einer Norm?

A
  • Der Wortlaut bezeichnet den eigentlichen Normtext
  • Er ist jedoch nicht allzu hoch einzuschätzen
  • Der Wortlaut ist «nur der unvollkommene Ausdruck des wiederzugebenden gesetzgeberischen Gedankens» (A. Meyer-Hayoz)
26
Q

Was bedeutet der Wortlaut einer Norm für die Auslegung?

A

Wenn der Wortlaut nur der unvollkommene Ausdruck des gesetzgeberischen Gedankens ist, dann wird auch klar, dass der Wortlaut nicht Ziel der Auslegung sein kann. Aber der Wortlaut ist der Ausgangspunkt der Auslegung und damit ein wesentliches Element.
Der Wortlaut ist bewusst gewählt, d.h. mit der Wahl des Wortlauts hat der Gesetzgeber bereits eine Entscheidung getroffen.

27
Q

Welche Hilfsmittel und Ausgangspunkte dienen zur grammatischen Auslegung?

A
  • Gesetzestext
  • Gesetzestitel und Marginalien
  • Gesetzestext in allen Landessprachen
  • Schriftgestaltung, z.B. Hervorhebungen, Satzzeichen, Absätze usw.
28
Q

Worin besteht das historische Element der Auslegung?

A

Das historische Element befasst sich mit demjenigen Sinn, welcher der Gesetzgeber dem Gesetz ursprünglich beigemessen hat und der Grund, der zur Einführung des Gesetzes oder der Norm geführt hat.

29
Q

Worin besteht das systematische Element der Auslegung?

A

Keine Norm ist isoliert für sich allein zu betrachten, sondern ist immer eingefügt in eine Reihe von Normen zu einem bestimmten Gegenstand.
Eine Norm soll daher auch aus und in ihrem Zusammenhang mit den anderen Normen verstanden werden. Dabei spielen auch die übergeordneten und u.U. untergeordneten, die allgemeinen und die speziellen Regeln eine Rolle.

30
Q

Welches Gebot der Auslegung ist auf das systematische Element zurückzuführen?

A

Jedes Gesetz soll verfassungskonform ausgelegt werden, was Ausfluss des systematischen Auslegungselements ist.
So ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung bei Vorliegen mehrerer Interpretationsmöglichkeiten diejenige zu wählen, die am ehesten verfassungskonform ist.

31
Q

Worin besteht das teleologische Element der Auslegung?

A

Das teleologische Element der Auslegung befasst sich mit dem Zweck («telos») der Norm, also der gesetzgeberischen Absicht hinter der Norm. Man nennt dies auch die «ratio legis».

32
Q

Woraus kann auf den Zweck eines Gesetzes geschlossen werden?

A
  • Die Norm selbst
  • U.U. ein Zweckartikel betreffendes Gesetz
  • Systematische Überlegungen
  • Materialien zum Gesetz (v.a. die Botschaft zum Gesetz, aber auch Debatten und andere Dokumente)
33
Q

Erkläre das realistische Element.

A

Das realistische Element ist ein materielles Element. Eine Gesetzesnorm soll praktikabel sein.
Daher muss sie Rücksicht auf die Grundlagen der zu ordnenden Lebensverhältnisse - insbesondere auf die auf dem Spiele stehenden Interessen - aber auch auf die Durchsetzbarkeit und Klarheit einer Regelung nehmen.

34
Q

Was ist ein Umkehrschluss?

A

Ein Umkehrschluss bedeutet, dass aus der Nichtregelung eines Sachverhalts gefolgert wird, dass diese Nichtregelung der richtig bestimmten Bedeutung der Norm entspricht.

(eigener Nachtrag: Wikipedia: «Schlussfolgerung, die darin besteht, dass ein Rechtssatz, der einen bestimmten abgegrenzten Tatbestand regelt, für die nicht genannten Fälle nicht anwendbar ist»)

35
Q

Was ist ein Analogieschluss?

A

Beim Analogieschluss wird eine Regelung auf einen von ihr nicht erfassten Sachverhalt erstreckt.

(Eigener Nachtrag: Wikipedia: «logisches Schlussverfahren, bei dem von der Übereinstimmung zweier Dinge in einigen Punkten auf Gleichheit auch in anderen Punkten geschlossen wird»)

36
Q

Was ist der Erst-Recht-Schluss?

A

Durch einen Erst-Recht-Schluss wird von der Regelung des weniger gewichteten Falles auf die Regelung des gewichtigeren Falles oder umgekehrt geschlossen.

(Eigener Nachtrag: Beispiel: «Wenn das Klauen eines Bleistiftes schon eine Geldbusse mit sich zieht, dann muss das Stehlen eines Portemonnaies erst recht mit einer Busse bestraft werden!»)

37
Q

Welches Verhältnis haben die Auslegungselemente zueinander?

A

Die verschiedenen Auslegungselemente sind immer zu kombinieren. Es wird dementsprechend auch vom Bundesgericht ein Methodenpluralismus verlangt.

38
Q

Wie werden Internationale Rechtsordnungen ausgelegt?

A
  • Völkerrechtliche Auslegung von Vertragsrecht
  • Wortlaut
  • Systematik
  • Teleologie
  • EMRK
  • Auszulegende Normen sollen «practical and effective» sein
  • EU-Recht
  • Dem «effet utile» kommt eine herausragende Rolle zu
    (Eigener Nachtrag: Wikipedia: «Grundsatz, eine Norm so auszulegen und anzuwenden, dass das Vertragsziel am besten und einfachsten erreicht werden kann.»)