Die gesellschaftliche Ordnungsfunktion des Rechts Flashcards

1
Q

Ordnet Recht nur «äusseres Verhalten» oder auch Überzeugungen?

A

Die soziale Ordnung, welche das Recht primär zu erreichen sucht, ist formal zu verstehen. Es geht darum, sich an die Ordnung zu halten und nicht darum, dabei auch zu frohlocken.
Die rechtliche Regelung von Überzeugungen wäre sogar zutiefst problematisch.

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2
Q

Wie hoch soll der Grad an Abstraktion im Recht sein?

A

Ein allzu genau geregeltes Gesetz unterbindet Rechtsfortentwicklung und auch die sinnvolle Arbeit der Gerichte. Das Recht wird dann zu mathematisch.

Ein allzu allgemein geregeltes Gesetz bedarf einer zu freien Interpretation und mag den Erfordernissen der Rechtssicherheit nicht mehr genügen.

Es gilt also, den Spagat zwischen Rechtssicherheit und Offenheit zu finden.

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3
Q

Ist Verbindlichkeit ein Wesensmerkmal des Rechts?

A

Im Grundsatz ist Recht dadurch bestimmt, dass man es auch zwangsweise durchsetzen kann. Es soll verbindlich sein.
Das ist jedoch ein Grundsatz und kein bestimmendes Abgrenzungskriterium.

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4
Q

Nenne Beispiele, wo Recht – in welcher Form auch immer – nicht verbindlich ist?

A
  • Gentlemen’s Agreement (eigener Nachtrag: Wikipedia: «…, eine nur moralisch, aber nicht rechtlich verbindliche Vereinbarung»)
  • Letters of Intent (eigener Nachtrag: vertragsrecht.ch: «ein- oder zweiseitige Vereinbarung, in der eine ernsthafte, aber unverbindliche Absicht festgehalten wird, einen künftigen Hauptvertrag zu schliessen.»)
  • Soft Law (ganz allgemein) (eigener Nachtrag: Wikipedia: «nicht verbindliche Übereinkünfte, Absichtserklärungen oder Leitlinien»)
  • Gewisse völkerrechtliche Verträge
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5
Q

Wozu braucht es organisierten staatlichen Zwang?

A

Recht muss grundsätzlich durchsetzbar sein, das bedeutet immer auch einen Rückgriff auf organisierten Zwang. Die Verhinderung von Gewaltausübung durch Private oder Selbsthilfe ist Ziel jeder Rechtsordnung. Übrig bleibt die Organisation des Zwanges durch den Staat, das Gewaltmonopol des Staates.

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6
Q

Was ist «Selbsthilfe»?

A

Selbsthilfe ist eine Handlung des Einzelnen zur Durchsetzung eines rechtlichen Anspruchs ohne Inanspruchnahme staatlicher Gewalt (bspw. Notwehr)

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7
Q

Gibt es noch Raum zur Selbsthilfe?

A

Selbsthilfe ist grundsätzlich nicht mehr erlaubt und stellt meist selbst eine strafbare oder rechtswidrige Handlung dar. So kann z.B. der Eigentümer eines Gegenstandes diesen zwar von jedermann herausverlangen, aber der Besitzer ist in seinem Besitze eben auch geschützt.
Im Rahmen des Gesetzes gibt es die Selbsthilfe aber noch, z.B. in Form von Notwehr und Nothilfe – wenn auch nur in relativ engen Grenzen.

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8
Q

In welchen Gesetzen ist die Ausübung staatlichen Zwanges geregelt?

A

Grundsätzlich ist das immer im formellen Recht geregelt.
* Alle Prozessordnungen (z.B. ZPO, StPO, usw.)
* SchKG
* Einzelne Normen in sehr vielen Gesetzen

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9
Q

Nenne die grundsätzliche Aufteilung von Prozessrechten

A

Unterschieden werden privatrechtliche Streitigkeiten, strafrechtliche Streitigkeiten und verwaltungsrechtliche Streitigkeiten.
Diese 3 Prozessgegenstände haben je ihr eigenes Verfahrensrecht.

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10
Q

Welches ist in jedem Verfahren grundsätzlich immer die letzte richterliche Instanz?

A

Das Bundesgericht ist in der Schweiz grundsätzlich die letzte richterliche Instanz in allen Streitigkeiten.

Beachte:
U.u. ergibt sich die Möglichkeit eines Weiterzugs der Sache an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sofern eine Grundrechtsverletzung im Sinne der EMRK vorliegt. Praktisch relevant ist dies jedoch nur im Verhältnis Staat-Bürger, also im Straf- und Verwaltungsverfahren (nicht im Zivilen [Bürger-Bürger])

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11
Q

Was kann man auf zivilrechtlichem Weg erzwingen?

A
  • Realerfüllung (z.B. Leistung des Kaufgegenstandes, oder die Duldung eines bestimmten Zustandes)
  • Geldforderung (z.B. anstelle einer unmöglich gewordenen Realerfüllung oder Barzahlung der Ersatzvornahme bei Verweigerung des Tätigwerdens)
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12
Q

Beispiele für nicht erzwingbares Recht?

A
  • Rein logisch kann im hierarchischen System des Rechts der obersten staatlichen Behörde nur begrenzt eine Pflicht zu einem bestimmten Handeln auferlegt werden. Dieser Einwand ist daher ein logischer, weil die oberste rechtschaffende Behörde ja nicht schon vor der Schaffung eines Rechts dazu verpflichtet werden, ebendieses Recht zu schaffen.
  • Gewisse Normen des Völkerrechts sind nicht vollständig durchsetzbar
  • Nach der Verjährung ist Recht, obwohl immer noch gültig, nicht mehr durchsetzbar.
  • Naturalobligationen sind nicht durchsetzbar (z.B. Schulden aus Spiel und Wette)
  • Teilweise ist ein gesetzliches Recht nicht zwangsweise durchsetzbar, sondern lässt demjenigen, der die Regel nicht befolgt, nur einen Rechtsnachteil erwachsen
  • Darüber hinaus gibt es auch im Gesetz Sollens-Vorschriften, deren Befolgung nicht verbindlich sein will
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13
Q

Was ist eine Konventionalstrafe?

A

Eine Konventionalstrafe ist eine vertragliche Sanktion für den Fall, dass einer der Vertragspartner eine vertragliche Pflicht nicht einhält.
Es handelt sich um eine Form privater Sanktionen. Die Vertragsparteien vereinbaren für den Fall der Nichteinhaltung vertraglicher Pflichten eine Strafgeldzahlung, unabhängig von einem allfällig eingetretenen Schaden. Die Konventionalstrafe ist üblich und bindet die Beteiligten effektiv an die getroffenen Pflichten, sie findet daher auch eine Regelung im Gesetz in Art. 160ff. OR.
-> ein Pendant dazu gibt es auch im Vereinsrecht, nämlich Vereins- und Verbandsstrafen

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14
Q

Wie umfassend soll die Rechtsordnung sein?

A

Hierzu ein Zitat von Charles de Secondat, Baron von Montesquieu:

«Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es nötig, kein Gesetz zu machen.»

Obwohl die gesetzliche Ordnung umfassend sein soll, sind und müssen viele Bereiche des menschlichen Lebens unberührt von gesetzlichen Bestimmungen bleiben.
Als Beispiele mögen Gebote der Höflichkeit oder eine unterlassene Hilfeleistung an einem leicht Verletzten dienen.

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15
Q

Was fällt dir ein zur Prozessökonomie und Durchsetzbarkeit von Recht?

A

Es muss gefragt werden, inwieweit die Durchsetzung von Recht sinnvoll bleibt, insbesondere bei Streitigkeiten mit Bagatellcharakter. Zur Veranschaulichung mag die Mitnahme eines gebrauchten Bleistifts in einer Hotellobby dienen.
Die römisch-rechtliche Maxime, wonach der Richter sich nicht um Bagatellen zu kümmern hatte, ist heute umstritten. Das Bundesgericht hat aber eine Schadenersatzklage wegen Fr. 5.30 als missbräuchlich abgewiesen, das Zürcher Obergericht eine um Fr. 14.30 jedoch gutgeheissen.
Ob sich ein Prozess für einen Schaden von Fr. 300.- lohnt, ist eine berechtigte Frage. Es gilt jedoch zu beachten, dass dieser Betrag in den entsprechenden finanziellen Verhältnissen sehr viel sein kann. Das darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die Kosten eines Gerichtsverfahrens nur selten in einem angemessenen Verhältnis zum Streitwert stehen.

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16
Q

Beschreibe die Funktion des Rechts im Hinblick auf Konfliktvermeidung!

A

Einerseits trägt das Recht durch die Regelung der Verhältnisse und Nutzung zur Konfliktvermeidung bei. Man verhält sich regelkonform, dann gibt es keinen Grund für Konflikte.

Andererseits gibt das Recht klare Anweisungen auch im Streitfall und bietet Möglichkeiten zur Durchsetzung von Ansprüchen, eliminiert also unerwünschte Selbsthilfe.

17
Q

Konflikte werden auch durch endgültigen Abschluss eines Streits bewältigt. Nenne entsprechende Rechtsinstitute!

A

Verjährung und Verwirkung

Neben dem materiellen Recht kommt dies aber auch im prozessualen Recht zur Geltung. Zum einen ist es in einem Prozess nicht unbeschränkt möglich, neue Vorbringen und Anträge zu stellen. Nach der Hauptverhandlung ist damit - abgesehen von Ausnahmen (wie z.B. echte «Noven») - fertig. Darüber hinaus gibt es einen Instanzenzug, der in den meisten Fällen spätestens beim Bundesgericht sein Ende findet. Hier macht das Gesetz aber bereits erste Unterscheidungen. Nicht mit allen Streitigkeiten kann man überhaupt bis vor das BGer gelangen. Ein Urteil wird dann irgendwann rechtskräftig, d.h. es ist entschieden und der Entscheid gilt. Das muss auch - Ausnahmen ausgenommen - dann noch gelten, wenn sich das Recht 1 Jahr nach Fallabschluss ändert.

18
Q

Differenziere Verjährung und Verwirkung!

A

Durch die Verjährung kann ein Recht nach dem Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden.
Durch die Verwirkung geht ein Recht automatisch durch Zeitablauf oder andere Gründe unter.

19
Q

Was meint die Bezeichnung «normative Ordnung»?

A

Das Recht zielt auf ein Sollen ab. Dinge sollen sein, wie man sie bestimmt hat.

Im Gegensatz dazu beschreiben die Naturwissenschaften das Sein. Die Dinge sind auf eine gewisse Art und Weise, das sagt aber nichts darüber aus, wie sie sein sollten. Das sorgt heute noch für rote Köpfe, denn es existiert keine zwingende Verbindung zwischen Recht und Wissenschaft. Was man rechtlich wünscht ist eine Wertungsfrage und nicht wissenschaftlich ergründbar.

20
Q

Was ist eine Fiktion (im juristischen Sinne)?

A

Fiktion bedeutet, dass der Gesetzgeber einen Sachverhalt gewissen Rechtsfolgen unterwirft, obwohl nicht alle Tatbestandselemente erfüllt oder ungewiss sind und daher offenbleiben.

Fiktionen im Gesetz werden oft mit Worten wie «gilt» oder «gelten» erkennbar gemacht.
Beispiel: Wenn ein Käufer ein Auto gekauft hat, dieses Auto aber mangelhaft ist, fingiert das Gesetz, dass er mit Mangelhaftigkeit einverstanden ist, sofern er sich wegen des Mangels nicht zur Wehr setzt und Mängelrüge (Art. 201 Abs. 2 OR) erhebt.

21
Q

Was ist eine Vermutung (im juristischen Sinne)?

A

Eine gesetzliche Vermutung besteht dann, wenn das Gesetz einen bestimmten Sachverhalt bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.

Es handelt sich damit grundsätzlich um eine Beweislastregelung. Eine gesetzliche Vermutung kann umgestossen werden, indem der richtige Beweis erbracht wird. Im Gegensatz dazu kann eine gesetzliche Fiktion nicht durch Beweise umgestossen werden.

Ein Beispiel soll dies veranschaulichen:

Art. 97 Abs. 1 OR statuiert: Der nicht gehörig erfüllende Schuldner haftet, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last fällt. Das Gesetz vermutet also, dass er schuldhaft gehandelt hat. Er kann sich von dieser Schadenersatzpflicht aber mit dem entsprechenden Beweis befreien.