Recht und Sittlichkeit Flashcards

1
Q

Was ist Moral (bzw. Sittlichkeit)?

A

Moral ist ähnlich der Sitte eine soziale Ordnung ohne Anspruch auf rechtliche Gültigkeit, beinhaltet aber eine wertende Komponente.
Diese Definition ist dem Buch Forstmoser/Vogt eigen. Andere Definitionen sind durchaus möglich.

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2
Q

Was unterscheidet Sitte und Moral?

A

Moral beinhaltet eine wertende Komponente, die Sitte nicht.

Was «man» also tut entspricht wohl der Sitte, ist aber deswegen nicht zwingend sittlich (moralisch).

Die Moral (Sittlichkeit) stellt somit mehr auf die inneren Vorgänge ab, die ja bei Recht und Sitte keine Rolle spielen.

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3
Q

Was haben Moral & Recht gemeinsam?

A

Wiederum handelt es sich bei der Moral und beim Recht um normative Ordnungen, also um zwei Sollensordnungen.

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4
Q

Was sind die Unterschiede von Moral und Recht?

A

Während Recht erst in einer Gesellschaft zum Tragen kommt, kann eine moralische Ordnung bereits für ein einzelnes Individuum Geltung erlangen.

-> weniger sinnvolle Unterscheidungskriterien sind die Autonomie und der Zwang. Denn obwohl Recht nie autonom gesetzt wird, sind gerade die am wenigsten verbreiteten moralischen Ordnungen ebenfalls nicht autonom, sondern von religiösen Systemen auferlegt. Damit einher geht auch regelmässig ein gewisser Zwang.

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5
Q

Können Moral und Recht anhand von Innerlichkeit und Äusserlichkeit unterschieden werden?

A

Moral verlangt grundsätzlich nach einer bestimmten Gesinnung, einer persönlichen Haltung, Diese sollte sich aber meist auch äusserlich manifestieren.

Das Recht stellt zwar auf die äusserliche Haltung ab, innere Motive spielen aber letztendlich auch eine Rolle bei der Beurteilung der rechtlichen Situation.

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6
Q

Nenne Beispiele, wo das Recht auf eine innere Haltung abstellt.

A
  • Bei Vertragsschluss zählt der «wirkliche Wille» der Parteien
  • Kriterium der Schuldhaftigkeit im Strafrecht
  • Absichtliche Täuschung und Simulation
  • Gutgläubigkeit/Bösgläubigkeit
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7
Q

Ist Recht ein ethisches Minimum?

A

Der Vergleich ist durchaus gängig und daher wohl nicht ganz unbegründet.

Es gilt aber zu differenzieren, dass:
* Moral über Recht hinausgehen kann (z.B. besteht eine sittliche Pflicht zur Rückzahlung nach Verjährung)
* Moral das Recht überhaupt nicht tangieren kann (z.B. bei technischen Bereichen wie der Regelung des Strassenverkehrs) oder
* Recht die Moral nicht tangieren kann (z.B. im Bereich von Abtreibung und Sterbehilfe).

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8
Q

Unterscheide Moral und Ethik!

A

Ethik ist die philosophische Disziplin, welche die Moral zum Gegenstand hat.

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9
Q

Nenne Beispiele für Konflikte zwischen Recht und Moral.

A
  • Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen
  • Preisgabe einer journalistischen Quelle durch den betreffenden Journalisten
  • Beispiel eines Arztes, der aufgrund eines freundschaftlichen Verhältnisses zu einem Drogensüchtigen und einer Geldschenkung zwecks Drogenbeschaffung gebüsst wird
  • Widerstandsrecht
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10
Q

Was ist das Widerstandsrecht?

A

Statt einer Definition hier der Wortlaut von Art. 20 Abs. 4 des Deutschen Grundgesetzes:

«Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.»

Es handelt sich also um ein Recht, dem Staat Widerstand zu leisten, wenn dieser formell-rechtliche, aber unethische Normen erlässt.

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11
Q

Worin liegt die Problematik der rechtlichen Regelung eines Widerstandsrechts?

A

Widerstand gegen den Staat und sein rechtlichen Erlasse ist etwas, dass ausserhalb des Staates liegen will.
Den Widerstand gegen eine Regelung gerade durch eine Regelung normieren zu wollen, ist schlicht sinnwidrig.

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12
Q

Wie ist das Widerstandsrecht in der Schweiz geregelt?

A

Eine konkrete Regelung fehlt in der Schweiz. Staatsrechtlich ist man sich aber durchaus bewusst, dass es etwas wie ein Widerstandsrecht gibt. Ausmass und Umfang sind freilich umstritten, hängen sowohl von der politischen als auch der persönlichen Gesinnung ab.

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13
Q

Ist es möglich, einem Gesetz die Anwendung zu versagen, nur weil es nicht mehr den moralischen Überzeugungen entspricht?

A

Ja, tatsächlich wird es regelmässig so gehandhabt, auch vom Bundesgericht. Ein Gesetz bleibt so zwar ein «Papiertiger», praktisch wird es aber irrelevant. Das Gesetz sieht diesen Spielraum eigentlich nicht vor.

Je nach Rechtsgebiet ist die Handhabung aber viel strenger, so kann im Strafrecht z.B. nicht gegen das Legalitätsprinzip zu Lasten des Nageklagten abgewichen werden, wohl aber zu seinen Gunsten.

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14
Q

In welchem rechtlichen Ausdruck findet sich eine Anknüpfung an die herrschende Moralvorstellung?

A

Es handelt sich um das Gebot von Treu und Glauben, sowie seine sämtlichen Ableitungen und Konkretisierungen.

-> für die Verhältnisse unter Privaten wird der Grundsatz von Treu und Glauben geregelt in Art. 2 Abs. 1 ZGB: «Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.»
-> im Verhältnis zwischen Staat und Privaten gilt Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV: «Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.»

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15
Q

Wo spielt Art. 2 Abs. 1 ZGB vor allem eine Rolle?

A

Allem voran in der Auslegung von Willenserklärungen und der Anwendung von Verträgen.

Das angewandte Prinzip heisst «Vertrauensprinzip»: Willenserklärungen einer Partei sind «so auszulegen, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten.»

Dabei handelt es sich um eine bewusste Abkehr vom Wortlaut des Vertrages.

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16
Q

Gibt es ein formelles Prinzip, das dem materiellen Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen kann?

A

Das Legalitätsprinzip ist das formelle Gegenstück zum materiellen Prinzip von Treu und Glauben.

Dazu ein Beispiel: Im Verkehr mit den Behörden muss man sich, wegen dem Grundsatz von Treu und Glauben, auf eine formal falsche Auskunft einer Behörde dennoch verlassen können und die Behörde hat sich daran zu halten.

Aufgrund des Legalitätsprinzips gibt es jedoch im Anschluss «keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht». Dies jedoch nur insofern, als die Behörde nicht konstant und konsequent ein betreffendes Gesetz falsch anwendet.
-> Bei dem Gesagten gilt jedoch zu beachten, dass dies Grundsätze sind und die Gerichte auch zurückhaltend sind im Bezug auf die Gültigkeit einer falschen Auskunft.

17
Q

Konkretisiere: «Der Grundsatz von Treu und Glauben ist eine Art Leitmotiv für Privatrecht und öffentliches Recht.»

A

Der Grundsatz von Treu und Glauben findet Einfluss in sämtliche Rechtsbereiche. Als allgemeine Norm tritt sie zu vielen Rechtsnormen hinzu und verlangt ein anständiges Verhalten.
Weil es so unkonkret ist, wurde es in vielen Gerichtsentscheiden konkretisiert und es gibt eine reichhaltige Kasuistik zum Begriff des treuwidrigen Verhaltens.

18
Q

Definiere «culpa in contrahendo»

A

Durch die culpa in contrahendo ergibt sich eine Haftung aufgrund eines Verschuldens im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrags. Jedermann wird zu einem fairen, loyalen Verhalten bei der Anbahnung des Vertrages verpflichtet. Treu und Glauben schaffen Rechtspflichten, noch bevor ein Vertrag abgeschlossen wird.

19
Q

Was ist «Rechtsmissbrauch»?

A

Es kann vorkommen, dass eine streng formelle Anwendung des Rechts zu einem stossenden Ergebnis führt.
Zur Korrektur eines solchen Ergebnisses dient Art. 2 Abs. 2 ZGB: «Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.»
Es handelt sich also um eine materiell-ethische Schranke der formellen Rechtsordnung.

20
Q

Kennst du Beispiele der Rechtsmissbräuchlichkeit?

A
  • Das Aufstellen einer Baute, einzig um Nachbarn zu schaden, ist rechtsmissbräuchlich.
  • Der geschiedene Ehegatte mit Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, der aber seit mehreren Jahren in einer «eheähnlichen» Gemeinschaft lebt, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er weiterhin eine Rente bezieht
  • Die Berufung auf Verletzung von Formvorschriften ist rechtsmissbräuchlich, sofern beim betreffenden Geschäft freiwillig und irrtumsfrei mitgewirkt worden ist.
  • Die Ausübung weitreichender Rechte aufgrund minimaler Unkorrektheiten kann rechtsmissbräuchlich sein.
  • Die Schwächung einer anderen Partei durch gute Zurede der gütlichen Einigung ist rechtsmissbräuchlich.
  • Die Anwendung von unvorteilhaftem neuem Recht, nur wegen unnötigen Verzögerungen der Behörde, ist rechtsmissbräuchlich.
21
Q

Weswegen ist Vorsicht bei der Anwendung von Rechtsmissbrauch geboten?

A

Bei der Anwendung von Rechtmissbrauch ist zur Vorsicht angehalten, da es sich um eine eigentliche Ausnahmeregelung handelt. Rechtsmissbrauch ist keine Abwägung gegenseitiger Interessen. Daher ist es auch nicht ausreichend für die Annahme von Rechtsmissbrauch, dass die Ausübung eines Rechts die Gegenseite «hart trifft».

22
Q

Was bedeutet Rechtssicherheit?

A

Rechtssicherheit bedeutet «Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit des Rechts»
(BGE 115 Ib 238 E. 5b S. 244).