Recht und Sitte Flashcards
Was ist Sitte?
Sitte ist ein Gefüge von Normen für soziales Verhalten, das sich in Gewohnheitsrecht ausdrückt.
Früher war das Recht grundsätzlich ein «Sittenrecht», das historisch gewachsen ist. Über die Zeit hat sich das Recht von Sitte und Moral getrennt.
Wichtig ist zudem: Die Definition von Forstmoser/Vogt ist durchaus umstritten. Sie vertreten gänzlich eine Meinung und es ist gut möglich, auf andere Meinungen bzw. Definitionen zu stossen.
Was haben Sitte und Recht gemeinsam?
- Normativer Charakter von Sitte und Recht: Es sind beides Sollensordnungen
- Beide stehen im Zusammenhang mit der menschlichen Gemeinschaft
- Es geht bei beiden um das äussere Verhalten der Menschen und nicht um ihre innere Haltung
Worin unterscheiden sich Sitte und Recht?
- Recht ist eine staatliche Ordnung, die Sitte hingegen u.U. nur für eine bestimmte soziale Gruppe, die nicht sehr präzise abgegrenzt ist.
- Recht ist umfassend, Sitte erfasst nur Teilbereiche.
- Recht ist verbindlich und die Nichtbeachtung mit vorhersehbarem, staatlichem Zwang sanktioniert, Sittenregeln sind nur bedingt verbindlich und höchstens mit sozialen und unvorhersehbaren Sanktionen verbunden
- Recht ist in jeder Anwendung gekennzeichnet durch Formalität, Sitte dagegen wird tatsächlich gelebt
Nenne Bereiche, in denen Sitte und Recht sich in etwa decken.
- Solidarität innerhalb der Familie ist sittlich geboten und kann rechtlich verlangt werden
- Diebstahl ist verpönt und unter Strafe gestellt
- Die fristgemässe Zahlung einer Rechnung ist sowohl üblich wie auch gesetzliche Pflicht
Wie unterscheiden sich die Regelungen von Recht und Sitte eines bestimmten Bereiches?
- Die sittliche Regelung ist meist nur ungefähr
- Die rechtliche Regelung dagegen ist sehr detailliert, im Extremfall übertrieben detailliert
- Die rechtliche Regelung regelt auch die Folgen der Nichtbeachtung genau
- Die sittliche Regelung erübrigt sich mit deren Befolgung
Nenne jeweils einen Bereich, der nur durch die Sitte geregelt ist und einen, der nur rechtlich geregelt ist!
- Nur rechtlich geregelt sind häufig technische Bereiche, z.B. die Strassenverkehrsordnung
- Nur sittlich geregelt sind häufig alltägliche Begebenheiten, wie z.B. Anstandsregeln
Was, wenn sich Sitte und Recht widersprechen?
rimär gilt das Recht, denn es ist mittels staatlichen Zwanges durchsetzbar und daher wohl übergeordnet.
Fehlt einem Gesetz jedoch der notwendige Rückhalt in der Bevölkerung, die Legitimation, wird es über kurz oder lang in vielen Fällen angepasst. Die Sitte wird damit in einem gewissen Sinne zur Vorläuferin des Rechts.
Inwiefern kann Sitte einen Teil des Rechts bilden?
Obwohl grundsätzlich zu trennen, kann die Sitte einen Teil der Rechtsordnung bilden.
Allem voran gilt dies, wenn das Recht auf die Sitte verweist. Eine Norm kann somit direkt Bezug nehmen auf «Sittenwidrigkeit», «Ortsgebrauch» oder «Ordnung des Handels».
Was sind Vorteile der Implementation der Sitte in das Recht?
Allem voran die Flexibilität, sowohl in zeitlicher, sachlicher, wie auch örtlicher Hinsicht.
Die Sitte ist wandelbar, sowohl über mehrere Jahrzehnte wie auch über mehrere Ortschaften und Lebensbereiche. Durch das Abstellen auf die Sitte wird das Recht flexibel, muss nicht ständig in einem mühsamen, formellen Verfahren abgeändert werden und kann auf allzu detaillierte Regelungen verzichten.
Was sind Usanzen?
Usanzen sind Handelsbräuche, also diejenigen Sitten, die im Verkehr von Kaufleuten allgemein oder aber unter Kaufleuten einer bestimmten Branche gelten.
Was ist kaufmännischer Verkehr?
Kaufmännischer Verkehr bezeichnet Geschäfte unter Geschäftsleuten. Ob es sich dabei um Sach- oder Dienstleistungen handelt, spielt keine Rolle.
Im Obligationenrecht gibt es zahlreiche Sondernormen für Kaufleute. Warum ist das so und weswegen ist der Verweis auf Usanzen wichtig?
Die Sonderregelungen für den kaufmännischen Verkehr sind dadurch gerechtfertigt, als man davon ausgehen kann, dass Kaufleute im rechtlichen Umgang «geübter» sind als private Konsumenten.
Der Verweis auf Usanzen ist schlicht praktisch: Usanzen sind sehr viel schneller wandelbar und können damit veränderten Verhältnissen Rechnung tragen.
Wie nennt man auch eine örtlich beschränkte Sitte?
Ortsgebrauch
Nach Art. 5 Abs. 2 ZGB wird vermutet, dass es sich dabei um kantonales Recht vor Inkrafttreten des ZGB handelt. Dies ist heute jedoch mehrheitlich bedeutungslos.
Zahlreiche andere Normen nehmen Bezug auf den Ortsgebrauch, insbesondere das Mietrecht.
Was ist Sinn und Zweck des Ortsgebrauchs?
«Sinn und Zweck der Mitberücksichtigung des Ortsgebrauchs ist es, beim Werten und Abwägen der widerstreitenden Interessen den besonderen öffentlichen Verhältnissen Rechnung tragen zu können.»
-> Dazu sollte erwähnt werden, dass Ortsgebrauch beschränkt ist auf Fragen im Zusammenhang mit Eigentum und Miete.
Kennst du eine Beschränkung der Privatautonomie durch die «guten Sitten»?
Art. 19 Abs. 2 OR hält fest, dass eine Vereinbarung, die von den gesetzlichen Bestimmungen abweicht nur gültig ist, soweit sie nicht gegen die guten Sitten verstösst.
Art. 20 Abs. 1 OR hält fest, dass Verträge, welche gegen die guten Sitten verstossen, nichtig sind.
Das sind keine Verweisungen, sondern Verstösse gegen das «schriftlich Gebotene».