Rechtswidrigkeit Flashcards

1
Q

Interessenabwägung §34 unzulässig, aufgrund Leben gegen Leben, jedoch ist der Täter für die Notstandssituation selbst verantwortlich, folglich ?

A

Bei der Interessenabwägung ist aber zu berücksichtigen, dass der im Notstand Handelnde die Interessen des für die Notstandslage Verantwortlichen verletzt. Der Täter hat sich aber die Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter auf Grund seiner rechtswidrigen Verursachung der Gefahr selbst zuzuschreiben. Es liegt also eine vergleichbare Situation wie die des § 228 BGB vor, nur dass hier statt einer Sache ein Mensch die Rechtsgüter gefährdet. Deshalb ist in solchen Fällen bei der Interessenabwägung die Abwägungsklausel des § 228 BGB analog anzuwenden. Daraus folgt, dass der sich Verteidigende zur Abwehr einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr einen Schaden beim Täter anrichten darf, der schwerer wiegt als der durch die Gefahr drohende. Der angerichtete Schaden darf nur nicht außer Verhältnis zur drohenden Gefahr stehen.

Deshalb erfolgt hier eine Verschiebung des Abwägungsergebnisses.
Geht nämlich eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Lebensgefahr für unschuldige Bürger von einem rechtswidrig agierenden Menschen aus, so muss seine Tötung als ultima ratio erlaubt sein und darf nicht an der zufällig fehlenden Gegenwärtigkeit des Angriffs scheitern.

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2
Q

Definition: Notwehrlage

A

Gegenwärtig: Unmittelbar bevorstehend, gerade stattfindend oder noch andauernd
Angriff: Jedes menschliche Verhalten, welches droht rechtlich geschützt Interessen (und Güter) verletzt
Rechtswidrig: Nicht durch eine Rechtfertigungsgrund gedeckt

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3
Q

Defintion: Notwehrhandlung

A

I. Erforderlichkeit (bestimmt sich nach ex-ante Sicht des Täters !)
- Geeignetheit:
- Rel. mild. Mittel:
Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen, Flucht muss nicht in Betracht gezogen werden, falls möglich.
Auf unsichere Varianten muss sich der Verteidigende nicht verlassen.
Schusswaffeneinsatz nur abgestuft: 1. Warnschuss, 2. Schuss in den Unterleib, 3. Tötung (ultima ratio)
Kampfeslage entscheidend ! (ausführlich im Gutachten darstellen)
II. Gebotenheit
Fallgruppen: KEBAP
-> führt grds. zu abgestuftem Notwehrrecht: 1. Ausweichen 2. Schutzwehr 3. Trutzwehr

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4
Q

Herbeiführen einer Notwehrlage (alle Varianten)

A

Notwehrprovokation
A. Absichtsprovokation (vorsätzlich!)
1. Rechtsbewährungstheorie =
gegen einen absichtlich provozierten Angriff ist Notwehr uneingeschränkt zulässig.
(-) gerade der Grundgedanke des Notwehrrechts, die Bewährung der Rechtsordnung, versagt gegenüber dem Provokateur.
2. Rechtsmissbrauchstheorie =
gegen einen absichtlich provozierten Angriff ist Notwehr aus dem Gedanken des Rechtsmissbrauchs heraus unzulässig. (hM)
(+) Wer sich sehenden Auges in eine Situation bringt, die für ihn gefährlich wird, bedarf nicht des Schutzes der Rechtsordnung.
3. Selbstschutztheorie =
gegen einen absichtlich provozierten Angriff ist Notwehr nur dann zulässig, wenn keine andere Selbstschutzmöglichkeit, insbesondre keine Ausweichmöglichkeit besteht.
(-) auch der dem Notwehrrecht zugrundeliegende Selbstschutzgedanke versagt gegenüber dem Provokateur, der sich bereits dadurch selbst schützen kann, dass er die vorherige Provokation unterlässt.
4. Actio illicita in causa =
Anknüpfungspunkt ist schuldhafte Herbeiführung der Notwehrlage: Eigentliche Verteidigungshandlung ist gem. §32 gerechtfertigt, der Handelnde wird jedoch wegen der Verursachung der Tat strafbar gemacht, wenn bei der die Notwehr bedingenden Provokation, Vorsatz hinsichtlich der später- rechtmäßig – herbeigeführten Verletzung bestand ist der provozierende wegen vorsätzlicher Tatbegehung strafbar. (d.h. im Prinzip verändert die Notwehr nichts !) -> Allerdings muss Rechtswidrigkeit auch für das Herbeiführen geprüft werden !
(-) entweder die Provokation ist die rechtswidrige Setzung einer Ursache, oder keine rechtswidrige Verursachung, dann bleibt das Notwehrrecht bestehen
(-) Verhalten, welches auf ein späteres, rechtmäßiges Verhalten abzielt, kann nicht rechtswidrig sein
(-) Sprengung der Tatbestandskonturen, es wird auf Angriffsentschluss des Provozierten und Verteidigungsentschluss des Provokateurs abgestellt

  1. Einwilligungstheorie =
    gegen einen absichtlich provozierten Angriff ist Notwehr unzulässig, da der Provokateur durch seine Provokation auf den Rechtsgüterschutz verzichtet.
    (-) das bloße Mitverschulden des Opfers durch seine Provokation kann nicht dazu führen, dass das Notwehrrecht als Bewährung der Rechtsordnung ausscheidet, da der Provozierende hierüber nicht verfügen kann

B. Abwehrprovokation
= Täter bewaffnet sich im Voraus mit schweren Abwehrmitteln, in Erwartung eines Angriffs.
hM: Fallgruppe wird nicht anerkannt, Notwehrrecht bleibt bestehen
(+) Verteidiger stehen vor der Wahl einer unzureichenden Verteidigung oder eines Risikos sich selbst strafbar zu machen
(+) Angriff nicht planbar
(+) Umkehrung der Notwehr: dem Verteidiger würde das Risiko überzogener Verteidigungsmittel angelastet werden

C. Sonstiges schuldhaftes Herbeiführen einer Notwehrlage
= Täter kam es nicht darauf an, Angreifer zu provozieren, er hat den Angriff jedoch heraufbeschworen
a. Wie muss Handlung beschaffen sein, für Notwehreinschränkung?
1. Vorverhalten muss rechtswidrig sein
2. Sozialethisch zu missbilligendes Verhalten ist ausreichend, welches den Rahmen des sozial üblichen überschreitet (hM)
b. Welche Einschränkungen ergeben sich daraus?
1. Abgestuftes Notwehrrecht (hM)
• Je schwerer Provokation war, desto eher muss Angegriffene sich zurückhalten
2. Actio illicita in causa (s.o)
Bei fahrlässigem Herbeiführen der Notwehrlage somit Fahrlässigkeitsdelikt.

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5
Q

Verteidigungswille

A

Handeln in Kenntnis und aufgrund der Notwehrlage
(P) Subj. Rechtfertigungselement von Nöten?
- alt: Nein, es reicht bloße obj. Notwehrhandlung
(-) Gesamtunrecht muss getilgt werden
- hL: Ja, allerdings bloße Kenntnis der Notwehrlage von Nöten
(-) eigentlich rechtswidrig gesinnter Täter wird privilegiert
- hM: Täter muss willentlich und wissentlich zur Gefahrenabwehr tätig geworden sein
Andere Gefühle dürfen vorliegen, jedoch nicht dominant in den Vordergrund treten.
(P) Fehlen des subj. Rechtfertigungselements?
- Rspr: Vollendetes Delikt
(-) Da Handlungs- aber keinen Erfolgsunwert -> Konstellation des Versuchs
- hM: (untauglicher Versuch) Versuch

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6
Q

Definition: Notstandslage (§34)

A

Gegenwärtig: ist die Gefahr, wenn die Rechtsgutsbedrohung bei natürlicher Weiterentwicklung jederzeit in einen Schaden umschlagen kann.
- Ex-ante Sicht eines sachkundigen objektiven Beobachters
Gefahr: für ein Rechtsgut liegt vor, wenn aufgrund tatsächlicher Umstände der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich ist.
- Auch Dauergefahren !
Geschützte Rechtsgüter sind auch solche der Allgemeinheit ! ( weiter als Notwehr)

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7
Q

Notstandshandlung

A

Erforderlichkeit:
Geeignetheit: Strenger zu bewerten als bei §32, allerdings nicht das Mittel, welches mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Schaden von der Sache abwenden kann
Rel. mild. Mittel: Hier muss auch auch eine mögliche Flucht und Hilfe der Obrigkeit in Betracht gezogen werden
Angemessenheit: unwichtig, stellt darauf ab, ob noch andere Rechtsprinzipien durch die Notstandshandlung verletzt werden
Interessenabwägung: wichtigster Teil -> Abwägung erfolgt nach Stellung der Rechtsgüter (hoch,mittel,niedrig) sowie die Intensität der Beeinträchtigung (hoch,mittel,niedrig) etc.

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8
Q

Schema: Notwehrexzess

A

I. Bestehen einer Notwehrlage

  1. Angriff auf Rechtsgut
    Ein Angriff ist jede durch eine menschliche Handlung drohende Verletzung rechtlich geschützter individueller Güter oder Interessen.
  2. gegenwärtig
    Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert.
    (Keine Dauergefahr!!)
  3. rechtswidrig

II. Grenzen der Notwehrhandlung überschritten
Rahmen der Erforderlichkeit oder Gebotenheit wurde überschritten - intensiver Notwehrexzess
Zeitlicher Rahmen wurde überschritten - Angriff ist nicht mehr gegenwärtig - extensiver Notwehrexzess [nach h.M. nicht entschuldigt]

III. Asthenischer Affekt
Verwirrung, Furcht, Schrecken
nicht erfasst sind sthenische Affekte (Wut, Zorn, etc. -> entwickeln sich aus Stärke heraus)

IV. Verteidigungswille

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9
Q

Extensiver Notwehrexzess - von §33 erfasst ? Wie?

A

Ansicht 1: Die Möglichkeit, § 33 auf den extensiven Notwehrexzess anzuwenden, wird bestritten
(-) Mit Blick auf Sinn und Zweck der Norm erscheint diese Begrenzung des Anwendungsbereichs allerdings verfehlt. Auch § 33 beruht als Entschuldigungsgrund auf dem Leitgedanken fehlender präventiver Bestrafungsnotwendigkeit. Beim extensiven Exzess wird ausschließlich der rechtswidrig Angreifende geschädigt und auch hier wird schlichter Vergeltung durch die Beschränkung auf asthenische Affekte vorgebeugt. Weiterhin ist die Grenzüberschreitung ebenso naheliegend und verzeihlich. Schließlich ist der extensive Exzess auch in seiner sozialen Relevanz (d.h. im Hinblick auf den Rechtsfrieden) nicht anders zu beurteilen als der intensive.

Ansicht 2: § 33 auch auf alle Fälle des extensiven Notwehrexzess anwendbar
(-) Grenzen der Notwehr können nur überschritten werden, wenn eine Notwehrlage zu einem Zeitpunkt bestanden habe

Ansicht 3 (hM): Mittelweg gehen Ansichten, die unter Fokussierung auf den Wortlaut – “die Grenzen der Notwehr” – argumentieren, dass nur der nachzeitige extensive Notwehrexzess, also die Fallgestaltung erfasst werde, dass der Täter beispielsweise nach Beendigung des gegenwärtigen Angriffs weiter auf den Angreifer einschlage. Mit Verweis auf den Wortlaut “Grenzen der Notwehr” wird weiterhin verlangt, dass zwischen dem Angriffsende und der nachzeitigen Exzesshandlung ein enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang bestehe. Nur dieser enge Zusammenhang verklammere Angriff und Überschreitung der Notwehr zu einem einheitlichen Geschehen.

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10
Q

Putativnotwehrexzess

A

Nach h.M. kommen hier die allgemeinen Irrtumsregeln zur Anwendung: § 17 ist anzuwenden. § 33 komme bereits deshalb nicht in Betracht, da die Norm einen tatsächlichen Angriff voraussetzt.

Nach anderer Auffassung kommt eine analoge Anwendung des § 33 auf diese Fallge­staltung insoweit in Betracht, als dass das Opfer den Irrtum über die Rechtfertigungslage des Täters zu verantworten hat und der Irrende schuldlos ist. (bspw. Vorgetäuschter Angriff des Opfers)

Andere wollen die Schuld immer analog § 33 entfallen lassen, wenn für den Täter die fehlende Notwehrlage “trotz objektiv pflichtgemäßer Prüfung” nicht erkennbar war

Streitentscheid: Gegen eine Analogie spricht, dass der §33 auf §32 aufbaut, d.h. ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff bestehen muss - um überhaupt überreagierend zu könne.

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