Rechtsschutz in der EU Flashcards

1
Q

Wo ist der Rechtsschutz in der EU grundsätzlich geregelt?

A
  • EUV 19
  • AEUV 251 - 281
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
2
Q

Wie setzt sich der EuGH zusammen?

A
  • 1 Richter pro MS, d.h. zurzeit 28 Richter (EUV 19 II I)
  • 11 Generalanwälte, da der Rat die Zahl von ursprünglich 8 Generalanwälten bereits zwei Mal erhöht hat (vgl. AEUV 252 I)
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
3
Q

Welchen Anforderungen müssen Richter und Generalanwälte des EuGH bzw. Richter des EuG genügen?

A

Vgl. EUV 19 II III i.V.m. AEUV 253 I sowie 254 II

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
4
Q

In welchen Zusammensetzungen entscheidet der EuGH? Wo ist das geregelt?

A

Vgl. AEUV 251 sowie EuGH-Satzung 16

  • Kammern mit 3 oder 5 Richtern
  • Grosse Kammer mit 13 Richtern
    Wenn ein MS oder ein Unionsorgan als beteiligte Partei einen Entscheid der Grossen Kammer verlangt, ist diesem Begehren stattzugeben (EuGH-Satzung 16 III).
  • Plenum mit sämtlichen Richtern in bestimmten Fällen
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
5
Q

Was ist die Aufgabe des EU-Gerichtshofs?

A

Aufgabe des EU-Gerichtshofes (zusammengesetzt aus EuGH, EuG und Fachgerichten, wobei es zurzeit kein Fachgericht gibt) ist die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge (EUV 19 I).

  • Dies schliesst auch sekundäres Unionsrecht sowie völkerrechtliche Verträge mit ein
  • Die Gerichte sind gem. EUV 19 III zuständig für :
    • die ihnen vorgelegten Klagen
    • die ihnen vorgelegten Vorabentscheidungsbegehren
    • die Erstattung von Gutachten nach Massgabe von AEUV 258 ff. sowie 218 XI
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
6
Q

Welche Klagearten und weiteren Verfahren sind in den Verträgen vorgesehen (schematisierte Übersichtsdarstellung 1 / 2)?

A
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
7
Q

Welche Klagearten und weiteren Verfahren sind in den Verträgen vorgesehen (schematisierte Übersichtsdarstellung 2 / 2)?

A
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
8
Q

Zu welchen Fragen kann der EuGH Gutachten erstellen?

A
  • Gemäss AEUV 218 XI zur Frage der Rechtmässigkeit eines geplanten völkerrechtlichen Vertrags mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen
  • Zu Fragen des übrigen Unionsrechts kann der EuGH keine Gutachten erstatten; weder das Klage- noch das Vorabentscheidungsverfahren dient dazu (EuGH, Foglia/Novello, 1981)
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
9
Q

Wie erfolgt die Aufgabenteilung zwischen Gerichtshof, Gericht und Fachgerichten?

A
  • Geregelt teilweise im AEUV, teilweise in der Satzung
  • Die Zuständigkeiten des Gerichts sind in AEUV 256 aufgelistet
  • Konkret ist das Gericht zuständig für:
    • alle Klagen von Privaten (nat. und jur. Personen)
    • alle Schadenersatzklagen
    • grds. Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen der MS gegen die Kommission (ausser in Fällen von AEUV 331)
  • Der Gerichtshof ist alleine zuständig für:
    • alle Vorabentscheidungsverfahren
    • alle Vertragsverletzungsklagen
    • Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen der MS gegen das Parlament oder den Rat (mit Ausnahmen gem. Satzung 51 I lit. a)
    • Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen der MS gegen die Kommission in Fällen von AEUV 331
    • alle Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen der Unionsorgane gegen andere Unionsorgane
    • Rechtsmittel gegen Urteile des EuG
    • Gutachten zu völkerrechtlichen Verträgen gem. AEUV 218 XI
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
10
Q

Nach welchen Grundsätzen erfolgt die Auslegung des Unionsrechts?

A
  • Grundsätzlich nach denselben Methoden wie die Auslegung des nationalen Rechts
    • grammatikalische,
    • teleologische,
    • systematische,
    • zeitgemässe Auslegung
  • Allerdings Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts (EuGH, CILFIT, 1982)
  • Berücksichtigung des effet utile
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
11
Q

Nach welchem Schema sind die Voraussetzungen der Nichtigkeitsklage zu prüfen?

A

AEUV 263

  • Anfechtungsobjekt / Passivlegitimation
  • Aktivlegitimation
  • Klagegründe
  • Klagefrist
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
12
Q

Was kommt als Anfechtungsobjekt i.S.v. AEUV 263 in Frage? Was nicht?

A
  • Generell: ​Alle Rechtsakte der Unionsorgane und -einrichtungen, welche Rechtswirkungen gegen aussen entfalten.
  • Damit insb. Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse gem. AEUV 288 II - IV
  • Daneben aber auch andere Anordnungen unabhängig von ihrer Rechtsnatur und Form (EuGH, Französische Republik, 1997)
  • Nicht anfechtbar hingegen:
    • Handlungen ohne Rechtsverbindlichkeit
      D.h. insb. Stellungnahmen, Empfehlungen, rein interne Beschlüsse
    • Primäres Unionsrecht
    • Beschlüsse, welche nicht von einem Unionsorgan gefasst worden sind (EuGH, Soforthilfe Bangladesh, 1993)
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
13
Q

In welche Gruppen lässt sich die Aktivlegitimation i.S.v. AEUV 263 einteilen?

A
  • Privilegiert legitimiert sind MS, Parlament, Rat und Kommission (AEUV 263 II)
    Sie müssen kein eigenes Rechtsschutzinteresse nachweisen.
  • Rechnungshof, EZB und AdR sind teilprivilegiert legitimiert (AEUV 263 III)
    Vgl. Wortlaut der Bestimmung: Klage muss auf Wahrung der eigenen Rechte gerichtet sein.
  • Natürliche & juristische Personen sind aktivlegitimiert (AEUV 263 IV):
    • Als Adressaten einer Handlung
    • Bei Handlungen, von denen sie unmittelbar und individuell betroffen sind
    • Bei Rechtsakten mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmassnahmen nach sich ziehen
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
14
Q

Wie verhält es sich mit der Aktivlegitimation von Gemeinden und Ländern im Rahmen von AEUV 263?

A

Öffentlich-rechtliche Körperschaften wie Gemeinden und Länder sind Privaten gleichgestellt (EuGH, Differdange, 1984).

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
15
Q

Wann ist ein Privater unmittelbar und individuell i.S.v. AEUV 263 IV betroffen?

A
  • Eine unmittelbare Betroffenheit liegt vor, wenn die fragliche Massnahme selbst in seine Interessen eingreift, so dass es keiner weiteren Durchführungsmassnahme mehr bedarf
  • Individuelle Betroffenheit ist erfüllt, wenn die Handlung jemanden aufgrund bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt (EuGH, Plaumann, 1963)
    Dies ist insb. dann nicht der Fall, wenn eine Partei lediglich in ihrer Eigenschaft als Teilnehmer am Wirtschaftsleben berührt ist und diese Tätigkeit von jedermann jederzeit ausgeübt werden kann (EuGH, Plaumann, 1963; bestätigt in EuGH, Inuit, 2013)
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
16
Q

Wann liegt ein Rechtakt mit Verordnungscharakter i.S.v. AEUV 263 IV vor?

A

Vgl. den Wortlaut vo AEUV 263 IV

  • Es muss sich um eine generell-abstrakte Regelung handeln, die Verordnungscharakter hat
    • Erfasst davon sind aber nur Rechtsakte ohne Gesetzescharakter, konkret delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte i.S.v. AEUV 290 und 291
    • Nicht erfasst sind somit Verordnungen, welche in einem (ordentlichen oder besonderen) Gesetzgebungsverfahren gem. AEUV 289 erlassen wurden (EuGH, Inuit, 2013)
  • Die betreffende Person muss unmittelbar betroffen sein
  • Die Regelung darf keine Durchführungsmassnahmen nach sich ziehen
17
Q

Können Private die Nichtigkeitsklage gegen Richtlinien erheben?

A
  • Nichtigkeitsklagen i.S.v. AEUV 263 von Privaten gegen Richtlinen sind grundsätzlich ausgeschlossen
  • Richtlinien richten sich an die MS und betreffen damit Private i.d.R. nicht unmittelbar und individuell (vgl. dazu EuGH, Asocarne, 1995)
18
Q

Sind Verbände zur Erhebung der Nichtigkeitsklage legitimiert?

A
  • Ja, wenn ein Verband selbst wegen seiner Aktivitäten als Verfahrensbeteiligter durch eine strittige Anordnung unmittelbar betroffen ist (vgl. EuGH, Asocarne, 1995)
  • Allerdings gibt es keine ideelle Verbandsbeschwerde (EuGH, Greenpeace, 1998) und auch keine egoistische Verbandsbeschwerde
19
Q

Insb. wann liegt eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften i.S.v. AEUV 263 II vor? Was ist ein Beispiel dafür? Gibt es Rechtsprechung dazu?

A
  • Insb. dann, wenn eine Regelung auf eine falsche Rechtsgrundlage abgestützt und deshalb nicht im richtigen Verfahren erlassen wurde
  • Beispiele:
    • Parlament wurde nur angehört, statt im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mitentscheiden zu können,
    • Vertraglich vorgesehene Anhörung des Parlaments wurde unterlassen (EuGH, Roquette Frères, 1980)
    • Rat fasste mit qualifizierter Mehrheit statt einstimmig Beschluss
    • Initiativmonopol der Kommission wurde missachtet
20
Q

Insb. welcher Tatbestand fällt auch unter die Verletzung der Verträge i.S.v. AUEV 263 II?

A
  • Verletzung von Grundrechten nach Massgabe von EUV 6 I und III
  • Verletzung von Völkerrecht, soweit es sich um unmittelbar anwendbare (= self-executing) Bestimmungen handelt (EuGH, International Fruit Company, 1972)
21
Q

Wie ist die Wirkung des gutheissenden Urteils im Verfahren einer Nichtigkeitsklage?

A
  • Heisst ein Gericht die Klage gut, erklärt es die angefochtene Handlung für nichtig und hebt sie mit Wirkung von Anfang an (ex tunc) auf (AEUV 264 I)
  • Es entfaltet damit lediglich kassatorische (und keine reformatorische) Wirkung
  • Ausnahmen:
    • AEUV 264 II betreffend vorübergehende Wirkung, um ein rechtliches Vakuum zu verhindern
    • AEUV 261 sieht in Bezug auf die Verhängung von Zwangsmassnahmen gestützt auf eine Verordnung des Rats oder des Rats und Parlaments vor, dass ein Urteil des Gerichts die angefochtene Zwangsmassnahme ändern kann (und somit reformatorisch wirken kann)
22
Q

Wie gross ist die praktische Bedeutung der Untätigkeitsklage i.S.v AEUV 265 f.?

A

Die Untätigkeitsklage hat keine grosse praktische Bedeutung erlangt.

23
Q

Wo ist die Schadenersatzklage gegen Unionsorgane geregelt?

A

AEUV 340 II und III i.V.m. 268

24
Q

Inwiefern unterliegen die generell-abstrakten Regelungen der Union einer akzessorischen Normenkontrolle? Was bedeutet dies konkret?

A
  • Die generell-abstrakten Regelungen der Unionsorgane unterliegen der abstrakten Normenkontrolle im Verfahren vor EU-Gerichten (AEUV 277)
  • Auch vor Gerichten der MS ist eine akzessorische Normenkontrolle möglich (EuGH, Universität Hamburg, 1983)
    Die mitgliedstaatlichen Gerichte müssen allerdings das Verwerfungsmonopol des EuGH beachten.
  • D.h., dass im Zusammenhang mit der Anfechtung einer individuell-konkreten Anordnung (Beschluss) vorfrageweise die Rechtmässigkeit der generell-abstrakten Regelung überprüft werden kann, auf welche sich der Beschluss abstützt
25
Q

Ist eine Schadenersatzklage gegen die Union davon abhängig, dass gegen eine Handlung oder Unterlassung der Union auch eine Nichtigkeits- oder Untätigkeitsklage erhoben werden können muss?

A
  • Nein, die Schadenersatzklage nach AEUV 340 II ist ein selbständiger Rechtsbehelf, der auch dann zur Verfügung steht, wenn keine Nichtigkeits- oder Untätigkeitsklage möglich ist (EuGH, Ireks Arkady, 1979)
  • Dies ist insb. bei Rechtsetzungsakten (Verordnungen) von Bedeutung, die von Privaten mangels individueller und unmittelbarer Betroffenheit nur beschränkt angefochten werden können
26
Q

Wie erfolgt der Rechtsschutz gegen Anordnungen mitgliedstaatlicher Organe im Rahmen des Vollzugs von Unionsrecht? Insb. welche Möglichkeit besteht nicht?

A
  • Der Rechtsschutz gegen Anordnungen mitgliedstaatlicher Organe im Rahmen des Vollzugs von Unionsrecht obliegt ausschliesslich den mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten
  • Die MS sind entsprechend verpflichtet, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, um einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten (EUV 19 I II)
  • Es besteht keine Möglichkeit, Handlungen mitgliedstaatlicher Organe direkt beim EuGH oder EuG anzufechten; auch einen Weiterzug letztinstanzlicher mitgliedstaatlicher Entscheide an den EU-Gerichtshof gibt es nicht
27
Q

Welche Sichtweisen gibt es betreffend die Frage, ob mitgliedstaatliche Gerichte eine Überprüfung von Unionsrecht auf Übereinstimmung mit nationalem Verfassungsrecht vornehmen dürfen?

A

Sicht der Union

  • Vorrang des Unionsrechts schliesse eine Überprüfung auf Übereinstimmung mit nationalem Recht jeglicher Stufe aus
  • Vgl. bereits EuGH, Costa/ENEL, 1964; eindeutig dann in EuGH, Internationale Handelsgesellschaft, 1970

Sicht der MS bzw. des BVerfG (De)

  • BVerfG, Solange I, 1974:
    Solange die EG keinen dem Grundgesetz adäquaten Grundrechtsschutz in Form eines von einem Parlament beschlossenen Grundrechtskatalogs gewährleistet, nimmt das BVerfG eine Überprüfung der Übereinstimmung von Unionsrecht mit den Grundrechten des Grundgesetzes vor
  • BVerfG, Solange II, 1986:
    Solange die EG und insb. der EuGH einen wirksamen und dem Grundgesetz generell gleichwertigen Grundrechtsschutz gewährleistet, wird keine Überprüfung mehr vorgenommen
  • BVerfG, Bananenmarktordnung, 2000:
    Verfassungsbeschwerden oder Vorlagen der Gerichte sind von vornherein unzulässig, wenn ihre Begründung nicht darlegt, dass die europäische Rechtsentwicklung inkl. Rechtsprechung des EuGH nach Ergehen des Solange II-Urteils unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken sei; die Begründung muss demnach im Einzelnen darlegen, dass der als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet sei
28
Q

Wozu dient das Vorabentscheidungsverfahren? Welche Fragen können in einem solchen Verfahren nicht geklärt werden?

A
  • Das Vorabentscheidungsverfahren i.S.v. AEUV 267 soll die ordnungsgemässe Anwendung und die einheitliche Auslegung des Unionsrechts in allen MS sicherstellen (EuGH, CILFIT, 1982)
  • Es dient nicht der Klärung der Frage, ob eine nationale Regelunge oder ein Entscheid mit dem Unionsrecht vereinbar ist und auch nicht der Anwendung des Vertrags auf einen Einzelfall (darüber hat das nationale Gericht zu entscheiden) (EuGH, Costa/ENEL, 1964)
29
Q

Welchen Einfluss hat ein Vorabentscheidungsverfahren auf das mitgliedstaatliche Verfahren?

A
  • Das Verfahren vor dem nationalen Gericht wird sistiert, bis der EuGH über die ihm vorgelegten Fragen entschieden hat
  • Danach urteilt das nationale Gericht über den Fall, wobei es an die Antworten des EuGH gebunden ist
30
Q

Nach welchen Voraussetzungen ist zu beurteilen, ob es sich bei einer Behörde um ein Gericht i.S.v. AEUV 267 handelt? Welche Institutionen fallen konkret auch darunter, welche nicht?

A

Beurteilungskriterien (EuGH, Dorsch, 1997):

  • Gesetzliche Grundlage
  • Ständiger Charakter
  • Obligatorische Gerichtsbarkeit
  • Streitiges Verfahren
  • Anwendung von Rechtsnormen
  • Verbindlichkeit der Entscheidungen
  • Unabhängigkeit

Diese Voraussetzungen können auch Friedensrichter erfüllen (EuGH, Costa/ENEL, 1964); nicht aber Schiedsgerichte, welche somit kein Vorabentscheidungsverfahren einleiten können (EuGH, Nordsee, 1982)

31
Q

Wann besteht eine Vorlagepflicht für Fragen der Auslegung und Gültigkeit des Unionsrechts an den EuGH? Welche Ausnahmen bestehen?

A
  • Gemäss AEUV 267 III in mitgliedstaatlichen Verfahren, wenn eine Entscheidung nicht mehr an eine höhere nationale Instanz weitergezogen werden kann
  • Ausnahmen von der Pflicht (eine Vorlage ist aber dennoch möglich) (EuGH, CILFIT, 1982):
    • Gesicherte Rechtsprechung des EuGH
    • Rechtsfrage wurde bereits durch den EuGH entschieden (acte éclairé)
    • Richtige Anwendung des Unionsrechts ist offenkundig (acte clair)
  • Darüber hinaus vom EuGH entwickelte Vorlagepflicht für sämtliche Gerichte, wenn ein mitgliedstaatliches Gericht eine unionsrechtliche Regelung für rechtswidrig und daher nichtig hält und ihr die Anwendung verweigern will → EuGH hat das Verwerfungsmonopol (EuGH, Foto-Frost, 1987)
32
Q

Nach welchen Voraussetzungen ist die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage zu prüfen?

A

Vgl. AEUV 258 ff.:

  • Aktivlegitimation (AEUV 258 bzw. 259)
    Kommission (und MS; dies hat jedoch praktisch keine grosse Bedeutung) ist ohne spezielles Rechtsschutzinteresse aktivlegitimiert; Private können kein Vertragsverletzungsverfahren erzwingen (EuGH, Star Fruit Co., 1989)
  • Passivlegitimation (AEUV 258)
    MS (auch wenn die Vertragsverletzung von untergeordneten Gebietskörperschaften, bspw. Ländern oder Regionen begangen wird)
  • Klagegründe (AEUV 258)
    Gerügt werden kann die Verletzung der Verträge inkl. Sekundär- und Völkerrecht, welche auch durch Unterlassung begangen werden kann (EuGH, Agragblockaden, 1997)
  • Durchführung eines Vorverfahrens (AEUV 258 I und II)
33
Q

Wie kann vorgegangen werden, wenn ein MS nach einem entsprechenden Urteil des EuGH nicht die erforderlichen Massnahmen getroffen hat, um eine Vertragsverletzung zu beenden?

A
  • Die Kommission kann ein zweites Vertragsverletzungsverfahren wegen Verletzung von AEUV 260 I einleiten
  • Nach AEUV 260 II benennt sie ein die Höhe des vom fehlbaren MS zu bezahlenden Pauschalbetrags und / oder Zwangsgelds, die sie für angemessen hält
    • Ein Pauschalbetrag ist eine einmalige Busse zur Sanktionierung der bisherigen Vertragsverletzung
    • Ein Zwangsgeld ist eine periodisch wiederkehrende Busse, mit welcher die Beendigung der fortdauernden Vertragsverletzung veranlasst werden soll
  • Pauschalbetrag und Zwangsgeld können auch nebeneinander angeordnet werden (EuGH, Frankreich, 2005)
34
Q

Gibt es vereinfachte Verfahren im Bereich der Vertragsverletzungsklage?

A
  • AEUV 260 III bei Nichtumsetzung einer Richtlinie in das innerstaatliche Recht:
    Die Kommission kann direkt bei der ersten Anrufung des EuGH die Verurteilung zu einem Pauschalbetrag und/oder Zwangsgeld beantragen
  • In einzelnen Sachgebieten sind zusätzlich Abweichungen mit vereinfachten Verfahren vorgesehen, z.B. in AEUV 114 IX