Parteien Flashcards
Was ist eine Partei?
keine allgemeingültige Definition! -> meisten Definitionen haben folgende Punkte gemeinsam:
Eine Partei ist …
… ein dauerhafter, freiwilliger Zusammenschluss von Individuen …
… mit dem Ziel, Regierungsmacht zu erlangen, … wofür sie zu Wahlen antritt.
->Gilt natürlich so nur für Parteien in (einigermaßen) demokratischen Systemen!
Ziele von Parteien
Parteien verfolgen im Grunde drei Ziele:
* Wählerstimmen (vote-seeking)
* Regierungsämter (office-seeking)
* Umsetzen ihrer Programme (policy-seeking)
Diese Ziele stehen oft miteinander in Konflikt:
* Regierungsbeteiligung (office) -> Stimmenverluste (votes)
* Umsetzen von Inhalten (policy)-> Ablehnung bei Wähler:innen (votes)
* Inhaltliche Kompromisse (policy) -> Regierungsbeteiligung (office)
Parteien unterscheiden sich darin, worauf sie mehr Wert legen
Unterscheidung von Parteien
Beim BMI registrierte Parteien
(„Parteienverzeichnis“)
* Parteien müssen Satzung hinterlegen
(und im Internet veröffentlichen)
* Parteien erhalten so Rechtspersönlichkeit
Wahlpartei/wahlwerbende Partei = Gruppe von
Personen, die unter gemeinsamem Namen Listen mit Kandidaturen zu Wahlen einreichen
Klubs = Zusammenschlüsse von Abg. einer
Wahlpartei im Parlament
-> In der Regel fallen alle 3 zusammen
welche Parteien sind relevant?
Giovanni Sartori (1976): Partei = relevant, wenn sie entweder Koalitionspotenzial oder Erpressungspotenzial hat
Koalitionspotenzial:
-Partei trägt zur Bildung von Regierungsmehrheiten bei oder wird zumindest dafür in Erwägung gezogen (von anderen)
Erpressungspotenzial:
-Partei hat aufgrund ihrer Größe Einfluss auf den Parteienwettbewerb
(= darauf, wie sich andere Parteien verhalten)
Faustregel für Ö: Parteien, die im Nationalrat vertreten sind, können idR als relevant angesehen werden (manchmal auf noch andere)
Parteien in der Verfassung
Im B-VG spielen Parteien keine große Rolle:
* Erwähnung von wahlwerbenden Parteien
* Erwähnung von Parteien als Fraktionen in der Legislative
* Unvereinbarkeit: VfGH-R. dürfen nicht Partei-Funktionär:innen sein
Funktionen einer Partei
Koordination
* In den staatlichen Institutionen (Regierung, Parlament)
* In der Gesellschaft (-> Zusammenschluss Gleichgesinnter)
* Zw. Gesellschaft & staatl. Institutionen -> Parteien = intermediäre Org.
Wahlkampf & Strukturierung des politischen Wettbewerbs
* Formulieren politischer Programme (= Bündel von Einzelmaßnahmen)
* Parteilabel als Informationsshortcut
Rekrutierung politischen Personals
* KandidatInnen für Wahlen
* Nominierungen für öffentliche Ämter (Regierung, öffentlicher Sektor)
Warum entstehen Parteien?
zwei powi-Ansätze
Basierend auf polit. Nachfrage (=Wähler:innen):
* Soziolog. Konfliktlinien in d. Gesellschaft (z. B. Stadt–Land, Arbeit–Kapital)
* Nachfrage nach Repräsentation dieser Gruppen/Interessen -> Parteien
-> Cleavage-Theorie
Basierend auf polit. Angebot (= politische Akteur:innen selbst)
* Nachfrage allein reicht nicht als Erklärung
* Strategisches Verhalten von political entrepreneurs ebenso wichtig
* Politiker:innen selbst können Nachfrage nach Repräsentation bestimmter
Anliegen steigern (durch Themensetzung, Mobilisierung, Kampagnen, …)
cleavage-Theorien
Cleavage = gesellschaftliche Konfliktlinie mit 3 Komponenten:
- Sozialstrukturelles Element: Soziale Gruppen, die einandergegenüberstehen (z. B.: Arbeitgeber:innen vs. Arbeitnehmer:innen)
- Normatives Element: Interessen, Werte, Überzeugungen -> Ideologie (z. B. mehr vs. weniger staatliche Eingriffe in die
Wirtschaft, mehr vs. weniger Umverteilung, …) - Organisatorisches Element: Parteien, Interessensgruppen, Verbände (z. B. Sozialistische vs. konservative/liberale Parteien,
Gewerkschaften vs. Wirtschaftsverbände)
4 traditionelle Cleavages:
Stadt vs. Land
-Industrielle Revolution
-Stadt- vs. Landbevölkerung
-Agrar. vs. urbanindustrielle Interessen
-> Agrarische Parteien zb Landbund
Kirche vs. Staat
-Nationale Revolutionen
-Religiöse (röm.-kath.) vs. Sekulare
-Einfluss der (röm.-kath.) Kirche im öff. Leben
-> Christdemokrat. Parteien zb ÖVP
Zentrum vs. Peripherie
-Nationale Revolutionen
-Ethn./kult./sprachl. Mehr- vs. Minderheit
-Reg. Automonie, Separatismus, Zentralisierg.
-> Separatist. & Regionalparteien
Arbeit vs. Kapital
-Industrielle Revolution
-Arbeiter:innen vs. Unternehmer:innen
-Interessen v. Arbeitnehm. vs. Arbeitgeb.
-> Sozialdem. & komm. Parteien zb SPÖ, KPÖ
moderne Cleavage:
Globalisierung
-Gruppen m. höherer vs niedrigerer Bildung
-kulturell libertäre vs konservative Einstellungen
-> grüne/ radikal Rechte zb Grüne, FPÖ
SPÖ
-Ursprung in der Arbeiterbewegung (1867: Vereinsgründungen!)
-1874 Neudörfl: Gründung d. Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
-> Flügelkämpfe zwischen gemäßigten und radikalen Kräften
-1888/89: Einigungsparteitag in Hainfeld (Victor Adler) -> Gilt als eigentliches Gründungsdatum der SPÖ
-Hainfelder Programm: Skepsis ggü. Parlamentarismus
-> nur als Mittel der Organisation und Agitation
->Skepsis nicht mehr vorhanden im Wiener Programm (1901)
1918:
-Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutsch-Österreichs (SDAPDÖ)
-Eintritt in die Regierung -> Große Koalition mit Christlichsozialen
- Wahlen der Ersten Republik: Ab 1920 SDAP immer in Opposition
1933: Ausschaltung des Parlaments
1934: Verbot der Sozialdemokratie
Bis 1945 -> Illegalität
- SPÖ entstand als klassische Massenpartei
- Politische Organisation der Arbeiterschaft -> Gewerkschaften!
- Starker Mitgliederschwund seit 1980
- Von über 700k auf unter 150k
- 2023: ~148k Mitglieder
- Dzt. Mitgliedsbeitrag: 72€/Jahr
Ideologie und Programmatik der SPÖ
-Marxismus -> Austromarxismus (Otto Bauer): 1. Hälfte 20. Jhdt
-Demokratischer Sozialismus -> Wahlen, Parlament
-Feminismus
Auszüge Programmatik:
-staatliche Intervention zur Bekämpfung ökonomischer Ungleichheit
-Stark ausgebauter Wohlfahrtsstaat -> hohe Steuern (Umverteilung)
-Staatliche Intervention zur Gleichstellung von Frauen und Männern, LGBTQ-Personen, …
-Zuwanderung: positiv, sofern es Arbeitsmarkt zulässt
-Europäische Integration: positiv (Wandel unter Vranitzky)
-Zentralisierung staatlicher Macht
ÖVP
-Gründung am 17. April 1945 (!) u. a. Leopold Kunschak, Leopold Figl, Julius Raab
Nachfolgerin d. Christlichsozialen Partei (CSP):
-Ähnliche Wählerstruktur
-Ähnliches organisatorisches Umfeld
-Ähnliche ideologische Positionierung
Abgrenzung von CSP:
-ÖVP: Bekenntnis zum Parlamentarismus (CSP: Ausschaltung Parlament)
-ÖVP: Bekenntnis zur österreichischen Republik (CSP 1918 skeptisch gegenüber Republik, Teile traten auch für Anschluss an Deutschland ein)
-ÖVP: Abkehr vom (offenen?) Antisemitismus (CSP: radikal antisemitisch)
1945: Wahlen -> ÖVP gewinnt absolute Mandatsmehrheit
-> ÖVP stellte die ersten BK der 2. Republik: Figl, Raab, Gorbach, Klaus -> danach erst wieder 2000 (W. Schüssel) und 2017, 2020 (jeweils S. Kurz)
Charakteristikum der ÖVP: stark dezentralisierte Struktur
-6 Teilorganisationen: ÖAAB, Bauernbund, Wirtschaftsbund, Junge Volkspartei, Frauenbewegung, Seniorenbund
-Starke Landesorganisationen (v.a. NÖ, OÖ, Stmk, T) & Landeshauptleute
-Bundespartei tendenziell schwach -> Zentralisierung unter S. Kurz!
ÖVP hat indirekte Mitgliedschaft -> man tritt idR einer der 6 Teilorganisationen bei (oder auch mehreren)
* Präzise Mitgliederzahlen existieren nicht
* Wohl auch nicht in der ÖVP …
* Ev. wissen Mitglieder auch nichts
von ihrer Mitgliedschaft bzw. sind
sich ihrer nicht bewusst
* ÖVP bis heute absolut und relativ
eine der größten Parteien Europas
ÖVP Organisiert nach
-territorialen Prinzip -> Bundes-, Landes-, Bezirks- und Gemeindeparteien
-funktionales Prinzip -> Teilorganisationen
Teilorganisationen:
-eigenständige Vereine -> Autonomie ggü Bundesparteien
ÖVP Ideologie und Programmatik
ÖVP = christdemokratische Integrationspartei, die mehrere ideologische Elemente miteinander verbindet:
* Konservatismus
* Liberalismus (v.a. in ökonomischen Fragen)
* Katholische Soziallehre
Spannungsverhältnis -> heterogene ideologische Ausrichtung
Auszüge Programmatik:
Zentrales Merkmal der Christdemokratie: Integration verschiedener Klassen & Gruppen (Arbeiter:innen, Angestellte, Bäuer:innen, Unternehmer:innen, …)
* Ökosoziale Marktwirtschaft (Josef Riegler)
* Subsidiarität, Föderalismus, Dezentralisierung von Entscheidungsmacht
* Eigenverantwortung, Unternehmertum
* Wohlfahrtsstaat ja, aber weniger zum Zweck der Umverteilung
* Traditionelles Bild von Ehe, Familie, Geschlechterverhältnissen, …
* Pro Europäische Integration (in den letzten Jahren schwächer …)
* Skepsis gegenüber starkem Staat (Ausnahme: Sicherheit/Verteidigung)
FPÖ
-FPÖ steht in der Kontinuität des deutschnationalen Lagers („Drittes Lager“)
-1949: Verband der Unabhängigen (VdU)
->Ehemalige Nationalsozialisten
->Liberale, die nicht an die beiden Großparteien gebunden waren
-1955/56: Gründung der FPÖ: 1. Parteivors.: Anton Reinthaller (SS, NS-Reichstagsabgeordneter)
-FPÖ bis in 1990er-Jahre von Konflikten zwischen deutschnationalem und liberalem Flügel geprägt
FPÖ ist meist in Opposition, aber:
-1970-71: parl. Unterstützung der SPÖMinderheitsregierung (Kreisky I)
-1983-87: SPÖ-FPÖ-Koalition (Sinowatz, Vranitzky I)
-Unter Jörg Haider -> populistische radikale
Rechte -> massive Stimmenzuwächse
FPÖ-Mitgliederstand wächst über die Zeit
-Seit 2004 allerdings nur mehr unpräzise Angaben
- Sehr mitgliederstark im Vgl. zu
anderen rechtspopulistischen
Parteien Europas
FPÖ Ideologie und Programmatik
-(Deutsch-)Nationalismus
-Seit Jörg Haider -> „Rechtspopulismus“ (populist radical right) = Kombination aus:
* Nativismus (= Nationalismus + Fremdenfeindlichkeit)
* Autoritarismus (= traditionelle gesellschaftliche Hierarchien)
* Populismus (= „wahres Volk“ vs. „korrupte Eliten“)
-Liberalismus -> seit 1990ern aus Partei praktisch verschwunden
die Grünen
Ursprünge in Neuen Sozialen Bewegungen (NSB) ab 1960ern
* Umweltbewegung
* Friedensbewegung
* Frauenbewegung
* …
Wichtige Katalysatoren in Österreich:
* Protest gg. AKW Zwentendorf (Volksabst. 1978)
* Besetzung der Hainburger Au 1984/85
1986: Freda Meissner-Blau -> BPW: 5,5 %
NRW 1986: Die Grüne Alternative - Liste Freda Meissner-Blau: 4,8 %
= Zusammenschluss konservativerer (VGÖ) und linker (ALÖ) Grünparteien
-Ständige Präsenz im Nationalrat von 1986 bis 2017 (3,8 %)
-Ab 2004 in allen 9 Landtagen (ab 2018: alle außer Kärnten)
-Im Bund bis 2020 immer in Opposition (Verhandlungen VP-GR 2003)
-2020 Regierungsbeteiligung: Kabinett Kurz II (+ Nachfolgekabinette)
-Davor schon: Regierungspartei in den Bundesländern