Österreichische Literatur in den 1960er und 1970er Jahren Flashcards
Was ist der Kontext der österreichischen Literatur in den 1960er und 1970er Jahren
beginnende Wohlstandsgesellschaft (Waschmaschine, TV, Auto etc.) nach Wiederaufbau und Wirtschaftswunder im gemütlichen “immerwährenden neutralen” Proporzstaat
Selbstbild als kleines Land fernab weltpolitischer Krisen, aber internationaler Gesprächsort Wien
Vergangenheitsverdrängung und -verzerrung (vgl. Prozess gegen ‘Schlächter von Vilinus’ Franz Murer, Fall Taras Borodajkewycz))
Öffnung des Arbeitsmarkts für ‘Gastarbeiter’ (v.a. aus Jugoslawien und Türkei)
1966-1970: ÖVP-Alleinregierung mit vorsichtigen Modernisierungsversuchen
Internationalisierung der Jugendkultur: Antikriegsbewegung, Musikszene, Englisch Leitsprache
dezente Stundentenprotestbewegung, radikaler ‘Wiener Aktionismus’
1968 Happening ‘Kunst und Revolution’ mit Peter Weibel, Günter Brus, Otto Mühl und Oswald Wiener –> “Uni-Ferkelei”, Metaphysik des Leibes” gegen wortzentrierte Normierung
Wie verlief der Anschluss an die internationale Moderne im ‘sozialdemokratischen Jahrzehnt’
1970 Alleinregierung SPÖ (Minderheitsregierung, dann absolute Mehrheit) unter Bruno Kreisky
mehr Demokratie, gesellschaftliche Freiheit und Sozialgerechtigkeit durch Reformprogramm:
Justizreformen (u.a. Fristenlösung), Universitätsgesetzt (u.a. freier Zugang, Organisationsgesetz)
1973 Ende des Nachkriegswachstums mit Erdölpreiskrise –> Kampf gegen Rezession durch ‘deficit spending’ für Vollbeschäftigung
wegweisende außenpolitische Initiativen für Entspannungskurs (KSZE, Nahostgespräche)
1978 Zwentendorf-Abstimmung gegen Atomkraft
Wer schrieb “Laut und Luise”
Ernst Jandl
Fakten zu “Laut und Luise”
avantgardistischer Gedichtband zum literarischen Durchbruch, Ruhm als Vortragskünstler
Nähe zur Wiener Gruppe, Anregungen durch anglo-amerikanische Avantgarde und Jazz
konkrete Poesie: experimentelle Gedichte, die Sprache vor allem als Spielmaterial verstehen und die Möglichkeiten der effektvollen Umsetzungen ausloten v.a. in Lautpoesie und Sprechgedichte
komische und groteske Wirkeffekte, aber auch konkreter, oft verstörender Realitätsbezug, z.B: Schützengrabenerlebnisse oder Hitler - Rede bei Anschluss Österreichs (wien:heldenplatz)
Wer schrieb “LIebesgedichte”
Erich Fried
Fakten zu “Liebesgedichte”
Bestseller durch schlichte Eingängigkeit der am Alltagssprachlichen orientierten Verse
bleibender als seine “Zeitgedichte” (lyrische Reaktionen auf konkrete politische Gegebenheiten)
reimlose, weitgehend freie Verse, Rhythmisierung durch metrische Variation, Verdichtungen durch Wiederholungsfiguren, deiktische Deutungsfreiheit, kommunikative Situationen –> Ermunterung zum Nachmachen
Fakten zu “Die Grazer Gruppe”
lose Verbindung österreichsicher Autoren in “unheimlicher Literaturhauptstadt”
Formation ab 1960 rund um “Forum Stadtpark” und Literaturzeitschrift “manuskripte”
1. Nenung 1966 (Alfred Klleritsch): Wolfgang Bauer, Gunter Falk, Barbara Frischmuth, Peter Handke, Wilhelm Hengstler, Klaus Hoffer
Integrationsfigur Kolleritsch: Herausgeber der “manuskripte”, Gründungsmitglieder der Grazer Autorenversammlung (1973 als Alternative zum Österreichischen P.E.N-Club)
späte Erweiterung um u.a. Elfride Jelinek, Reinhard P. Gruber, Gert Jonke, Gerhard Roth, Harald Sommer, Herwig Seeböck, Franz Buchrieser
Anschluss an literarische Moderne im stark konservativen steirischen Literaturbetrieb
Anknüpfungspunkte mit Wiener Avantgarde (Wiener Gruppe, Wiener Aktionismus), aber kaum theoretische Auseinandersetzung
Erweiterung des Literaturbegriffs mit Wiener Avantgarde (Wiener Gruppe, Wiener Aktionismus), aber kaum theoretische Auseinandersetzung
Erweiterung des Literaturbegriffs über progressives und experimentelles Schreiben
langsame Entwicklung von der angefeindeten Subkultur zur geförderten Vorzeigekultur
Wer schrieb “Publikumsbeschimpfung”, welche Strömung
Peter Handke
Postdramatische Metatheater
Fakten zu “Publikumsbeschimpfung”
‘Sprechstück’ mit antidramatischem Konzept: 4 Schauspieler sprechen ohne Interaktion mit Publikum, Spieler sind Beobachter, Publikum wird zum Thema –> Theater ohne Bühnenillusion, ohne ‘Vierte Wand’, Handlung, Dialoge oder Charaktere
Sprache selbst und ihre prägende Macht sind Inhalt: Ansprache eskaliert in Beschimpfung
Inhalt:
Sie werden hier nichts hören, was Sie nicht schon gehört haben. Sie werden hier nichts sehen, was Sie nicht schon gesehen
haben. Sie werden hier nichts von dem sehen, was Sie hier immer gesehen haben. Sie werden hier nichts von dem hören,
was Sie hier immer gehört haben. […] Aber Sie sind nicht abendfüllend. Sie sind kein hübscher Einfall. Sie ermüden.
Sie sind kein dankbares Thema. Sie sind ein dramaturgischer Fehlgriff […] Das ist kein Drama. Hier wird keine
Handlung wiederholt, die schon geschehen ist. Hier gibt es nur ein Jetzt und ein Jetzt und ein Jetzt. Das ist kein
Lokalaugenschein, bei dem eine Tat wiederholt wird, die einmal wirklich geschehen ist. Hier spielt die Zeit keine Rolle.
Wir spielen keine Handlung, also spielen wir keine Zeit. Hier ist die Zeit wirklich, indem sie von einem Wort zum
andern vergeht. Hier flieht die Zeit in den Worten […]
Wer schrieb “Magic Afternoon”, Strömung
Wolfgang Bauer
anti-bürgerliches Schocktheater
Fakten zu “Magic Afternoon”
internationaler Durchbruch nach 40 Ablehnungen und Uraufführung am Landestheater Hannover, auf Dutzenden Bühnen in Folgejahren –> “scheiternde Identitäts- und Sinnsuche zweier Paare (Charlie, Birgit – Joe, Monika) außerhalb
konventioneller Wertvorstellungen endet in Aggression, Provokation und Notwehr mit Todesfolge”
gelungene Schilderung von Milieu und Lebensgefühl einer orientierungslosen Bohème: Fadesse, antibürgerliche Verweigerungshaltungen, Wohlstandsverwahrlosung, Bindungslosigkeit, Selbstfixiertheit –> “Die Wölt is nämlich unhamlich schiach”
(bühnentauglicher) Dialekt als bewusstes Ironisierungsmittel wegweisend, vgl. etwa Harald Sommers “A unhamlich schtora Obgaung” oder Peter Turrinis “rozznjogd”
–> ‘Dialektwelle’ im ‘Austropop’ und in Fernsehserien
Was geschah in der Vergangenheitsaufarbeitung der Prosa
kritische Thematisierung der NS-Vergangenheit, Aufzeigen des Fortwirkens faschistischer Strukturen v.a. im ländlich-katholischen Raum, Vergessen als kollektive Strategie in Österreich
Wer schrieb “Die Wolfshaut”, Strömung
Hans Lebert
Vergangenheitsaufarbeitung
Fakten zu “Die Wolfshaut”
“erster radikal moderner Roman der österreichischen Nachkriegsliteratur” (Elfride Jellinek)
Erstdruck Claasen-Verlag in Hamburg, Erfolg in DDR, geringe Rezeption in Österreich
dystopische Parabel im analytischen (Krimi-) Romanformat
durch Thema und suggestive Landschaftsbeschreibung Inspiration und Intertext für u.a. Thomas Bernhards “Frost”, Gerhard Fritschs “Fasching”, Elfride Jellineks “Die Kinder der Toten”
Inhalt:
Der Matrose Johann Unfreund kehrt 1952 ins Dorf ‚Schweigen‘ zurück, um herauszufinden,
warum sich sein Vater umgebracht hat. Dieser erschoss – mit anderen – knapp vor Kriegsende
sechs Fremdarbeiter – ein Kriegsverbrechen, das bislang von allen vertuscht wurde.
Fakten zu feministischen Identitätskonstruktionen der Prosa
Rolle der Frau in einer Männergesellschaft, zumeist Scheitern an patriarchalischen Machtverhältnissen (vgl. z.B. Brigitte Schwaiger: “Wie kommt das Salz ins Meer”