Nachkriegsliteratur in Österreich Flashcards
Was ist der Kontext zur österreichischen Nachkriegsliteratur
1945 Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung durch SPÖ, ÖVP und KPÖ, provisorische Regierung unter Karl Renner
4 Besatzungszonen der alliierten Mächte
Nationalratswahlen ohne ehemalige NSDAP-Mitglieder
Koalitionsregierung unter Leopold Figl (ÖVP), Wiederaufbau, Währungsreform, (halbherzige) Entnazifizierung
Selbstbild als erstes Opfer der NS-Aggression (–> Moskauer Deklaration 1943), ‘besserer’ deutscher Staat
CARE Pakete, Marshall-Plan, Ringen um Einfluss zwischen West und Ost
kultureller und intellektueller Anschluss an Habsburgerreich und Ständestaat:
Anknüpfen an das große Erbe, aber fehlende Auseinandersetzung mit Wurzeln von Austrofaschismus und Nationalsozialismus
Was ist der Kontext in Österreich nach 1949
1949 Nationalratswahl mit VdU (Verband der Unabhängigen) –> große Koalition, Wirtschaftsaufschwung, Sozialpartnerschaft mit Proporzsystem und Parteibuchbesetzung
50er Jahre: Angst vor nächstem Weltkrieg, Bemühungen um Besatzungsende unter Raab und Figl
1955 Staatsvertrag durch Neutralität, Mitverantwortlichkeit Österreichs für NS-Regime aus Präambel gestrichen, Verstaatlichung deutschen Eigentums aus der NS-Zeit
1956 Ungarn-Krise, 180.000 Flüchtlinge, Unsicherheit nach Besatzungsende, Erstarken des Föderalismus, Verdrängung der NS-Vergangenheit, zögerliche Repatriierung, Restitution mit Hürden, antideutsche Stimmung
Wie verlief die Restauration im österreichischen Kulturbetrieb
Identitätsbildung u.a. durch Habsburgerkitsch (Sissi-Trilogie) und Sporterfolge (Toni Sailer)
antikommunistische Agitation durch Friedrich Torberg und Hans Weigel (Brecht-Boykott)
Dominanz des literarischen Felds (Preise, Zeitschriften, Verkaufszahlen) durch ehemals ständestaatliche (Rudolf Henz, Alexander Lernet-Holenia) oder nationalsozialistische Autoren (Max Mell, Karl Heinz Waggerl, Robert Hohlbaum)
kulturkonservative Dominanz auch in akademischer Lehre (Eberhard Kranzmayer, Heinz Kindermann, Hans Sedlmayr etc.)
nur wenige Autoren waren auf der Höhe der Zeit und international rezipiert, z.B.: Paul Celan, Heimito von Doderer, Ilse Aichinger, Elias Canetti, Ingeborg Bachmann, H.C: Artmann
Bemühungen um österreichisches Deutsch in Abgrenzung zu bundesdeutschem Deutsch als identitätskonstituierende Kraft
Wer schrieb “Mohn und Gedächtnis”
Paul Celan
Faken zu “Mohn und Gedächhtnis”
Ist ein Gedichtband
Ist einer von 4 Teilen: Sand aus den Urnen, Todesfuge, Gegenlicht, Halme der Nacht
vielsprachige Referenztexte: Romantik, Symbolismus, Expressionismus, Surrealismus
viele Gedichte waren an Ingeborg Bachmann gewidmet (u.a. Corona)
Wer schrieb “Todesfuge”
Paul Celan
Fakten zu die Todesfuge
Anfang 1945 entstanden, Erstveröffentlichung in rumänischer Übersetzung: 1, Publikation unter dem Titel Tangoul mortii (Todestango): Requiem auf Shoa (“Endlösung der Judenfrage”)
Gegenüberstellung von genozidaler Todeserfahrung und messianischer Heilserwartung
Leiderfahrung als Charisma des jüdischen Volks
lyrische Bildlichkeit legitimierter Ausdruck barbarischer Perversionen –> Adorno
Ablehnung bei Gruppe 47, poetologische Diskurse (‘Holocaust Lyrik’)
Plagiatssreitigkeiten (Paradoxon ‘schwarze Milch’ von Rose Ausländer, Yvan Goll)
Autoren der Wiener Gruppe
H.C. Artmann
Gerhard Rühm
Konrad Bayer
Oswald Wiener
Friedrich Achleitner
Fakten zur Wiener Gruppe
War eine lose Formation ab etwa 1953, gaben Auftritte als ‘literarisches cabaret’ –> provokative, isolatorische Gegenkunst in ‘Happenings’
Auflösung um 1960, unterschiedliche Entwicklungen
Anleihen bei Techniken des Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus
intensive Auseinandersetzung mit Sprachkritik und -philosophie (Mauthner, Wittgenstein)
Anregungen durch ‘konkrete Poesie’ –> Grominger
Verfremdung (u.a. phonetische Kleinschreibung), Sprachspiel, Zitat, Montage, Klang- und Rhythmusexperiment, Nonsens-Dichtung, konkrete Poesie, visuelle Lyrik
Neuasulotung des ästhetischen Potentials von Mundart im Sprachexperiment, Anreiz:
klanglicher Reichtum, Wirklichkeitsnähe und Unmittelbarkeit, implizite Verortung, Bildlichkeit, lexikalische Möglichkeiten, ‘unbewusste’ Freizügigkeit
erste Publikation experimenteller Dialektdichtung in Zeitschrift “aplha”
Wer schrieb “med ana schwoazzn dintn. gedichta r aus bradnsee”
H(ans) C(arl) Artmann
Fakten zu “med ana schwoazzn dintn. gedichta r aus bradnsee”
Bestseller der Avantgarde, auch durch rezeptionelles Missverständnis (‘Heimatdichtung’) –> darin aber eine programmatische Verweigerung des Heimeligen
Anklänge an Schwarze Romantik und expressionistische Schockmomente:
Makabres, Morbides und Dämonisches des quasi-authentischen Wiener (Unterschichten-)Alltags, aber etwa auch vergleichsweise konventionelle intime Liebesgedichte
Rollengedichte mit gewagter Bildlichkeit zwischen schwarzen Humor und existenziellem Ernst
irritierende phonetische Schreibung, mündlichkeitsnahe Klangmelodie
Beleg, dass Dichtung in Mundart nicht rückständig-provinziell ist
–> Anstoß für unzählige Arbeiten der ‘kritischen Dialektkunst’
z.B. Friedrich Achleitner / H.C. Artmann / Gerhard Rühm: hosn rosn baa (1959) mit
Vorwort von Heimito von Doderer
Wer verfasste “Der Bockerer”
Ulrich Becher
Peter Preses
Fakten zu “Der Bockerer”
Uraufführung 1948 an der Wiener Scala (= ‘Kommunistentheater’), 80 Aufführungen, aber Blockade nach Plagiatsstreit mit Friedrich Torberg
Typus des cholerischen ‘bauernschlauen’ aber gutherzigen Wieners
Dialekt als positiv besetztes Abgrenzungszeichen gegen ‘deutsches Deutsch’ –> signalisiert Empathie, Hausverstand und natürliches Rechtsempfinden des ‘kleinen Mannes’
Mythisierung eines breiten privaten, aber kaum vernehmbaren Widerstands –> ‘Opfermythos’
Verfilmung mit Karl Merkatz
Inhalt:
Volksstück in Kabarett-Tradition um den einfachen Fleischhauer Karl Bockerer, der aus
Menschlichkeit nach dem Anschluss zum Regimekritiker wird und in einer Mischung aus Naivität
und Tollkühnheit passiv Widerstand gegen Hitler-Deutschland leistet
Wer schrieb “Der Herr Karl”
Carl Mertz
Helmut Qualtinger
Fakten zu “Der Herr Karl”
Ist ein monologisches Einpersonenstück zwischen Theaterstück und Kabarett, zunächst verfilmt
abstoßende Abart des kleinbürgerlichen ‘homo ausstriacus’:
opportunistischer Mitläufer und feiger Wendehals, selbstgerechter Raunzer und skrupelloser Nutznießer, der sich als gemütlicher ‘Mann von der Welt’ inszeniert, hinter dessen scheinbar harmloser Fassade jedoch kaltblütige, unberechenbare Aggression lauert
schonungslose Aufarbeitung der Verdrängungs- und Entschuldungsstrategien des österreichischen Volks, das sich selbst als ‘Opfer’ sieht (authentische Vorbilder)
erwartungsgemäß heftige Publikumsreaktionen: “Der Herr Karl’ wollte einem bestimmten Typus
auf die Zehen treten und ein ganzes Volk schreit ‚Au‘“ (Hans Weigel)