Literatur in der BRD in den 1980er und 1990er Jahren Flashcards

1
Q

Kontext der Literatur der BRD in den 1980ern und 1990er Jahren

A

Ende 1970er: ‘zweiter Kalter Krieg’ mit Wettrüsten, Stellvertreterkonflikten und Atomkrieg-Sorgen, saurer Regen, Waldsterben –> Grüne Parteien, Friedensbewegung, Atomkraftgegnerschaft
1982 politische Stabilität durch CDU-FDP-Regierung unter Helmut Kohl, steigender internationaler Status, verstärkter Kooperation mit Frankreich, Akzent auf europäischer Einigung und Erweiterung der EU
1989 ‘Wende’ Endpunkt der Erosionsprozesse des real existierenden Sozialismus, symbolträchtiger Mauerfall als Ende des ‘Eisernen Vorhangs’
1990 Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten –> Berlin Regierungssitz, Wirtschaftsaufschwung, Transferleistungen aber auch: Reformstau in ostdeutschen Gebieten, Strukturschwäche, Abwanderung, Auslandsmilitäreinsätze im Rahmen der NATO
1998 rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder: neue Impulse Richtung Umweltschutz, Sozial- und Gesundheitspolitik, Globalisierung

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2
Q

Fakten zur Postmoderne und ‘anything goes’

A

War eine ‘Korrektur’ des linearen Fortschrittprogramms der Moderne –> Ende der großen ‘Erzählungen’: Glaubensinhalte, Gesellschaftsentwürfe wie Sozialismus bzw. sozial-humaner Kapitalismus, Gerechtigkeitsvorstellungen, Ideale oder Ethiken haben Gültigkeit eingebüßt
Zukunftsskepsis durch Fehlen einer übergeordneten verbindenden Idee
Beschränkung auf Oberflächliches statt Suche nach existenziellem Sinn und Wahrheitsanspruch
Spiel mit kulturellen/ästhetischen Versatzlücken
Grenzüberschreitung zwischen Elite- und Massenkultur
Werke ohne Erkenntnis- und Interpretationsfluchtpunkte

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3
Q

Was sind Kennzeichen der postmodernen Literatur

A

Zitat, Reproduktions- und Imitationskunst
Intertextualität durch Bezug auf vorhandene Werke –> reduzierte Originalitäts- und Authentizitätsanspruch
Dekonstruktion, Montage, Collage, Crossover etc. als Kulturtechniken –> Genremischung, Eklektizismus, Pluralität, Gestus der Ironie
Performatives als Selbstzweck

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4
Q

Was ist der Deutsch-deutsche Literaturstreit

A

War die Frage nach dem Wert der DDR-Literatur –> wird zum Streit über Deutungshoheit über Ereignisse
–>Abrechnung mit Linksintellektuellen, die an dem sozialistisch geprägten Nachfolgestaat festhielten
Ausganstext: Christa Wolf: “Was bleibt”
1979 verfasst, 1989 überarbeitet: beschreibt die Erfahrungen mit der Stasi-Überwachung, Beklommenheit, Fremdheitsgefühl gegenüber dem eigenen Land –> Reaktionen: Buch ist zu spät gekommen, Kritik an der Haltung, nicht an der Ästhetik des Textes
Opportunismus-Vorwurf gegen erfolgreiche Autoren (wie Heine Müller oder Volker Braun), die zwischen Dissidententum und SED-Vereinnahmung lavierten
Feuilletonkritik an linksorientierter Literatur (bzw. linksliberaler Kultur der vorangehenden Jahrzehnte) –> Verstoß gegen ‘Zweckfreiheit der Literatur’ (Karl Heinz Bohrer)
Abwertung der DDR-Literatur: “Gessinungsästhetik” (Ulrich Greiner), “Ruin der Literatur” (Frank Schirrmacher)
Versuch der Selbstreinigung der bundesdeutschen Kritik? –> jahrzehntelanger Glaube an Aufgabe der Literatur in der Reflexion der gesellschaftlichen Verhältnisse und Verbindung von Ästhetik und Moral

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5
Q

Wer schrieb “Landwege”

A

Sarah Kirsch

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6
Q

Fakten zu “Landwege”

A

ist eine Gedichtauswahl
Ist das Nachwort des Lyrikers Günter Kunert
Reflexion über Freiheit, Heimatverlust und Exilgefühl
Erinnerungspoesie als Vergegenwärtigung des verlorenen Vertrauen

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7
Q

Wer schrieb “Das Eigentum”

A

Volker Braun

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8
Q

Fakten zu “Das Eigentum”

A

Elegie auf schnelles Ende der DDR, trotzige Melancholie des Dichters ohne Hoffnungsprinzip
berühmtes ‘Wende-Gedicht’, artikuliert Sorgen vor Vereinnahmung; Wende für Braun ambivalent: “Öffnung der Grenze und Ausländerhass, Warenangebot und Abwicklung, Medienfreiheit und Evaluierung”
Auslieferung an individualistischen Kapitalismus statt Sozialismus als Gemeinschaftsprojekt

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9
Q

Wer schrieb “geschrebertes idyll”, Gattung

A

Thomas Kling
Performancegedicht

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10
Q

Fakten zu “geschrebertes idyll”

A

aus ‘poppolitischem’ Gedichtband “geschmacksverstärker”, komplexe Textgebilde, gegen spießige Innerlichkeit und kopflastige Attitüde des Kulturbetriebs
Grillabendexzess im Schrebergarten als ‘kleinbürgerliches Idyll’ der Achtzigerjahre
balladeske Struktur in Momentaufnahmen: kulinarischer Teil (mit alkoholischen ‘Kellergeistern’ und Essen nach “Brigitte”-Heft Rezepten), Unterhaltungsprogramm (Urlaubsdias, Horrorfilme), Klatsch und Tratsch, sexuelle Aktivitäten im Hobbykeller, Trinkorgie mit Phrasengegröle
Sprechtext mit Partitur-Charakter: assoziative Reihung fragmentarischer Wirklichkeitseindrücke, Redepartikel aus der Ruhrpott-Umgangssprache, Zitate für Stimmungsbilder
akzentuierte Zeichenhaftigkeit konkreter Dichtung: eigenwillige Interpunktion, Orthographie und Typographie, phonetische soziolektale Schreibweise, Wortspiele

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11
Q

Wer schrieb “Der Park”, Gattung

A

Botho Strauß
‘reproduktives Drama’

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12
Q

Fakten zu “Der Park”

A

zentrale Motive: Sprach- und Subjektkrisen, Entindividualisierung, Kommunikationsbrüche
Demontage archaischer Mythen, um Sinnverlust der modernen Gesellschaft vorzuführen, deren neue Leitlinien Wohlstand, Konsum und Karriere keine tieferen Beziehungen mehr erlauben
Handlung der Komödie frei nach Shakespeares “Sommernachtstraum”
Inhalt:
Titania und Oberon finden sich in einem verdreckten Stadtpark wieder, wo sie den Menschen die
Urkraft des Eros und poetischen Zauber zu vermitteln versuchen; doch die heutige Menschheit ist so
liebesmüde, hektisch und ich-fixiert, dass auch die aphrodisierenden Amulette Cyprians, des Gehilfen
des Elfenkönigspaars, letztlich nichts helfen, sondern nur beliebige Paarbeziehung schaffen; Titania
gebiert als moderne Pasiphae einen impotenten Minotaurus und sinkt wie ihr Mann auf die Stufe der
Sterblichen; der homosexuelle Cyprian aber wird von seinem Angebeteten erschlagen

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13
Q

Was sind Eigenschaften des ‘postdramatischen Drama’

A

Performance-Theater: Präsenz statt Repräsentation, Simultaneität, Körperlichkeit
kein dialogisches Sprechtheater, sondern monologisch-auktoriale Textflächen
Vorrang der Bildhaftigkeit und des Phänomens, popkulturelle Einflüsse
Konstitutive Interdisziplinarität: Einbindung anderer medialer und künstlerischer Formen –> Mischformen wie performative Installationen, Soundcollagen, multimediale Inszenierung etc.
Rezeption: keine hermeneutische Haltung (keine Zeicheninterpretation), sondern unmittelbares, intensives Erfahren

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14
Q

Wer schrieb “Jeff Koons”

A

Rainald Goetz

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15
Q

Wer schrieb “Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders”

A

Patrick Süskind

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16
Q

Fakten zu “Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders”

A

Welterfolg, Übersetzung in ca. 50 Sprachen, über 20 Mill. Exemplare, Verfilmung
fabulierfreudige postmoderne Verschmelzung von Hoch- und Trivialliteratur
Imitation traditioneller Erzählmuster (z.B. Kleists Kohlhaas), Funktionalisierung modischer Motive, (übernatürliche Fähigkeiten, vgl. “Brechtrommel”), Sprachstilkopien (z.B. Bibel), Wissenschaftsexkurse
Mehrfachcodierung des Genres: Serienmörder-Krimi, Historienroman, (Anti-) Bildungsroman, Sozialroman über Opfer gesellschaftlicher Missstände, Künstlerroman (und deren Parodie)
Inspiration für ähnliche Romane (vgl. Robert Schneider: “Schlafes Bruder”

17
Q

Was sind Eigenschaften des Wenderoman

A

Thema: gesellschaftliche Veränderung nach Wiedervereinigung Deutschlands, von emotionalen Bilanzierung über Darstellung virulenter Orientierungsprobleme bis hin zur ‘Ostalgie’
biografische Abrechnung (Monika Maron: Stille Zeile sechs), humoristische Aufarbeitung (Thomas Brussig: Helden wie wir) oder Geschichtspanorama (G. Grass: Ein weites Feld)

18
Q

Wer schrieb “Ich”

A

Wolfgang Hilbig

19
Q

Fakten zu “Ich”

A

Arbeit mit eigener Stasi Akte, die Netzwerk von IM (inoffiziellen Mitarbeitern) in der Ost-Berliner Literaturszene offenlegte
Satire auf ohnmächtigen Sicherheitsapparat, der mit Prinzip der totalen Überwachung die totale Uneigentlichkeit der Bewachten und Informanten provozierte: “Dass jeder jeden in der Hand hatte, vielleicht war dies das letztendliche Ziel des utopischen Denkens … Und daher
das geheime Verlangen der Utopisten nach Anarchie, die den Gedanken an den Zusammenbruch zutage fördert und
den Dienst an der Überwachung der Gedanken erst notwendig macht.”
Inhalt:
Geschichte eines erfolglosen Arbeiter-Lyrikers (namens ‚Ich‘, ‚M.W‘ etc.), der halb genötigt, halb
freiwillig als Stasispitzel arbeitet und unter dem Decknamen ‚Cambert‘ den Untergrund-Dichter
‚Reader‘ observiert, dabei aber immer mehr den Bezug zur Alltagswelt zu verlieren droht

20
Q

Was sind Eigenschaften der Migrationsliteratur

A

interkulturelle Literatur von Autoren, deren Schreiben, zumeist aufgrund demografischer Veränderung, von zumindest zwei Kulturräumen geprägt ist (nicht nur 1, Generation)
verhandelt Identitätsfragen im Spannungsfeld Minderheiten - Mehrheitsgesellschaft
Transferphänomene (Innen/Außensicht) als Bereicherung der ‘Nationalliteraturen’ trotz Vorurteilen und unterschiedlicher Bewertung von Mehrsprachigkeit (symbolisches Kapital)

21
Q

Wer schrieb “Kanak Sprak. 24 Misstöne vom Rande der Gesellschaft “

A

Feridun Zaimoğlu

22
Q

Fakten zu “Kanak Sprak. 24 Misstöne vom Rande der Gesellschaft”

A

24 (halbfiktive) Bekenntnisse wütender junger Männer türkischer Abstammung auf die Frage : “Wie lebte es sich als Kanake in Deutschland”
Abgrenzung von schönfärberischen ‘Gastarbeiterliteratur’ durch integrationsverweigernde, teils anarchisch-selbstbewusste Subidentitäten –> reappropiation durch Geusenwort ‘Kanak’
Kunstsprache mit akzentuierter Mündlichkeit: Mischung aus Türkisch, Jugendslang und Straßendeutsch mit simplifizierter Grammatik, phonetische Übernahmen aus Herkunftssprache

23
Q

Wer schrieb “Herztier”

A

Herta Müller

24
Q

Fakten zu “Herztier”

A

rumänischer Neologismus ‘inimal’ aus inima (Herz) und animal: Charakterprägung (Erinnerung an eine Kindheit in heimatlicher geborgenheit)
Thema Folgen der kommunistischen Diktatur in Rumänien v.a. für Leute mit Doppelidentität: Elend, Unterdrückung und Widerstand, Vereinnahmungs- und Anpassungsversuche in 1980ern
autorinnahe Ich-Erzählerin, die Geschichte von ihr, Lola, Kurt, Edgar und Georg in brüchigen teils verschlüsselten Momentbildern präsentiert
Anfangs- und Schlusssatz: “Wenn wir schweigen, werden wir unangenehm, wenn wir reden, werden wir lächerlich” –> Vergegenwärtigung traumatischer Erfahrung mit traditionellem erzählerischen Mitteln möglich und legitim?
Inhalt:
Aufbegehren von befreundeten Studierenden gegen Totalitarismus des Ceauşescu-Regimes:
Verfassen oppositioneller Gedichte, Dokumentation der Überwachung durch Geheimdienst,
codierte Kommunikation, Verweigerung, Repressionen, Gewalt, Auswanderung und Tod

25
Q

Was sind Eigenschaften der Popliteratur

A

Ablösung der Elitekultur durch alltagstaugliche Unterhaltungskultur (vgl. L. Fiedler, R.D. Brinkmann)
Wiederbelebung in 1990ern (ohne subversives Potential): Ironisierung ideologischer Konzepte unter kulturindustriellen Bedingungen, Erfolg durch Marketingstrategien, einfache Rezeption, jugendkultureller Zeitgeistbezug und Lifestylethematik (Medien, Mode, Marken etc.)
gegen Politisierung der Erinnerungsliteratur

26
Q

Wer schrieb “Generation Golf”, Genre

A

Florian Illies
Popliteratur

27
Q

Fakten zu “Generation Golf”

A

Mentalität der nach ‘68 Geborenen ohne materielle Sorgen und politische Interessen
feuilletonistische Aufarbeitung einer Jugend in den 1980ern auf anekdotischer Basis
Schnittflächen mit ‘Generation X’ als Nutznießer einer von der Elterngeneration ermöglichten Überflussgesellschaft, aber ohne Verantwortungsbewusstsein (ökologische Folge des Wirtschaftsbooms, Atomkraftgefahr etc.)
mehrheitlich unkritische, unpolitische, hedonistische ‘Ego-Gesellschaft’