Niklas Luhmann Flashcards
Autopoietische Systeme
= sich selbst erzeugende Systeme
- nicht autark, sondern autonom
- Kontakt zur Umwelt von außen nur irritierbar, aber nicht steuerbar!
Allopoietische Systeme
= fremderzeugte Systeme wie Maschinen
- Kontakt zur Umwelt durch operative Schließung
Operative Schließung
ein System importiert Elemente und Strukturen aus der Umwelt nicht einfach, sondern jeweils in Bezug auf sich selbst, also selbst referentiell!
Systemebenen
- Interaktionssystem (Anwesenheit) –> Kopräsenz von Personen (z.B. Seminar)
- Organisationssystem –> Mitgliedschaft (z.B. Universität)
- Gesellschaftssystem –> Gesamtheit aller erwartbaren Kommunikation (= Weltgesellschaft)
System
Was ist ein System? = Zusammenstellung, einheitlich geordnetes Ganzes
- eine Menge aufeinander bezogener und voneinander abhängiger Elemente, die ein geordnetes Ganzes bilden, das sich gegenüber der Umwelt abgrenzt
- System/Umwelt: offene Systeme im Austausch mit der Umwelt
- > Systeme entstehen durch Grenzziehungen: Innen/Außen, System/Umwelt
Kommunikation
- Kommunikation ≠ die Übertragung einer Botschaft vom Sender zum Empfänger
- soziale Systeme sind autopoietische Systeme, die sich fortlaufend aus Kommunikationen reproduzieren
- psychische Systeme sind autopoietische Systeme, die sich fortlaufend durch Gedanken reproduzieren
- dabei gilt: Kommunikation kommuniziert und denkt nicht, das Bewusstsein denkt und kommuniziert nicht.
“Der Mensch kann nicht kommunizieren; nur die Kommunikation kann kommunizieren.” - Kommunikation ist ein dreistelliger Selektionsprozess:
1) Information - eine Selektion, eine Auswahl aus einem Horizont von Möglichkeiten
2) Mitteilung - die Information kann durch verschiedene Mitteilungsmöglichkeiten mitgeteilt werden (mündlich oder schriftlich, geflüstert oder geschrien)
3) Verstehen - die mitgeteilte Information kann in der einen oder anderen Weise verstanden werden - -> Kommunikation als Synthese aller drei Selektionsleistungen: Sinnhaft, wenn der dreiteilige Selektionsprozess von Information - Mitteilung - Verstehen erfolgreich war
Anschlusskommunikation
Durch jede Anschlusskommunikation wird signalisiert, dass die vorangegangene Kommunikation in einer bestimmten Art und Weise verstanden wurde
Bewusstsein
Die Bewusstseine bleiben für die Kommunikation und füreinander vollkommen intransparent -> es gibt keinen unmittelbaren Kontakt zwischen zwei Bewusstseinssystemen
Systembildung als Komplexitätsreduktion
- Umwelt ist immer komplexer als System (Komplexitätsgefälle!) -> erste und dringlichste Aufgabe der Systeme, Komplexität reduzieren:
- ohne die Reduktionsleistungen der Systeme würde man der Vielfalt der Wahrnehmungen und Ereignisse völlig hilflos gegenüber stehen
- durch die ständige Zunahme an Komplexität als Merkmal der modernen Gesellschaft ergibt sich die Notwendigkeit zur
- > Arbeitsteilung, Differenzierung und Spezialisierung (Modernisierungstheorie): Nicht bloße Zunahme an Differenzierung, sondern Änderung der Differenzierungsform
- KOMPLEXITÄT: es gibt immer mehr Möglichkeiten, als in Systemen jeweils realisiert bzw. aktualisiert werden kann/Selektionszwang
Sinn
- psychische und soziale Systeme sind Sinn konstituierende und verwendende Systeme
- es geht um die fortlaufende Aktualisierung von Möglichkeiten - es muss ständig eine Neuauswahl, eine Selektion, getroffen werden
- das jeweils Aktualisierte verweist auf weitere Anschlussmöglichkeiten
- Sinn ist eine nicht negierbare Kategorie - Sinn verweist stets wieder auf Sinn
Sinndimensionen
Jedes kommunikative Ereignis kann anhand dreier Sinndimensionen unterschieden werden:
- Sachdimension –> WAS (geschieht)?
- Sozialdimension –> WER (ist daran beteiligt)?
- Zeitdimension –> WANN (ist es geschehen)?
Gesellschaftsbegriff
ist:
- antihumanistisch - der Mensch ist nicht der Ausgangspunkt der Theorie
- antinormativ - adäquates Verständnis der Gesellschaft, nicht ihrer Heilung
- antiregionalistisch - Nationalstaaten ≠ Gesellschaften
- konstruktivistisch - Beobachtung der Gesellschaft; Beobachter als Teil der Gesellschaft
Beobachtung
- Beobachtung nicht an menschliches Bewusstsein gebunden; auch soziale Systeme beobachten
- Beobachten = Herstellen einer Differenz/Unterscheidung (Frau oder Mann; Recht oder Unrecht)
- Beobachten = im Rahmen einer Beziehung ist es unmöglich beide Seiten der Unterscheidung gleichzeitig zu bezeichnen (Frau, nicht Mann; Recht, nicht Unrecht)
- erst eine spätere Operation kann die zuvor nicht bezeichnete Seite bezeichnen
Beobachtung erster und zweiter Ordnung
“Beobachtungen zweiter Ordnung sind Beobachtungen von Beobachtungen. Es kann sich um Beobachtungen anderer Beobachter handeln oder auch um Beobachtungen desselben oder anderer Betrachter zu einem anderen Zeitpunkt.”
–> keine objektive Erkenntnis der Realität, sondern:
- Jede Realität ist von Beobachtern bzw. Beobachtungen abhängig
–> Frage kann NICHT mehr lauten: “WAS wird beobachtet?”
sondern: “WIE wird beobachtet?”
Beobachtungen sind immer abhängig von Beobachtungsschemata
Segmentäre Differenzierung
- archaische Gesellschaften, differenziert in gleiche Teile: Familien, Stämme, Dörfer
- keine Trennung von Interaktion, Organisation und Gesellschaft
- Zugehörigkeit durch Anwesenheit (Verwandtschafts- bzw. Territorialprinzip)
- Differenzierung nach Gleichheit