LF1/3.Tr. Gefahrenabwehrrecht/Vollzug von VA Flashcards

1
Q

Wo ist der Verhaltensstörer und wo der Zustandsstörer geregelt? Was ist jeweils der Haftungsgrund?

A

Verhaltensstörer § 218 LVwG
Haftungsgrund: das eigene Verhalten
Zustandsstörer § 219 LVwG
Haftungsgrund: Eigentum oder Besitz an der Sache

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2
Q

Herrschende Meinung der Verantwortlichkeit des VA-Adressaten?

A

Verantwortlich ist grds. die Person, die mit ihrem Verhalten oder dem Zustand ihrer Sache die entscheidende Ursache zur Gefahrenentstehung setzt.

Entscheidende Ursache ist wertend zu bestimmen. Grds. Ist es die letzte Ursache in der Kausalkette zur Gefahrenentstehung. Aber es gibt auch Ausnahmen, nämlich wenn auf einem anderen Beitrag der Schwerpunkt der Verursachung liegt

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3
Q

Beispiele Verantwortlichkeit (Ausnahme)

A

Ladeninhaber L engagiert weibliche Models und lässt sie im Schaufenster seines Ladengeschäfts spärlich bekleidet in aufreizender Weise posieren. Dadurch entsteht eine große Menschenansammlung, die eine Blockade der am Laden vorbeiführenden Straße und ein Verkehrschaos nach sich zieht. L ist jedenfalls objektiver Zweckveranlasser, obwohl ihm das Verkehrschaos möglicherweise (subjektiv) unerwünscht war.

A ist Inhaber eines Warenlagers und will seinem Nachbarn eins auswischen. Dazu weist er seinen Warenlieferanten unter Mitgabe des Schlüssels für das Warenlager an, in den nächsten Tagen nur zur Nachtzeit anzuliefern. Hinsichtlich der eintretenden nächtlichen Ruhestörung ist A (subjektiver) Zweckveranlasser. Die Tatsache, dass der Warenlieferant ebenfalls Verhaltensstörer ist, steht dem nicht entgegen.

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4
Q

Sonderfall Nichtstörer

A

§ 220 LVwG
Strenge Anforderungen an die Inanspruchnahme des sog. Nichtstörers, da er für die Gefahr nicht verantwortlich ist
Voraussetzungen der Norm sind eng auszulegen und müssen nebeneinander erfüllt sein

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5
Q

Was sind die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit?

A

Unverletzlichkeit der (objektiven) Rechtsordnung
(Wahrung aller Ge- und Verbote aus Gesetzen, VO, Satzungen)

Unverletzlichkeit der (subjektiven) Individualrechtsgüter
(Leben, Gesundheit, Ehre, Leib, Eigentum, Freiheit –> Grundrechte)

Bestand und die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen

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6
Q

Was ist die Definition für eine Gefahr? (Konkrete Gefahr)

A

Gefahr ist eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des Geschehens mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit führt. Vgl. § 174 LVwG aus ex ante Sicht einer besonnenen Person

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7
Q

Welche Gefahr erfordert der Erlass eines VAs?
Welche der Erlass einer VO?

A

Erlass eines VA erfordert konkrete Gefahr, vgl. § 176 I Nr. 2 LVwG (für konkreten SV, aber auch möglich für Nr. 1 Beseitigung einer Störung)

Erlass einer VO erfordert abstrakte Gefahr, vgl. § 175 LVwG (abstrakter SV, der sich zur konkreten Gefahrensituation entwickeln kann)

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8
Q

Wie erfolgt die Gefahrenbeurteilung?

A

Anhand einer Prognoseentscheidung (ex-ante Sicht)

Je-desto-Formel : je bedeutender das bedrohte Rechtsgut (und damit je höher der zu erwartende Schaden), desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadens

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9
Q

Was gibt es für (ungeschriebene) Gefahrenbegriffe?

A

Anscheinsgefahr (bei objektiver und pflichtgemäßer Betrachtung der Sachlage lag ex ante eine Gefahr vor, ex post stellt sich jedoch heraus, dass in Wirklichkeit kein Schaden drohte –> echte Gefahr i.S.d. Generalklausel)

Schein-bzw. Putativgefahr (pflichtwidrig, ein Durchschnittsbeamter hätte Gefahrenprognose so nicht vorgenommen, keine echte Gefahr)

Gefahrenverdacht (SV konnte nicht vollständig ermittelt werden/es bestehen noch Unsicherheiten, erlaubt nur weitere verhältnismäßige Maßnahmen zur Gefahrenerforschung)

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10
Q

Was gibt es für Gefahrenstufen, was bedeuten sie?

A

gegenwärtige Gefahr (unmittelbar bevorstehende Gefahr, Ereignis beginnt oder hat bereits begonnen. §§ 220, 229 II Nr. 1, 230, 208 II Nr. 3 LVwG)

dringende Gefahr (es kommt mit großer Wahrscheinlichkeit zu Schaden an wichtigen Rechtsgut. Vgl. Art. 13 VII GG)

Gefahr in Verzug (verlangt Sachlage, bei der Schaden eintreten würde, wenn nicht andere Behörde oder Person tätig wird, vgl. Art. 13 II GG, §§ 186 IV, 208 V LVwG)

gemeine Gefahr (besteht für unbestimmte Vielzahl von Personen/Sachen, zb Naturkatastrophen, vgl. Art. 13 VII GG)

erhebliche Gefahr (nur für bedeutsames Rechtsgut, insb. Leben, Gesundheit, Freiheit, vgl. § 208 I LVwG

5 Gefahrenstufen

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11
Q

Was gibt es für Verantwortliche?

A

Verhaltensstörer, § 128 LVwG
(hat durch Verhalten Gefahr/Störung verursacht, auch durch Unterlassen)

Zweckveranlasser
(wer aufgrund seines Verhaltens andere objektiv dazu veranlasst ein Schutzgut zu gefährden, der nur die vorletzte Ursache für den Gefahreneintritt gesetzt hat)

Zustandsstörer, § 219 LVwG
(Inhaber einer Sache oder Raumes, Eigentümer von der Gefahr ausgeht)

Nichtstörer, § 220 LVwG
(hat mit Situation nichts zu tun, wird aber von den Behörden verpflichtet, etwas zu tun)

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12
Q

Was bedeutet Vollstreckung?

A

= Anwendung von Zwangsmitteln, vgl. § 235 LVwG

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13
Q

Welche Zwangsmittel gibt es?

A

Zwangsgeld, § 237 (bei unvertretbarer Handlung)
Ersatzvornahme, § 238 (vertretbarer Handlung
UZwang, § 239

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14
Q

Wann mehraktiges, wann einaktiges Verfahren?

A

Mehraktiges: Wenn Grund-VA vorliegt
(gestrecktes Verfahren, Regelverfahren, Regelfall, § 229 LVwG)

Einaktiges: Wenn kein Grund-VA
(sofortiger Vollzug, § 230 LVwG)

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15
Q

Was bedeutet Störung?

A

bereits eingetretener Schaden und noch fortwirkender Schaden an den Schutzgütern der ÖS
Ziel: Beseitigung

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16
Q

In welchen Handlungsformen erfüllen die Ordnungsbehörden die Aufgabe der Gefahren-
abwehr?

A
  • Verwaltungsakte (Stoff des 3. Trim.)
  • Rechtsverordnungen
  • Erlaubnisse
  • Realakte
17
Q

Was geschieht, wenn der Bürger einem VA nicht folgt?

A

Vollzug durch den Einsatz von Zwangsmitteln

18
Q

Wer trägt die Kosten für die Gefahrenabwehr?

A

 Kosten der Behörde für Zwangsmittel
 Ersatzansprüche des Bürgers für ungerechtfertigte Heranziehung zu Gefahrenabwehrmaßnahmen

19
Q

Allgemeines Prüfschema zum Erlass einer Ordnungsverfügung

Kurzfassung - nur das Schema mit Unterpunkten ohne Erklärung

A

Vorprüfung: Liegt eine Aufgabe der Gefahrenabwehr vor?
I. Ermächtigungsgrundlage (EGL) zum Erlass der Verfügung
1. Warum benötigt die Behörde eine EGL? Art. 20 III GG, Art. 45 LV SH, § 72 S.2 LVwG
2. Hat die Behörde eine Eingriffsermächtigung (primär aus Spezialgesetz, nachrangig aus Standardmaßnahmen des LVwG (§§ 177 ff., 199 ff.) oder der Generalklausel (§§ 174, 176 LVwG)?

II. Formelle Rechtmäßigkeit der Verfügung
1. Zuständigkeit
Wer ist sachlich und örtlich für den Erlass der Verfügung zuständig (spezielles oder allgemeines Recht)?
2. Einhaltung der Verfahrensvorschriften
z. B. Beteiligter, Anhörung, ggf. Ausschluss wegen Befangenheit
3. Beachtung der Formvorschriften
z. B. Begründung erforderlich, Schriftform

III. Materielle Rechtmäßigkeit der Verfügung
1. Tatbestand
a) Liegt ein Sachverhalt vor, der Auswirkungen auf die Schutzgüter der Öffentlichen Sicherheit erwarten lässt?
b) Gefahr/Störung
Besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Sachverhalt bei ungebremstem Fortgang in absehbarer Zeit zu einem Schaden (= Gefahr) oder zu einer Schadensintensivierung (= Störung) an den Schutzgütern der Öffentlichen Sicherheit führt?
c) Ist der Adressat der Verfügung für die Gefahrenlage verantwortlich und deshalb Störer?
(Spezialrecht, LVwG)

  1. Rechtsfolge (Ermessen, § 73 LVwG)
    a) Entschließungsermessen
    Wurde das Entschließungsermessen rechtmäßig ausgeübt? Ermessensfehler vermeiden und
    Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten!
    b) Auswahlermessen
    Wurde das Auswahlermessen rechtmäßig ausgeübt?
    (1) bzgl. des VA-Adressaten, wenn neben ihm noch andere Störer für die
    Gefahrenlage verantwortlich sind
    (2) bzgl. des ausgewählten Mittels, wenn daneben noch andere alternative Mittel in
    Betracht kommen

IV. Allgemeine Rechtmäßigkeit des VA
1. Ist der VA inhaltlich hinreichend bestimmt, § 108 I LVwG?
2. Ist der VA rechtlich und tatsächlich befolgbar, § 113 I Nr. 4, 5 LVwG? 3. Ist der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt, Art. 3 GG?

III. Materielle Rechtmäßigkeit der Verfügung
1. Tatbestand
a) Liegt ein Sachverhalt vor, der Auswirkungen auf die Schutzgüter der Öffentlichen Sicher-
heit erwarten lässt?
b) Gefahr/Störung
Besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Sachverhalt bei ungebremstem
Fortgang in absehbarer Zeit zu einem Schaden (= Gefahr) oder zu einer
Schadensintensivierung (= Störung) an den Schutzgütern der Öffentlichen Sicherheit führt?
c) Ist der Adressat der Verfügung für die Gefahrenlage verantwortlich und deshalb Störer?
(Spezialrecht, LVwG)

  1. Rechtsfolge (Ermessen, § 73 LVwG)
    a) Entschließungsermessen
    Wurde das Entschließungsermessen rechtmäßig ausgeübt? Ermessensfehler vermeiden und
    Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten!
    b) Auswahlermessen
    Wurde das Auswahlermessen rechtmäßig ausgeübt?
    (1) bzgl. des VA-Adressaten, wenn neben ihm noch andere Störer für die
    Gefahrenlage verantwortlich sind
    (2) bzgl. des ausgewählten Mittels, wenn daneben noch andere alternative Mittel in
    Betracht kommen

IV. Allgemeine Rechtmäßigkeit des VA
1. Ist der VA inhaltlich hinreichend bestimmt, § 108 I LVwG?
2. Ist der VA rechtlich und tatsächlich befolgbar, § 113 I Nr. 4, 5 LVwG?
3. Ist der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt, Art. 3 GG?
V. Ergebnis

20
Q

Allgemeines Prüfschema zum Erlass einer Ordnungsverfügung

Langfassung - mit Erklärung

A

Vorprüfung: Liegt eine Aufgabe der Gefahrenabwehr vor?
I. Ermächtigungsgrundlage (EGL) zum Erlass der Verfügung
1. Warum benötigt die Behörde eine EGL? Art. 20 III GG, Art. 45 LV SH, § 72 S.2 LVwG
2. Hat die Behörde eine Eingriffsermächtigung (primär aus Spezialgesetz (gem. § 173 I), nachrangig aus Standardmaßnahmen des LVwG (§§ 177 ff., 199 ff.) oder der Generalklausel (§§ 174, 176 LVwG) gem. § 173 II?

Maßstab für die Suche nach der richtigen EGL ist § 173 LVwG: sagt, dass erst Spezialgesetz, sonst LVwG

II. Formelle Rechtmäßigkeit der Verfügung
Die Länder vollziehen das Gefahrenabwehrrecht durch die Verwaltungsträger Land, Kreise, Gemeinden, Ämter, § 162 I LVwG.
Für Kreise, Gemeinden, Ämter ist es eine
Weisungsaufgabe, § 162 III LVwG.
(Bund: nur begrenzte Verwaltungskompetenzen)

  1. Zuständigkeit
    Wer ist sachlich und örtlich für den Erlass der Verfügung zuständig (spezielles oder allgemeines Recht)?
    sachlich:
    Grundsatz: Ordnungsbehörden sind grundsätzlich vor der Polizei zuständig. § 165 I LVwG
    *Ausnahme: soweit durch Rechtsvorschrift anderes bestimmt oder Eilentscheidungen (168 Abs. 1 Nr. 3)
    bei den Ordnungsbehörden: 165 II - IV (Ausnahmen in 165 II 2 HS, III, 167
    örtlich: bei der Ordnungsbehörde –>
    Grundsatz:
    Zuständig ist die Ordnungsbehörde, in deren Bezirk (= räumlichen Wirkungsbereich) die geschützten
    Interessen verletzt oder gefährdet werden (Gemeinde-, Amts- oder Kreisgebiet), § 166 I LVwG

    Ausnahme: 166 III, bei Gefahr im Verzug benachbarte Behörde
    bei der Polizei–>
  2. Gesetzliche Grundlagen: §§ 169 – 171 LVwG, § 8 Abs. 1 POG.
  3. Kernregelung: § 169 LVwG.
  4. § 170 LVwG regelt die Amtshandlungen von Polizeivollzugsbeamten, die nicht in einem Dienstver-
    hältnis zum Land Schleswig-Holstein stehen.
  5. Spiegelbildlich regelt in einem dritten Komplex das Landesverwaltungsgesetz als Form der örtli-
    chen Zuständigkeit die Amtshandlungen von Polizeibeamten außerhalb Schleswig-Holsteins in §
    171 LVwG.
  6. Einhaltung der Verfahrensvorschriften
    Anhörung, § 87 I LVwG
    Eine Ausnahme gilt jedoch gem. § 87 II Nr. 1 LVwG bei „Gefahr im Verzug“.
    Heilung von Anhörungsfehlern §§ 114, 115 LVwG
    z. B. Beteiligter, Anhörung, ggf. Ausschluss wegen Befangenheit
  7. Beachtung der Formvorschriften
    * § 108 II-IV LVwG = grds. formfrei
    * § 109 Begründung bei schriftlichen VA
    * Heilung von Formfehlern §§ 114, 115 LVwG
    (Bekanntgabe §§ 112, 110 LVwG aber strenggenommen WIrksamkeitsvoraussetzung, keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung)

III. Materielle Rechtmäßigkeit der Verfügung
1. Tatbestand
a) Liegt ein Sachverhalt vor, der Auswirkungen auf die Schutzgüter der Öffentlichen Sicherheit erwarten lässt?
Unter der öffentlichen Sicherheit versteht man die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger der Hoheitsgewalt.
Individualrechtsgüter: Leben, Gesunheit, Freiheit, Vermögen
Droht eine Verletzung subjektiver Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, ist vorrangig
eine Verletzung der Rechtsordnung einschlägig und zu prüfen (insbes. StGB). Es gibt allerdings typische Fälle, in denen die subjektiven Rechte und Rechtgüter des einzelnen gefährdet sind, ohne dass eine Verletzung der Rechtsordnung droht. Solche sind beispielsweise Gefahren durch Naturereignisse, der Schutz unfreiwillig Obdachloser oder Gefahren, denen der Einzelne sich selbst aussetzt. Hier hat das Schutzgut Individualrechtsgüter selbstständige Bedeutung
freiweillige Selbstgefährdung kein Schutzgut der ÖS (wenn er sein Verhalten absehen kann, gilt nicht zwingend bei Kindern, Trunkenheit, psychischer Erkrankung)

b) Gefahr/Störung
Besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Sachverhalt bei ungebremstem Fortgang in absehbarer Zeit zu einem Schaden (= Gefahr) oder zu einer Schadensintensivierung (= Störung) an den Schutzgütern der Öffentlichen Sicherheit führt?

Gefahr = ein Geschehen, das nach der ex-ante Perspektive einer besonnenen und sachkundigen
Amtsperson bei ungebremster Fortentwicklung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer
Zeit zu einem Schadenseintritt führt.
Dabei gilt: Je bedeutender das gefährdete Rechtsgut bzw. der zu erwartende Schaden, desto geringer
die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit (Proportionales Verhältnis zwischen geforderter Wahr-
scheinlichkeit und gefährdetem Rechtsgut bzw. drohendem Schaden).
Für das Wahrscheinlichkeitsurteil sind die allgemeine Lebenserfahrung oder – soweit vorhanden –
fachliche/statistische Erkenntnisse heranzuziehen.

Schaden = die nicht ganz unerhebliche Minderung der öffentlichen Sicherheit, um bloße Belästigungen, Unbequemlichkeiten oder Geschmacklosigkeiten aus der Gefahrenabwehr herauszunehmen.

Irrtum über die Gefahrenlage: Putativgefahr (Scheingefahr): Objektiv liegt keine Gefahr vor; gleichwohl nehmen die Beamten eine Gefahr pflichtwidrig an, obgleich der objektive Beobachter bei ex ante-Betrach-
tung eine solche Gefahr nicht angenommen hätte → Es besteht keine Gefahr im Sinne des Gefahrenabwehrrechts, Maßnahme rechtswidrig.
Anscheinsgefahr: Objektiv liegt keine Gefahr vor; jeder objektive Beobachter würde jedoch bei
ex ante-Betrachtung eine Gefahr annehmen → Es besteht eine Gefahr im Sinne des Gefahrenabwehrrechts, Maßnahme rechtmäßig (sofern auch die weiteren Voraussetzungen für das ho-
heitliche Einschreiten vorliegen)

Problem: Gefahrenverdacht (unklare Sachlage, Vorliegen einer Gefahr hält er für möglich)

Störung: § 176 I Nr. 1 LVwG stellt klar, dass eine Gefahrenabwehrverfügung auch zur Beseitigung Störung, d.h. einer bereits realisierten Gefahr ergehen kann
c) Ist der Adressat der Verfügung für die Gefahrenlage verantwortlich und deshalb Störer?
(Spezialrecht, LVwG)
Der Verantwortliche wird auch als „Störer“ bezeichnet.
Als Verantwortliche gibt es den Verhaltens- und den Zustandsstörer, §§ 217-219 LVwG.
Zudem kann eine Ordnungsverfügung ausnahmsweise auch an einen sog. Nichtstörer adressiert werden,
der dadurch aber kein Verantwortlicher im Sinne der Gefahrverursachung wird

Merke:
Für alle Störer gilt:
- Störer können sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen (z. B. GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer) sein.
- Fragen der Vorwerfbarkeit wie Verschulden, Schuldfähigkeit, Alter, Geschäftsfähigkeit oder
Einsichtsfähigkeit des Störers spielen im Gefahrenabwehrrecht prinzipiell keine Rolle (anders
bei Sanktionen etwa durch Strafen und Geldbußen).
- Soweit hoheitlich handelnde Organe des Staates als Störer in Betracht kommen (z. B. nächtlich ruhestörender Lärm vom Verladebetrieb des Postamts oder durch Schießübungen auf
dem Truppenübungsplatz hat die Ordnungsbehörde nach herrschende Meinung keine Kompetenz, um die Tätigkeit von anderen Hoheitsträgern mit Hoheitsakten regelnd einzugreifen;
stattdessen ist die Einschaltung der Aufsichtsbehörde geboten ⇒ anderes gilt, wenn der Hoheitsträger im fiskalischen Bereich tätig wird

  1. Rechtsfolge (Ermessen, § 73 LVwG)
    a) Entschließungsermessen (Ob)
    Wurde das Entschließungsermessen rechtmäßig ausgeübt? Ermessensfehler vermeiden und
    Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten!
    Es gelten die allgemeinen Grundsätze für Ermessensentscheidungen, § 73 LVwG.
    Rechtswidrig ist deshalb etwa das Einschreiten der Ordnungsbehörde/Polizei, wenn ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt (-> die Entscheidung beruht auf unsachgemäßem Erwägen, was z.B.
    dann der Fall ist, wenn für das Einschreiten nicht Erfordernisse der Gefahrenabwehr maßgebend
    sind, sondern politische Motive) Nimmt die Ordnungsverwaltung z.B. irrtümlich an, bei Vorliegen der
    Tatbestandsvoraussetzungen einer ordnungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage immer einschreiten
    zu müssen, übt sie das ihr eingeräumte Ermessen nicht aus mit der Folge, dass die betreffende Maß-
    nahme wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig ist (Ermessensnichtgebrauch).
    Je höherwertiger das gefährdete Schutzgut der öffentl. Sicherheit, desto gebotener ein Eingreifen.
    Das Ermessen ist in der Regel auf null reduziert z.B. bei einer Gefahr für ein hochrangiges Rechtsgut
    wie Leben, Gesundheit oder Freiheit. Bei ganz geringen Gefahren (z. B. geringfügige Überschreitung
    von Bauvorschriften) kann der Entschluss zum Handeln dagegen ermessensfehlerhaft sein.

b) Auswahlermessen
Wurde das Auswahlermessen rechtmäßig ausgeübt?
Das Auswahlermessen bezieht sich auf
* die Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Störern (daher immer erst alle weiteren Störer ermitteln) und
* die Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Mittel (daher immer erst alle denkbaren Maßnahmen ermitteln)
Die Auswahl ist an einer effektiven Gefahrenabwehr und am Verhältnismäßigkeitsprinzip auszurich-
ten
(1) bzgl. des VA-Adressaten, wenn neben ihm noch andere Störer für die
Gefahrenlage verantwortlich sind
Störerauswahl: ob die Heranziehung des VA-Adressaten ermessensfehlerfrei und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit:
: Ist die Heranziehung des VA-Adressaten geeignet, erforderlich und angemessen für eine effek-
tive und rasche Gefahrenabwehr (= Zweck des Einschreitens)?
* Geeignetheit: Ist die in Anspruch genommene Person zur effektiven Gefahrenabwehr geeig-
net?
* Erforderlichkeit und Angemessenheit: Gibt es einen anderen zur Gefahrenabwehr gleich ge-
eigneten Störer, für den sich die Gefahrenabwehr als geringerer Eingriff darstellt?
= Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs
Erforderlichkeit und Angemessenheit
Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Schwere des Eingriffs sind dabei:
* Sachkenntnis/Fachkompetenz des Störers
* Wirtschaftliche und rechtliche Leistungsfähigkeit des Störers
* Billigkeitserwägungen:
(1) Gefahrennähe/Verursachungsgrad
(2) Mehrfachstörer vor Einfachstörer
(3) Handlungsstörer vor Zustandsstörer

(2) bzgl. des ausgewählten Mittels, wenn daneben noch andere alternative Mittel in
Betracht kommen
Effektivität, Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit

IV. Allgemeine Rechtmäßigkeit des VA
1. Ist der VA inhaltlich hinreichend bestimmt, § 108 I LVwG?
2. Ist der VA rechtlich und tatsächlich befolgbar, § 113 I Nr. 4, 5 LVwG? 3. Ist der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt, Art. 3 GG? Vereinbarkeit mit sonstigem höherrangigem Recht
4. Behörde ist verpflichtet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln
V. Ergebnis

21
Q

Wer ist Verhaltensstörer?

A

Verhaltensstörer ist, wer
* durch eigenes Verhalten (Tun oder pflichtwidriges Unterlassen) eine Gefahr für die öffentli-
che Sicherheit oder Ordnung verursacht, § 218 I LVwG
* zur Aufsicht über das die Gefahr verursachende Kind/Betreute verpflichtet ist, § 218 II
LVwG,
* die Person, die in Ausführung einer Verrichtung die Gefahr verursacht, zur Verrichtung
bestellt hat, § 218 III LVwG (die Person muss für den Geschäftsherrn weisungsgebunden
tätig sein und in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis stehen = idR Dienst- und Ar-
beitsverhältnisse)

Beachte: Die §§ 218 II, III begründen eine sog. „Zusatzverantwortlichkeit“ der
Aufsichtsperson neben (!) dem eigentlich Handelnden. Sinn und Zweck: Wer das fremde
Verhalten anderer kraft Weisungsbefugnis steuern kann, muss sich das fremde Verhalten
wie eigenes zurechnen lassen

22
Q

Was ist Anknüpfungspunkt des Zustandsstörers, wer ist es?

A

Zustandsstörer
Anknüpfungspunkt kann das Eigentum oder die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache sein, die
aufgrund ihrer
* Beschaffenheit selbst oder
* ihrer Lage im Raum
eine Gefahr o. Störung verursacht
Zustandsstörer ist sodann
* derjenige, der die tatsächliche Gewalt (= Besitz) über die Sache oder das Tier ausübt, von der
bzw. von dem die Gefahr ausgeht, § 219 I LVwG,
* der Eigentümer, § 219 I LVwG
− Voraussetzung ist allerdings, dass der Eigentümer/Berechtigte die Möglichkeit zur Einwirkung
auf die Sache nicht durch verbotene Eigenmacht des Inhabers der tatsächlichen Gewalt verloren
hat, § 219 II S. 2 Nr. 1 LVwG
* der letzte Eigentümer der Sache, wenn diese herrenlos ist, § 219 III LVwG

23
Q

Welcher Kausalbeitrag ist für die Gefahrentstehung relevant?

A

Die im Gesetz vorgesehene reine Verursacher- bzw. Zustandshaftung würde bei uneingeschränkter
Anwendung einen uferlosen Kreis von Verantwortlichen bedeuten. Daher ist nach h. M. bei werten-
der Betrachtung darauf abzustellen, ob ein Verhalten oder eine Sache die maßgebliche oder ent-
scheidende Ursache setzt. Das ist immer der Fall, wenn
* das Verhalten oder die Sache die unmittelbare und damit letzte steuerbare Ursache für den
Eintritt der Gefahr setzt.
* Ausnahmsweise ist auch derjenige Störer, der zwar nicht die letzte Ursache setzt, aber durch
sein Verhalten das Verhalten des unmittelbar Verantwortlichen hervorruft. In diesem Fall
sind beide Tatbeiträge als Einheit zu sehen und Hinter- wie Vordermann beide Störer nach §
218 I LVwG.
Bsp.: Der Gewerbetreibende A führt in seinem Schaufenster eine Modenschau für Dessous
durch. Die Werbung lockt so viele Passanten an, dass sich ständig verkehrshindernde An-
sammlungen bilden. Obwohl die Passanten mit ihrer Verletzung des § 1 StVO die öffentliche
Sicherheit unmittelbar gestört haben, ist ein Vorgehen gegen A als Zweckveranlasser des
Massenauflaufs zulässig.
Nach der wohl herrschenden Ansicht muss es dem Zweckveranlasser subjektiv auf die Verur-
sachung der Gefahr durch den unmittelbar Verantwortlichen ankommen oder er muss diese
Verursachung zumindest billigend (im Interesse einer anderen für ihn günstigen Zielverfol-
gung) in Kauf nehmen.
Bsp.:
Der Einzelhändler („Hintermann“) wollte durch seine Werbung gerade, dass viele Menschen
stehen bleiben. Die Folgen nahm er billigend in Kauf.
Nach anderer Auffassung ist eine objektive Betrachtung vorzunehmen, d.h. entscheidend ist,
ob das Verhalten des Zweckveranlassers aus der Sicht eines objektiven Dritten typischer-
weise zu dem Verhalten des unmittelbar Verantwortlichen führt.
Weitere Bsp.:
 Eine Musikband stimmt in Kenntnis der Umstände ein nationalsozialistisches
Lied an, woraufhin alle Zuhörer beginnen mitzusingen.
 Vermietung von Zimmer, welche sich im Sperrbezirk befinden, zur Ausübung
der Prostitution.
 Heimbetreiber unterlässt die nötigen Sicherungsvorkehrungen, wodurch stän-
dig orientierungslose Heimbewohner entweichen können.
* Ist ein bestimmtes Verhalten oder ein bestimmter Sachzustand ausdrücklich durch
Rechtsnormen erlaubt, kann aber auch bei unmittelbarer Verursachung eines
Gefahrenzustandes keine polizeirechtliche Verantwortlichkeit begründet werden. Andernfalls
befände sich die Rechtsordnung in einem unerträglichen Wertungswiderspruch.Wer nur von
seinem Recht Gebrauch macht, der schadet niemanden.
Bsp.: Vermieter kündigt –> Gefahr der Obdachlosigkeit

24
Q

Inanspruchnahme von Nichtstörern

A

Im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr kann es erforderlich sein, in Ausnahmefällen eine Person
in Anspruch zu nehmen, die weder verhaltens- noch zustandsverantwortlich ist (vgl. §§ 218, 219
LVwG).
Typische Fälle der Nichtstörerhaftung:
* Wohnraumbeschlagnahme zur Einweisung potentiell Obdachloser
* Katastrophen und Unfälle, wenn Ordnungsbehörden Sachverstand und/oder Ausrüstung
fehlt
Die Inanspruchnahme eines solchen sog. „Nichtstörers“ ist gem. § 220 Abs. 1 LVwG nur unter engen
Voraussetzungen möglich:
(1) Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr oder Störung
(2) gleich effektive Maßnahmen gegen den Verhaltens-bzw. Zustandsstörer müssen ausscheiden
* nicht oder nicht rechtzeitig möglich
* keinen Erfolg versprechen
(3) Gefahrenabwehr nicht durch Behörde selbst oder Beauftragten möglich (Nr. 2)
* keine Rücksicht auf die Haushaltssituation
* von Amtshilfe ist Gebrauch zu machen
* Vorrang der Hinzuziehung von Beauftragten, z.B. Abschleppdienst, Schlüsseldienst, etc.
(4) Zumutbarkeit (Nr.3) = ohne Eigengefährdung oder Pflichtverletzung
* erhebliche Gefährdung, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen
werden kann;
z.B. ein Passant wird verpflichtet, Menschen aus einem brennenden Haus zu retten
* Pflichtverletzung, wenn durch die Nichterfüllung dieser Pflicht zumindest ein gleichwerti-
ges Rechtsgut betroffen wäre;
z. B. unmittelbar nach dem Erwerb lebenswichtiger Medikamente für ein Kleinkind, wird
die Mutter unterwegs verpflichtet, einen schwerverletzen Unfallbeteiligten ins Kranken-
haus zu fahren

25
Q

Definition abstrakte Gefahr

A

Eine Sachlage die bei ungehinderten Ablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zu schädigen pflegt.
(Regelmäßig und typischerweise bestehende Gefahr)