Kapitel 1: Die zweite deutsche Demokratie – Baupläne und Grundbausteine Flashcards

1
Q

Welche Rolle spielten die Weimarer Erfahrungen bei der Konzeption der bundes-deutschen Verfassung?

A

Zunächst einmal kamen zu den Beratungen zur neuen Verfassung jene Politiker zusammen, die schon in der Weimarer Republik praktische Erfahrungen gesammelt haben. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang die subjektiven und zeitabhängigen Ursachen, die für das Scheitern der Weimarer Republik verantwortlich waren.
• Weimarer Verfassung als negative Blaupause des Grundgesetzes: Die Weimarer Republik war als parlamentarische Demokratie angelegt. Parlament (Reichstag) und Reichspräsident wurden direkt gewählt. Die Regierung (Reichskanzler und Reichsminister) waren dem Parlament ggü. verantwortlich.
• Reichspräsident mit zu dominanter Rolle: Ernennt/Entlässt den Reichskanzler und hat das Recht den Reichstag aufzulösen. Insbesondere kritisch war das Notstands-recht: Im falle eines nationalen Notstandes hatte der Reichspräsident das Recht die Grundrechte außer Kraft zu setzen! (=> Stichwort Ersatzkaiser!)
• Demokratie ohne Demokraten: Der verfassungsmäßige Rahmen passt nicht zum Inhalt. Schlagwort für die Weimarer Republik.
• Weimar als wehrlose oder unvollendete Demokratie: Die Republik war laut zeit-genössischer Kritik zu „offen“. Dies führte zu einem Rechtspositivismus und dar-aus resultierend keine geschützte Wertebasis. Des Weiteren gab es kaum Ab-wehrmöglichkeiten gegen innere Feinde. Bspw. kann ein Regierungschef ohne gleichzeitige Ersetzung abgewählt werden. (=> BRD: konstruktives Misstrauens-votum)

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
2
Q

Welche zeitlichen Rahmenbedingungen wirkten sich auf die Entstehung der Bun-desrepublik Deutschland aus?

A
  • Besatzungsregime und kalter Krieg: Vier Besatzungsmächte (Zunächst GB+USA, anschließend F im Westen; Sowjetunion DDR). Ab Ende 1947/Anfang 1948 scheint eine gemeinsame Deutschlandpolitik unmöglich => Zementierung der deutschen Teilung.
  • Wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen des zweiten Weltkrieges: Versprengte Familien, Kriegsgefangene, Witwen und Waisen. Dazu kamen Existenznöte und eine geringe Lebensqualität. Nationalsozialismus und deutsche Traditionen wurden in Frage gestellt.
  • Entnazifizierung: Deutschland sollte vom Nationalsozialismus „gesäubert“ werden.
  • Entstehung politischer Systeme auf Länderebene: Verwaltungseinheiten auf regio-naler Ebene => Föderalistischer Aufbau!
  • Wieder- und Neuformierung der Parteien: Wiederformierung der SPD und KPD; Neuformierung von CDU und FDP
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
3
Q

Worin drückte sich die von westdeutscher Seite gewünschte „Vorläufigkeit“ der Staatsgründung aus?

A

Die Westmächte forderten einen demokratischen (West)Staat und eine Verfassung. Dadurch befürchteten die Politiker der Westzonen, dass die deutsche Teilung festgeschrieben würde. Infolge tagte anstatt einer Nationalversammlung ein parlamentarischer Rat, der anstatt an einer Verfassung, an einem Grundgesetz arbeitete. Die Vorläufigkeit des Grundgesetzes und der Anspruch auf die Herstellung der deutschen Einheit wurde in der Präambel zum Grundgesetz und im letzten Artikel (146) festgehalten, in dem die Gültigkeit begrenzt wurde bis zu “dem Tag, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem Deutschen Volke in freier Ent-scheidung beschlossen worden ist.” – eine Formulierung, die auch “nach Vollendung der Ein-heit und Freiheit Deutschlands” die bis heute Teil der aktuellen Fassung ist.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
4
Q

Was sind die fundamentalen Prinzipien des Grundgesetzes? Stehen diese im Widerspruch zueinander?

A

Die tragenden Verfassungsprinzipien finden sich komprimiert in Artikel 20 des Grundgesetz (GG):
• Demokratie und Republik: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus; Das Volk ist souverän.
• Sozialstaat: Sozialstaatliches Prinzip spiegelt sich auch schon in Art. 1 GG wieder: Die Würde des Menschen ist unantastbar; Würdevolles Leben für alle Menschen; Schutz von Ehe und Familie, Gleichberechtigung; Sozialpflichtigkeit des Eigentums
• Bundesstaat: Föderales System; Länder haben in einigen Bereichen Autonomie und sind gleichzeitig in Entscheidungen auf Bundesebene eingebunden (Bundesrat). Die Folge ist ein System mit vertikaler Gewaltenteilung.
• Rechtsstaat: Keine Willkür der Herrschenden (Recht steht über Macht); Alles staatliche Handeln muss auf Recht und Gesetz beruhen; Gewaltenteilung; Gleich-heit vor dem Gesetz; Gewährleistung individueller Freiheiten.

Eventuell steht das Rechtstaatsprinzip im Widerspruch mit dem Sozialstaatsprinzip. Zunächst gilt die Würde des Menschen als unantastbar. Dann gilt wiederum Gleichheit vor dem Gesetz. Was ist jedoch vor dem Gesetz gleich?
Sozialstaat ohne Sozialordnung? Eine Sozialstaatlichkeit wird vorgeschrieben aber nicht näher erläutert. Auch eine soziale Marktwirtschaft ist eine mögliche, allerdings keine vorgeschriebene Wirtschaftsordnung.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
5
Q

In welchen konkreten Bestimmungen schlägt sich das Prinzip der wehrhaften De-mokratie nieder?

A

Zentrale Lehren der Weimarer Republik: Schutz von Demokratie und Freiheit vor inneren Feinden!
• Grundprinzipien aus Art. 20 können nicht oder nur schwer geändert werden (Ewig-keitsklausel Art. 79 und Art. 2)
• Aktives Vorgehen gegen jeden der das GG zu beseitigen sucht/ Kampf gegen Feinde der Verfassung im GG enthalten (Verlust von Rechten) (s. z.B. sog. ‚Radikalenerlass‘), auch mittels bewaffneter Macht
• Verwirkung von Grundrechten möglich, Art. 18 GG. Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit
• Verbot verfassungswidriger Parteien möglich (siehe KPD)

=> Verteidigung der Freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO)!

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
6
Q

Welche alternative Möglichkeit zur Herbeiführung der Deutschen Einheit hätte es gegeben? Was waren die Vor- und Nachteile der gewählten Option?

A
  1. November 1989: Fall der Mauer nach Bekanntgabe der freien Ausreisemöglichkeit für DDR-Bürger
    März 1990: Erste freie Wahlen zur DDR-Volkskammer
    Mai 1990: Staatsvertrag zur Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozial-union
    August 1990: Einigungsvertrag
    September 1990: Zwei-Plus-Vier-Vertrag sorgt für außenpolitische Sicherheit
  2. Oktober 1990: Beitritt der ostdeutschen Bundesländer zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gemäß altem Art. 23
    => Tag der deutschen Einheit!

Der alternative Weg wäre der gemäß Artikel 146 gewesen: die Schaffung einer neuen Verfas-sung für das gesamtdeutsche Volk. Vorteil der gewählten Variante war die Schnelligkeit, die aufgrund des sich schließenden Zeitfensters für eine Wiedervereinigung, größte Priorität hatte. Nachteil und als kritisch zu betrachten ist die Tatsache, dass dieses Vorgehen den Eindruck machte, der Osten sei im Einigungsprozess geschluckt worden.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly