Handeln der Gemeinde Flashcards
- Nennen Sie die Hauptorgane der Gemeinde!
“Hauptorgane” der Gemeinde sind der Gemeinderat und der Erste Bürgermeister, Art. 29 GO.
- Wie ist hinsichtlich der Zuständigkeit von Gemeinderat und Erstem Bürgermeister zu differenzieren?
Grob gesagt obliegt die Willensbildung dem Gemeinderat; der Vollzug (Art. 36 S. 1 GO), die Vertretung nach außen (Art. 38 GO) und die Erledigung der “laufenden Angelegenheiten” (Art. 37 I 1 Nr. 1 GO) sind Sache des Ersten Bürgermeisters. Außenwirkung haben regelmäßig nur die Akte des Ersten Bürgermeisters (und seiner Hilfskräfte), die Willensbildung ist ein interner Vorgang.
- Wie ist im Rahmen der Organkompetenz weiter zu differenzieren?
Zu differenzieren ist hierbei zwischen Willensbildungs- u. Vollzugskompetenz. Beides ist - zumindest gedanklich - getrennt zu prüfen, weil sie häufig auseinanderfallen. Die nach außen gerichtete Vollzugskompetenz liegt nach Art. 38 I GO grds. beim ersten Bürgermeister, während die interne Vollzugskompetenz sich nach Art. 29, 37 GO bestimmt.
- Wodurch kann der Gemeinderat die Erledigung laufender Angelegenheiten beeinflussen?
Nach Art. 37 I 2 GO kann der Gemeinderat für die laufenden Angelegenheiten nach Art. 37 I 1 Nr. 1 GO Richtlinien aufstellen. Es handelt sich dabei zum einen um Richtlinien zur Abgrenzung der laufenden Angelegenheiten, z.B. durch Festlegung bestimmter Wertgrenzen. Der Zuständigkeitsbereich des Ersten Bürgermeisters darf nach Art. 37 I 2 GO aber nur präzisiert, nicht abgeändert werden. Insoweit unterscheidet sich Art. 37 I 2 GO von Art. 37 II GO. Nach h.M. deckt der Wortlaut des Art. 37 I 2 GO aber auch Richtlinien über die Art der Erledigung der laufenden Angelegenheiten.
- Grundsätzlich ist der Verordnungs/-Satzungserlass durch den 1. Bgm ausgeschlossen - ändert sich etwas bei Dringlichkeit?
Nur der Erlass “dringlicher Verordnungen” ist durch den 1. Bgm möglich, Art. 42 II LStVG.
Ob der 1. Bgm nach Art. 37 III GO auch Satzungen erlassen darf, ist str.:
pro: Art. 37 III GO enthält keine dem Art. 37 II 1 Hs 2 GO entsprechende Beschränkung.
contra: Formulierung in Art. 37 III GO deute auf Einzelmaßnahmen hin, mit denen lediglich durch schnelles Eingreifen die Gemeinde vor Schaden bewahrt werden solle, wohingegen Satzungen idR zur Regelung einer Vielzahl von Einzelfällen über einen längeren Zeitraum dienten.
BayVGH: erste Ansicht
- Art. 38 GO regelt nach h.M. das Vertretungsrecht des 1. Bgm - woraus ergibt sich seine Vertretungsmacht?
In st. Rspr. verneinen die bayerischen Gerichte eine unbeschränkte Vertretungsmacht des 1. Bgm. Art. 38 I GO begründe lediglich das Vertretungsrecht des 1. Bgm, nicht aber seine Vertretungsmacht. Letztere ergebe sich aus Art. 37 GO, sofern das Rechtsgeschäft unter den dort genannten Vss. in seinen eigenen Zuständigkeitsbereich falle. Soweit dagegen der Gemeinderat als willensbildendes Organ der Gemeinde zu entscheiden habe, ihm also nach Art. 29 GO die Willensbildungskompetenz zustehe, werde die Vertretungsmacht des 1. Bgm erst durch einen entsprechenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss begründet. Insoweit sei der 1. Bgm bloßes Vollzugsorgan, Art. 36 I GO.
BGH: Art. 38 I GO beinhalte umfassendes gesetzliches Vertretungsrecht des 1. Bgm. Hierfür spricht neben dem Wortlaut v.a. der Verkehrsschutz. Dritte, die mit der Gemeinde Verträge schließen, kennen weder das “Innenleben” der Gemeinde, noch kann ihnen zugemutet werden, sich vor Vertragsschluss über das Vorleigen eines Gemeinderatsbeschlusses informieren zu müssen.
Gerade letztgenanntes Arg. überzeugt. Art. 38 I GO ist als umfassendes Vertretungsrecht auszulegen, so dass kein Gemeinderatsbeschluss für den Abschluss eines Vertrages nötig ist.
- Was ist die Auswirkung des Streits über Art. 38 I GO?
Sieht man in Art. 38 I GO nur eine Regelung der Vertretungszuständigkeit, ist eine Handlung des Bürgermeisters außerhalb des Art. 37 GO ohne wirksamen Gemeinderatsbeschluss aufgrund fehlender Zuständigkeit formell rechtswidrig. Betrachtet man Art. 38 I GO als eine umfassende gesetzliche Vertretungsmacht, sind VA, VO u. Satzungen ohne erforderlichen (wirksamen) Gemeinderatsbeschluss gleichfalls rechtswidrig, nämlich verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Satzungen und VO sind also regelmäßig nichtig, VA sind grds. nur anfechtbar, nicht nichtig, es sei denn, es besteht eine bes. gesetzliche Regelung.
VA, die ohne die erforderliche Mitwirkung des Gemeinderats erlassen wurden, können durch Nachholung dieses Gemeinderatsbeschlusses geheilt werden. Art. 45 I NR. 4 BayVwVfG.
- Wie hat der 1. Bgm bei seiner Ansicht nach rechtswidrigen Beschlüssen vorzugehen?
Der 1. Bgm ist zuständig für den Vollzug der Beschlüsse des Gemeinderats, Art. 36 S. 1 GO. Dabei hat er zu prüfen, ob der jeweilige Gemeinderatsbeschluss rechtmäßig ist, Art. 59 II GO. Hält er ihn für rechtmäßig, so hat er ihn zu vollziehen.
Ist er dagegen von der Rechtswidrigkeit überzeugt, so ist er verpflichtet, den Gemeinderatsbeschluss zu beanstanden und seinen Vollzug auszusetzen.
Soweit erforderlich (d.h., wenn der Gemeinderat es ablehnt, den Beschluss selbst aufzuheben), hat er die Angelegenheit der Rechtsaufsichtsbehörde zur Entscheidung vorzulegen. Dasselbe gilt für Wahlen, denn “Entscheidungen” (Art. 59 II GO) ist der Oberbegriff für Beschlüsse und Wahlen (vgl. Art. 51 I, III, IV GO)
- Wie ist hinsichtlich der Ausübung des Hausrechts zwischen zivilrechtlichen Maßnahmen und solchen des öffentlichen Rechts abzugrenzen?
Ein gegen einen störenden Besucher ausgesprochenes Hausverbot kann zivilrechtlicher oder öff.-r. Natur sein, je nachdem, ob es sich auf die öff.-r. Ordnungsgewalt des 1. Bgm stütz oder auf dessen aus Art. 37 I 1 Nr. 1 GO resultierender Befugnis zur Ausübung der privatrechtlichen Besitz- und Eigentumsrechte.
BGH und BVerwG stellen auf den Zweck des Besuchs ab.
a.A.: Zweck des Hausverbots, Hausverbot öff.-r. Natur, wenn es der Aufrechterhaltung des ungestörten Dienstbetriebes dient.
–> Streitentscheid meist entbehrlich
Problem nur dann, wenn es um die Wahrnehmung des allg. Hausrechts geht. Ist Streitgegenstand die Verweisung eines Zuhörers aus dem Sitzungssaal nach Art. 53 I 2 GO, handelt es sich eindeutig um eine öff.-r. Streitigkeit, da die streitentscheidende Norm dem öff. Recht zu entnehmen ist.
- Ist eine besondere RGL für ein Hausverbot erforderlich?
Ein öff.-r. Hausverbot stellt nach h.M. einen VA iSd Art. 35 S. 1 BayVwVfG dar. Str. ist allerdings, ob das Hausverbot einer bes. gesetzl. Grundlage bedarf. Der BayVGH ließ die Frage offen und sah jedenfalls Art. 56 II GO als ausreichende Rechtsgrundlage an. Zu denken wäre auch an Art. 6, 7 LStVG.
Überwiegend wird eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage nicht für erforderlich gehalten. Man begründet die Befugnis für Maßnahmen des Hausrechts gewohnheitsrechtlich oder entnimmt sie der Natur der Sache oder geht von einer ungeschriebenen Annexkompetenz zur Sachkompetenz der gemeindlichen Aufgabenerfüllung aus.
(74) 75. Ist ein Ausschluss von Zuhörern für künftige Sitzungen möglich?
Wohl h.M. (-): Eine solche Maßnahme sei für Zuhörer (anders als für Gemeinderatsmitglieder, Art. 53 II GO) nicht vorgesehen.
a.A:: Art. 53 II GO trage nur der besonderen Organstellung der Gemeinderatsmitglieder Rechnung. Zuhörer könnten bereits aufgrund des allg. Hausrechts, das durch Art. 53 I 2 GO nicht eingeschränkt werde, von künftigen Sitzungen ausgeschlossen werden, sofern sie wiederholt derart störten, dass auch in Zukunft damit zu rechnen sei.
- Gilt § 80 II 2 VwGO (analog) für den Ausschluss eines Zuhörers als Maßnahme der SItzungspolizei?
Hinsichtlich des Suspensiveffekts einer Rechtsmitteleinlegung ist zu beachten, dass nach h.M. § 80 II Nr. 2 VwGO nicht im Wege der Analogie auf Maßnahmen der “Sitzungspolizei” ausgedehnt werden kann, denn als Ausnahmevorschrift zum Grundsatz des § 80 I VwGO ist er eng auszulegen. Der Vorsitzende kann aber die sofortige Vollziehung nach § 80 II Nr. 4 VwGO anordnen.
- Darf ein Gemeinderatsmitglied beim Sitzungsausschluss nach Art. 53 GO im Saal verbleiben?
Ein ausgeschlossenes Mitglied muss seinen Platz am Beratungstisch verlassen. Strittig ist aber, ob es als Zuhörer im Sitzungssaal verbleiben darf.
h. M. (+): Nach wohl h.M. betrifft der Sitzungsausschluss nur das organschaftliche Mitwirkungsrecht des Mitglieds und enthält nicht zugleich auch die Verweisung aus dem Sitzungssaal. Dies wird v.a. aus der unterschiedlichen Formulierung des Gesetzes für Zuhörer und Mitglieder gefolgert. Ein ausgeschlossenes Mitglied darf nach dieser Ansicht zunächst im Zuhörerraum Platz nehmen, kann aber bei der nächsten Störung nach Art. 53 I 2 GO (also als Zuhörer) aus dem Sitzungssaal entfernt werden. Demzufolge betrachtet die h.M. den Sitzungsausschluss auch nicht als VA. Er entfaltet rechtliche Wirkung ja nur im Innenbereich des Gemeinderats, entbehrt also der Außenwirkung.
a. A.: (-) Nach anderer Ansicht muss der Bgm. es nicht darauf ankommen lassen, dass der Ausgeschlossene Zuhörer die Ordnung weiter stört.
- Muss der Bgm. einen Antrag in die Tagesordnung aufnehmen, auch wenn ein später hierzu ergehender Beschluss rechtswidrig wäre?
h.M.: Pflicht zur Aufnahme von Anträgen in Tagesordnung, auch wenn späterer Beschluss mglw. rw. ist. (Ausnahme: Antrag schikanös oder rechtsmissbräuchlich oder offensichtliche Unzuständigkeit)
- Stichwort persönliche Beteiligung des 1. Bgm. - welche Norm ist zur Beurteilung der Frage, ob eine solche vorliegt, heranzuziehen?
Für den 1. Bgm als kommunalen Wahlbeamten gilt zunächst Art. 38 KWBG, wenn es um die Frage der persönlichen Beteiligung geht. Str. ist, inwieweit Art. 38 KWBG von Art. 49 GO verdrängt oder überlagert wird. Denn die Regelung des Art. 38 KWBG ist zum Teil weiter, zum Teil enger gefasst als die des Art. 49 GO.
Für die Frage, wann nun welche Vorschrift anzuwenden ist, wird danach differenziert, in welcher Funktion der 1. Bgm tätig wird: Für Teilnahme an Beratung und Abstimmung um Gemeinderat (dem der 1. Bgm nach Art. 31 I GO angehört): Art. 49 GO
Ebenso bei Führung des Vorsitzes im Gemeinderat oder in einem Ausschuss. (Sonderproblem, Art. 38 KWBG nennen und argumentieren reicht)
- Stellen Sie den Streit um die Rechtsnatur der Geschäftsordnung des Gemeinderats dar - Welche Folgen ergeben sich hieraus?
h.M.: Nach ganz überwiegender Auffassung ist die Geschäftsordnung mangels Außenwirkung keine Rechtsnorm. –> bedarf keiner Bekanntmachung. Rechtsnatur: “interne Verfahrensordnung eigener Art”. Stillschweigende Übernahme u. formlose Änderung möglich., h.M.: auch konkludente Abweichung im Einzelfall möglich.