8. Systemisches Verfahren – Teil 1 Flashcards
Systemische Therapie Historie
- Systemisches Denken entwickelte sich in den 1950er Jahren aus verschiedenen natur-, human- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen
- Kybernetik erster Ordnung (ca. 1950 – 1980): Ziel der Vorhersagbarkeit und Planbarkeit komplexer Systeme; Aufrechterhaltung von Gleichgewichtszuständenà (z. B. Gregory Bateson, Virginia Satir)
- Kybernetik zweiter Ordnung (ab ca. 1980): Theorien über Beobachter*innen von SystemenàVeränderung nur als Eigenleistung des System möglich
Ø Konstruktivistische Wende (z. B. Paul Watzlawick, Niklas Luhmann)
Ø Seit 2019 sozialrechtlich anerkannt / als weiteres Richtlinienverfahren als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen (nur für Erwachsene)
Was sind Systeme? Definition
- Ganzheitlicher Zusammenhang von einzelnen zueinander in Beziehung stehenden Elementenàdefiniert durch eine Grenze von seiner Umwelt
- Welche Elemente zu einem bestimmten System gehören (und welche nicht), bestimmt sich durch die Perspektive von Beobachter*inàGrenze zwischen System und Umwelt / „innen“ und „außen“
- Ein System ist mehr als die Summe seiner Elemente; Elemente können nicht isoliert verstanden werden
- Problemdeterminiertes System
- Konstruktivismus:
philosophische Richtung des 20. JahrhundertsàAnnahme: Gegenstände unserer Erkenntnis sind nicht unabhängig von uns, sondern werden erst durch eine/n Betrachter*in im Vorgang des Erkennens konstruiert
- Homöostase:
Gleichgewicht eines dynamischen Systems
- Aquifinalität:
Fähigkeit des Systems, auf verschiedenen Wegen zum gleichen
Ergebnis zu kommen
- Autopoiesis:
Aus der Biologie stammender Begriff zur Beschreibung der Eigenschaft lebendiger Systeme (wie z. B. eine Zelle), die sich selbst als Einheit reproduzieren könnenàAutopoiesische Systeme sind das Produkt ihrer eigenen Organisation
- Selbstorganisation
(von lebenden, sozialen Systemen: Chaos (Veränderung) und Ordnung (Stabilität) stehe in einem sich selbst organisierenden System in einem dynamischen Verhältnis zueinander
àSysteme können sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Entwicklungsverlauf einfach oder komplex, stabil oder instabil zeigen
- Emergenz:
Das Hervortreten neuer Eigenschaften eines Systems, die zuvor keines seiner einzelnen Mitglieder gezeigt hat
Systemische Therapie Theoretische Annahmen
- Zirkuläres Verständnis (psychischer Störungen):
- keine einseitige Ursache-Wirkungsbetrachtung von Krankheits- und
Beziehungsprozessen - Wechselwirkung: 1) Symptome eines Familienmitglieds haben Auswirkungen
auf Interaktion innerhalb und außerhalb der Familie; 2) Interaktion in der
Familie haben Auswirkungen auf die Symptome - Kommunikation und Narration: zentral sind die von verschiedenen Menschen
erzählten Geschichten - Psychische Entwicklung: als dynamischer Prozessàum Entwicklung angemessen
verstehen zu können, gilt es das System, in dem Entwicklung passiert, zu verstehen - Ist sowohl kontinuierlich als auch diskontinuierlich
- Weiterentwicklung ist unvermeidbar!
- Systemische Theorie:
versucht mit abstrakten Begriffen und Konzepten Modelle zu entwickeln, mit denen sich Systeme beschreiben und verstehen lassen àsystemische Zusammenhänge und interpersonelle Beziehungen als Grundlage für Diagnose und Therapie
- Systemische Therapie:
Sozialrechtlich anerkanntes psychotherapeutisches Verfahren (aktuell für Erwachsene); Grundlage: Kommunikations- und Systemtheorien, konstruktivistische Ansätze und biopsychosoziales ModellàFokus auf sozialen Kontext psychischer Störungen, d.h. neben „Indexpatient*in“ werden weitere Mitglieder des (für Pat. bedeutsamen) sozialen Systems einbezogen
- Gegenstand der Therapie:
Interaktion zwischen den Mitgliedern eines Systems und
der erweiterten sozialen UmweltàEinzel-, Familien-, Mehrpersonentherapie; Inter-
vs. Intrapersonelles System
Systemische Therapie Definition
„Bei einer systemischen Therapie werden zusätzlich zu einem oder mehreren Patienten weitere Mitglieder des für den Patienten bedeutsamen sozialen Systems einbezogen. Im Zentrum des therapeutischen Interesses stehen die Interaktionen zwischen Mitgliedern dieses sozialen Systems und deren weiterer soziale Umwelt… Ziel ist es dabei, das System zu einer Umwandlung symptomfördernder Interaktionsmuster und zur kreativen Entwicklung neuer Lösungsmöglichkeiten anzuregen. Der Behandlungsfokus liegt dementsprechend in der Veränderung von familiären und sozialen Interaktionen, narrativen und intrapsychischen Mustern hin zu einer funktionaleren Selbstorganisation des Patienten und des für die Behandlung relevanten sozialen Systems, wobei die Eigenkompetenz der Betroffenen genutzt wird.“
Therapeutische Grundhaltung
- Klient statt Patient
- Respekt und Wertschätzung gegenüber den Personen und den klinischen
Symptomen - Systemischer Imperativ: „Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten
größer wird“ - Expertise des Nicht-Wissens: Anregung des Systems und der Selbstorganisation
- Konstruktivistisch-relativierende Haltung zum eigenen Wissen und eigenen Sprache
- Irritation / Pertubation (Musterunterbrechung): Verstörung von problematischen
Ordnungsmustern
Therapeutische Grundhaltung
- Neutralität und Allparteilichkeit: gleichmäßige Anerkennung verschiedener Seiten (z. B. ggü. Personen und Lösungsideen)
- Ressourcen und Lösungsorientierung: Ressourcen zur Problemlösung prinzipiell bereits im Klientensystem vorhanden sindà„Man braucht das Problem nicht näher
zu erkunden, man kann sich gleich an die Konstruktion von Lösungen begeben“ (de Shazer, 1989) - Auftrags- und Kundenorientierung: Klient als „Kunde“, der/die selbst am besten weiß, was ihm/ihr gut tut und was seine/ihre Ziele sind