4. Verhaltenstherapie Flashcards
Verhaltenstherapie Definition
„Die Verhaltenstherapie ist eine auf der empirischen Psychologie basierende psychotherapeutische Grundorientierung. Sie umfasst störungsspezifische und unspezifische Therapieverfahren, die aufgrund von möglichst hinreichend überprüftem Störungswissen und psychologischem Änderungswissen eine systematische Besserung der zu behandelnden Problematik anstreben. Die Maßnahmen verfolgen konkrete und operationalisierte Ziele auf den verschiedenen Ebenen des Verhaltens und Erlebens, leiten sich aus einer Störungsdiagnostik und einer individuellen Problemanalyse ab und setzen an prädisponierenden, auslösenden und/oder aufrechterhaltenden Problembedingungen an. Die in ständiger Entwicklung befindliche Verhaltenstherapie hat den Anspruch, ihre Effektivität empirisch abzusichern.“
9 Prinzipien der Verhaltenstherapie nach Margraf (2018)
Klinische Psychologie und Psychotherapie
- Orientierung an der empirischen Psychologie
Wissenschaftliche Kriterien
(Objektivität, Reliabilität, Validität) zur Überprüfung von Annahmen - Orientierung an aktuellen Problemen
Direktes, einfaches,
pragmatisches Vorgehen an der aktuellen Problematik - Bezug auf multiple Faktoren
Prädispositionen, auslösende/
aufrecht erhaltende Bedingungen, Ressourcen - Zielorientierung
Zieldefinition, Prüfung im Laufe
des Therapieprozesses - Handlungsorien- tierung
Aktive Mitarbeit, Bereitschaft für
Erfahrungen und Experimente - Alltagsbezug
Transfer von erprobten
Lösungsstrategien in den Alltag - Transparenz
Verständliches Erklären von
wissenschaftlichen Annahmen - Hilfe zur Selbsthilfe
Alle Strategien laufen auf den
selbstständigen erfolgreichen Umgang mit problematischen Situationen - Evaluation Ausdifferenzierung Weiterentwicklung
Beständige Überprüfung und Verfeinerung von theoretischen und praktischen Konzepten der VT
3 Wellen der Verhaltenstherapie
- Fokus: Verhalten
Abgrenzung zu vorherrschend psychodynamischen Denken; objektiv beobachtbares Verhalten, experimentell prüfbare Gesetzmäßigkeiten der Lerntheorie
- Fokus: Gedanken
„Kognitive Wende“: Bedeutung von Kognitionen (Grundüberzeugungen, Glaubenssätze, Selbstverbalisationen etc.) für dysfunktionale emotionale und behaviorale Verhaltensmuster
- „Dritte Welle“: Neuere Entwicklungen werden mit einbezogen, bleiben den verhaltenstherapeutischen Prinzipien verpflichtet, sind jedoch weiter gefasst und vielseitig
Methoden/Techniken der VT
Nach Craske (2010)
- Fertigkeiten- /verstärkungs-basierte Methoden und Techniken
- Selbstbeobachtung
- Entspannung
- Achtsamkeit
- Verhaltensaktivierung
- Token Economy
- Problemlösetraining
- Kognitive Methoden und Techniken
- Grundüberzeugungen ändern
- Imagination und kognitive Probe
- Kognitive Umstrukturierung
- Modelldarbietung
- Kognitionsevozierung
- Expositions- basierte Methoden und Techniken
- Exposition und Konfrontation
- Reaktionsverhinderung
- Cue Exposure
- Imagery Rescripting and
Reprocessing
Phasen der verhaltenstherapeutischen Intervention (Hoffmann, 2018)
Erstkontakt und Phasen der Analysen
Zielformulierung
Therapeutisches Angebot
Einsatz therapeutischer Verfahren
Stabilisierung, Ablösung und Beendigung
Therapeutische Beziehung
- Alles, was sich in der Therapie ereignet, ist gleichzeitig sowohl konkrete Verhaltenstherapie als auch Beziehungsarbeit
- Es bedarf einer belastbaren, stabilen Beziehung, die es dem/der Therapeut*in erlauben, das für den Patienten in einer spezifischen Therapiephase optimale Interaktionsverhalten einzusetzen
- Transparenz: Therapeut*in erläutert den Plan und Vorgehen
- Kritik am Vorgehen des/der Therapeut*in wird ausdrücklich ermutigt oder als Indiz
für gute Zusammenarbeit dargestellt - Kein Ansatz von Abschirmung und Distanz à im Gegenteil: Kontaktaufnahme und
Begleitung
Ziele der Beziehungsgestaltung Nach de Jong-Meyer (2018)
- Aufmerksamkeit und Interesse für die Welt des/der Patient*in sowie Akzeptanz
- Kompetenzvermittlung und Transparenz in Bezug auf Störungswissen,
Erkrankungsmodell und TherapierationalàPsychoedukation - Wissenschaftlich-kritische Haltung auch gegenüber den eigenen Hypothesen
- Zielorientierte Therapiestrukturierung
Gesprächsführung in der VT Nach Hoffmann (1993)
- Einzelsitzung übersichtlich gestalten, evtl. nach einer vorher abgestimmten Tagesordnung
- Die Patient*innen die Ergebnisse der Sitzungen zusammenfassen lassen
- Rückmeldung geben und verstärken
- Perspektiven anbieten
- Verbindung zwischen den einzelnen Sitzungen herstellen
- Kontinuität der Arbeit wahren
Therapeutische Hausaufgaben
- Direkt mit Prinzipien der VT verbunden: Therapie soll nicht nur auf das therapeutische Setting beschränkt sein, sondern in den Alltag überführt werden
- Hausaufgaben als transparente, handlungsorientierte Interventionen
- Sollen zwischen den Therapiesitzungen durchgeführt werden, um das in der
Therapie Gelernte einzuüben und zu vertiefenàÜbertragung auf konkrete
Lebensbereiche oder Beobachtungsmaterial für nächste Sitzung - Inhalte sehr vielfältigàz. B. Üben von neuen Verhaltens- oder Denkweisen,
Gewinnung neuer Informationen, Selbstbeobachtung, „Experimente“, Protokolle
führen, positive Aktivitäten ausüben …
Ø Typisches Problem: Hausaufgaben werden nicht wie vereinbart erledigt à
(Auf)Klärung
S-O-R-K-C
Problem- und Verhaltensanalyse (Margraf & Schneider, 2018)
- Dient zur Erhebung und Strukturierung diagnostischer Informationen und als deskriptives Modell zur Beschreibung bestimmten Verhaltens
- S (Stimuli oder Situation): konkret erlebtes Ereignis oder Situation
- O (Organismus): umfasst biologische Ursachen des Problemverhaltens (z. B.
Stoffwechselstörungen bei Adipositas, kardiovaskuläre aber auch
situationsübergreifende Handlungspläne, Schemata, Eigenschaften etc. der Person - R (Reaktion oder Problemverhalten): auf physiologischer, kognitiver, emotionaler
und behavioraler Ebene - K (Kontingenz; Verstärkungsplan): Wie häufig tritt R auf?àspielt in der Praxis eine
eher untergeordnete Rolle - C (Konsequenz): verstärkend bzw. bestrafend, kurzfristig/langfristig
Operante Verfahren
- Gehen auf psychologische Lernmechanismus der operanten Konditionierung zurück (Skinner, 1938)
- Spontan gezeigtes Verhalten kann durch Manipulation der Konsequenzen verändert werden
- Die Kontingenz drückt dabei die Regelmäßigkeit der Verknüpfung eines Verhaltens mit der Konsequenz aus
- Generell sollte das zu verstärkende Verhalten eindeutig identifiziert sein und die Verstärkung sollte kontingent erfolgen
Ø Seit Etablierung kognitiver Verfahren in der VT werden für Erklärungen und Veränderungsprozesse komplexere Modelle herangezogenàoperante Verfahren jedoch weiter praktischen Stellenwert für Neulernen/Verlernen einfacher Verhaltensweisen
Verstärkerarten
Unterscheidung in positive und negative Verstärkung
- Primäre Verstärker: beziehen sich auf menschliche Grundbedürfnisse (z. B. Essen,
Trinken, Schlaf) - Sekundäre Verstärker: wirken erst durch internalisierte Lernprozesse (z. B. Lob, das
von Person erst als Wert erkannt werden muss) - Intermittierende Verstärkung: Es folgt nicht auf jedes Verhalten eine Verstärkungà
langsamerer Lernprozess aber größerer Resistenz gegenüber Löschung - Soziale Verstärkung: nicht durch Therapeut*in, sondern von anderen
Bezugspersonen (z. B. pos. Rückmeldung bei Vortrag) - Selbstverstärkung/Selbstbekräftigung: Verstärkung eigenen Verhaltens als
Übergang zu Selbstmanagement (z. B. Eigenlob, sich etwas Gutes tun) - Komplexe Verstärkung(ssysteme): wenn verschiedene Verhaltenselemente
gleichzeitig verändert werden sollen (z. B. Token Economies)
Beispiele operanter Verfahren
- Token Economy
(Münzverstärkungssystem): Token können für bestimmtes Verhalten gesammelt werden und gegen andere Verstärker eingetauscht werden
Beispiele Operanter Verfahren
* Kontingenzverträge:
Vertraglich festgehaltene zu erreichende Schritte mit konkreter zeitlicher Abfolge, wobei die ersten Ziele schnell und leichter erreichbar sein sollten (Prinzip der kleinen Schritte)
- Bestrafung:
Einsatz von aversiven Reizen (spielen in der heutigen Verhaltenstherapie kaum noch eine Rolle) oder Entzug von Verstärkern (Response Cost)