5. Verhaltenstherapie 2 Flashcards
Wie viele Wirkfaktoren gibt es nach Grawe?
Vier Wirkfaktoren einer allgemeinen Psychotherapie (nach Grawe 1995, 1999, 2005) :
- Ressourcenaktivierung
- Problemaktualisierung
- Aktive Hilfe zur Problembewältigung - Motivationale Klärung
Methoden der dritten VT Welle
Achtsamkeit
Entwicklung
- Von Kabat-Zinn (1990) entwickelte „mindfulness-based stress reduction“ als Ursprung von heutigen Achtsamkeitsverfahren in der VT
- Achtsamkeit beinhaltet wesentlich Elemente Meditationswegeàbuddhistische Tradition
- Grundlage: Den gegenwärtigen Moment achtsam zu erleben; Aufmerksamkeit auf besondere Art ausrichten
- Definition: Aufmerksamkeit soll absichtsvoll und nichtwertend auf den gegenwärtigen Moment gerichtet werden
Achtsamkeit
Therapeutisches Potenzial
- Ausstieg aus „Autopilotenmodus“ ermöglicht bewusste Reaktion auf Situationen (Zabat-Zinn, 1990)
- Achtsamer Kontakt mit angenehmen Situationen werden diese bewusster und lebendiger wahrgenommenàbewusster Umgang (Zabat-Zinn, 1990)
- Das „Abdriften“ in negative Grübeleien kann unterbunden werden (Segal et al., 2013)
- Gedanken und Gefühle können als vorübergehende mentale Ereignisse
wahrgenommen werden (Teasdale et al., 2002) - Körperzentrierung („felt sense“; Gendlin, 1981) à Erweiterung der rein kognitiven Ebene
- Fördert einen akzeptierenden und offenen Umgang mit der inneren Realität
Ø Info: Derzeit liegen nur begrenzte empirische Evidenz für die Wirkungsweise achtsamkeitsbasierter Ansätze vor
Achtsamkeit
Ansätze und Methoden
- Achtsamkeitsanaloge Ansätze: Interventionen die den Ansätzen und Prinzipien der Achtsamkeit ähnelnàz. B. Gedankenexploration während Expositionsübung
- Achtsamkeitsinformierte Ansätze: multimodale Behandlungsmethoden bei denen Achtsamkeit, Akzeptanz und andere Fertigkeiten gezielt vermittelt werdenàz. B. dialektisch-behaviorale Therapie (DBT; Linehan, 1993), Acceptance and Commitment Therapie (ACT, Hayes et al., 1999)
- Achtsamkeitsbasierte Ansätze: Achtsamkeit als grundlegendes Therapieprinzipàz. B. minfulness-based cognitive therapy (MBCT, Segal et al., 2013), mindfulness based stress reduction (MBSR; Kabat-Zinn, 1990)
- Beispiele für Achtsamkeitstechniken: Body-Scan, Atemmeditation, Yoga
Entspannung
Anwendung
- Entspannungsmethoden dienen der Herstellung eines als angenehm erlebten Zustands und der Vermittlung von Bewältigungsstrategien für Angstsituationen bzw. psychophysiologische Spannungszustände
- Entspannungstechniken (Übungen) werden in klinischer Praxis nicht alleine, sondern in umfassendes Behandlungsvorgehen eingebettet
- Merke: Entspannungsmethoden führen nur bei mehrwöchigem regelmäßigem und selbstständigen Training zu stabilen Effekten
Entspannung
Methoden
- Progressive Muskelrelaxation (Jacobson, 1929) àSystematischer Wechsel von muskulärer Anspannung und Entspannung
- Angewandte Entspannung (Thyer, 2000)
àSelbstbeobachtung, Entspannungsinduktion, konditionierte Entspannung - Autogenes Training (Schultz, 1928)
àSchwere- oder Muskelübung, Wärmeübung, Atemübung, Herzübung, Bauch- oder Sonnengeflechtsübung, Stirnübung
Entspannung
Effektivität und Indikation
- Effektstärke von Therapieerfolgen der PMR und des autogenen Trainings liegt in Prä-Post-Vergleichen durchschnittlich im Bereich mittlerer Effektstärken (Manzoni et al., 2008)
- Erfolg der Entspannungsbehandlung nimmt mit der Anwendungsdauer und - häufigkeit der Übungen im Lebensalltag zu
- Indikation: vor allem bei somatoformen Störungen, Schlafstörungen, Angststörungen, Abhängigkeitsstörungen, Erschöpfungszuständen (Neurasthenie) und hyperkinetischen Störungen (Krampen, 2013)
- Kontraindikation: geringe Konzentrationsfähigkeit, Atemwegserkrankungen, neurologische Störungen, schwere Intelligenzminderung, akute psychotische, kardiovaskuläre und dominant parasympathische Zustandsbilder
- Nebenwirkungen: entspannungsinduzierte Angstzustände, Depersonalisation/Derealisationsphänomene
Konfrontationsmethoden
Definition und Anwendungsbereiche
- Reizkonfrontation, Expositionsmethoden, Exposition mit Reaktionsverhinderung bzw. Reaktionsmanagement = Konfrontationsmethoden
- Übungen, durch die Vermeidungsverhalten aufgehoben und damit negative kognitiv- emotionale Reaktionen auf bestimmte Situationen, Problemfelder oder Personen abgebaut werden (Hand, 2000)àSukzessives Ausschleichen von Sicherheits- und Vermeidungsverhalten erhöht den Erfolg von Reizkonfrontation (Telch et al., 2014)
- Vor allem bei Angst- und Zwangsstörungen, Essstörungen, PTBS, Abhängigkeitserkrankungen bewährt (Neudeck, 2015)àhier Methode der Wahl
- I.d.R. als Therapiebaustein eingesetzt, kombiniert mit anderen Methoden
- Ziel: ein veränderter Umgang mit der jeweiligen emotionalen Aktivierung zu erlernen
Konfrontationsmethoden
Fokus und Arten
- In-Sensu („in Gedanken“) vs. In-Vivo Exposition („im Erleben“)
- Graduiert (mit zunehmend intensiveren Reizen) vs. massiert (zeitlich extensiven, auf
starke Reize orientiert) - Beispiele:
In-Vivo - Exposition in vivo
- Interozeptive Exposition
- Angstbewältigungstraining
- Skills geleitete Exposition bei Borderline Störung (z. B. DBT)
In-Sensu
- Systematische Desensibilisierung
- Sorgenexposition
- Implosion (Imaginery Exposure)
Systematische Desensibilisierung (Wolpe, 1958) Historischer Ursprung
Ablauf:
1. Verhaltensanalyse
2. Besprechung des Therapierationals
3. Identifikation einer Hierarchie
4. Vermittlung eines Entspannungsverfahrens
5. systematisch gesteigerte Reizkonfrontation
INFO: Systematische Desensibilisierung gilt trotz Einsatz von Entspannungs- techniken als konfrontative Methode, da die Konfrontation mit angstauslösenden Items trotz Entspannung eine Angstreaktion hervorrufen
Systematische Desensibilisierung (Wolpe, 1958) Zentrale Annahmen
- Basierend auf Zwei-Faktoren-Theorie (Mowrer, 1960) in Bezug auf Entstehung und Aufrechterhaltung durch Vermeidungsverhalten von Angst
- Ursprüngliche Annahme der Reziproken Inhibition (Unvereinbarkeit von Angst und Sicherheit)àempirisch wiedersprechende Befunde: gerade die Patienten mit hoher Herzrate während der systematischen Desensibilisierung finden sich stärkste Effekte (Lang et al. 1970)
- Habituation und Löschung
- Kognitive Erweiterung: Aufbau von neuen Erwartungen durch Erfahrung erhöht
die Selbsteffizienzerwartung (Goldfried, 1971)
Angstbewältigungstraining
- Milde Form der Reizkonfrontation in sensu kombiniert mit einem Entspannungstraining als Bewältigungstraining in vivo
- Mit zunehmender Praxis erlernen die Patienten die propriorezeptiven Reize für muskuläre Anspannung zu erkennen und versetzen sich in Entspannung
- Wichtig: aufkommende Angst soll frühzeitig wahrgenommen werdenàbei ersten Anzeichen von Angst soll die erlernte Entspannung eingesetzt werden
- Ablauf:
1. Erlernen von PMR
2. Psychoedukation
3. Provokation (leichter) Angst
4. Aktives Bewältigen der Angst durch Entspannung
5. Üben
Graduierte und massierte Reizkonfrontation
- Konfrontation in dosierter Form (in vivo) à Beruhigung, Entspannung oder andere Bewältigungsversuche werden explizit und strikt unterbunden
- Ob graduiert oder massiert gearbeitet wird hängt von dem Tempo der Patient*innen ab (Heinig et al., 2018)
- Ursprünglich angenommener Wirkmechanismus: Habituation (Bierbaumer, 1977); ABER: Habituation erzielt keine ausreichende und dauerhafte Furchtreduktion (Blakely &
Abramowitz, 2016) - Emotional-Processing-Theory (Foa & Kozak, 1986): Furcht wird in einem
Gedächtnisnetzwerk als Furchtstruktur repräsentiert und durch Exposition verändert - Inhibitionslernen: es wird gelernt, dass der angstbesetzte Reiz nicht mehr die
befürchtete Konsequenz vorhersagt und sie dadurch gehemmt wird (Weisman, & Rodebaugh, 2018)
Graduierte und massierte Reizkonfrontation Ablauf
- Diagnostische Phase (Engineering)
- Psychoedukation und kognitive Vorbereitung (Teaching)àggf.
Gedankenexperiment - Exposition, Evaluation und Prophylaxe (Training)àTherapeut*innen Begleitung
* Graduiertes Vorgehen (Habituationstraining)
* Massiertes Vorgehen (Reizüberflutung, Flooding)
* Interozeptive Exposition
Implosionstherapie In Sensu
- Erstellen einer Angsthierarchie: Reize, die der ursprünglichen Konditionierungssituation am ähnlichsten sind, in der Hierarchie ganz oben
- Reizkonfrontation: Erfolgt in sensu; Patient*innen werden in Gedanken mit stark angstauslösenden Reizen konfrontiertàhohes Angstniveau wird versucht so lange zu halten bis
Ø Implosion: spontaner Rückgang der Angststärke und –symptomatik - Imaginery Exposure: Als Traumaexposition bei PTBS und Sorgenexposition bei GAS àImagery Rescripting and Reprocessing Therapy