7. Psychodynamische Verfahren – Teil 2 Flashcards
Analytische Psychotherapie
Behandelt wird:
* die neurotische Symptomatik
* der neurotische Konfliktstoff
* die zugrundeliegende neurotische Struktur
mit Hilfe von:
* Übertragungsanalyse
* Gegenübertragungsanalyse
* Widerstandsanalyse
und unter Nutzung
* regressiver Prozesse
Tiefenpsychologische fundierte Psychotherapie
Behandelt wird:
* die unbewusste Psychodynamik
* aktuell wirksame neurotische Konflikte
unter Beachtung von
* Übertragung
* Gegenübertragung * Widerstand
und unter Konzentration des therapeutischen Prozesses durch eine Begrenzung
* regressiver Prozesse
* des Behandlungsziels
* auf konfliktzentriertes Vorgehen
Unterschiede AP zusammengefasst
- Psychoanalytische Einzeltherapie
- Erfolgt mit Hilfe von Übertragungs-, Gegenübertragungs- und Widerstandsanalyse
und unter Nutzung regressiver Prozesse - Klassisches Setting: Couch und Sessel, 2-3 Sitzungen pro Woche, 160 bis max.
300 Stunden - Psychoanalyse im engeren Sinne: 4-6 wöchentlichen Sitzungen; >300 Stunden
Umfangàkeine Leistung der GKV
Unterschiede TP zusammengefasst
- Tiefenpsychologisch fundierte Verfahren beruhen auf denselben Grundlagen wie die Psychoanalyse, sind aber zeitlich begrenzt, niederfrequenter und stärker problem- und symptomorientiert
- Tiefenpsychologisch fundierte Einzeltherapie
- Erfolgt unter Beachtung von Übertragung, Gegenübertragung und Wiederstand bei
gleichzeitiger Konzentration des therapeutischen Prozesses durch Begrenzung des
Behandlungszieles und konfliktzentriertes Vorgehen und Regressionsbegrenzung - Setting: im Sitzen, Sitzungen 1 Mal pro Woche, 50 bis max. 100 Stunden
- Besonderheiten
- Fokusbildung: Beschränkung auf einen bedeutsamen Konfliktbereich und dessen
beziehungsdynamischen Hintergrund - Strukturgebende, haltende Interventionen: bei strukturell beeinträchtigten
Patient*innen oder in akuten Krisensituationen
Diagnostik Ausgewählte Verfahren
- Projektive Testdiagnostik: Unterscheidung in Formdeuteverfahren (z. B. Rohschach- Test), Gestaltungsverfahren (z. B. Wartegg-Zeichen-Test), verbal-thematische Verfahren (z. B. Rosenzweig-Picture-Frustration)
- Erstinterview (Argelander, 1970): unstrukturierte „ungewöhnliche Gesprächssituation“
- Biographische Anamnese: Zur Aufdeckung des Gegenwartskonflikt und seiner
Vorgeschichte (Dührssen, 1981) - Strukturelles Interview: leitfadengestütztes Interview zur Differenzierung von
neurotischer, Borderline- und psychotischer Persönlichkeitsstruktur (Kernberg, 1981) - Beziehungsdiagnostik: z. B. zentrales Beziehungskonfliktthema (CCRT, ZBKT,
Luborsky & Crits-Christoph, 1990); zyklisch maladaptive Beziehungsmuster (CMP, Strupp & Binder, 1984); strukturelle Analyse sozialen Verhaltens
Diagnostik
Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD)
* Multiaxiales System
* Nach einem ca. 1-2 stündigen Gespräch kann die Psychodynamik einer Person mit
zufriedenstellender Interrater-Reliabilität erfasst werden
* Über diagnostische Zwecke hinaus ermöglicht die OPD auch eine gezielte
Fokusbildung und Therapieplanung
* Fünf Achsen:
I. Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen
II. Beziehung
III. Konflikt
IV. Struktur
V. Psychische und psychosomatische Störungen (nach ICD-10)
Indikation
- Differenzielle Indikation: Eingrenzbarkeit von Störung und Konflikt; Einschätzung des Strukturniveaus; Passung
- Indikation für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
- Klar umrissener unbewussten Konflikt und auslösende Situation
- Bereitschaft von Patient*in sich dem symptomtragenden Konflikt zuzuwenden
- Bildung eines Behandlungsfokus
- Spezielle Indikation bei PS, wenn Gefahr einer malignen Regression im
analytischen Setting besteht - Indikation für psychoanalytische Psychotherapie
- Ich-Stärke, Frustrationstoleranz, Lebensumstände, die ein langfristiges hochfrequentes Arbeiten ermöglichen, Introspektions- und Reflexionsvermögen
- Fähigkeit zur therapeutischen Ich-SpaltungàIch in einen beobachtenden und einen erlebenden Teil zu zerteilen
Methoden und Techniken (allgemein) Psychodynamische Verfahren
- Reflexion allen therapeutischen Geschehens vor dem Hintergrund von: - Übertragung und Gegenübertragung (therapeutische Beziehung) - Abwehr und Widerstand (therapeutische Beziehung)
- Störungs- und Therapiemodell (Auswahl der Methoden und Techniken in Abhängigkeit vom Störungsmodell)
- Konfliktmodell: Modell der unbewussten KonflikteàKonfliktorientierte Behandlung
- Strukturmodell: Modell der Ich-strukturellen Defiziteàstrukturorientierte Behandlung
- Traumamodell: Modell der traumatischen Informationsverarbeitung
- Setting: ambulant, teilstationär, stationär; Einzel-, Paar-, Familien-, Gruppentherapie; Erwachsene und Kinder/Jugendliche
Methoden und Techniken Konflikt- vs. Strukturorientierte Psychotherapie
Konfliktorientiert
Strukturorientiert
Sich einlassen, involvieren
Sich von Problemen distanzieren
Kontrolle (Abwehr) aufgeben
Kontrolle herstellen
Affekte mobilisieren/zulassen
Affekte steuern lernen
Konflikte aktualisieren
Strukturieren
Aufdecken
Zudecken/dosieren
Behandlungstechniken
- Abstinenz: psychoanalytisches Grundprinzip der EnthaltsamkeitàAbstinenzregel fordert von Therapeutin und Patientin, sich nicht gegenseitig zur Befriedigung ihrer Beziehungs- und Triebwünsche zu gebrauchen
- Freie Assoziation („psychoanalytische Grundregel“): Prinzip der freien Selbstdarstellung des/der Patient*in
- Gleichschwebende Aufmerksamkeit: Therapeutin hört Patientin in einer Weise zu, in der kein Element der Erzählungen von vornherein bevorzugt wirdàTherapeut*in überlasst sich weitestgehend der eigenen unbewussten Geistestätigkeit
Übertragung
- Komplexe innere Verhältnisse werden in der therapeutischen Beziehung inszeniert („Rollenspiel“)àPatientin weist sich selbst eine Rolle zu und Therapeutin eine komplementäre Rolle
- Versuch des/der Patientin zwischen sich und Therapeutin eine bestimmte Form der interaktiven Wechselbeziehung durchzusetzen
- Unbewusste Tendenz zur Wiederholung der Vergangenheit in der Gegenwart (Bedürfnis nach Familiarität)
- Unbewusstes Bestreben, die therapeutische Beziehung als „Neuauflage“ infantiler Objektbeziehungen zu gestalten
Übertragung
Beispielhafte Modelle
- Modell Beichte: Der therapeutische Beichtvater lauscht mit kritisch-offenem Ohr wie Patient*in unter Scham seine Sünden gesteht und sein Intimstes preisgibt
- Modell Mülleimer: Patientin will „einfach nur was loswerden“, Hauptsache es ist weg, Therapeutin als Gegenüber spielt eher keiner Rolle
- Modell Zahnarzt: Passiv gefügige Patient*in erwartet eine vor allem schmerzvoll Behandlung, zu der er/sie jedoch nicht aktiv beizutragen hat
- Modell Magie: Das ohnmächtige Opfer wendet sich an allmächtigen Helferin, der/die durch Wunderkraft heilen kann. Gute Zauberin kann sich dabei mit der Zeit auch in böse Zauber*in verwandeln
- Modell Tagebuch: Patientin „berichtet“ in jeder Stunde erneut die äußeren
Ereignisse der vergangen Woche, gern in chronologischer Reihenfolge, da
Therapeutin auf dem neuesten Stand gehalten werden will
Gegenübertragung
Ø die der Übertragung auf Patientinnen-Seite korrespondierenden Prozesse auf Therapeutinnen-Seite
* Heutzutage im ganzheitlichen Sinne verstanden als die Gesamtheit der Einstellungen (bewusst, unbewusst, neurotisch, unneurotisch, reaktiv, genuin) des/der Therapeutin dem/der Patientin gegenüber
* Formen der Gegenübertragung:
- Konkordante Gegenübertragung: Identifizierung von Therapeutin mit den
unbewussten Ich-Zuständen von Patientin
- Komplementäre Gegenübertragung: Identifizierung von Therapeutin mit den
Objekten von Patientin
Widerstand
- Alle unbewussten, vorbewussten und bewussten Kräfte, die sich gegen den Fortschritt der Behandlung stellen
- Prinzipiell kann jedes Verhalten im Sinne eines Widerstandes genutzt werden
- Widerstand kann offensichtlich oder unauffälliger auftreten
- Ich-Widerstände: Verdrängungswiderstand, Übertragungswiderstand, Widerstand
aus dem sekundärem Krankheitsgewinn - Es-Widerstand: Widerstand aller Triebregungen gegen jegliche Form der Änderung
und dagegen einmal Erlerntes/Gebahntes wieder aufzugeben
à „Wiederholungszwang“ - Über-Ich-Widerstand: Entstammt dem Schulbewusstsein oder dem Strafbedürfnis
von Patient*innenàLeiden wird Heilung vorgezogen
Agieren und Regression
- Agieren: bewusstlos zu handeln anstelle reflektiert zu reden
- wenn Patient*in impulsive Handlungen zeigt anstatt Wünsche verbal zu äußern - signifikante Kindheitserfahrungen werden wiederholt, ohne dass dies bewusst
ist - Regression: Patient*in regrediert, wenn die Übertragungssituation so gestaltet wird,
dass sie der eigenen unbewussten und biografisch bestimmten (kindlichen) Beziehungsfantasie entspricht
à(gutartige) Regression vs. maligne Regression