8/10 (Sicherungsübereignung; Abwehransprüche) Flashcards
§ 1004: Systematische Einordnung
- Generalklausel dinglicher Schutzansprüche gegen Eigentumsbeeinträchtigungen
- > erga omnes, nicht abtretbar
- > § 985 als speziellerer Anspruch, neben dem jedoch auch § 1004 bestehen kann
- > (zukunfts)gerichteter, verschuldensunabhängiger Beseitigungs- / Unterlassungsanspruch
- > bei Verschulden: SEA mit Naturalrestitution nach § 823 I bzw. (auch) § 823 II iVm § 1004 (hM)
§ 1004 I: Voraussetzungen (Beseitigungsanspruch)
- Anspruchsberechtigung: Eigentümer oder Inhaber einer vom erweiterten Anwendungsbereich des § 1004 erfassten Rechtsposition
- Passivlegitimation: richtiger Anspruchsgegner ist der Störer
- Gegenwärtige Beeinträchtigung: des Eigentums (oder eines sonstigen geschützten Rechts des Anspruchsstellers in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzers)
- Fehlen eines Ausschlussgrunds oder einer Duldungspflicht des beeinträchtigten Eigentümers oder Rechtsinhabers (§ 1004 II)
§ 1004 I: Voraussetzungen (Unterlassungsanspruch, S. 2)
- Wiederholungsgefahr = die auf objektiven Tatsachen beruhende ernstliche Besorgnis weiterer Störungen
- > widerleglich vermutet, wenn Störung tatsächlich vorausgegangen ist
- (Erst)Begehungsgefahr nach hM auch umfasst
con: Wortlaut
pro: Telos - Eigentümer soll nicht gezwungen sein, rechtswidrige Beeinträchtigung eintreten zu lassen
§ 1004 I: Voraussetzungen: Anspruchsberechtigung
- Eigentümer oder Inhaber einer vom erweiterten Anwendungsbereich des § 1004 erfassten Rechtsposition
- Miteigentum: jeder Miteigentümer (ggf. nach hM auch ggü anderen Miteigentümern vs. mM: im Verhältnis zueinander nach §§ 743 ff. BGB)
- (-) bei nur obligatorisch Berechtigtem - aber ggf. schuldrechtlicher Anspruch gegen Vertragspartner (Eigentümer) darauf, dass dieser seinen Anspruch aus § 1004 geltend macht
- (-) bei Nichteigentümer (Zession nicht möglich, da nicht von Stammrecht Eigentum abtrennbar)
§ 1004 I: Voraussetzungen: Beeinträchtigung
- wenn in die Herrschafts- oder Verfügungsmacht des Eigentümers aus § 903 eingegriffen wird
a) In anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes ( § 985)
- > P: Abgrenzung vom Schadensersatz über Eingrenzung auf Ebene der Beeinträchtigung
b) Zurückführbar auf menschliches Verhalten
- > BGH: auch bei Naturkräften kann Verhalten des Eigentümers, von dessen Grundstück Naturkraft wirkt, herangezogen werden, wenn dieser durch sein Verhalten eine Gefahrenquelle geschaffen hat (Sicherungspflicht, vgl. Störerbegriff)
c) Fortdauern (Gegenwärtigsein im Zeitpunkt der Abspruchsstellung bzw. der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung)
§ 1004 I: P: Abgrenzung vom Schadensersatz über Eingrenzung auf Ebene der Beeinträchtigung
- eA: Usurpationstheorie (nach Picker):
- > mit 1004 sind gegenwärtige Rechtsanmaßungen - in Form von Verhalten, räumlicher Lage oder Ausstrahlungen der störenden Sache - zu beseitigen (Usurpationen)
- > wer sich gegenwärtig Eigentümerbefugnisse anmaßt, muss die Anmaßung beseitigen
- > Vorstellung von Rechtskreisen (bei 1004: Rechtskreise überlappen sich): Störer soll sich in seinen Rechtskreis zurückziehen
- -> gegenwärtige Überlagerung der Rechtssphären muss beseitigt werden
- > wer in der Vergangenheit Eigentümerbefugnisse angemaßt hat, schuldet nur nach Maßgabe des Schadensersatz- und des Bereichungsrechts Ausgleich
con: Möglichkeit zur Dereliktion als Haupteinwand (aber: Dereliktor haftet im Ergebnis dennoch nach 823 I) - aA (BGH): § 1004 sei über einen Störerbegriff zu konturieren - Beeinträchtigung sei jede von außen kommende Einwirkung auf eine Sache, für die der Störer lediglich kausal gewesen sein muss
pro: weiter Eigentumsschutz (neben der ursprünglichen Beeinträchtigung ist auch der herbeigeführte Zustand abwehrfähig)
-> Handlungsstörer (wer eine Störung durch Tun oder Unterlassen verursacht hat)
-> Zustandsstörer (wer für die Störungsquelle, bspw. als Eigentümer, verantwortlich ist, jedoch nur für zurechenbare Störungen im Rahmen der Vorhersehbarkeit
-> weitere Begrenzungen auf Rechtsfolgenseite
con letztlich können Einschränkungen nicht verhindern, dass § 1004 zum verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch wird
§ 1004 I: Voraussetzungen: Beeinträchtigung: Arten von Einwirkungen
a) Positiv = aktive Angriffe auf den räumlich- gegenständlichen Bereich
b) Negativ = wenn der Eigentümer sein Grundstück in den Grenzen seiner Befugnisse (§ 903 BGB) nutzt, dem Nachbargrundstück dabei jedoch (mittelbar) Vorteile entzieht (bspw. Entziehung von Licht / Aussicht) (§ 906 wird nicht nur zur Feststellung von Duldungspflichten, sondern auch von Beeinträchtigungen herangezogen)
-> hM: nicht umfasst (außer wenn zugleich relevante rechtliche Beeinträchtigung)
pro: Telos von § 906, der nur die “Zuführung” erfassen soll
pro: Benutzung, die sich innerhalb der eigenen
Grenzen des Grundstücks halte, ist vom Eigentumsinhalt gedeckt, §§ 903, 905
-> mM: ebenfalls umfasst
pro: § 906 differenziert dem Wortlaut nach nicht zwischen negativen und positiven Einwirkungen
c) Ideell = Einflüsse, die ohne räumlichen Grenzübertritt das ästhetische oder sittliche Empfinden des Nachbarn beeinträchtigen
- > BGH: (-)
pro: ähnlich negativen Einwirkungen fehle die “Zuführung” und Wirkung auf das Grundstück bzw die Sachen
pro: uferlose Anwendung des § 1004 soll verhindert werden
- > aA: differenzierend
pro: anhand der Kriterien “Unwesentlichkeit” und “Ortsüblichkeit” aus § 906 kann einer uferlosen Anwendung begegnet werden
d) Rechtlich = unmittelbarer Angriff auf die Rechtsposition Eigentum
- > Geltendmachen von Dienstbarkeit oder Miteigentum
- > bevorstehende Verfügung (§ 1004 I S. 2)
- > abgeschlossene Verfügung: nicht mehr gegenwärtig/fortdauernd
§ 1004 I: Voraussetzungen: Passivlegitimation
- Handlungsstörer = wer die Eigentumsbeeinträchtigung durch sein Verhalten – positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen – zumindest adäquat kausal mitverursacht hat
- > auch derjenige, der die Beeinträchtigung durch einen Dritten adäquat kausal verursacht hat und die hätte verhindern könne (mittelbarer Störer)
- > pflichtwidriges Unterlassen aus Ingerenz, nachbarlicher Rücksichtnahmepflicht (str.), allgemeiner Sozialpflichtigkeit des Eigentums (str.)
- Zustandsstörer = derjenige, der die Herrschaft über eine gefahrbringende Sache, durch die die Störung mitverursacht wird, ausübt und von dessen Willen die Beseitigung der Störung abhängt
- > gilt auch für Rechtsnachfolger, der Störung bewusst aufrechterhält
- > gilt auch für Halter von auf fremdem Grund abgestellten Pkw
- weitere Voraussetzung: muss zur Beseitigung der Störung in der Lage sein
§ 1004 I: Voraussetzungen: Passivlegitimation: Beendigung durch Dereliktion?
- eA: (-), da mit Eigentum auch negatorische Verantwortlichkeit entfalle
pro: es werde auf eine rein faktische Verantwortlichkeit abgestellt - aA: (+)
pro: einmal begründete Verantwortlichkeit nicht durch Dereliktion beseitigbar (kein tauglicher actus contrarius)
pro: Eigentumsschutz
§ 1004 I: Voraussetzungen: Passivlegitimation: Mieter-Vermieter
- auch wenn Mieter stört, soll Vermieter Störer sein, wenn er dem Mieter die störende Benutzung ausdrücklich oder stillschweigend gestattet hat und zur Beseitigung in der Lage ist
- > Vermieter übt seine Eigentumsbefugnisse durch Mietvertrag aus
- > ggf. gesamtschuldnerische Haftung
- BGH: auch dann,wenn Vermieter dem Mieter zwar verboten hat, das er aber dann »in ungehöriger Weise« duldet
pro: Vermieter kann auf Mieter mit Kündigungsdrohung etc einwirken - > con: Vermieter ist grds. nicht verpflichtet, für rechtmäßiges Verhalten des Mieters ggü Dritten zu sorgen
- > con: Störung müsse aktive Komponente haben - Einflussmöglichkeit auf Mieter mit Kündigungsdrohung etc. ist nicht ausreichend
§ 1004 II: Überblick über Ausschlusstatbestände und Duldungspflichten
a) öffentlich-rechtlich Ausschlusstatbestände
b) allgemeine gesetzliche Rechtfertigungsgründe
- > Notwehr oder Notstand
- > aber auch Art. 5 I GG
c) einstweilige Verfügungen nach § 935 ZPO
d) rechtsgeschäftliche Vereinbarungen
e) gesetzliche Duldungspflichten privatrechtlicher Natur, insbesondere aus § 906 BGB, §§ 912 ff. BGB, §§ 917 ff. BGB, § 242 BGB
§ 1004 II: rechtsgeschäftliche Vereinbarungen und Einwilligung
- schuldrechtlicher Vertrag oder vertragliche Bestellung eines dinglichen Rechts (bspw. Nießbrauch)
- Einbeziehung Dritter in rechtsgeschäftlich vereinbarte Duldungspflicht
- > § 986 I S. 1 Alt. 2 analog
- Einseitige Einwilligungsmöglichkeit (ohne Vertragscharakter) mit Widerrufsmöglichkeit
- > eA: wegen jederzeitiger Widerrufsmöglichkeit ergibt sich keine Duldungspflicht
- > aA: zumindest für Vergangenheit (Bestehen der Einwilligung) ergibt sich Duldungspflicht
- > nach beiden Ansichten: Duldungspflicht von Dauerzustand, wenn dieser durch Einwilligung des Eigentümers in der Vergangenheit erst geschaffen wurde (venire contra factum proprium)
§ 906 I: “ähnliche” Einwirkungen
= mit den gesetzlichen Beispielen vergleichbare Erscheinungen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie unkontrollierbar und unbeherrschbar sind und sich daher auch über die Grundstücksgrenzen hinweg ausbreiten
- > nicht zwingend sinnlich wahrnehmbar (Röntgenstrahlen)
- > bspw. Blütenbefall, Lichteinfall; Naturereignisse, soweit sie durch menschliches Verhalten auf dem anderen Grundstück ermöglicht worden sind
- Auf alle anderen (“Grob-“)Immissionen ist § 906 nicht anwendbar
- > keine Duldungspflicht, selbst wenn Grobimmission unwesentlich oder ortsüblich ist
§ 906: P: Wesentlichkeit der Beeinträchtigung
- frühere Rspr.: normaler Durchschnittsmenschen im Hinblick auf Natur und Zweckbestimmung des beeinträchtigten Grundstücks
- heutige Rspr: Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen, was diesem auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billi- gerweise nicht mehr zuzumuten ist
pro: Allgemeininteressen können sowohl auf Seiten des Störers als auch auf Seiten des Berechtigten berücksichtigt werden
§ 906 II S. 2: Voraussetzungen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs
- Anspruchsberechtigung: Eigentümer, aber auch sonstiger dinglich oder obligatorisch Berechtigter am Grundstück
- Passivlegitimation: Benutzer des störenden Grundstücks (= derjenige, der die Nutzung des Grundstücks bestimmt)
- Duldungspflicht nach § 906 II S. 1
- Unzumutbarkeit der Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung des Grundstücks oder dessen Ertrags (§ 906 II 2 BGB) (ohne Entschädigung)
- > umfassende Interessensabwägung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls, insb. auch Mitverschulden des Anspruchstellers (§ 254 analog)
§ 906 II S. 2: Folgen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs
- kein SE, sondern Wertersatz
= für den rechtmäßigen Entzug von Eigentümerbefugnissen soll ein im Wesentlichen nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessender Wertausgleich geleistet werden
-> eA (BGH): nur unzumutbarer Teil der Beeinträchtigung
-> aA: volle Schadloshaltung iSd §§ 249ff.
§ 906 II S. 2: P: Herleitung und Prüfung des nachbarschaftlichen Ausgleichsanspruchs gem. § 906 II 2 analog
- Herleitung: durch die Rechtsprechung entwickelt als „zivilrechtlicher Aufopferungsanspruch“; er kommt dann in Betracht, wenn der Grundstückseigentümer rechtlich oder faktisch zur Duldung bestimmter Immissionen (auch Ponderabilien umfasst!) gezwungen wird
- > umfasst auch Schaden an Mobilien, wenn dieser durch die Eigentumsstörung am Grundstück entstanden ist
- > Analogie: planwidrige Regelungslücke (nur für Fälle der Duldungspflicht nach § 906 II S. 1 geregelt) und vergleichbare Interessenlage (der rechtswidrig Beeinträchtigte soll nicht schlechter stehen als der rechtmäßig Beeinträchtigte)
- Prüfung:
1. Aktivlegitimation: Berechtigter am Grundstück*
2. Passivlegitimation: Benutzer bzw. Eigentümer
3. Rechtswidrige, nicht duldungspflichtige Einwirkungen, die nicht nach §§ 1004 I, 862 I abzuwehren waren
4. Verhalten, das die Einwirkung und den Schaden ausgelöst hat, muss dem Bereich der konkreten Nutzung des Grundstücks zuzuordnen sein und einen sachlichen Bezug zu diesem aufweisen
5. Nachteile, die das Zumutbare einer entschädigungslos hinzunehmende Beeinträchtigung übersteigen
6. Subsidiarität ggü. vorrangigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen - > vor allem dann, wenn Verschulden nicht nachweisbar
- obligatorisch Berechtigter nur dann, wenn Beeinträchtigung von anderem Grundstück ausgeht
§ 912: Typen des Überbaus
a) Rechtmäßiger Überbau
b) Unrechtmäßiger Überbau
aa) Entschuldigt (§ 912 I)
bb) Unentschuldigt
c) Eigengrenzüberbau (§§ 912 ff. analog)
aa) Ursprünglich
bb) Nachträglich
d) Überbau von Grundstücksabstandsflächen (§§ 912 ff. analog)
§ 912 I: Voraussetzungen des unrechtmäßigen entschuldigten Überbaus
- Errichtung eines einheitlichen Gebäudes durch den Grundstückseigentümer
- Grenzüberbauung (Grenzüberschreitung)
- kein Vorsatz und keine grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Grenzunterschreitung
- keine Gestattung des Eigentümers des Nachbargrundstücks
- kein sofortiger Widerspruch des Nachbarn
- Ausschluss weitergehender Ansprüche (§ 823; § 906 II S. 2; § 1004 I wegen Duldungspflicht)