7.2 Geschlechterunterschiede im Stressprozess Flashcards

1
Q

Erkläre das Vorgehen in der Studie zu Geschlechterunterschieden in der Stressexposition von McDonough und Walters (2001)

A

McDonough und Walters (2001) nutzten Daten eines bevölkerungsrepräsentativen Längs- schnittsurveys, um die Angaben von Frauen und Männern hinsichtlich chronischer Stressoren und der Anzahl kritischer Lebensereignisse zu vergleichen.

Dabei wurde nach chronischen Stressoren aus mehreren Bereichen gefragt (z. B. finanziell, be- ruflich und sozial). Außerdem wurde erhoben, welche kritischen Lebensereignisse im eigenen Leben oder im Leben von nahestehenden Personen in den letzten zwölf Monaten stattgefun- den hatten. Als kritische Lebensereignisse wurden überwiegend gravierende negative Ereig- nisse wie unerwünschte Schwangerschaften, schwerwiegende finanzielle Probleme oder Schwierigkeiten bei der Arbeit oder in der Schule vorgegeben.

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2
Q

Was waren die Ergebnisse in der Studie zu Geschlechterunterschieden in der Stressexposition von McDonough und Walters (2001)

A

Die Ergebnisse der Untersuchung (und auch einiger anderen!) deuten darauf hin, dass die Anzahl und Art der Stressoren, die Frauen und Männer erleben, tatsächlich unterschiedlich sind.

Frauen berichteten über signifikant mehr chronische Stressoren in den Bereichen soziale Bezie- hungen, Partnerschaft, Kinder sowie Sorge um die Gesundheit der Familie. Besonders deutliche Unterschiede ergaben sich im Bereich beruflicher Stressoren: Hier waren die Belastungen der Frauen eineinhalbmal höher als die der Männer. Männer dagegen gaben signifikant mehr chro- nische Stressoren in Bezug auf ihre finanzielle Situation an. Frauen berichteten über etwas mehr kritische Lebensereignisse als Männer. Jedoch war dieser Unterschied nicht signifikant.

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3
Q

Wie lässt sich begründen, dass Frauen mehr Stress ausgesetzt sind

A

Das Ergebnis dieser Studie wird von ähnlichen Untersuchungen gestützt (Bolger & Zuckerman, 1995) und erscheint nicht unerwartet. Aufgrund von im Durchschnitt geringerer körperlicher Kraft und weniger gesellschaftlicher Ressourcen (wie Macht und Geld) könnten Frauen tatsächlich mehr Situationen ausgesetzt sein, die im Sinne der transaktionalen Stresstheorie (Lazarus, 1966) ihre Bewältigungsmöglichkeiten überschreiten und daher zu einer erhöhten Stressbelastung führen.

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4
Q

Frauen berichten besonders in manchen Bereichen von mehr Stressoren.
Was muss man bei der Interpretation hiervon beachten

A

Diese und ähnliche Befunde lassen jedoch an sich noch keine Aufschlüsse darüber zu, ob die beobachteten Differenzen objektive Unterschiede in der Anzahl und dem Schweregrad von erleb- ten Stressoren reflektieren, oder ob sich darin eher systematische Unterschiede in der Bewertung von Situationen ausdrücken.

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5
Q

Erkläre den Ablauf einer Studie, in der die Frage nach Geschlechterunterschieden in der Wahrnehmung und Bewertung von stressrelevanten Situationen gezielt untersucht wurden. (Day & Livingstone, 2003)

A

Die Forschenden legten den Teilnehmenden dazu jeweils Vignetten von Situationen mit einem hohen Belastungspotenzial vor. Die Situationen bezogen sich auf ver- schiedene Lebensbereiche (z. B. Arbeit, Beziehung, Familie) und waren geschlechtsneutral formu- liert. Die Versuchspersonen wurden um eine Einschätzung der Stressrelevanz der jeweiligen Situation gebeten.

(Bild, Beispiel einer Vignette aus Day & Livingstone)

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6
Q

Was sind die Ergebnisse in der Studie von Day und Livingstone (2003), welche Geschlechterunterschieden in der Wahrnehmung und Bewertung von stressrelevanten Situationen untersucht

A

Es zeigte sich, dass Frauen die meisten der Situationen als deutlich stressiger einschätzten als Männer. In beiden Studien wird die Schlussfolgerung gezogen, dass die Ergebnisse darauf hindeuten, dass Frauen eine erhöhte Stressvulnerabilität aufweisen, weil sie, unabhängig von der Stärke und der Anzahl von objektiv gegebenen Belastungen, zu einer negativeren Bewertung von potenziell belastenden Situationen neigen. Es zeigte sich in diesen Studien aber auch, dass weitere Faktoren (vor allem die Ausprägung von negativer Affektivität und sozialer Unterstützung) mit der Situationsbewertung bei Frauen zusammenwirken.

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7
Q

Wie ist der Forschungsstand der geschlechtlichen Unterschiede im Umgang mit Stress verglichen zu der Wahrnehmung und Bewertung von Stress

A

Während die Frage nach Unterschieden zwischen Frauen und Männern bei der Wahrnehmung und Bewertung von Stress relativ selten explizit untersucht wurde, gibt es eine ganze Reihe von Arbeiten, die Geschlechterunterschiede im konkreten Umgang mit Stress thematisieren.

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8
Q

Erkläre die Unterschiede in Bewältigungsstrategien zwischen Frauen und Männer

A

In einer Meta-Analyse von 50 Studien fanden Tamres et al. (2002), dass Frauen fast alle der un- tersuchten Bewältigungsstrategien häufiger verwenden als Männer. Die Ausnahmen bilden Leug- nen, Isolation und Selbstbeschuldigung, wo keine Geschlechterunterschiede aufgezeigt wurden. Für Bewegung, Planung und sich abreagieren sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen nur marginal. Im Vergleich zu anderen Strategien nutzen Frauen besonders häufig solche, bei denen ein Problem verbalisiert wird, entweder gegenüber anderen Personen (wie bei der Su- che nach sozialer Unterstützung) oder in einem inneren Monolog (etwa Grübeln oder positive Selbstinstruktionen). Männer wenden hingegen häufiger problemorientierte als emotionsorien- tierte Bewältigung oder Vermeidung an.

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9
Q

Erkläre die Unterschiede in Bewältigungsstrategien zwischen Frauen und Männer in Abhängigkeit von der Art des Stressors

A

Darüber hinaus zeigten sich Geschlechterunterschiede im Bewältigungsverhalten in Abhängigkeit von der Art des Stressors. In Bezug auf gesundheitsbe- zogene Belastungen agieren Frauen ihre Emotionen häufiger offen aus als Männer. Männer nut- zen diese Art der Bewältigung häufiger als Frauen bei Leistungs- und Beziehungsprobleme

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10
Q

Welche Unterschiede in Bewältigungsstrategien zwischen Mädchen und Jungen (7-16 J) wurden gefunden.
- Suche nach sozialer Unterstützung
- Vermeidende Strategien
- Problemorientierte Bewältigung

A

Eschenbeck et al. (2007) befragten knapp 2000 Mädchen und Jungen im Alter zwischen sieben und 16 Jahren mithilfe des SSKJ 3-8 (siehe auch Kap. 4.2.1) zu ihrem Bewältigungsverhalten.

Dabei zeigte sich, dass Mädchen im Vergleich zu Jungen häufiger die Strategien Suche nach sozi- aler Unterstützung und problemorientierte Bewältigung verwenden, während Jungen vermei- dende Strategien häufiger als Mädchen nutzen. Zudem setzen Mädchen, im Vergleich zu anderen Strategien, am häufigsten problemorientierte Strategien ein. An dieser Stelle wären differenzier- tere Betrachtungen unter Berücksichtigung von weiteren Belastungsarten und unterschiedlichen Entwicklungsstufen in Kindheit und Jugend aufschlussreich gewesen.

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11
Q

Ganz generell: Was kann also über die Unterschiede in Bewältigungsstrategien zwischen Frauen und Männer gesagt werden

A

Die Ergebnisse bezüglich Geschlechterunterschieden bei problemorientiertem Coping und der Suche nach sozialer Unterstützung bei Kindern und Jugend- lichen sind denen bei Erwachsenen ähnlich: Frauen und Mädchen nutzen eher soziale Unterstüt- zung und problemorientiertes Coping als Männer und Jungen.

Im Gegensatz dazu unterscheiden sich die Ergebnisse bezüglich vermeidendem Coping zwischen den Studien: Jungen nutzen häu- figer vermeidende Bewältigung als Mädchen, was sich bei Erwachsenen genau umgekehrt gezeigt hat, da Frauen (fast) alle Strategien häufiger verwenden als Männer.
Zudem wenden Mädchen, ebenso wie Jungen und Männer, am häufigsten problemorientiertes Coping an, während Frauen am häufigsten verbalisierende Strategien einsetzen.

Geschlechterunterschiede in der Bewältigung müssen demnach insgesamt differenziert betrachtet werden, zum Beispiel in Abhängigkeit von Spezifika der Stressoren oder dem Alter.

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12
Q

Welcher weitere Aspekt ist noch wichtig zu beachten bei der Betrachtung von Geschlechterunterschieden

A

Das Geschlechtsrollenselbstkonzept:
In diesem Sinne untersuchte Lipińska- Grobelny (2011) den Einfluss des Geschlechtsrollenselbstkonzepts auf das Bewältigungsverhalten. Dabei zeigte sich, dass Personen mit einer androgynen Geschlechtsorientierung häufiger problem- orientiertes Coping und soziale Ablenkung nutzten als geschlechtstypische, geschlechtsuntypische und indifferente Personen. Außerdem berichteten androgyne Personen signifikant weniger emo- tionsorientierte Bewältigung als die anderen Gruppen.

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13
Q

Ganz generell: Auf welche Artenkönnen die offensichtlich vorhandenen systematischen Unterschiede von Frauen und Männern bei der Stressexposition, der Wahrnehmung und Bewertung sowie bei der Bewältigung von Stress erklärt werden

A

Auf zweierlei Arten erklärt: einmal als Ergebnis von geschlechtsspezifischen Sozialisationsprozes- sen, zum anderen auf einer biologischen Basis.

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14
Q

Geschlechterunterschiede im Kontext von Stress:
Wie werden sie aus der soziologischen Perspektive erklärt

A

Aus einer eher soziologischen Perspektive wird nicht das biologische Geschlecht, sondern die Ge- schlechterrolle als Ursache von verschiedenartigen Formen des Umgangs mit Stress betrachtet. Die Geschlechterrolle kann sich diesem Erklärungsansatz zufolge sowohl auf die Wahrnehmung von Stress als auch auf die Bereitschaft zum Bericht darüber auswirken.

Die Argumentation lautet zusammengefasst so: Mädchen werden im Allgemeinen weniger als Jungen negativ sanktioniert oder erhalten eventuell sogar verstärkt Zuwendung, wenn sie über Probleme und körperliche Be- schwerden berichten. Diese Reaktionen der sozialen Umwelt führen in der Folge dazu, dass sie auch im Erwachsenenalter verstärkt dazu in der Lage sind, Alltagswidrigkeiten und -probleme sowie körperliches Unwohlsein zum einen als solche wahrzunehmen und zum anderen darüber zu berichten (Mayor, 2015).

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15
Q

Geschlechterunterschiede im Kontext von Stress:
Wie werden sie aus der biologischen und evolutionspsychologischen Perspektive erklärt

A

(Will die Unterschiede in physiologischen Stressreaktionen bei den Geschlechtern berücksichtigen)
Während die Stressreaktionen aus einer Evolutionsperspektive bei Männern das Ziel hätten, Flucht oder Angriff zu erleichtern („fight-or-flight“, vgl. Kap. 1.1), hätten Stressreaktionen von Frauen eher die Funktion, in gefährlichen oder belastenden Situationen ihren Nachwuchs mög- lichst erfolgreich zu beruhigen und sozialen Anschluss zu erleichtern („tend-and-befriend“). Ent- sprechend dieser These müssten Frauen und Männer in Stresssituationen unterschiedliche neuro- endokrine Reaktionsmuster zeigen. Vor allem dem Hormon Oxytocin wird bei der Tend-and- Befriend-Reaktion eine zentrale Rolle zugeschrieben, während die Fight-or-Flight-Reaktion vor al- lem durch die Hormone Adrenalin und Noradrenalin gesteuert werde (Taylor, 2006).

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16
Q

Wie gut ist die Studienlage wenn es um Geschlechtsunterschiede in physiologischen Stressreaktionen geht und wie gut ist die Studienlage für die biologische/evolutionspsychologische Begründung für diese Unterschiede

A

Die Forschungsgruppe um Taylor (2000) weist darauf hin, dass in den bisherigen Studien zu physiologischen Stressreaktionen nur rund ein Drittel der Versuchspersonen weiblich gewesen sei, dass sich also die Stressforschung (im Gegensatz zu manchen anderen Teilgebieten der Psychologie) bisher überwiegend auf Daten männlicher Versuchspersonen gestützt und dies zu einem einseitigen Verständnis des Stresspro- zesses geführt habe.

17
Q

Wie gut ist die Studienlage für die biologische/evolutionspsychologische Begründung für diese Geschlechtsunterschiede in physiologischen Stressreaktionen

A

Die Stichhal- tigkeit dieses Ansatzes, der ein erweitertes Verständnis der Geschlechterunterschiede im Stress- prozess ermöglichen könnte, wurde bislang überwiegend anhand von Tierstudien untersucht. Umfassende empirische Studien an Frauen und Männern in unterschiedlich gearteten Belastungs- situationen könnten die Erklärungskraft dieser Theorie weiter erhärten.