6.1 Zusammenhänge von Stress und Gesundheit/Krankheit Flashcards
Stimmt der intuitive einfache Kausalität von Stress auf Krankheit
Die Vorstellung eines derartigen Zusammenhangs von Stress und Krankheit hat eine hohe intuitive Plausibilität: Etwas Negatives (hohe Belastungen, d. h. „Stress“) führt zu einer negativen Reaktion (Krankheit oder Krankheitssymptome). Einige wichtige Einschränkungen, die bei dieser Art der Betrachtung außer Acht gelassen werden, sprechen jedoch dafür, dass diese einfache Kausalität (Stress -> Krankheit) keinesfalls allgemeingültig ist.
Erkläre Gründe, warum eine einfache Kausalität von Stress auf Krankheit nicht allgemeingültig ist
- Zunächst einmal hat Stress nicht zwangsläufig negative Folgen für die Gesundheit (Dhabhar, 2018). Selbst unter extrem kontrollierten Bedingun- gen entwickeln bei weitem nicht alle Personen mit einer Stressexposition Krankheitssymptome (vgl. auch Abb. 6.1; Cohen et al., 1991).
- Darüber hinaus ist es häufig schwierig, den genauen Beginn einer Erkrankung festzulegen, da sich viele Krankheiten langsam fortschreitend entwickeln und die Entstehung bereits begonnen hat, lange bevor die Krankheit tatsächlich ausbricht. Was also eine stressverursachte Krankheit zu sein scheint, könnte in Wirklichkeit ein stressbedingtes Fortschreiten einer zuvor unerkannten oder noch nicht ausgebrochenen Erkrankung sein (Cohen et al., 2019).
- Bei den empirischen Arbeiten, die tatsächlich zeigen, dass Stress das Auftreten von Krankheiten begünstigen kann, handelt es sich um recht spezifische Untersuchungen, deren Er- gebnisse demnach nicht zwangsläufig generalisierbar sind
(etwa um experimentelle Untersuchun- gen zum Zusammenhang zwischen Stresserleben und induzierten Krankheitssymptomen, Forschungsarbeiten zu den Folgen psychologischer Traumata, oder Überlegungen zu psychosomatischen Erkrankungen.)
Ganz generell: Was gilt als gesichert beim Zusammenhang zwischen Stress und Krankheit/Gesundheit
Trotz dieser Einschränkungen gilt es insgesamt dennoch als gesichert, dass Stress physiologische und psychologische Konsequenzen nach sich ziehen kann, die sich wiederum auf das Krankheits- erleben und den Gesundheitszustand auswirken können.
Ganz generell: Wie unterscheiden sich die Sichtweisen dabei, was genau den Zusammenhang zwischen Stress und physiologischen/psychologischen Konsequenzen ausmacht
So untersuchen verschiedene Forschungs- gruppen, Stress und Stresssituationen und deren gesundheitliche Auswirkungen auf sehr unterschiedliche Arten und legen ihren Untersuchungen unterschiedliche Stresskonzeptionen und -theorien zugrunde (z. B. Stress als Anpassungsreaktion, Stress als Situation, Stress als Bewertung; vgl. Kap. 1; Cohen et al., 2019).
Diesen Umstand gilt es bei der Betrachtung und Einordnung von Studienergebnissen zum Zusammenhang von Stress und Krankheitsgeschehen zu berücksichti- gen.
Erkläre kurz um was es in den Pittsburgh Cold Studies ging
Die Forschungsgruppe um Sheldon Cohen untersuchte in einer Reihe von experimen-
tellen Studien, den sogenannten Pittsburgh Cold Studies, den Zusammenhang von unterschiedlichen psychologischen, sozidemografischen und verhaltensbezogenen
Aspekten und dem Auftreten von Erkältungskrankheiten und erarbeiteten so eine umfassende Datenbank, welche sie auch für die Nachnutzung in Forschungsprojekten zur Verfügung stellen (verfügbar unter: https://e.feu.de/commoncold)
In diesen Studien setzten die Forschenden, die Teilnehmenden unter kontrollierten Bedingungen einer viralen Herausforderung aus, um anschließend zu untersuchen, wer krank wird und wer gesund bleibt.
Erkläre exemplarisch eine Voruntersuchung in den Pittsburgh Cold Studies
Voruntersuchung:
An den ersten zwei Studientagen wurde der Gesundheitszustand der Teil- nehmenden umfassend untersucht und verschiedene Immunparameter im Blutserum gemes- sen. Zusätzlich füllten die Teilnehmenden eine Reihe von Fragebögen zu Persönlichkeit, Ge- sundheitsverhalten und Stress (eine Liste wichtiger Lebensereignisse, ein Fragebogen zu negativen Emotionen und die Perceived Stress Scale; Cohen et al., 1983; vgl. Kap. 5) aus. Das erlebte Maß an Stress wurde als Index der drei Stressfragebögen operationalisiert.
Erkläre exemplarisch die Manipulation und Messung der abhängigen Variablen in den Pittsburgh Cold Studies
Manipulation und Messung der abhängigen Variablen:
Nach der Voruntersuchung er- hielten die Teilnehmenden Nasentropfen (wie in Abb. 6.1 links dargestellt), die entweder einen von fünf Erkältungsvirusstämmen oder eine Salzlösung (Kontrollgruppe) enthielten. Für zwei Tage vor der experimentellen Manipulation und sieben Tage danach lebten die Teilnehmenden in Quarantäne und wurden täglich auf sichtbare Erkältungssymptome untersucht (z. B. lau- fende Nase, Halsschmerzen, schmerzende Nasennebenhöhlen, Anzahl benutzter Taschentü- cher). In Abbildung 6.1 rechts wird beispielhaft die Messung von Erkältungssymptomen an- hand des Nasenschleims in den verbrauchten Taschentüchern dargestellt.
(Abbildung 6.1)
Erkläre exemplarisch die Nachuntersuchung in den Pittsburgh Cold Studies
Nachuntersuchung:
Nach 28 Tagen wurde das Blutserum erneut auf Immunparameter un- tersucht. Als infiziert galten die Teilnehmenden, wenn das Virus im Blut nachgewiesen werden konnte oder der Virus-spezifische Antikörperlevel signifikant höher als zu Beginn der Studie war. Als erkrankt galten sie, wenn sie sichtbare Symptome zeigten.
Erkläre exemplarisch die Ergebnisse in den Pittsburgh Cold Studies
Ergebnisse: Die Analysen wurden getrennt für die Infektions- und Erkrankungswahrschein- lichkeit durchgeführt. Die Ergebnisse ergaben sowohl zwischen dem Stress-Index und der Er- krankungswahrscheinlichkeit als auch zwischen dem Stress-Index und der Infektionswahr- scheinlichkeit deutliche positive Zusammenhänge (siehe Abb. 6.2). Diese blieben auch nach Einbezug der Kontrollvariablen (z. B. Alter, Geschlecht, Gesundheitsverhalten, Allergiestatus) bestehen. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass erhöhtes Stresserleben vor einer viralen Herausforderung die Infektions- und Erkrankungswahrscheinlichkeit erhöhen kann.
(Abbildung 6.2)
Was ist der Vorteil des experimentellen Designs der Pittsburgh Cold Studies
Der Goldstandard, um kausale Zusammenhänge zu testen, ist ein experimentelles Design. Der Vorteil eines derartigen experimentellen Designs ist, dass viele externe Einflussfaktoren kon- trolliert werden können. Auch der Einfluss von Erinnerungsverzerrungen und subjektivem Emp- finden kann minimiert werden. Insgesamt liefern die Ergebnisse demnach relativ stichhaltige Ar- gumente für einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Stresserleben und dem Ausbruch von Erkältungskrankheiten.
Was ist der Nachteil des experimentellen Designs der Pittsburgh Cold Studies
Durch die kontrollierten Rahmenbedingungen ist die Generali- sierbarkeit eingeschränkt. Zudem sind bei dieser Art von Studien zurecht besonders strenge ethi- sche Richtlinien zu berücksichtigen. Dementsprechend sind experimentelle Studien nicht für die Untersuchung aller Arten von Stressoren (z. B. selten auftretende schwerwiegende Ereignisse) o- der Krankheiten (z. B. schwere und chronische Erkrankungen) geeignet.
Gab es alternative Studien zu den Pittsburgh Cold Studies, welche den Zusammenhang zwischen Stresserleben und Atemwegsinfektionen untersuchte
Der Zusammenhang von Stresserleben und Atemwegsinfektionen wird auch von weiteren Studien gestützt. Pederson et al. (2010) untersuchten in einer Meta-Analyse anhand von 27 prospektiven naturalistischen und experimentellen Studien, inwiefern Stress und Infektionen der oberen Atem- wege zusammenhängen. Die Ergebnisse zeigten, unabhängig von der Erhebungsart von Stress und der Erfassungsmethode von Atemwegsinfektionen sowie dem Studientyp, einen klaren Zu- sammenhang zwischen Stresserleben und nachfolgender Erkrankung.
Für welche Erkrankung ist Stress, abgesehen von Atemwegsinfektionen, auch ein bekannter Risikofaktor. Was unterstützt diese Annahme
Stress ist ein bekannter Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Dimsdale, 2008).
Was unterstützt die Annahme, dass Stress ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist
In mehreren Längsschnittstudien zeigte sich ein Zusammenhang zwischen verschiedenen Stressoren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Steptoe & Kivimäki, 2013). Überdies wurde in natu- ralistischen Studien zu den Folgen von Naturkatastrophen (z. B. Erdbeben oder Tsunamis) ein deutlicher Anstieg an Herz-Kreislauf-Ereignissen beobachtet. Dieser wird unter anderem auf das überdurchschnittlich hohe Stresserleben in derartigen Situationen zurückgeführt (Dimsdale, 2008).
Nenne ein Problem bei vielen Studien zwischen Stress und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Bei den meisten dieser Arbeiten handelt es sich allerdings um Beobachtungsstudien, die sich zu einem großen Teil auf Selbstberichte berufen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Selbstberichte von physischen Symptomen nicht immer objektiv sind. Dies kann zu Verzerrungen bei selbstberichteten Symptomen führen.